Die Umsetzungsberatung

Psychologie der Veränderung

Sanktionen: Festigkeit und Konsequenz statt drakonischer Strafen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Im Alltag sind Sanktionen ziemlich dicht gesät – jedenfalls wenn man darunter nicht nur offizielle Bestrafungen wie Abmahnungen, Geldbußen oder Kündigungen versteht, sondern jede Art von negativen Reaktionen der Umgebung das Handeln von Menschen. Im internationalen Vergleich scheinen wir Deutsche sogar besonders schnell mit negativen Reaktionen bei der Hand zu sein: Spontane Abwehr gegen Vorschläge, einseitige Überbetonung der negativen Aspekte bei der Beurteilung von Menschen, heftige Kritik an gemachten Fehlern, aber kaum Anerkennung für positive Leistungen. Doch so locker der Colt bei informellen Sanktionen sitzt, so schwer tun sich Führungskräfte und Unternehmen mit formellen Sanktionen: Leistungsbeurteilungen sind überwiegend positiv verfälscht, und bis einmal eine formale Ermahnung oder Abmahnung ausgesprochen wird, muss schon sehr viel passieren.

  • Alltag voller Sanktionen
  • Zunächst eine Begriffsklärung: In der Soziologie ist es gebräuchlich, den Begriff Sanktionen neutral zu verwenden, also sowohl für negative als auch für positive Handlungskonsequenzen. Demnach wäre eine anerkennende Bemerkung oder eine Beförderung auch eine "Sanktion". Mit dieser Auslegung stehen die Soziologen jedoch ziemlich alleine; im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff eindeutig negativ belegt. Da man vom allgemeinen Sprachgebrauch nur dann abweichen sollte, wenn es dafür einen wichtigen Grund gibt, und ein solcher Grund nicht ersichtlich ist, halten wir uns hier an die gebräuchliche Verwendung des Wortes und verwenden den Begriff Sanktion ausschließlich für negative (oder, psychologisch gesprochen, "aversive") Handlungskonsequenzen.

  • Zum Begriff "Sanktion"
  • Die Wirkmechanismen von Sanktionen

     

    Die unmittelbare psychologische Wirkung von Sanktionen ist, dass sie die Kosten-Nutzen-Bilanz eines Verhaltens zum Negativen verschiebt: Ein Verhalten, auf das die Umgebung negativ reagiert, verliert für die handelnde Person an Attraktivität; es wird "entmutigt". Nach den Gesetzen der Lernpsychologie ist daher zu erwarten, dass das betreffende Verhalten seltener wird und schließlich ganz verschwindet. Das gilt insbesondere, wenn negative Reaktionen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf ein Verhalten erfolgen; dann wird den Betreffenden dieses Verhalten buchstäblich ausgetrieben. (Der Fachbegriff dafür heißt "aversive operante Konditionierung".)

  • Sanktionen beeinflussen Kosten-Nutzen-Bilanz
  • Die psychologische Lernforschung hält noch weitere Erkenntnisse über die Wirkungsweise von Sanktionen bereit. Die vielleicht wichtigste ist, dass die Steuerungswirkung von Sanktionen umso größer ist, je enger sie zeitlich mit dem zu verändernden Verhalten zusammentreffen ("Kontingenz"). Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nur wenn der Adressat den Bezug der Sanktion zu seinem eigenen Handeln erkennt und vor allem emotional erlebt, wird sie sein künftiges Handeln beeinflussen. Wenn diese Verbindung abreißt, weil der zeitliche Abstand zu groß ist, verlieren Sanktionen ihre Wirkung.

  • Kontingenz:
    Enge zeitliche Verbindung
  • Daraus ist oft der falsche Schluss gezogen worden, dass die präventive Wirkung einer rechtsstaatlichen Strafverfolgung gering sei, weil die Verurteilung und Bestrafung erst sehr lange nach der Tat folge. Aber das ist ein Denkfehler, denn für einen Straftäter wirkt ja nicht erst das Rechtskräftig-Werden des Urteils nach Ausschöpfung des Instanzenwegs als Sanktion, sondern bereits die polizeiliche Verfolgung und Festnahme. Ja, schon die gedankliche Vorwegnahme einer drohenden Strafverfolgung kann mit Fug und Recht als aversive Handlungsfolge angesehen werden. In jedem Falle aber ist die zeitliche Verbindung der Sanktion für deren Wirksamkeit weitaus wichtiger als ihre Härte.

