Die Umsetzungsberatung

Psychologie der Veränderung

Misstrauen: Lähmung durch Unterstellen böser Absichten

 

Von Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Misstrauen ist nicht nur eine schwere Belastung für jede Art von Zusammenarbeit, es ist auch ein Kostentreiber allererster Ordnung. In einem misstrauischen Umfeld dauern Entscheidungsprozesse um ein Vielfaches länger, und viele Veränderungsvorhaben verfehlen ihr Ziel. Je weniger die beteiligten Personen und Gruppierungen einander trauen, desto ausgeprägter ist bei ihnen allen die Tendenz, im Zweifelsfall "Nein" zu sagen, und desto höher ist der Absicherungsaufwand, den jede(r) einzelne betreibt. Misstrauen ist damit ein Quell immenser Reibungsverluste; es schwächt die Handlungsfähigkeit, die Produktivität und damit letztlich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.

  • Bedrohlicher Kostenfaktor
  • In Unternehmen, in denen ein offenes, vertrauensvolles Klima herrscht, werden die meisten Dinge rasch und unbürokratisch geklärt: oftmals zwischen Tür und Angel, bei wichtigeren Angelegenheiten in einem kurzen Gespräch oder auch nach einiger Diskussion. Dabei wird durchaus kontrovers diskutiert; solche Kontroversen sind so lange völlig unproblematisch, wie sämtliche Beteiligten darauf vertrauen, dass es ihnen allen um die beste Lösung in der Sache geht und nicht darum, sich gegenseitig Fallen zu stellen oder hinters Licht zu führen. Eine offene Diskussion garantiert zwar nicht, dass am Ende alle mit der gefundenen Lösung einverstanden sind, aber sie erhöht immerhin die Wahrscheinlichkeit dafür. Doch selbst wenn einige mit dem Ergebnis unzufrieden sind, käme bei aller Frustration keiner von ihnen auf die Idee, den Entscheidern unlautere Absichten zu unterstellen.

  • Vertrauen und Kontroversen
  • Misstrauische Spekulationen

     

    Ganz anders in einem misstrauischen Umfeld: Dort ist prinzipiell alles suspekt, was "von oben" oder aus einem anderen Bereich kommt oder sich nicht in das gewohnte Freund- und Feindschema einordnen lässt. Infolgedessen werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird, erst einmal hinter den Kulissen Rücksprachen gehalten, zusätzliche schriftliche Unterlagen angefordert, informelle Vorbesprechungen geführt, Aktennotizen erstellt, Vorlagen wegen Unvollständigkeit zurückverwiesen, zeitaufwändige Abstimmungsrunden gedreht, Verbündete gesucht, Themen auf Eis gelegt, Koalitionen geschmiedet, Entscheidungen ausgebremst ...

  • Dramatischer Mehraufwand
  • Mit anderen Worten, die Diskussion verlagert sich sehr schnell von der Sach- auf die Machtebene. Und Vorhaben, die nicht eindeutig als "unschädlich" eingestuft wurden, werden "sicherheitshalber" torpediert und nach Möglichkeit abgeschossen. Entsprechend hoch ist der Zeit- und Arbeitsaufwand für das Herbeiführen von Entscheidungen. Zugleich ist die Qualität der Entscheidungen zumeist mäßig, weil es sich bei ihnen in aller Regel nicht um bestmögliche Lösung handelt, sondern um einen "politischen Kompromiss" zwischen gegensätzlichen Intentionen und Interessen.

  • ... mit mäßigem Ergebnis
  • Wie wichtig die Frage "Vertrauen oder Misstrauen" gerade für das Change Management ist, ergibt sich aus einer Überlegung, die der Kulturberater Michael Löhner in die Diskussion eingebracht hat. Auch wenn das Management sehr gut und intensiv kommuniziert, so argumentiert er, kann es kaum erreichen, dass alle Führungskräfte und Mitarbeiter über alle wesentlichen Veränderungen und deren Hintergründe vollständig Bescheid wissen. So gut man auch informiert, es bleibt also immer ein Rest an Unklarheit. Diese Informationslücke muss unvermeidlich mit Mutmaßungen aufgefüllt werden. Entscheidend ist nun, so Löhner, mit welcher inneren Einstellung die Mitarbeiter ihre Spekulationen anstellen – ob sie vertrauensvoll spekulieren oder voller Misstrauen.

