Die Umsetzungsberatung

Widerstände, Konflikte, Krisen

Konfliktlösung: Getroffene Vereinbarungen konsequent nachhalten

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Zu den fatalsten Irrtümern im Leben zählt die Vorstellung, ein Konflikt sei gelöst, wenn man eine Vereinbarung getroffen hat, mit der alle Beteiligten leben können. So plausibel dies auf den ersten Blick auch klingen mag, dass das Ziel damit noch nicht erreicht ist, zeigt sich spätestens, wenn die getroffene Vereinbarung nicht umgesetzt wird. Dann sind die Frustration, die Enttäuschung und der Ärger groß.

  • Eine Vereinbarung ist nur der erste Schritt
  • In Wirklichkeit ist ein Konflikt erst dann gelöst, wenn die getroffene Vereinbarung erstens tatsächlich "gelebt", sprich umgesetzt wird und sich zweitens in der Praxis bewährt. Das Treffen einer Vereinbarung ist dazu nur ein erster Schritt – der aber wenig wert ist, wenn ihm keine Umsetzung folgt.

    Dass zwischen Vereinbaren und Umsetzen ein Unterschied ist, illustriert die Geschichte von den fünf Fröschen, die auf einem Baumstamm sitzen: Vier davon entscheiden sich, ins Wasser zu springen. Quizfrage: Wie viele bleiben übrig? Die Antwort lautet: Fünf – weil Entscheiden und Handeln nicht dasselbe ist. Genauso ist Vereinbaren und Umsetzen nicht dasselbe.

  • Sich nicht zu früh am Ziel glauben
  • Vereinbaren und Umsetzen ist nicht dasselbe

     

    Wer sich zu früh am Ziel wähnt, weil sie einen Konflikt mit der getroffenen Vereinbarung für gelöst hält, hat unweigerlich so manche Enttäuschung vor sich und handelt sich und seiner Umgebung eine Fülle vermeidbarer Probleme ein. Denn sie fällt aus allen Wolken, wenn die Vereinbarung nicht so umgesetzt wird, wie sie es erwartet hat – und reagiert darauf möglicherweise tief gekränkt, verärgert oder wütend: Die falsche Erwartung, dass ein Konflikt mit einer Vereinbarung sozusagen "erledigt" sei, ist wohl eine der häufigsten Ursachen bitterer Folgekonflikte und belasteter Beziehungen.

  • Hohes Risiko, enttäuscht zu werden
  • Aber kann man denn nicht erwarten, dass andere Menschen das, was man mit ihnen vereinbart hat, auch umsetzen? Doch, erwarten kann man das selbstverständlich. Man kann es sogar mit einem gewissen moralischen Recht erwarten: "Pacta sunt servanda", hieß es schon im römischen Recht, Verträge sind einzuhalten.

  • Berechtigte Erwartungen …
  • Das Problem ist nur, dass sich diese Erwartung in der Praxis nicht immer als realistisch erweist – vielleicht auch deshalb, weil nicht jede/r eine solche Vereinbarung, die am Ende eines Konfliktgesprächs getroffen wurde, für einen rechtsverbindlichen Vertrag hält. Das kann man mit guten Gründen kritisieren: Was soll eine getroffene Vereinbarung denn sein, wenn nicht ein "Vertrag", auf dessen Gültigkeit sich alle Parteien verlassen können? Eine unverbindliche Absichtserklärung?

  • … aber nicht unbedingt realistische
  • Wer möchte, kann sich hier sogar auf geltendes Recht berufen: Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bedarf ein Vertrag keineswegs der Schriftform. Vielmehr kommt ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande, also durch ein Angebot (oder einen Vorschlag) und dessen Annahme (Zustimmung). So betrachtet, ist eine Vereinbarung zwischen zwei (oder mehr) Konfliktparteien zweifelsfrei ein rechtswirksamer Vertrag.

  • Ein Vertrag bedarf nicht der Schriftform
  • Das wohlige Gefühl, im Recht zu sein

     

    Das Dumme ist nur, dass uns das nicht wirklich hilft – nein, noch schlimmer: dass uns diese wohlbegründeten und berechtigten Erwartungen in eine Sackgasse führen. Sie geben uns das wohltuende Gefühl, im Recht zu sein, und legitimieren damit unsere Enttäuschung und unseren Ärger auf den- oder diejenigen, die die Verabredung nicht eingehalten haben. Nur leider bringt uns das wohlige Bewusstsein, im Recht zu sein (und damit auch zu Recht ungehalten sein zu dürfen!), einer Lösung nicht näher; es entfernt uns davon.

  • Das wohlige Gefühl, im Recht zu sein …
  • Warum? Weil es uns dazu veranlasst und legitimiert, die "vertragsbrüchige" andere Seite hart anzugehen und/oder uns bei Dritten über sie zu beklagen. Je nach unseren eigenen bevorzugten, großteils un- oder vorbewussten Konfliktmustern reagieren wir dann wütend, sind zutiefst gekränkt, strafen mit Rückzug oder Liebesentzug oder überhäufen den oder die andere(n) mit Vorwürfen und Beschimpfungen ("Du machst immer/nie … / du bist einfach ein völlig … Mensch").

  • Legitimation gekränkter und wütender Reaktionen
  • Und wie wird die Gegenseite darauf vermutlich reagieren? Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sie nicht etwa ihre Schuld eingestehen und Besserung geloben – vielmehr wird sie sich angegriffen fühlen und sich wehren. Selbst wenn sie im Stillen ein schlechtes Gewissen hat, weil sie ja selbst weiß, dass sie die Vereinbarung nicht eingehalten hat, wird ihr die Schärfe unseres Angriffs die Rechtfertigung dafür liefern, sich nicht mit ihren eigenen Versäumnissen zu beschäftigen, sondern unsere "Überreaktion" zurückzuweisen: "Deswegen musst du doch keinen solchen Aufstand veranstalten! Warum hast du mich nicht einfach noch einmal daran erinnert?!"