  • Innerliche Vorwegnahme
  • Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Häufigkeit bzw. Regelmäßigkeit von Sanktionen. Erwartungsgemäß stellt sich heraus, dass ein Verhalten dann am schnellsten verschwindet, wenn es mit hoher Regelmäßigkeit aversive Konsequenzen nach sich zieht. Allerdings kann dieses Verhalten relativ schnell wieder zurückkehren, wenn die Sanktionen wegfallen. Wenn es daher darum geht, ein Verhalten dauerhaft zu "löschen", erweisen sich sogenannte intermittierende Sanktionen als wirksamer, also solche, die nicht regelmäßig erfolgen, aber mit einer gewissen Häufigkeit.

  • Frequenz: Intermittierende Bestrafung
  • Auch das ist auf den zweiten Blick einleuchtend, denn wenn die Sanktionen bislang jedesmal auf das Verhalten folgten und nun zwei- oder dreimal nicht mehr kommen, dann ist es sehr plausibel anzunehmen, dass es sie aus irgendeinem Grund nicht mehr gibt. Und jeder neue "sanktionslose" Versuch wird dann dadurch belohnt, dass die bislang gewohnte Sanktion erwartungsgemäß ausbleibt: Man hat also Recht gehabt. Erfolgen die Sanktionen hingegen unregelmäßig, bedeuten zwei oder drei folgenlose Versuche noch lange keine Entwarnung: Die Sanktion könnte ja auch erst beim dritten, sechsten oder elften Mal erfolgen. Die Ungewissheit besteht also weiter und verlängert die Wirkung.

  • Ungewissheit verlängert die Wirkung
  • Was nichts bringt

     

    Wenn Sanktionen jedoch zu selten erfolgen, verlieren sie ihre Wirkung, wie man zum Beispiel im Straßenverkehr feststellen kann. Wo Geschwindigkeits- und Alkoholkontrollen mit ausreichender Häufigkeit stattfinden, greift das gerade beschriebene Prinzip der intermittierenden Sanktion, und die disziplinierende Wirkung ist hoch. Wo sie hingegen nur sehr sporadisch stattfinden, verlieren sie weitestgehend ihren Effekt und werden zum vernachlässigbaren "Restrisiko", an das man sich ebenso gewöhnt wie an die abstrakte Gefahr eines Verkehrsunfalls oder eines tätlichen Angriffs. Das Gleiche gilt auch im Unternehmen: Wenn bestimmte Verstöße nur extrem selten negative Konsequenzen haben werden, hat dies entweder überhaupt keine verhaltenssteuernde Wirkung oder nur eine vorübergehende, "solange der Schreck noch frisch ist". So wie man, nachdem man "geblitzt" wurde, die ersten drei Kilometer danach noch etwas langsamer fährt.

  • Zu geringe Frequenz macht Sanktionen zum "Restrisiko"
  • Genau wie bei der Motivation gilt im Übrigen auch für Sanktionen, dass sie nur dann greifen, wenn sie an den tatsächlichen Motiven, Zielen und Bedürfnissen ihrer Adressaten ansetzen. Wenn einem Mitarbeiter die Anerkennung seines Chefs sehr wichtig ist, wird ihn dessen Kritik stark beeinflussen – wenn er seinen Chef hingegen für einen unfähigen Widerling hält, mit dem er sowieso auf Kriegsfuß steht, mag dessen "Gemecker" sogar eine grimmige Genugtuung auslösen. Ähnliches gilt für formelle Sanktionen: Wenn ein Mitarbeiter nur noch auf eine Gelegenheit wartet, das Unternehmen mit einer Abfindung verlassen zu können, wird ihn eine Kündigungsdrohung nicht zur Räson bringen, sondern zu einer Verstärkung des unerwünschten Verhaltens veranlassen. Auch der Einsatz von Sanktionen erfordert also ein Mindestmaß an Einfühlung.

  • Auch hier: Ansetzen an den Motiven
  • Völlig in ihrer Bedeutung überschätzt wird im Alltag hingegen die Härte der Sanktionen. Zwar müssen Sanktionen natürlich in einer vernünftigen Relation zu der Schwere des Regelverstoßes stehen: Wer auf einen Korruptionsfall nur mit einer unverbindlichen Ermahnung reagiert, macht sich lächerlich und weckt Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit. Doch bringt es wenig, die Härte der Sanktionen nach oben zu schrauben; für die Abschreckungswirkung viel wichtiger ist die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Denn je sicherer man sich sein kann, nicht erwischt zu werden, desto irrelevanter wird, mit welcher Strafe man in diesem Fall zu erwarten hätte. Der Reflex von Politik und Öffentlichkeit, bei spektakulären Verbrechen härtere Strafen zu fordern, geht deshalb völlig ins Leere – und bedient eher Rachemotive, als einer wirksameren Abschreckung zu dienen.