  • Unvollständige Information
  • Genau so ist es tatsächlich: Wo Mitarbeiter ihren Chefs vertrauen, gehen sie im Zweifel davon aus, dass Dinge, zu denen sie keine Hintergrundinformationen haben, schon irgendwie in Ordnung gehen werden. Misstrauen sie ihnen hingegen, vermuten sie bei jeder Sache, die ihnen nicht vollständig transparent ist, dass "wieder" irgendeine Schweinerei dahinter steckt. In diesem Fall sind sie, falls überhaupt, erst nach langem Zureden und vielen beruhigenden Versicherungen – bis hin zu schriftlichen Betriebsvereinbarungen – dazu zu bewegen, sich vorsichtig auf Veränderungen einzulassen. Besonders stark schlagen solche misstrauischen Spekulationen natürlich solchen Top-Managern entgegen, die aufgrund früherer Erfahrungen im Verdacht stehen, einseitig und manipulativ mit Informationen umzugehen. Wer in dieser Hinsicht seinen Ruf ruiniert hat, der lebt durchaus nicht ungeniert – allenfalls, ohne dass man sich noch um seine beruhigenden Versicherungen geniert.

  • Misstrauen und Spekulation
  • Doch der Grad an Vertrauen oder Misstrauen hat aber nicht nur entscheidenden Einfluss darauf, mit welcher Tendenz spekuliert wird, sondern auch darauf, wie Informationen generell aufgenommen werden. Wenn die Geschäftsleitung zum Beispiel erläutert, welche Absichten sie mit einem neuen Projekt verfolgt, werden die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob im Unternehmen ein vertrauensvolles Grundklima herrscht oder ein misstrauisches. Wenn die Mitarbeiter der Geschäftsleitung vom Grundsatz her vertrauen, verzichten sie zwar keineswegs auf kritisches Hinterfragen, doch im Grunde ihres Herzens gehen sie davon aus, dass sich die Sache als "solide" herausstellen wird.

  • Aufnahme von Informationen
  • Ganz anders in einem misstrauischen Klima: Dort sind Mitarbeiter und Betriebsrat ständig auf der Suche, welche zwielichtigen Absichten "in Wirklichkeit" hinter dem Vorhaben stecken. Im Grunde geben sie der Geschäftsleitung gar keine Chance mehr, sie von ihren guten Absichten zu überzeugen; sie sind nur noch darauf aus, mit detektivischem Scharfsinn deren finstere Pläne zu entlarven und den "wahren", das heißt üblen Zweck des Vorhabens herauszufinden. Im Extremfall wird wirklich alles negativ ausgelegt – selbst offene Kommunikation wird dann nur als ein neuer mieser Trick gesehen, die Mitarbeiter hereinzulegen.

  • Unterstellung böser Absichten
  • Tausend Bremsklötze

     

    Auf diese Weise wird ein misstrauisches Klima zum massiven Handicap für jede Art von Weiterentwicklung. Jeder Anlauf in Richtung Veränderung löst in einem solcheb Umfeld von Anfang an Abwehrreflexe auf allen Ebenen aus. Die Mitarbeiter sind hochgradig beunruhigt und rechnen mit dem Schlimmsten; die mittleren Führungskräfte befürchten organisatorische Veränderungen und damit verbundene Machtverluste. Der Vertrieb befürchtet, dass seine Handlungsmöglichkeiten bei den Kunden eingeschränkt werden könnten; die Produktion wehrt sich schon vorbeugend dagegen, dass ihr noch mehr von anderen Stellen ins Handwerk gepfuscht wird als schon bisher. Und der Betriebsrat fordert den umgehenden Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die die Mitarbeiter vor allen nur denkbaren Nachteilen schützt – und sieht sich durch das Zögern der Geschäftsleitung in seinem Verdacht bestätigt, dass hinter dem Vorhaben "in Wirklichkeit" die Absicht steht, Personal abzubauen und/oder den Mitarbeitern sonst an ihre Besitzstände zu gehen.