  • Angriffe provozieren Gegenwehr
  • So haben wir mit wenig Aufwand – und perfekt gutem Gewissen – aus einem Problem, der nicht eingehaltenen Vereinbarung, drei gemacht: Die Vereinbarung ist immer noch nicht eingehalten, aber zusätzlich fühlt sich die andere Seite zu Unrecht attackiert, und wir selbst haben das Gefühl, von ihr im Stich gelassen worden zu sein und mit unserer berechtigten Forderung an ihrer Uneinsichtigkeit abzuprallen. Was im Summe so viel heißt wie: Der Konflikt ist nun auf dem Weg der Eskalation, und bereits jetzt hat sich die Beziehung zu der anderen Seite deutlich verschlechtert.

  • Aus eins mach drei – Probleme
  • Erste Sofortmaßnahme: Empathie für uns selbst

     

    Ziehen wir eine Zwischenbilanz – und seien wir ehrlich zu uns selbst (die andere Seite kann ja nicht zuhören): So richtig hat uns unsere Empörung nicht weitergebracht, auch wenn wir uns nach wie vor absolut im Recht fühlen. Doch bei ehrlicher Betrachtung müssen wir uns eingestehen, dass sich das wie eine Sackgasse anfühlt und ein schlüssiger Ausweg nicht in Sicht ist. Aber was ist die Alternative? Wie können wir die andere Seite dann dazu bringen, dass sie die Vereinbarung einhält, die sie mit uns eingegangen ist?

  • Erst einmal innehalten
  • Tun wir, bevor wir über Lösungsansätze nachdenken, das, was wir schon zur Vorbereitung des Konfliktgesprächs empfohlen haben und was sich da vermutlich ganz gut bewährt hat: Beginnen wir mit Empathie für uns selbst! Wie geht es uns denn eigentlich mit der nicht eingehaltenen Vereinbarung? Hören wir in uns selbst hinein und bemühen wir uns, unsere Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen. Vermutlich sind wir enttäuscht, gekränkt und verärgert darüber, dass der oder die andere sich nicht an die Verabredung gehalten hat bzw. seinen Teil dazu nicht beiträgt.

  • Sich den eigenen Gefühlen einfühlsam zuwenden
  • Je nach Art der Beziehung, aber auch nach unserer eigenen Persönlichkeit und unserer Lebensgeschichte, wird in manchen  Fällen die persönliche Enttäuschung überwiegen: Das hätten wir von der Betreffenden nicht gedacht, dass sie sich als so unzuverlässig erweist – das ist eine tiefe Enttäuschung. Oder es überwiegt der Ärger und die Empörung: Das ist ja die Höhe! Der Kerl glaubt wohl, dass er sich über unsere Vereinbarung einfach hinwegsetzen kann! Na warte, der soll mich kennenlernen!

  • Enttäuschung, Ärger, Empörung
  • Vielleicht spüren Sie hinter der Enttäuschung auch ein Stück Traurigkeit, weil Sie solche Situationen schon kennen. Vielleicht haben Sie das schon öfter erlebt, dass Menschen Ihnen gegenüber erst Zusagen und Versprechungen machen und damit große Erwartungen bei Ihnen wecken, sich daran später aber nicht halten und stattdessen ganz anders agieren. In solchen Situation fühlen Sie sich vielleicht verraten und im Stich gelassen: Wieder jemand, der sich nicht um seine Zusagen schert, weil er offenbar denkt, dass man das mit Ihnen machen kann.

  • Verraten und verkauft
  • Was auch immer Ihre Gefühle angesichts der nicht eingehaltenen Vereinbarung sind, ob Sie sich wieder einmal als Opfer unfairer Behandlung fühlen oder ob Sie von heiligem Zorn erfüllt sind und darauf brennen, den Betreffenden eine Lektion zu erteilen, nehmen Sie diese Gefühle einfach und ohne Bewertung und Beurteilung wahr. Sie dürfen das so sehen und empfinden, Sie haben das Recht dazu, und niemand kann Ihnen das verwehren.

    Es ist gut, wenn Sie sich diese Gefühle bewusst machen, denn vorhanden sind sie sowieso – und nehmen Einfluss nicht nur auf Ihre Wahrnehmung, sondern auch auf Ihre Handlungstendenzen. Indem Sie diese Gefühle bewusst wahrnehmen, können Sie sie genauer erkennen und aufmerksam betrachten – und schließlich auch überprüfen, ob sie Sie in die richtige Richtung lenken, sprich auf einen Weg, der Sie Ihren Zielen näher bringt.

  • Eigene Gefühle wohlwollend beobachten
  • Hinter Gefühlen stehen Bedürfnisse

     

    Doch bei den Gefühlen sollten wir nicht stehenbleiben, sonst kreisen wir, wie Teile der alten Gruppendynamik, nur um uns selbst und unsere Befindlichkeiten. Gefühle sind Hinweise auf Ziele und Bedürfnisse. Deshalb ist der entscheidende nächste Schritt, die Bedürfnisse zu erkennen, die hinter Ihren Gefühlen stehen. Sie sind der wirkliche Dreh- und Angelpunkt: Sie bestimmen darüber, ob wir zufrieden mit dem Leben und mit uns und der Welt im Reinen sind.

  • Von den Gefühlen zu den Bedürfnissen
  • Wenn Sie ärgerlich und wütend sind, weil jemand eine mit Ihnen getroffene Vereinbarung nicht eingehalten hat, was für ein Bedürfnis steht dann dahinter? Vermutlich ganz einfach das Bedürfnis, sich auf getroffene Vereinbarungen verlassen zu können – mit anderen Worten, dass andere die Ihnen gegebenen Zusagen ernst nehmen – und damit Sie selbst. Die Gefühle von Empörung und Wut dienen letztlich dem Ziel, dieses Bedürfnis, wenn es schon nicht freiwillig befriedigt wird, mit Schimpfen, Druck oder Drohungen durchzusetzen (⇒ Finalität).

  • Bedürfnisse hinter Ärger, Empörung und Wut
  • Ähnlich ist es mit dem Gefühl von Enttäuschung und Verletztheit. Dahinter steht vermutlich, genau wie bei der Empörung und Wut, die – generelle oder auf eine konkrete Person gemünzte – Erwartung, dass Verabredungen eingehalten werden. Nur dass die Feststellung, dass dies nicht der Fall war, in diesem Fall nicht, wie bei der Wut, eine kämpferische Energie mobilisiert, sondern Niedergeschlagenheit und Unglücklichsein hervorruft. Das heißt, hier fehlt der Versuch – und dementsprechend wohl auch die Hoffnung –, die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen.

