Übernahmeschock: Ausgeliefert an fremde Mächte |
|
Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung |
|
Nur wenn die Not groß und das Selbstvertrauen eines Unternehmens ziemlich angeknackst
ist, kommt es vor, dass die Nachricht von einer bevorstehenden Übernahme
mit Erleichterung aufgenommen wird. Dann kann der Käufer den Betroffenen
wie ein rettender Engel erscheinen. Doch im Normalfall löst die Ankündigung
einen Schock aus. Denn anders als
bei einem bloßen Wechsel der Eigentumsverhältnisse
müssen die Mitarbeiter und Führungskräfte des übernommenen Unternehmens
hier auf buchstäblich alles gefasst sein: von der Schließung oder
Zerschlagung über eine Eingliederung bis zu einer weitgehend eigenständigen
Fortführung. |
|
|
Solche Befürchtungen könnte man für überzogene Katastrophenphantasien
halten: Weshalb sollte ein Unternehmen ein anderes kaufen, nur um
es hinterher zu zerschlagen oder zuzusperren? Doch erstens schafft
Wahrnehmung Realität, auch wenn solche Maßnahmen gar nicht vorgesehen
sind. Und zweitens gibt es solche Fälle durchaus: Etwa dann, wenn
ein Unternehmen in einem Markt mit erheblichen Überkapazitäten einen
angeschlagenen Wettbewerber kostengünstig kauft, um dessen Kunden
zu übernehmen und durch dessen Schließung Kapazitäten aus dem Markt
zu nehmen, um so die Preise zu stabilisieren. Auch eine Zerschlagung
ist durchaus nicht auszuschließen, etwa wenn der Käufer nur
an einzelnen Filetstücken interessiert ist und den Rest entweder
verkauft oder dicht macht. Oder wenn ein Finanzinvestor Teile des gekauften Unternehmens weiterverkauft, um so einen Teil seines Kaufpreises wieder hereinzubekommen. |
|
Zerknitterte Gefühlslage |
|
Nun kann man einwenden, auch wenn dies vielleicht nicht völlig auszuschließen sei, seien es doch die extremsten und unwahrscheinlichsten
Möglichkeiten. Das stimmt in der Tat. Aber es entspricht nun
einmal der menschlichen Natur, die Aufmerksamkeit der größten möglichen Bedrohung
zuzuwenden, statt auf einen günstigen Verlauf zu hoffen.
Auch wenn dies für das Management zuweilen extrem störend ist: Offenbar
hat sich dieses Muster im Laufe der Evolution bewährt. |
|
Was die Sache für die betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte
noch schlimmer macht, ist, dass sie ihre Lage nicht beeinflussen
können, sondern hilflos den Entscheidungen des Übernehmers ausgeliefert
sind. Zwar wissen oder ahnen die meisten, dass sie als Arbeitnehmer
gewisse Schutzrechte gegenüber möglicher Willkür des Übernehmers haben.
Doch selbst die genaue Kenntnis der in Deutschland geltenden Gesetze
etwa zum Betriebsübergang und zum Kündigungsschutz ändert wenig an dem Gefühl des Kontrollverlusts,
das sie erleben, und der Zukunftsangst, die sie plagt. |
|
Dazu kommt oftmals ein "Verlierer-Gefühl". Von einem Wettbewerber
übernommen zu haben, bedeutet ja, das Spiel (manche würden auch
sagen: den Krieg) verloren zu haben – "vae victis!" Das ist
ein schwerer Schlag für das Schlag für das Selbstwertgefühl – insbesondere
für diejenigen, die sich stark mit ihrem alten Unternehmen identifizieren.