  • Misstrauen multipliziert Widerstand
  • Jede einzelne dieser Sorgen hat vom Grundsatz her ihre Berechtigung. Denn es ist ja nicht falsch, dass Veränderungen auch Nachteile bringen können. Das Problem ist nicht die Existenz dieser Ängste, sondern die destruktive Art, wie mit ihnen umgegangen wird: Dass man nicht einmal prüft, ob tatsächlich ein Handlungsbedarf besteht; dass man gar nicht mehr nach einem gangbaren Weg sucht, sondern sich von vornherein in eine ängstlich-feindselige Blockadehaltung eingräbt. Diese Strategie des Mauerns, Blockierens und Verschleppens verschlechtert die Erfolgsaussichten von Veränderungsvorhaben dramatisch; zugleich führt sie zu erheblichem Mehraufwand und mindert den möglichen Nutzen der Veränderungen. Zudem werden Veränderungsprozesse quälender und schmerzhafter, weil das Gerangel zwischen den Machtblöcken immer wieder zu Verzögerungen von Entscheidungsprozessen und zu einer Dramatisierung von deren Folgen führt.

  • Erheblicher Mehraufwand
  • Hier eine Reihe von typischen Beispielen, wie sich Misstrauen im Lebenszyklus eines Veränderungsprojekts bemerkbar macht:

     
    • Schon beim Initiieren von Veränderungsprojekten liegt allein der Zeitaufwand für zusätzliche Vorgespräche und -verhandlungen bei einem Vielfachen im Vergleich zu Unternehmen, in denen ein vertrauensvolles Grundklima herrscht. Dort staunt man oft, wie schnell sich Mitarbeiter, Führungskräfte und Betriebsrat auch auf heikle Themen einlassen – und wie offen von Anfang an über die kritischen Punkte geredet wird. In einem misstrauischen Umfeld hingegen sind die Initiatoren oftmals schon zermürbt und angeschlagen, bevor das Projekt überhaupt begonnen hat.
  • Grenzen des Vertrauens
    • Zielsetzungen und Rahmenbedingungen solcher Projekte sind häufig von faulen Kompromissen und sogenannten "politischen Vorgaben" geprägt. Statt offen und objektiv an die Fragestellung heranzugehen, werden oftmals nur halbherzige und vage Ziele formuliert und Tabuzonen für Nachdenken und Analyse verhängt: "Themenfeld XY ist von der Untersuchung ausgeklammert." Oder es werden ohne Not unrealistisch kurze Zeitvorgaben für die Bestandsaufnahme gemacht, sodass es kaum möglich ist, zu heiklen Themen fundierte Analysen vorzulegen.
  • Unsaubere Ziele und Vorgaben
    • Ein aus politischen Gründen beschnittenes Projekt leidet von Anfang an unter eingeschränkter Glaubwürdigkeit. Denn natürlich wird auf den Gängen und Fluren darüber getuschelt, welche Interessen hinter der Einengung des Projektauftrags stehen und "wo man wirklich einmal hinschauen müsste". Dieser Makel lastet auch auf dem Projektteam und raubt ihm Energie, denn natürlich belastet es die Teammitglieder auch persönlich, wenn ihr Auftrag als "politisch", das heißt letztlich als unehrlich gilt.
  • Reduzierte Glaubwürdigkeit
    • Ist das Projekt schließlich doch gestartet, steht es von Anfang an unter misstrauischer Beobachtung: Welchen Themenfeldern wendet es seine Aufmerksamkeit zu und was hat dies zu bedeuten? In welche Richtung scheinen seine Überlegungen zu gehen? Wie kann man das Projektteam mit einer Mischung aus Drohung und Verführung davon abhalten, sich Themen zuzuwenden, die für das eigene Lager oder die eigene Interessenssphäre bedrohlich werden könnten?
  • Misstrauische Beobachtung
    • Schwierigkeiten, Unsicherheiten und Krisen, die bei zukunftsweisenden Projekten unvermeidlich sind, liefern den internen Gegnern die willkommene Munition, das missliebige Projekt zu attackieren und es nach Möglichkeit abzuschießen, nach dem Motto: "Nur ein totes Projekt ist ein gutes Projekt". Das klingt krass, aber bei einem tief sitzenden Misstrauen gegen das Projekt und seine Initiatoren ist diese Haltung nur logisch. Denn wenn jemand ein Projekt als Bedrohung seiner Interessen ansieht, dann wäre dessen Scheitern eine durchaus attraktive Perspektive – so attraktiv, dass es sich lohnt, tatkräftig dazu beizutragen.
  • Hecken-
    schützen
    • Spätestens wenn das Projekt seine Lösungsvorschläge präsentiert, sieht es sich in aller Regel heftigen Angriffen ausgesetzt. Denn zum einen ist es einfacher, Lösungsvorschläge anzugreifen als Analysen, denn dort sind die Linienverantwortlichen in der Defensive. Zum anderen ist es die Rache dafür, dass es mit seiner Bestandsaufnahme Schwachpunkte aufgedeckt hat – was immer unangenehm ist, in einer Misstrauenskultur aber als Parteinahme für das gegnerische Lager verstanden wird. Die Angriffe richten sich bevorzugt auf die vorgeschlagenen Lösungen ("naiv und wirklichkeitsfremd") und auf die Produktivität des Projektes ("Was ist eigentlich für das viele Geld herausgekommen, was wir nicht schon vorher gewusst haben?!").
  • Attacken auf Vorschläge
    • Wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Lösungsvorschlägen dennoch unvermeidlich, setzt ein wildes Feilschen ein. Unter der Maske von Sachdiskussionen findet dann eine Vielzahl Verhandlungen statt, in denen es nur noch vordergründig darum geht, was für das Unternehmen gut und richtig ist; in erster Linie ist jeder Beteiligte bemüht, Nachteile für seine eigene Interessenssphäre abzuwenden und Positionsvorteile gegenüber den internen Gegnern zu erringen. So entstehen jene berüchtigten "politischen Kompromisse", die sich kaum noch am Nutzen fürs Geschäft orientieren, sondern hauptsächlich an den internen Kräfteverhältnissen.
  • Lösungsbasar
    • Aus der Tatsache, dass schließlich doch eine Entscheidung getroffen wurde, folgt indes noch lange nicht deren Umsetzung. Vielmehr hält sich in einem misstrauischen Umfeld jeder nur an die Teile der Beschlusslage, die ihm in den Kram passen – und zwar so, wie sie ihm in den Kram passen. Was mit den ursprünglichen Intentionen oft nur noch geringe Ähnlichkeit hat. Nur mit hohem Aufwand für Überwachung und Durchsetzung lässt sich erreichen, dass zumindest der Kernbestand der getroffenen Entscheidungen in die Tat umgesetzt wird, und selbst dann sind Einbußen an Qualität und Geschwindigkeit kaum zu vermeiden.
  • Halbherzige Umsetzung
    • Bis die beschlossenen Maßnahmen schließlich im Markt wirksam werden, geht oftmals sehr viel Zeit verloren. Dieser Zeitverlust bedeutet zugleich einen wirtschaftlichen Nachteil, denn je später Maßnahmen greifen, desto später kommt auch ihr Nutzen zum Tragen, und desto geringer ist der Wettbewerbsvorteil, den sie noch bringen. Schon wenige Monate Verzögerung mindern den Nutzen in vielen Fällen erheblich, und eine halbherzige Umsetzung lässt den Vorteil noch weiter dahinschmelzen.
  • Verzögerte Realisierung
  • Bei diesen Manövern gibt es keine Gewinner – alle verlieren. Allenfalls verlieren manche ein bisschen weniger und andere ein bisschen mehr, aber das ist wenig wert, bedeutet es doch letztlich nur, dass jemand seine relative Position auf einem sinkenden Schiff verbessert. Ein Unternehmen, das sich auf diese Weise selbst blockiert und entmutigt, büßt Schritt für Schritt, Jahr für Jahr an Wettbewerbsfähigkeit ein. Seine Marktposition verschlechtert sich, weil es kaum noch dazu in der Lage ist, sich den Veränderungen von Markt und Wettbewerb anzupassen. Damit wird es früher oder später zum Sanierungsfall: Entweder es gelingt ihm durch einen Turnaround, die versäumten Anpassungen auf einen Schlag nachzuholen, oder es schlittert immer tiefer in die Krise. (In der Realität landen viele Sanierungsfälle irgendwo dazwischen; die Wende gelingt nur zu zwei Dritteln, mit der demoralisierenden Folge, dass bald weitere Schnitte erforderlich werden.)