  • Enttäuschung und Nieder-geschlagenheit
  • Ähnlich ist es bei Traurigkeit, nur dass hier ein Wiedererkennungseffekt dazukommt: Die Erinnerung, Ähnliches schon öfter erlebt zu haben – also wohl von anderen Menschen häufig schlecht bzw. achtlos behandelt zu werden. Daher die resigniert-vorwurfsvolle Reaktion: "Mit mir kann man es ja machen!" Darin kommt ein niedriges Selbstwertgefühl zum Ausdruck sowie die (zumindest subjektive) Wahrnehmung, von anderen Menschen weniger wertschätzend behandelt zu werden als andere. Dagegen klingt in dieser Aussage wenig Hoffnung an, eine Veränderung zum Besseren erreichen zu können – also letztlich ein hoher Grad von Entmutigung.

  • Traurigkeit und Entmutigung
  • Sich aus dem Käfig des Opfer-Seins befreien

     

    Gemeinsam ist all diesen Reaktionen die Forderung und Erwartung, dass die anderen den eigenen Bedürfnissen gerecht werden müssen. Aber das müssen sie keineswegs. Es ist natürlich schön, wenn sie es tun, aber es gibt weder eine Verpflichtung für sie, dies zu tun, noch eine Garantie, dass sie es tun werden – schon gar nicht in einem Konflikt. Und mit keinem Mittel der Welt lässt es sich gewährleisten bzw. erzwingen, auch nicht mit Wutanfällen, Vorwürfen oder dem Versinken in Depression.

    Insofern ist die Erwartung, die anderen müssten den eigenen Bedürfnissen gerecht werden, keine sehr realistische und damit auch keine sehr sinnvolle Erwartung bzw. Forderung an die Umgebung: Wer auf dieser Forderung insistiert, legt damit den Keim für viele Enttäuschungen, und er strapaziert damit nicht nur seine Mitmenschen, er macht vor allem sich selbst unglücklich.

  • Keine realistische Erwartung
  • Denn er wird sich immer wieder die Erfahrung machen, dass sich seine jeweilige Umgebung relativ wenig um seine Bedürfnisse schert – und dass er dagegen wenig tun und es schon gar nicht erzwingen kann. Er wird sich also immer wieder als ohnmächtiges Objekt einer aus seiner Sicht unangemessenen, unfairen oder "respektlosen" Behandlung wiederfinden, sprich als Opfer der Umstände bzw. unfairer Mitmenschen oder einer ungerechten Welt.

  • Wehrloses Opfer unfairer Behandlung
  • Sich als Opfer zu fühlen, hat emotional durchaus seine Vorteile. Es schafft eine klare Trennung von gut und böse: Die anderen sind schuld, dass es mir nicht gut geht – und ich bin daran unschuldig und kann daran nichts ändern. Und weil ich daran nichts ändern kann, brauche ich auch nichts zu ändern. Mit anderen Worten, man ist damit aus der Verantwortung und hat das perfekte Alibi, es gar nicht zu versuchen. Also kann – und darf – man es sich auf dieser Basis in seinem Unglück häuslich einrichten. Daher geht das Gefühl, Opfer zu sein, nicht selten mit einer grimmigen, aber wohlvertrauten Zufriedenheit einher.

  • Die Vorteile des Opfer-Seins
  • Der einzige Nachteil des Opfer-Seins ist, dass man darin wie in einem Käfig eingesperrt ist. Die anderen müssten etwas tun – sie tun es aber nicht. Und man selber kann nichts machen. Also ist die Situation aussichtslos: An der unschönen Situation kann und wird sich so lange nichts ändern, wie die anderen nicht ein Einsehen haben und etwas an ihrem Verhalten ändern. Doch gibt es wenig Hoffnung, dass sie dies tun werden. Der Preis des Opfer-Seins ist damit die perfekte Ohnmacht: "We are giving our power away", hat William Ury die Folgen beschrieben: "Wir geben unseren Einfluss aus der Hand."

  • Im Opfer-Sein eingesperrt wie in einem Käfig
  • Der Käfig verschwindet, wenn wir begreifen, dass seine Gitterstäbe nur in unseren Gedanken bestehen: Wir sind nur deshalb Opfer, weil wir unbelehrbar und störrisch von allen anderen erwarten, sie müssten unseren Bedürfnissen gerecht werden. Sobald wir akzeptieren, dass sie das zwar können, aber nicht müssen, lösen sich die Gitter auf, und wir sind frei.

  • Unsere Haltung sind die Gitterstäbe
  • Selbst Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse übernehmen

     

    Der Preis dieser Freiheit ist allerdings die Erkenntnis, dass sich niemand zuverlässig um unsere Bedürfnisse kümmert – sofern wir es nicht selbst tun. Das heißt durchaus nicht, dass wir von anderen Menschen nichts zu erhoffen haben und alleine auf uns selbst gestellt sind. Aber es heißt, dass wir gerade in Konfliktsituationen nicht darauf verlassen sollten. Daher tun wir gut daran, selbst die Verantwortung für unsere Bedürfnisse zu übernehmen, statt von unseren Kontrahenten zu erwarten, dass sie auch mitten in einem heftigen Streit stets rücksichtsvoll und einfühlsam mit uns umgehen und getroffene Vereinbarungen immer und ausnahmslos wortgetreu umsetzen.

  • Und wer kümmert sich dann um unsere Bedürfnisse?
  • Deshalb empfiehlt der erfahrene Konfliktforscher und Mediator William Ury in seinem sehr lesenswerten Buch Getting to Yes with Yourself, dass wir als ein wichtiges Element zur Vorbereitung schwieriger Gespräche "eine feste und bedingungslose Verpflichtung gegenüber uns selbst eingehen, für unsere tiefsten Bedürfnisse Sorge zu tragen, ganz gleich was die anderen Beteiligten tun oder nicht tun." (S. 55) Ury unterstreicht: "Der Schlüsselsatz ist 'gleich was die anderen tun'." (S. 56, meine Übersetzung)

  • Bedingungsloses Commitment zu unseren eigenen Bedürfnissen
  • Das gilt schon für die Vorbereitung von Konfliktgesprächen und deren Durchführung, doch es gilt genauso auch für die Nacharbeit. Wenn wir also vorhaben, die Einhaltung einer Vereinbarung einzufordern, sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass unsere Konfliktpartner und Kontrahenten mit spontaner Begeisterung reagieren – oder doch wenigstens freundlich. Zwar werden die meisten von ihnen zumindest höflich bleiben, möglicherweise werden aber manche auch ärgerlich, genervt oder beleidigt reagieren, wenn wir die Einhaltung anmahnen, vielleicht werden sie uns sogar beschimpfen oder attackieren – es liegt nicht in unserer Hand.