  • Nicht Härte, sondern Konsequenz
  • Wer persönlich zu harten Sanktionen neigt, tut gut daran zu überprüfen, ob er damit möglicherweise ein Bedürfnis nach Rache und Vergeltung auslebt oder ob er damit seiner Umgebung imponieren will. Was beides nicht nur unangebracht wäre, sondern ausgesprochen gefährlich. Denn die Verbindung von überzogener Härte mit spürbarer Feindseligkeit ist nicht nur der optimale Nährboden für einen Machtkampf und verdeckte Racheakte. Auch auf die Umgebung wirkt es nicht gerade vertrauensbildend, wenn jemand mit überzogener Härte reagiert. Im Führungsalltag werden hier häufig zwei Fehler kombiniert: Erst wird aus Konfliktscheu und Harmoniebedürfnis zu lange weggeschaut; wenn dann die Toleranzschwelle überschritten ist, wird oft mit viel zu großem Kaliber geschossen, das heißt mit übertriebener Härte interveniert.

  • Härte schadet mehr als sie nützt
  • Erhebliche Risiken und Nebenwirkungen

     

    Worüber man in den Lehrbüchern wenig liest, ist, welches Konfliktpotenzial in Sanktionen steckt. Denn in der Realität laufen Sanktionen selten so ruhig und "technisch" ab wie sich diese Beschreibungen anhören. Vielmehr lösen sie Emotionen aus. Die typische Reaktion auf Sanktionen ist Frustration, also eine Mischung aus Überraschung, Enttäuschung und Zorn – auch wenn wir das im Alltag meist mehr oder weniger elegant zu überspielen versuchen. Diese Gefühlsmischung kennt vermutlich jeder, der schon einmal in eine Geschwindigkeitskontrolle geraten ist oder einen Strafzettel an seinem Auto vorgefunden hat.

  • Sanktionen lösen Emotionen aus
  • Ärger und Empörung sind umso größer, je überraschender und härter die Sanktion ist, aber auch, je ungerechter und willkürlicher sie dem Betroffenen erscheint. Wenn die Geschwindigkeitsmessung an einer "unfairen Stelle" aufgebaut war, löst sie weniger Einsicht und Reue aus als Wut – wobei bei vielen Menschen die Neigung groß ist, wenn sie selbst betroffen sind, beinahe jede beliebige Stelle für unfair zu erklären: Offenbar ist Ärger das angenehmere Gefühl als Reue.

    Selbst ein unschuldiger Balken, an dem sie sich den Kopf angestoßen haben, kann Menschen in helle Wut versetzen, obwohl sie ihm kaum eine böse Absicht vorwerfen können: "Dieser saublöde Balken ...". Erst recht gilt das für Sanktionen von Vorgesetzten oder Kollegen, von deren Heimtücke und böser Absicht sie im Zweifelsfall sofort überzeugt sind, und mit denen sie ab dann eine Rechnung offen haben: In sehr vielen Fällen bewirken Sanktionen nicht Einsicht und Umkehr, sondern wecken bloß den Wunsch nach Rache.

  • Ärger und Empörung
  • Doch während der Balken die Rache nicht zu fürchten braucht, sind Rachegelüste für die soziale Umgebung durchaus ein Faktor, den sie ins Kalkül ziehen muss. Jedenfalls wäre es naiv, Sanktionen für ein Steuerungsinstrument zu halten, das frei von Risiken und Nebenwirkungen ist. Gleich ob Vorgesetzte Sanktionen ausüben oder Kollegen, sie sollten in jedem Fall darauf gefasst sein, dass ihre Adressaten dies nicht einfach wegstecken und ihr Verhalten in der gewünschten Weise ändern, sondern mehr oder weniger heftig und emotional darauf reagieren. (Das Gleiche gilt im privaten Bereich für Sanktionen, die von Eltern, Erziehern oder auch Lebenspartnern gesetzt werden.) Dabei ist es noch der harmlosere Fall, wenn die Betroffenen darauf mit beleidigtem Rückzug, Beschimpfungen oder Retourkutschen reagieren.