Gerade für sie, die sich wirklich angestrengt und viel geleistet haben, wirft
es unausgesprochen die Frage auf, ob sie überhaupt gut genug sind
für diese Welt bzw. für dieses Wettbewerbsumfeld. Sie fühlen sich
wie die Leistungsträger einer Fußballmannschaft, die gerade abgestiegen
ist. Mit diesem angeknacksten Selbstvertrauen reagieren sie besonders
sensibel und empfindlich darauf, wie das übernehmende Unternehmen
nun mit ihnen umgeht. |
Minderwertig-
keitsgefühle
|
|
Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem neuen Buch "Systemische Post-Merger-Integration – Dem Culture Clash zuvorkommen und Unternehmenskulturen wirklich integrieren" (Schäffer-Poeschel 2017). Es gibt Ihnen eine systematische, leicht verständliche Einführung in das Gesamtthema und zeigt, wo die Fallstricke bei der Integration von Unternehmen liegen und worauf Sie Ihr Augenmerk richten sollten, um Ihre Integration zum Erfolg zu führen.
Mehr Informationen über das Buch "Systemische Post-Merger-Integration"
|
Buchhinweis "Systemische Post-Merger-Integration"
|
|
Drohenden Auflösungserscheinungen entgegenwirken |
|
Dieses Gemisch aus Angst,
Resignation,
Kontrollverlust
und angeknackstem Selbstvertrauen kann zum Sprengsatz für den Übernehmer
werden. So wie aus einer abgestiegenen Fußballmannschaft viele
Spieler abwandern, um auf diese Weise das "Loser-Image" abzustreifen, zeigt
oft auch die Führungsmannschaft eines übernommenen Unternehmens
baldige Auflösungserscheinungen. Nur die Hoffnung auf eine gepflegte Abfindung hält manche noch für eine
Weile im Unternehmen. Doch ein oder zwei Jahre nach einer Übernahme
sind oftmals nur noch ein Drittel oder ein Viertel der alten Führungsmannschaft
an Bord, und das liegt nur zum Teil an bewussten Entscheidungen
des Übernehmers. |
|
Wenn Sie daher für das Management einer Integration verantwortlich
sind, dann haben Sie ein besonderes Augenmerk auf die Schlüsselpersonen
des übernommenen Unternehmens! Je wichtiger die Qualität
der Mitarbeiter und die Beziehungskontinuität zu Kunden und
Lieferanten für den Erfolg Ihres Geschäfts ist, desto wichtiger
ist es, die betroffenen Schlüsselpersonen im Unternehmen zu halten.
Wenn Sie zum Beispiel in einem Know-how-intensiven Geschäft die
wichtigsten Wissens- und Leistungsträger verlieren, haben Sie im
Resultat ziemlich viel Geld für gebrauchte Büromöbel ausgegeben. |
Schlüssel-
personen "einfangen" |
|
Die Bindung dieser Schlüsselpersonen wird Ihnen nur dann gelingen, wenn
Sie offen auf sie zugehen, sie mit spürbarer Wertschätzung behandeln
und ihnen schnellstmöglich Orientierung über ihre künftigen Aufgaben
und Rahmenbedingungen vermitteln. Auch um die Loyalität
der übrigen Mitarbeiter zu gewinnen und nicht nur eine von Resignation
und Apathie geprägte Mannschaft zu haben, ist frühzeitige (!) offene Kommunikation, menschliche Zuwendung
und klare Orientierung von entscheidender Bedeutung. Was in den
ersten Wochen gewonnen wird, ist eine wertvolle Grundlage für den
Erfolg der Integration – was hier kaputt gemacht wird, ist später,
wenn überhaupt, nur noch mit ungleich höherem Aufwand korrigierbar. |
Frühzeitige offene
Kommunikation |
|
Sie planen gerade ein Change-Projekt, bei dem es um derartige Themen geht? Oder haben eine verwandte Fragestellung, zu der Sie fachkundige Unterstützung oder eine kompetente Hintergrund-Beratung suchen? Dann sprechen Sie uns gerne an!
Link zum Kontaktformular
oder direkte Mail an w.berner(at)umsetzungsberatung.de
oder Telefon +49 / 9961 / 910044 |
Wir unterstützen Sie gern!
|
|
© 2002 Winfried Berner / letzte Revision 17.12.2017 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
|
|
Verwandte Themen:
Abwanderung
Kontrollverlust
Risikobereitschaft
Kommunikation bei Fusionen
|
|