  • Sich nicht von der Reaktion der anderen Seite abhängig machen
  • Wenn wir uns also emotional davon abhängig machen, wie andere mit unserem Anliegen umgehen, sitzen wir wieder in der Opferfalle. Wenn wir uns dagegen selbst um unsere Bedürfnisse zu kümmern und unbeirrt freundlich und liebevoll mit uns selbst umzugehen, dann kann uns eine unfreundliche und sogar eine aggressive Reaktion viel weniger anhaben. Entsprechend können wir gelassener mit solchen Reaktionen umgehen und sind weniger in Gefahr, uns in eine Eskalation gegenseitiger Vorwürfe und Anklagen hineinziehen zu lassen. Und wir können stattdessen unbeirrt "freundlich und fest" (Dreikurs) auf der Einhaltung der Vereinbarung bestehen.

  • Gelassenheit und Festigkeit

  • Sie stehen vor der Frage, wie Sie in Ihrem Unternehmen Konfliktscheu und Harmoniesucht überwinden und sie durch eine konstruktive Streitkultur ersetzen können? Dann empfehlen wir Ihnen zum Einstieg einen Workshop "Aufbau einer konstruktiven Streitkultur" im engsten Kreise Ihres Top-Managements.

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  • Wir unterstützen Sie gern!
  • Die Annahmen hinter Ihrer Enttäuschung erkennen

     

    Trotzdem ist es verständlich und bis zu einem gewissen Grad vielleicht sogar unvermeidlich, dass wir Enttäuschung empfinden, wenn andere eine getroffene Vereinbarung nicht einhalten. Und es liegt nahe, dann ärgerlich, gekränkt oder auch wütend zu reagieren. Doch diese emotionalen Reaktionen sind bei genauem Hinsehen nicht die Folge dessen, was der oder die andere getan bzw. nicht getan hat, sie sind ausgelöst von den Annahmen, die wir über den Gründe der Nichteinhaltung machen.

  • Naheliegende Emotionen
  • Das ist ein wichtiger Unterschied – aber am Anfang schwer zu glauben, weil es uns so vorkommt, als wären unsere Enttäuschung und unser Ärger die direkte Folge des Verhaltens der anderen Seite: Die von uns gemachten Annahmen bemerken wir entweder gar nicht oder halten sie für unbezweifelbar richtig. Wir "wissen" ganz einfach (oder meinen zu wissen), was der Grund ist, weshalb sie die Vereinbarung nicht eingehalten haben, und reagieren mit unseren Emotionen in Sekundenschnelle darauf.

  • ... ausgelöst durch unsere vorbewussten Annahmen
  • Trotzdem ist es so, dass zwischen dem Verhalten der anderen Seite und Ihren Emotionen noch etwas Entscheidendes passiert. Davon können Sie sich leicht mit einem Gedankenexperiment überzeugen. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Mitarbeiterin oder Kollegin hat zum wiederholten Male eine mit Ihnen getroffene Vereinbarung nicht eingehalten, und Sie sind darüber ausgesprochen ärgerlich und wütend. Bestimmt kennen Sie solche Situationen – denken und fühlen Sie sich ein bisschen in diese Stimmung hinein.

    Einige Zeit später erfahren Sie, dass die Betreffende kurz nach Ihrem Gespräch einen schweren Unfall hatte und auf der Intensivstation liegt. Was ist jetzt mit Ihrer Verärgerung und Wut? Wahrscheinlich ist sie wie weggeblasen, vermutlich abgelöst von Betroffenheit, Mitgefühl – und einen Anflug von schlechtem Gewissen, der Betreffenden mit Ihrem Zorn Unrecht getan zu haben.

  • Eine veränderte Perspektive kann unsere Gefühle völlig verändern
  • Aber warum? An der Tatsache, dass Ihre Vereinbarung nicht eingehalten wurde, hat sich durch diese Zusatzinformation ja nichts geändert. Aber nun verstünden Sie auf einen Schlag, dass die Nichteinhaltung ganz andere Gründe hatte als die, die Sie zunächst vermutet hatten. Offensichtlich hat also nicht die Tatsache, dass Ihre Vereinbarung nicht eingehalten wurde, Ihren Ärger und Ihre Wut ausgelöst, sondern die Erklärung, die Sie dafür vermutet haben: Dass das einfach eine unzuverlässige Person ist, der man immer erst auf die Füße treten muss, bevor sie getroffenen Vereinbarungen nachkommt. Mit anderen Worten, Ihre stillschweigenden Annahmen über die Gründe haben die Wut ausgelöst und nicht die Nichteinhaltung selbst.

  • Andere Gefühle trotz unveränderter Sachlage
  • Dass nicht die Tatsachen, sondern unsere Annahmen, Vermutungen und Erklärungsmodelle die Auslöser unserer Gefühle sind, bemerken wir normalerweise nicht: Wir sehen den Verstoß gegen die getroffene Vereinbarung und werden auf der Stelle ärgerlich und wütend. Die stillschweigenden Annahmen, die wir dabei über die Gründe dieses Verhaltens machen, sind uns in aller Regel nicht bewusst – und noch weniger, dass dies nur Annahmen sind und keine erwiesenen Tatsachen.

  • Die Macht vorbewusster Annahmen
  • Der Einfluss Ihres Selbst- und Menschenbilds

     

    Natürlich können diese Annahmen trotzdem richtig sein – aber sie können halt auch falsch sein. Und wenn sie falsch sind, leiten sie uns in eine falsche Richtung, was allzu oft zu völlig unnötigen zusätzlichen Komplikationen führt. Das ist auch deswegen kritisch, weil unsere Annahmen oft mehr über uns selbst und über unser Selbst- und Menschenbild aussagen als über den oder die anderen Beteiligten und die Gründe ihres Handelns. Das ist von großer praktischer Bedeutung, weil es bedeutet, dass wir unsere (falschen oder richtigen) Annahmen nicht zufällig machen, sondern systematisch: Wir haben dabei eine Tendenz – ja, ob wir es wollen oder nicht, wir sind tendenziös.