  • Rückzug oder Beschimpfung

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  • Rachegelüste und offene Rechnungen

     

    Weit tückischer sind verdeckte Racheaktionen, zu denen Menschen gerne und lustvoll dann greifen, wenn sie offenen Widerstand entweder nicht wagen oder aus taktischen Gründen nicht für ratsam halten: Vom gezieltem Anschwärzen und Intrigen über sogenannte Missverständnisse bis hin zu kunstvollem Versagen ist hier alles drin. Da die Vorgesetzten so etwas natürlich nicht hinnehmen wollen, reagieren sie mit erneuten Sanktionen – und münden so nicht selten in einen offenen oder verdeckten Machtkampf.

  • Rache und Machtkampf
  • In diese Kategorie zählen auch jene beliebten destruktiven Sitzungen, in denen manche Beteiligte nur noch nach dem Motto agieren: "Haust du meinen Vorschlag, hau ich deinen Vorschlag!" Natürlich lässt sich jede dieser Kritiken rational und analytisch untermauern; immer handelt sich um das, was der Konfliktforscher Friedrich Glasl als "dementierbare Bestrafungen" bezeichnet. Doch trotz aller analytischen Ausreden ist der tiefere Zweck der Einwände offensichtlich: Die Beteiligten benutzen ihren Verstand dann nicht mehr, um eine gute Lösung zu finden, sondern um Vergeltung für vorausgegangene Kränkungen zu üben.

  • Dementierbare Bestrafungen
  • Da Sanktionen meist von Personen gesetzt werden, sind sie in aller Regel auch eine Belastung der Beziehung. Dies gilt umso mehr, je mehr sie spürbar von Emotionen – wie Zorn, Ärger oder Wut – getragen sind und von ihrer unausgesprochenen, aber spürbaren Intention her kränken, verletzen oder entwerten sollten. Denn empfangene Verletzungen vergißt man nicht so leicht wie die, die man selbst ausgeteilt hat. Sie belasten jede künftige Zusammenarbeit, gleich ob sie sich in einem Bedürfnis nach Rache oder in Selbstzweifeln und Unsicherheit niederschlagen.

  • Belastung der Beziehung
  • Letzteres kommt zum Beispiel dann zum Tragen, wenn ein Vorgesetzter mit einem Mitarbeiter in vieler Hinsicht unzufrieden ist und deshalb "an allem und jedem etwas auszusetzen hat". Je breiter und umfassender seine Kritik ist, desto mehr verunsichert und entmutigt sie den Mitarbeiter, mit der Folge, dass der immer ängstlicher an seine Aufgaben herangeht und noch häufiger versagt. Beziehungsbelastung und wachsende Entmutigung schaukeln sich so gegenseitig hoch. Dabei können auch "persönliche Altlasten" eine Rolle spielen: Viele Menschen kennen solch eine verunsichernde Dauernörgelei aus ihrem früheren Leben, etwa von ihren Eltern oder von manchen Lehrern, sodass in der aktuellen Situation belastende Erinnerungen und Gefühle wach werden.

  • Verunsicherung und Entmutigung
  • Aber das ist immer noch nicht alles: Wenn sich erst einmal ein Machtkampf entwickelt hat, bekommen Sanktionen darin eine ganz eigenartige Rolle. Auch wenn wohl alle, die Sanktionen setzen, ihr Handeln als Reaktion auf ein vorausgegangenes unerwünschtes Verhalten sehen, ist ihnen meist nicht klar, in welchem Umfang es tatsächlich oft nur eine Reaktion ist – und zwar eine, die gezielt provoziert und kalkuliert wurde. Ähnlich wie Kinder ihre Eltern oftmals in Machtkämpfe verstricken, wenn die Beziehung erst einmal belastet ist, setzen auch Mitarbeiter Fehlverhalten zuweilen gezielt ein, um neue Sanktionen zu provozieren.

    In dieser Art von Machtkämpfen geht es, wie die Individualpsychologen Rudolf Dreikurs und Loren Grey in ihrem Buch Kinder lernen aus den Folgen treffend geschrieben haben, nicht um den Sieg, sondern darum, den anderen zu ärgern und auf die Palme zu bringen, also letztlich um Rache und um Macht über seine Emotionen. Die "Strafen" werden dann mit Gleichmut und einer gewissen Genugtuung ertragen. Infolgedessen sind solche Machtkämpfe für die theoretisch stärkere Seite kaum zu gewinnen.