  • Verlust der Wettbewerbs-
    fähigkeit
  • Ist es nicht trotzdem übertrieben, misstrauischen Unternehmenskulturen gleich den Untergang zu prophezeien? Immerhin scheint es ja selbst in der Großindustrie Misstrauenskulturen zu geben, die sich schon ziemlich lange halten. In der Tat lässt sich kaum sagen, wie schnell das schleichende Gift des Misstrauens seine zersetzende Wirkung entfaltet – das hängt davon ab, wie hoch es dosiert wird und wie stark die vorhandene Substanz ist. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass misstrauische Kulturen erhebliche Nachteile gegenüber vertrauensvollen haben: Sie haben einfach den schlechteren Wirkungsgrad und brauchen mehr Energie und mehr Zeit, um damit zu schlechteren Resultate zu kommen. So etwas können sich auf die Dauer nur Monopolisten leisten; je härter der Wettbewerb in einer Branche und je besser Teamgeist und Schlagkraft der Konkurrenz, desto schneller verlieren sie an Boden.

  • Langfristiger Wettbewerbs-
    nachteil

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    Die Kosten des Misstrauens

     

    Trotzdem scheinen sich diese misstrauensbedingten Reibungsverluste einer harten Quantifizierung zu entziehen – und damit in das Niemandsland der "Soft Issues" zu entschwinden, die von vielen Managern, die sich nur für so genannte harte Fakten interessieren, nicht ernst genommen werden. Doch mit ein bisschen Mühe lassen sich die Kosten, die aus einem misstrauisch-destruktiven Umgang mit Veränderungsvorhaben entstehen, durchaus quantifizieren – bei konkreten Projekten mit durchaus vergleichbarer Genauigkeit wie bei Investitions- oder andere Szenario-Rechnungen. Dass dies in der Praxis selten geschieht, liegt weniger an methodischen Problemen als an der düsteren Vorahnung, welch schaurige Zahlen dabei herauskommen würden.

  • Hohe direkte und indirekte Kosten
  • Die "Kosten des Misstrauens" setzen sich im wesentlichen aus vier Komponenten zusammen:

     

    1.

    Direkte Gehaltskosten für unnütz vergeudete Arbeitszeit – bei größeren Projekten schnell einige 10.000 Euro. Hierzu zählt nicht nur der Mehraufwand für komplizierte und schwerfällige Entscheidungsprozesse, sondern auch der Absicherungsaufwand, der innerhalb und außerhalb der Projekte betrieben wird. Dazu kommen die zusätzliche Arbeitszeit, die für die Einhaltung oder Umgehung der Zielkompromisse aufgewandt wird, und nicht zuletzt die Zeit für Aktivitäten, die schließlich aus politischen Gründen doch zu keinen Resultaten führen. (Niemand möge argumentieren, dass diese Kosten nicht zählen, weil es sich um so genannte "Eh-da-Kosten" handele – die Leute seien schließlich "eh da". Schließlich könnten sie in der gleichen Zeit auch Dinge tun, die dem Kunden Nutzen bringen und von ihm honoriert werden.)

  • Vertane Arbeitszeit
  • 2.

    Externe Kosten, z.B. für Berater, die vorwiegend aus "politischen Gründen" eingesetzt werden, um zusätzliche Autorität in der Beweisführung oder zusätzliche Truppen für die Auseinandersetzung zu haben, und dies, obwohl der sachliche Teil des Problems durchaus mit "Bordmitteln", also von eigenen Leuten hätte gelöst werden können. Diese Kosten liegen in der Regel im sechsstelligen Bereich; beim Einsatz von Großberatern können sie sich auch auf mehrere Millionen belaufen.

  • Externe Kosten
  • 3.