  • Falsche Annahmen, falsche Reaktion
  • Was soll das heißen? Inwiefern sagen unsere Erklärungen mehr über uns selbst aus als über die konkrete Situation? Und inwiefern wären wir damit tendenziös? Ganz einfach: Wenn wir keine vollständige Information haben, müssen wir spekulieren. (Nein, genau genommen müssen wir es nicht: Theoretisch könnten wir auch feststellen, dass wir es nicht wissen – und es dabei belassen: "Keine Ahnung, warum der andere unsere Vereinbarung nicht eingehalten hat. Vielleicht sollte ich ihn danach fragen.")

  • Wir füllen Informationslücken mit Spekulationen
  • Aber häufig fragen wir nicht nach. Stattdessen schlägt in vielen Fällen der "Overconfidence-Effekt" zu, also die allzu menschliche Tendenz, unser Wissen zu überschätzen. Deshalb füllen die meisten Menschen ihre Informationslücken mit Annahmen, meist ohne zu erkennen, dass dies nur mehr oder weniger begründete Spekulationen sind. Und diese spekulativen Annahmen sind maßgeblich beeinflusst davon, wie wir uns selbst sehen und wie wir andere Menschen sehen.

  • Überschätzung unseres Wissens
  • Auch das können Sie leicht ausprobieren. Ergänzen Sie dazu einfach den folgenden Satzanfang: "Wenn jemand eine mit mir getroffene Vereinbarung nicht einhält, dann tut er das (wahrscheinlich), weil …" (Am besten ist es, wenn Sie jetzt tatsächlich einen Augenblick innehalten und darüber nachdenken, welche Erklärungen Ihnen spontan in den Sinn kommen.)

    Theoretisch gibt es auf diese Frage unzählige Antwortmöglichkeiten: Der Betreffende könnte verstorben sein, er könnte verhaftet worden sein, er könnte mit der getroffenen Vereinbarung hadern und sie deshalb nicht umsetzen, es könnte ihm etwas dazwischengekommen sein, er könnte es vergessen haben, er könnte generell ein unzuverlässiger Zeitgenosse sein … Es könnte aber auch mit Ihnen zu tun haben: Vielleicht misstraut er Ihnen oder er glaubt einfach, Sie ohne negative Folgen hängenlassen zu können, und vielerlei anderes mehr.

  • Unzählige mögliche Erklärungen
  • Annahmen sind keine Tatsachen

     

    Wie Sie obigen Satz vervollständigen, ist unvermeidlich davon bestimmt, wie sie andere Menschen sehen und wie Sie sich selbst sehen – vor allem wenn Sie spontan antworten und nicht lange nachdenken. Wenn Sie anderen Menschen gegenüber grundsätzlich misstrauisch sind, werden Sie anderes antworten, als wenn Sie ihnen einen Vertrauensvorschuss geben. Im letzteren Fall werden Sie zu "milderen" Erklärungen wie Vergesslichkeit neigen, im ersteren werden sie unterstellen, dass dieser Mensch genau wie die meisten versucht, sich um die Einhaltung seiner Zusagen zu drücken. Deshalb sagt die gewählte Erklärung letztlich mindestens ebenso viel über Sie wie über die wahren Motive des anderen.

  • Vertrauen oder Misstrauen?
  • Auch Ihr Selbstbild fließt in die von Ihren bevorzugten Erklärungsmodelle ein. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie häufig schlechter behandelt werden als andere Menschen, greifen Sie leichter zu "Immer-passiert-mir-das"-Erklärungen: "Mit mir kann man das ja machen, das kenne ich schon." Wenn Ihr Selbstbild robuster ist, werden Sie eher dazu tendieren, die Nichteinhaltung der Vereinbarung entweder mit den Eigenschaften der betreffenden Person ("unzuverlässig") oder der Menschen generell zu erklären ("egoistisch").

  • Auch Ihr Selbstbild fließt ein
  • Am wenigsten dürften Sie zwei Arten von Erklärungen in Betracht gezogen haben, die gar nicht so selten die Ursache für die Nichteinhaltung von Verabredungen sind: Zum einen könnte es am Inhalt der getroffenen Vereinbarung liegen. So könnte es etwa sein, dass die Vereinbarung schlicht nicht praktikabel oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist oder dass sie mit anderen Verpflichtungen kollidiert.

    Zum anderen könnte es an der Beziehung liegen. Beispielsweise könnte es auch sein, dass sie mit Ihnen noch eine Rechnung offen hat oder dass sie sich im Nachhinein von Ihnen überfahren fühlt und mit der Vereinbarung hadert, auf die sie sich eingelassen hat. Möglicherweise liegt es auch daran, dass die andere Person Ihnen nicht vertraut und daher erst einmal sehen möchte, ob Sie Ihren Teil der Zusagen einhalten, bevor sie die ihren erfüllt.

  • Inhalt und Beziehung
  • Natürlich könnte man in all diesen Fällen erwarten, dass die Betreffenden auf einen zukommen und die Gründe, weshalb sie die Vereinbarung so nicht umsetzen können oder wollen, offen ansprechen? Doch, aber da waren wir schon einmal: Selbstverständlich können Sie dies erwarten – und manche Menschen werden das auch tun. Aber Sie werden dennoch irgendwie damit umgehen müssen, dass etliche dies nicht tun.

  • Aber könnte man nicht erwarten …?
  • Nicht zu schnell sch(l)ießen

     

    Der Knackpunkt ist: In vielen Fällen kennen wir, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, die Gründe nicht wirklich, weshalb die andere Seite die getroffene Vereinbarung nicht eingehalten hat. Selbstverständlich können unsere Vermutungen, wie erwähnt, trotzdem richtig sein – aber sie können aber eben auch, wie im Falle der verunglückten Kollegin, völlig falsch sein. Es ist daher nicht sehr zweckmäßig, voreilig und ohne klare Belege von dem ungünstigsten denkbaren Fall auszugehen und auf Basis dieser zweifelhaften Annahme sozusagen "auf Vorrat wütend zu werden" – oder depressiv. Das erschwert nicht nur eine konstruktive Klärung, es belastet und gefährdet auch die Beziehung.