  • Kalkulierte Provokation
  • Ganz ohne Sanktionen geht es leider nicht

     

    Angesichts all dieser Risiken und Nebenwirkungen wäre der Idealfall sicherlich, wenn man in der beruflichen Zusammenarbeit gänzlich ohne Sanktionen auskommen könnte. Aber das ist wohl wenig realistisch. Denn wir haben es leider nicht nur mit reifen, verantwortlich handelnden, leistungsbereiten Individuen zu tun, sondern auch mit solchen, die verwöhnt sind, ihren angemessenen Beitrag verweigern und/oder nur begrenzt dazu bereit sind, die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Solche Tendenzen sind zwar mit Sanktionen nicht zu "heilen", dennoch können Vorgesetzte und Unternehmen nicht alles hinnehmen.

  • Verwöhntes und unreifes Handeln
  • Wenn bestimmte Grenzen über- bzw. unterschritten sind, ist ein Einschreiten notwendig, um die "untere Grenze des Akzeptablen" zu markieren. Wenn ein Vorgesetzter unzureichende Leistungen durchgehen lässt, verschiebt er damit den Mindest-Leistungsstandard, der in seinem Verantwortungsbereich gilt, nach unten. Viele Mitarbeiter werden dies als Ärgernis empfinden; wenigstens ein Teil von ihnen wird die eigene Leistung ebenfalls nach unten anpassen: "Wenn der damit durchkommt, warum soll ich mehr anstrengen?" Das heißt in der Konsequenz: Durch "Wegschauen" leisten Vorgesetzte nicht nur einem Abschmieren der Gesamtleistung Vorschub, sondern auch einem Zerfall des Teamgeists.

  • Die untere Grenze des Akzeptablen
  • Andererseits sollte man mit Sanktionen äußerst sparsam umgehen. Zu häufig eingesetzt, belasten sie die Zusammenarbeit und schaffen ein destruktives, entmutigendes Grundklima: Wenn man ständig damit rechnen muss, eins auf den Deckel zu bekommen, sind die meisten Menschen permanent in der Defensive und reflektorisch zu Rechtfertigungen oder Gegenangriffen bereit. Als abschreckendes Beispiel kann die Situation in vielen Familien dienen: Allzu oft sind die Kinder, aber auch die Ehepartner durch das ständige Meckern und Schimpfen derart abgestumpft, dass es letztlich überhaupt nichts mehr bewirkt außer einer unerträglichen Belastung des Klimas und allseitiger Gereiztheit. Nur wenn Sanktionen die Ausnahme sind und nicht die Regel, haben sie überhaupt eine steuernde und korrigierende Wirkung.

  • Äußerst sparsamer Einsatz
  • Und schließlich ist bei Sanktionen, gerade weil sie unangenehm und belastend sind, noch wichtiger als bei Motivationsmaßnahmen, dass sie berechenbar und die Kriterien transparent sind. Wenn für die Mitarbeiter nicht vorauszusehen ist, wann und worauf ihr Chef ärgerlich reagiert, dann haben seine Interventionen auch keine Orientierungsfunktion, sondern wirken nur launenhaft und willkürlich. Die Folge unberechenbarer Sanktionen jedoch sind Angst, übervorsichtiges Verhalten und Fatalismus: "Ist egal, mach' es einfach irgendwie. Mann kann es dem Alten ja sowieso nicht recht machen. Wenn er seinen Rappel bekommt, macht er eh alles nieder!" Der Kollege Michael Löhner hat die Rat- und Hilflosigkeit, die unberechenbare Sanktionen auslösen, einmal sehr treffend charakterisiert: "Ich kann Ihnen nicht sagen, was ich von Ihnen erwarte, aber ich werde sehr böse werden, wenn sie es nicht tun!"

  • Größtmögliche Transparenz
  • Die richtige Vorgehensweise

     

    Wenn es notwendig ist, eine Sanktion zu setzen, dann achten Sie bewusst darauf, die unvermeidliche Beziehungsbelastung nicht durch offene oder versteckte Aggressivität zu verstärken. Die beste Möglichkeit, Sanktionen zu setzen, ist sachlich und nüchtern, mit Begründung, aber ohne allzu viele Worte und erst recht ohne Rechtfertigungen und Entschuldigungen. In den allermeisten Fällen ist weder ein großes Theater erforderlich noch die Androhung einer Kündigung, sondern es genügt, das störende Verhalten ruhig, aber deutlich anzusprechen und klarzumachen, dass es so nicht geht.