    Versäumte Chancen. Je später sinnvolle Maßnahmen umgesetzt werden, desto geringer ist in aller Regel ihr Nutzen, denn die Konkurrenz schläft ja auch nicht. Maßnahmen, die bei rascher und konsequenter Umsetzung einen Wettbewerbsvorsprung gebracht hätten, bewirken bei verzögerter und halbherziger Realisierung oft nur noch ein Gleichziehen mit der Konkurrenz; bei noch späterer Umsetzung verringern sie bloß noch den zwischenzeitlich entstandenen Rückstand. Das Gleiche gilt für alle Verbiegungen, Abschwächungen und anderen faulen Kompromisse, die im Zuge der Entscheidungsfindung und Umsetzung gemacht werden. In Summe können die Kosten versäumter Chancen je nach Größe des Unternehmens und der Bedeutung des Veränderungsvorhabens im siebenstelligen Bereich liegen, bei gravierenden Fällen auch darüber.

  • Versäumte Chancen
  • 4.

    Die Folgeschäden solcher durch Misstrauen geknebelter Projekte liegen zum einen in der schleichenden Erosion der Wettbewerbfähigkeit, die ein Unternehmen schrittweise im Markt zurückfallen lassen; zum anderen in einer demoralisierenden und entmutigenden Wirkung nach innen. Wer jemals die Erfahrung gemacht hat, bei einem Projekt zum hilflosen Spielball politischer Interessen geworden zu sein, wird es sich in Zukunft genau überlegen, ob er sich wieder zur Mitarbeit an einem Veränderungsprojekt bereit findet. Gerade junge und ehrgeizige Mitarbeiter – die "High Potentials" – gehen oft noch einen Schritt weiter und suchen sich einen neuen Job. Wobei diese Folgeschäden exponentiell mit der Zeit wachsen: Die Wettbewerbsfähigkeit rutscht sozusagen von Stufe zu Stufe immer weiter ab.

  • Langfristige Folgeschäden
  • Quantifizierung in Szenarien

     

    Anhand dieser vier Kategorien lassen sich bei konkreten Projekten die Kosten des Misstrauens abschätzen. Dabei kann es gleich bei der ersten Kategorie zu hitzigen Diskussionen kommen: Wie viel Mehraufwand für Diskussionen, Absicherung und Holzwege ist tatsächlich als Folge von Misstrauen entstanden? Welcher Anteil des Aufwands war projektbedingt unvermeidlich? Hier gehen die Einschätzungen oft weit auseinander – wobei in misstrauischen Kulturen meistens krass unterschätzt wird, um wie viel schneller und effizienter eine vertrauensvolle Kultur in ihrem gesamten Handeln ist. (Als Berater hat man da mehr Vergleichsmöglichkeiten.) Doch lohnt es nicht, lange zu streiten: Dies ist ohnehin der kleinste Posten in der Gesamtrechnung. Eher lohnt es sich, gleich hier in eine Szenario-Betrachtung einzusteigen und den günstigsten, den ungünstigsten und einen mittleren Fall getrennt festzuhalten.

  • Bestimmung der Kostennachteile
  • Der zweite Posten ist einfacher: Welche externen Kosten angefallen sind, lässt sich in aller Regel klar angeben; strittig mag allenfalls sein, ob sie hauptsächlich aus politischen Gründen anfielen oder ob und in welchem Umfang sie zwingend erforderlich waren. Bei Dissens ebenfalls in Szenarien denken!

  • Szenarien
  • Ein Stück Mut zum scheuklappenlosen Denken erfordern die "versäumten Chancen": Dort lügt man sich leicht in die Tasche, dass ein paar Monate hin oder her doch keinen so großen Unterschied machen. Doch das ist ein zweifelhaftes Argument: Wenn ein paar Monate hin oder her keinen Unterschied machen, dann macht ein Jahr hin oder her wahrscheinlich auch keinen Unterschied. Wenn aber ein Jahr keinen Unterschied macht, dann macht wohl das ganze Projekt keinen Unterschied. Also Mut zum Hinschauen!