  • Häufig kennen wir die wahren Gründe nicht
  • Wenn Sie also merken, dass Sie stinksauer oder zutiefst gekränkt über die Nichteinhaltung einer Vereinbarung sind, nehmen Sie, bevor Sie zum Revolver greifen, sich selbst ein bisschen am Zügel und fragen Sie sich, wie sicher Sie Ihrer angenommenen Erklärung sein können und welche Belege Sie für sie haben. Natürlich könnten Sie recht haben – vielleicht liegen Sie aber auch völlig falsch oder zumindest weit genug daneben, um Ihre spontane Reaktion ein bisschen voreilig und überzogen erscheinen zu lassen. Machen Sie sich klar, dass die Nichteinhaltung einer Vereinbarung auch andere Gründe haben kann als die von Ihnen angenommenen, und geben Sie der Realität eine faire Chance gegen Ihre Annahmen.

  • Die eigenen Annahmen hinterfragen
  • Die Nichteinhaltung von Vereinbarungen ist immer ein Ärgernis, und sie ist kein Zustand, mit dem man sich abfinden kann und darf. Trotzdem hilft es vielleicht, sich klarzumachen, dass sie eine Vielzahl von Gründen haben kann. Hier nur ein paar Beispiele:

    • Die getroffene Vereinbarung ist vage, unklar, mehrdeutig;
    • die Umsetzung ist mit mehr Mühe verbunden als erwartet;
    • die Vereinbarung erweist sich als nicht praktikabel;
    • ihre Umsetzung steht im Konflikt mit anderen Zielen und Verpflichtungen;
    • die andere Seite hat gute Absichten, sich selbst aber noch eine Schonfrist gewährt ("ab morgen");
    • sie steckt in den alten Gewohnheiten fest;
    • sie hadert mit der getroffenen Vereinbarung und setzt sie deshalb nur halbherzig um;
    • sie hat sie einige Male umgesetzt, ist dann aber in die alten Gewohnheiten zurückgefallen;
    • sie hofft, mit unvollständiger Umsetzung durchzukommen;
  • Eine Vielzahl möglicher Gründe
  • Noch einmal: Diese Auflistung, die sich beliebig verlängern ließe, ist weder eine Entschuldigung noch eine Rechtfertigung dafür, eine getroffene Vereinbarung nicht einzuhalten. Sie sollte nur ein Grund dafür sein, nicht von vornherein von der schlimmsten denkbaren Erklärung auszugehen und das erforderliche klärende Gespräch dementsprechend zwar mit Entschiedenheit, aber zugleich mit Gelassenheit anzugehen: mit Klarheit und Festigkeit statt mit Wut und Vorwürfen.

  • Gelassenheit statt Gekränktheit und Wut
  • Verletzte Vereinbarungen müssen angesprochen werden

     

    Wichtig ist aber: Die Nichteinhaltung einer Verabredung sollte in jedem Fall angesprochen werden. Das ist hier anders als im Vorfeld von Konfliktgesprächen, wo man sich durchaus die Frage stellen kann und sollte, ob einem ein Ärgernis überhaupt so wichtig ist, dass man es ansprechen will oder muss. Diese Frage stellt sich jetzt, wo es um die Umsetzung geht, nicht mehr. Wenn eine getroffene Vereinbarung nicht eingehalten wurde, darf man darüber nicht hinweggehen, denn sonst bleibt davon ein Schatten auf der Beziehung zurück.

  • Nicht eingehaltene Vereinbarungen unbedingt ansprechen
  • Bei demjenigen, der seine Zusage nicht eingehalten hat, verblasst das schlechte Gewissen allmählich (sofern es überhaupt je vorhanden war). Doch der- oder diejenige, die "versetzt" wurde, wird dies dem anderen so schnell nicht vergessen. Ich habe Fälle erlebt, in denen eine zurückliegende Enttäuschung noch zehn oder fünfzehn Jahre später mit einer Vehemenz und Empörung auf den Tisch kam, als sei die Sache erst vor ein paar Tagen vorgefallen. Derweilen hatte der Urheber der damaligen Enttäuschung in der Regel längst keine Erinnerung mehr an den Vorfall.

  • Das schlechte Gewissen verblasst, die Enttäuschung bleibt
  • So paradox es klingen mag: Sie werden es dem anderen (!) nicht verzeihen, wenn Sie die Nichteinhaltung Ihrer Vereinbarung nicht ansprechen und deren Einhaltung nicht einfordern.

     

    Es gibt aber noch einen wichtigen zweiten Grund, weshalb Sie verletzte Vereinbarungen in jedem Fall ansprechen und auf einer annehmbaren Lösung bestehen sollten: Wenn Sie es nicht tun, werden Sie sich den Ruf erwerben, dass man bei Ihnen relativ leicht damit durchkommt, Vereinbarungen nicht oder nur teilweise einzuhalten. Und wenn das der Fall ist, dann hat die Umgebung außer ihrem eigenen Pflichtbewusstsein keinen Anreiz, das Vereinbarte auch umzusetzen.

  • Wie leicht kommt man bei Ihnen mit Nichteinhaltung durch?
  • Das hätte für Sie unangenehme Folgen: Spätestens wenn die Umsetzung anstrengend wird oder mehr Mühe erfordert als ursprünglich angenommen, wüchse dann die Verlockung, die Vereinbarung schleifen zu lassen. Mit anderen Worten, wenn Sie nicht in jedem Fall auf der Einhaltung getroffener Vereinbarungen bestehen, setzen Sie damit indirekt einen Anreiz in eine Richtung, die genau das Gegenteil von dem ist, was Sie vermutlich wollen. Und wenn Sie häufiger erleben müssen, dass andere die mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten, fragen Sie sich, wie konsequent Sie dies in der Vergangenheit eingefordert haben.

  • Falsche Anreize
  • Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Je mehr Sie im Ruf stehen, unbeirrbar auf getroffenen Vereinbarungen zu bestehen und sich nicht mit einer nicht oder nur teilweise erfolgten Umsetzung zufriedenzugeben, desto leichter wird Ihr Leben mittelfristig. Denn dann wissen alle, die Sie kennen, dass es bei Ihnen nichts bringt außer unangenehmen Gesprächen, wenn man sich nicht an Vereinbarungen hält.