  • Deutlichkeit ohne Entwertung
  • In vielen Fällen reicht ein solches einfaches, ruhiges Ansprechen aus, um das unangebrachte Verhalten zu korrigieren. Falls es sich dennoch wiederholt, ist nicht Härte gefragt, sondern Beharrlichkeit und Konsequenz: Nicht wegsehen, weil es gerade nicht in die Stimmung passt, sondern dranbleiben. Dazu zählt auch, deutlich zu machen, welche Konsequenzen weitere Wiederholungen haben werden – und diese im Falle des Falles auch zu ziehen. Wobei hier eine interessante Paradoxie besteht: Wenn Sie definitiv entschlossen sind, die angekündigte Konsequenz nötigenfalls zu ziehen, wird dies mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich werden, weil der Adressat Ihre Entschlossenheit instinktiv spürt und sich entsprechend verhält. Und umgekehrt: Wer Drohungen ausstößt, die er im Ernstfall nicht einlösen kann oder will, lädt förmlich dazu ein, ihn als Papiertiger zu entlarven.

  • Konsequenz
  • Generell sind Sanktionen dann am leichtesten zu akzeptieren, wenn sie nicht eine mehr oder weniger willkürliche Bestrafung sind, sondern die logische Folge des eigenen Handelns: Wenn eine Aufgabe schlampig erledigt wurde, ist die logische Folge nicht ein Anschiss oder eine Moralpredigt über die möglichen Auswirkungen des Fehlers, sondern dass sie nachgearbeitet werden muss, und zwar natürlich durch den, der für die Schlamperei verantwortlich ist. Und wenn die Aufgabe zeitkritisch ist, dann muss dies eben noch am gleichen Tag geschehen – nicht "zur Strafe", sondern weil es von der Sache her notwendig ist. Wenn diese logischen Folgen zum Tragen kommen, kann man sich viele Worte und vor allem viel Geschimpfe und viele Belehrungen ersparen.

  • Logische Folgen statt Strafen
  • Es erfordert ein Stück Übung, in logischen Konsequenzen zu denken statt in Strafmaßnahmen. Doch wie die Individualpsychologen Rudolf Dreikurs und Loren Grey für den Bereich der Erziehung gezeigt haben, trägt dies enorm zu einer Entspannung und Entlastung der Situation bei. Und was für Kinder gilt, gilt in diesem Fall erst recht und noch mehr für Erwachsene, weil die noch sehr viel weniger bereit sind, sich willkürliche Bestrafungen gefallen zu lassen. Die logischen Folgen lösen weit weniger Emotionen und Rachegelüste aus als willkürliche Bestrafungen: Zwar ärgern sich viele Menschen auch, dass der Zug schon weg ist, wenn sie zu spät zum Bahnhof kommen, aber im Grunde verstehen sie, dass das keine Strafe ist, sondern die natürliche Folge ihres Zuspätkommens.

  • Logische Folgen sind leichter zu akzeptieren
  • In aller Regel genügt es völlig, damit aufzuhören, Mitarbeiter und Kollegen vor den natürlichen Folgen ihres eigenen Handelns zu schützen. Wenn der Chef tobt, die Nacharbeit aber dann doch selber macht, hat der Mitarbeiter gleich zwei Dinge erreicht: Zum einen hat der die Aufgabe erfolgreich an seinen Vorgesetzten zurückdelegiert, zum anderen hat er sich und ihm einmal mehr seine Macht bewiesen, ihn auf die Palme zu bringen. Statt zu schimpfen und zu strafen, ist es daher viel klüger, sich zwei Fragen zu stellen: Erstens, was sind die natürlichen Folgen des Fehlverhaltens? Und zweitens, welcher Beitrag kann von dessen Urheber erwartet werden, um den Schaden zu beheben, zu vermindern oder doch wenigstens zu begrenzen?

  • Aufhören, andere vor den Folgen ihres Handelns zu schützen
  • Literatur:

    Dreikurs, Rudolf; Grey, Loren (1973): Kinder lernen aus den Folgen – Wie man sich Schimpfen und Strafen sparen kann; Herder (Freiburg) 1991, 35. Aufl. 2005

     


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