  • Mut zum Hinschauen
  • Aus der Absatzforschung weiß man, dass die verspätete Einführung eines Produkts um ein paar Wochen oder Monate einen wesentlichen Teil zwar nicht des Umsatzes, aber der kumulierten Profitabilität dieses Produktes aufzehren kann. Für andere Neuerungen dürfte Ähnliches gelten, gleich ob es sich um die Einführung eines IT-Systems handelt, um einen Turnaround oder um eine Veränderung der Unternehmenskultur. Ganz abgesehen davon, dass jede Verspätung wie bei der Bahn eine Kette weiterer Verspätungen nach sich zieht: In der Zeit, wo die Mitarbeiter noch an dem verzögerten Projekt arbeiten, könnten und sollten sie ja eigentlich längst das nächste Thema vorantreiben.

  • Verspätungen kosten
  • Die "Folgeschäden" schließlich sind die Kategorie, die am schwierigsten zu beziffern ist. Zwar kann man in der Regel abschätzen, wie viele der Team-Mitglieder für jede Mitarbeit an künftigen Projekten verprellt wurden; schwieriger ist zu bestimmen, welchen Preis dies hat. In einem Unternehmen, das ein (noch) unerschöpfliches Potenzial an ehrgeizigen und innovativen Nachwuchskräften hat, wäre dies bei einer rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung möglicherweise ein verkraftbares Problem; für ein Unternehmen, das sein letztes Aufgebot mobilisiert hat, kann dessen Verschleiß tödlich sein. Ähnliches gilt für die "Infizierung" anderer Mitarbeiter mit dieser Demoralisierung, die nicht direkt an dem Projekt beteiligt waren, aber nahe genug dran, um ihre Lehren daraus zu ziehen.

  • Abschätzung der Folgeschäden
  • Aber wie bestimmt man den Preis? Wie lassen sich diese qualitativen Effekte in eine Zahl übersetzen? Zum Beispiel indem man abschätzt, was es kosten würde, die gleiche Innovations- und Veränderungsenergie extern einzukaufen. Denn über externe Berater kauft man sich ja Leistungen ein, die die eigenen Mitarbeiter entweder nicht zu erbringen in der Lage sind – oder nicht mehr bereit. Bei der Abschätzung der Kosten ist zu berücksichtigen, dass dies langwierige und teure Beratungsprojekte wären, weil die Internen ja "auf die Jagd getragen" werden müssen und der misstrauische Widerstand auch die Berater bremst.

  • Quantifizierung des Mehraufwands
  • Vergleichsweise leicht zu bestimmen sind dagegen die Kosten der Abwanderung von Leistungsträgern. Die Kosten pro Person errechnen sich aus dem Aufwand für die Rekrutierung und Einarbeitung vergleichbar geeigneter Personen; dazu kommen die "Opportunitätskosten", die sich daraus ergeben, dass zwischen dem Ausscheiden der einen Person und der vollen Einsetzbarkeit der anderen eine Produktivitätslücke entsteht. Bis der neu eingestellte Mitarbeiter so produktiv ist wie es der abgewanderte war, geht eine Menge an Zeit und an Chancen verloren. Diese Lücke schließt sich nur langsam, weil sich der ausgeschiedene Mitarbeiter unter günstigen Bedingungen ja vermutlich noch weiter entwickelt hätte.

  • Kosten der Abwanderung
  • Was die Sache aber besonders teuer macht, ist, dass in aller Regel nicht die schwächeren, sondern die fähigsten Mitarbeiter abwandern – also genau diejenigen, die dem Unternehmen, wenn sie geblieben wären, besonders viel Nutzen und Ertrag gebracht hätten. Um die Anzahl der Abwandernden zu schätzen, kann man entweder ebenfalls in Szenarien denken – oder ein paar Monate warten.

  • Die Fähigsten gehen
  • Bürokratie – versteinertes Misstrauen

     

    Trotz allem hieße es das Phänomen Misstrauen unterschätzen, wenn man es nur auf Veränderungsvorhaben bezöge. Denn Misstrauen behindert, wenn es sich als Grundzug in einer Unternehmenskultur festgesetz hat, nicht bloß Veränderungsprojekte, sondern jede Facette der täglichen Arbeit. Misstrauische Kulturen neigen oft dazu, bei Fehlern mit Schuldzuweisungen zu arbeiten, was eine weitere Stufe der Produktivitätsvernichtung ist. Denn dagegen kann man sich nur wehren, indem man entweder gar nichts tut – wer nichts tut, macht auch keine Fehler – oder indem man sich absichert, beispielsweise dadurch, dass man sich vor jeder Entscheidung mit jedem abstimmt, der später eine Meinung dazu haben könnte, und indem man jedes Detail seiner Arbeit akribisch dokumentiert: Lauter Dinge, die frei von jedem Mehrwert für den Kunden sind.