  • Bauen Sie sich einen Ruf für Beharrlichkeit und Konsequenz auf!
  • Zielorientiert vorgehen statt nur zu reagieren

     

    Für das erforderliche Gespräch ist ein Stück Gelassenheit die weitaus bessere Basis als eine rächende oder bestrafende Intention, in die wir uns mit Ärger, Wut und Gekränktheit selbst versetzen. Der Schlüssel zum Erfolg ist, sich im Vorfeld dieses Gesprächs darüber klar zu werden, was denn angesichts der nicht eingehaltenen Vereinbarung unser Ziel ist bzw. sein sollte: Ist es, den säumigen Kontrahenten für seine Verfehlung zu bestrafen, oder ist es, der getroffenen Vereinbarung entweder Geltung zu verschaffen oder sie durch eine bessere zu ersetzen?

  • Bestrafung oder Klärung?
  • Da sich diese Ziele widersprechen, können wir beides zusammen nicht haben – wir müssen uns entscheiden. Wenn Ihre Intention bei ehrlicher Betrachtung in Rache und Bestrafung liegt, dann können Sie sich die gerade beschriebene Mühe einer Überprüfung Ihres Erklärungsmodells sparen – damit würden Sie sich nur Ihre schöne Wut verderben. Falls Sie aber auf der Suche nach einer tragfähigen Lösung sind, dann ist eine rächende oder bestrafende Absicht absolut kontraproduktiv, denn mit ihr lenken Sie sich selbst in eine Eskalation des Konflikts statt zu einer konstruktiven Klärung.

  • Auf das Ziel kommt es an
  • Je klarer wir unser Ziel vor Augen haben – im Zweifel die Umsetzung der getroffenen Vereinbarung bzw. deren Konkretisierung oder Anpassung an veränderte Gegebenheiten –, desto leichter fällt es uns auch, im Gespräch zwei Fähigkeiten unter einen Hut zu bringen, die gerade in Stresssituationen nicht immer leicht zu verbinden sind, nämlich einerseits Freundlichkeit, andererseits Festigkeit. Also das, was man gemeinhin "verbindlich im Ton, aber klar in der Sache" nennt. Wenn wir verärgert oder gekränkt sind, tun wir oft das genaue Gegenteil: Wir sind unfreundlich im Ton, aber zum Ausgleich unklar in der Sache. Kein Wunder, wenn daraus in aller Regel nur Zank entsteht, aber keine zufriedenstellende Umsetzung.

  • Freundlichkeit und Festigkeit verbinden
  • Gerade in Situationen, in denen wir verstimmt sind, weil sich jemand nicht an eine Vereinbarung gehalten hat, sind wir in der Gefahr, in unserem Gesprächsverhalten zu reaktiv zu sein: Wir finden eine Aussage der anderen Seite falsch und meinen, sie unbedingt richtigstellen oder passend beantworten zu müssen – und verlieren dabei unser Ziel aus den Augen, nämlich die Durchsetzung der getroffenen Vereinbarung. Je klarer uns dieses Ziel vor Augen ist und je konsequenter wir es zur obersten Priorität machen, desto weniger sind wir in der Gefahr, uns von ungeschickten Formulierungen, Rechtfertigungen und Provokationen ablenken und von unserer eigentlichen Absicht abbringen zu lassen.

  • Zielklarheit hilft, aus dem Reagieren herauszukommen
  • Weder streiten noch nachgeben

     

    Wie ein gutes Konfliktgespräch, so beginnt auch das Einfordern einer getroffenen Vereinbarung mit einer sorgfältigen inneren Vorbereitung. Mit der Empathie für uns selbst und einigen weiteren Schritten haben wir ja schon begonnen. Doch es ist sinnvoll, sämtliche Elemente der inneren Vorbereitung noch einmal durchzugehen, damit uns nicht unterdrückter Ärger oder die Enttäuschung über die Nichteinhaltung von unserem Gesprächsziel abbringt. Die Verbindung von Freundlichkeit, Festigkeit und Gelassenheit ist in jedem Fall eine gute Basis.

  • Sorgfältige innere Vorbereitung wichtig
  • Aber wie lässt sich verhindern, dass es trotz aller inneren Vorbereitung eben doch zum Streit kommt, wenn wir auf der Einhaltung der getroffenen Vereinbarung bestehen? Indem wir uns neben "freundlich und fest" noch an einen zweiten Grundsatz halten, den ebenfalls der Individualpsychologe Rudolf Dreikurs (1897 – 1972) formuliert hat, nämlich: "Weder streiten noch nachgeben".

  • Zwei zentrale Grundsätze von Rudolf Dreikurs
  • Dieser Grundsatz löst oft Verwirrung aus: "Wie soll das gehen: 'Weder streiten noch nachgeben'?" Die Antwort lautet: Weder streiten noch nachgeben. Aber was kann man denn sonst tun, außer entweder nachzugeben oder für sein Anliegen zu streiten? Die Allermeisten sehen keine andere Alternative als entweder das eine oder das andere zu tun. Aber es gibt eine dritte Möglichkeit, und wir kennen sie bereits. Sie lautet: Freundlich und fest für seine Interessen und Bedürfnisse eintreten.

  • Es gibt eine dritte Möglichkeit
  • Die meisten Menschen glauben, wenn sie nicht nachgeben wollen, müssten sie zwangsläufig für Ihre Interessen kämpfen – und unter "kämpfen" verstehen sie, sich gegen den oder die anderen zu stellen, ihre Interessen zu verfechten und die Kontrahenten, wenn nötig, anzugreifen: Druck zu machen, zu drohen, zu schimpfen, Vorwürfe zu erheben, laut zu werden usw. Aber damit sind wir bereits auf dem Weg in den Machtkampf und, falls der andere nicht einlenkt, in die Eskalation. Das heißt, wir stecken wieder in genau jenem Sieg-Niederlage-Schema, aus dem wir eigentlich heraus wollten, weil es statt zu einer konstruktiven Klärung nur zu Verletzungen und offenen Rechnungen führt.

  • Die falsche Annahme, "kämpfen" zu müssen
  • Es ist ungewohnt, aber durchaus möglich, "freundlich und fest" auf seinem Anliegen zu bestehen, ohne heftig, aggressiv oder gar ausfallend zu werden, aber dafür mit unerschütterlicher Beharrlichkeit für seine Sache einzutreten: Keiner Lösung zuzustimmen, mit der wir nicht wirklich leben können oder wollen, uns freundlich, aber unbeirrbar dem Konsensdruck zu entziehen, der in solchen Situationen oft entsteht (bzw. aufgebaut wird), mit geduldiger Höflichkeit zu erklären, was uns wichtig ist und warum, und darauf zu bestehen, dass angemessen auf unsere berechtigten Anliegen eingegangen wird. Und das Erstaunlichste: Es ist gar nicht mal besonders schwer, wenn man nicht bloß reagiert, sondern klar sein Ziel vor Augen hat.

  • Freundlich, fest und beharrlich bleiben
  • Natürliche bzw. logische Konsequenzen

     

    Viele bezweifeln anfänglich, dass das funktionieren kann: "Aber dann habe ich ja gar kein Druckmittel mehr!" Doch das stimmt aus drei Gründen nicht: Erstens, mit freundlicher Festigkeit verzichten wir ja nicht auf kein einziges Druckmittel, wir verzichten nur auf eine emotionale Polarisierung. Zetern, Schimpfen und Beleidigtsein sind ja keine wirklichen Druckmittel, in erster Linie sind es Verhaltensweisen, die dem Abbau des eigenen emotionalen Überdrucks dienen, allerdings um den Preis einer Verschlechterung der Beziehung.

  • Kein Verzicht auf Druckmittel
  • Zweitens sollte man nicht unterschätzen, wie sehr unbeirrbare freundliche Festigkeit als Druckmittel wirkt. Die allermeisten Menschen sind innerlich darauf eingerichtet, dass ein Konfliktgespräch nach einigem Hin und Her vorbei ist: Man diskutiert und debattiert eine Weile, wird vielleicht ein bisschen emotional – und einigt sich dann schließlich irgendwie. Wenn Sie sich weigern, sich "irgendwie" zu einigen, und stattdessen freundlich und fest auf ihrem Anliegen bestehen, macht das einen Abschluss unmöglich und hält den Konflikt offen. Das setzt die meisten Menschen mehr unter Druck als Sie denken, denn wenn sie den Konflikt trotzdem im Konsens beendigen wollen, müssen sie sich bewegen.

  • Die Weigerung zuzustimmen ist ein Druckmittel
  • Drittens schließlich ist und bleibt unser wichtigstes Druckmittel das, was es auch davor schon war, nämlich der Verzicht auf eine Einigung, samt deren natürlichen und logischen Konsequenzen. Welche Konsequenzen das sind, hängt sehr von der Art der Beziehung und dem Gegenstand des Konflikts ab: In einer Kunden-Lieferanten-Beziehung, die man leicht beenden kann, wenn Leistung und Gegenleistung nicht zusammenpassen, sind das andere als innerhalb einer Firma oder in der Familie. Doch in aller Regel gilt: Wenn nicht mindestens eine Seite eine sehr attraktive Alternative zu einer Einigung hat, ist es für sie attraktiver, zu einer Einigung zu kommen, als ohne Einigung auseinanderzugehen.

  • Alternativen zu einer Einigung
  • Alternativen zu einer Einigung und ihr Preis

     

    Sich nicht zu einigen, ist prinzipiell immer eine Option, aber es hat Folgen: Beispielsweise dass man einem Lieferanten keinen Auftrag mehr erteilt, wenn er die zusagten Leistungen nicht erbringt. Wichtig ist: Das ist keine Strafe – es ist die natürliche bzw. die logische Folge seines Tuns bzw. Unterlassens. Es ist das, was unweigerlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit passiert, wenn man sich in einer bestimmten Weise verhält. Wer nicht aus dem Haus geht, trifft wenig Menschen – das ist keine Strafe, es ist die Konsequenz, die sich aus dem Verhalten zwangsläufig ergibt.

  • Strafen vs. natürliche und logische Folgen
  • Zwischen natürlichen und logischen Folgen gibt es einen kleinen, aber feinen Unterschied: Die natürliche Folge ist, was sich unausweichlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, wenn wir etwas Bestimmtes tue oder unterlasse – etwa, dass wir durch die Prüfung fallen, wenn wir nicht genügend lernen, oder dass wir betrunken werden, wenn wir zu viel Alkohol trinken. Die logische Folge ist, wie die soziale Umgebung darauf reagiert, wie wir uns verhalten – etwa, dass wir bestimmte attraktive Jobs nicht bekommen, weil wir den erforderliche Abschluss nicht vorweisen können, oder dass wir nicht mehr eingeladen werden, wenn wir uns häufig betrinken.

  • Unterschied zwischen natürlichen und logischen Folgen
  • Der feine Unterschied zwischen natürlichen und logischen Folgen ist für die Praxis von untergeordneter Bedeutung; er hilft nur, besser zu verstehen, warum herauskommt, was herauskommt. Von großer praktischer Bedeutung ist dagegen der Unterschied zwischen Strafen und natürlichen bzw. logischen Folgen, denn er hat Auswirkungen darauf, ob das Ergebnis akzeptiert wird. Strafen haben immer etwas Willkürliches und nützen ein Machtgefälle aus, sie hinterlassen deshalb Groll und Rachegelüste. Die natürlichen bzw. logischen Folgen hingegen werden in aller Regel widerspruchslos akzeptiert, eben weil ihre Zwangsläufigkeit für (fast) jeden einsichtig ist.

  • Der Unterschied macht einen Unterschied
  • In den allermeisten Fällen ist es für alle Beteiligten attraktiver, zu einer Einigung zu kommen, auch wenn sie mit mehr Aufwand und Mühe verbunden ist als ursprünglich erhofft, als ohne Einigung auseinanderzugehen. Deshalb ist es immer nützlich, sich auch über die beste Alternative der anderen Seite Gedanken zu machen, statt sich nur von der Tatsache unter Druck setzen zu lassen, dass man eigentlich eine Einigung will: Eine Einigung ja, aber vermutlich nicht jede. Wenn Sie freundllich und fest auf Ihre Interessen und Bedürfnisse beharren, gibt es zwar keine Garantie, dass dies gelingt, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß.

  • Freundliche Festigkeit hat gute Erfolgsaussichten
  • Zu diesem Thema ist auch ein Video verfügbar:

    Ermutigende Führung, Teil 11 Mutiger Umgang mit Konflikten III: Nachhalten getroffener Vereinbarungen

     

  • Video zum Thema

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