  • Schuldvorwürfe fördern Bürokratie
  • Vor allem aber neigen misstrauische Kulturen zur Bürokratie. Denn darin vereinen sich drei Geisteshaltungen zu einem ziemlich heillosen Gebräu: Erstens eben Misstrauen, zweitens kleingeistiger Perfektionismus, der unterstellt, dass niemand auf der Welt einen Vorgang so perfekt beherrscht wie der Urheber der jeweiligen Regelung, und drittens subtile Machtausübung bzw. Machtmissbrauch, der den anderen die eigenen Vorstellungen aufzwingen will – und damit zwangsläufig Gegenwehr auslöst.

  • Misstrauen und Bürokratie
  • Was wie das Ausufern von Bürokratie erscheint, ist in Wirklichkeit der Prozess der "Versteinerung" von Misstrauen zu immer detaillierteren Regelungen. Bürokratie ist ja letzten Endes nichts anderes als der Versuch, jede Einzelheit und jeden denkbaren Sonderfall präzise zu regeln, selbst den GAU, den "größten anzunehmenden Ausreißer". Darin kommt ein tiefsitzendes Misstrauen nicht nur gegenüber denjenigen zum Ausdruck, die die Sonderfälle kreieren (bzw. sind), sondern auch gegenüber denen, die die Regelungen "zur Anwendung bringen", sprich umsetzen sollen.

  • Bürokratie: versteinertes Misstrauen
  • Dass dabei oftmals Vorschriften herauskommen, die vor lauter Fokussierung auf exotische Ausnahmefälle auf den Normalfall kaum noch anwendbar sind, ist mehr als ein Betriebsunfall – es ist Ausgangspunkt für die nächste Stufe der Bürokratie-Eskalation: Es verleitet zur Nichteinhaltung bzw. "liberalen Auslegung" der Vorschriften, manchmal zwingt es sogar dazu. Nicht umsonst ist "Dienst nach Vorschrift" eine der härtesten Drohungen, die Angehörige einer Bürokratie ausstoßen können. Die "liberale Auslegung" wird, sobald sie entdeckt wurde, wiederum mit bürokratischen Mitteln bekämpft: durch das Erlassen von noch detaillierteren Regelungen und Prüfvorschriften.

  • "Liberale Auslegung" und deren Bekämpfung
  • Dieses tiefsitzende Misstrauen in Verbindung mit Kleingeistigkeit und subtilen Machtansprüchen ist auch der Grund, weshalb Bemühungen zum Abbau von Bürokratie, gleich ob in Unternehmen oder in der Politik, meistens ziemlich kläglich enden: Da in aller Regel nur die Vorschriften angegangen werden, nicht aber die dahinter stehende Geisteshaltung, enden die Bemühungen nach zähen Debatten über die Unverzichtbarkeit jeder einzelnen Regelung im günstigsten Falle mit der Streichung (hilfsweise: Vereinfachung) einiger besonders spektakulärer Auswüchse. Man kann dann schon von Glück reden, wenn dabei nicht ein Paket zusätzlicher Regelungen zur Vermeidung unnötiger Vorschriften herauskommen – wie zum Beispiel eine Verwaltungsvereinfachsverordnung (mit dem amtlichen Kürzel VwVereinVO).

  • "Bürokratie-
    abbau"

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  • Abbau von Misstrauen und Aufbau einer Vertrauenskultur

     

    So verheerend seine Auswirkungen sind, so schwierig ist es, tief verwurzeltes Misstrauen in einem Unternehmen abzubauen oder wenigstens abzumildern. Misstrauenskulturen zählen eindeutig zu den Fällen, bei denen es einfacher wäre, das betroffene Unternehmen zuzusperren und nebenan auf der grünen Wiese neu aufzubauen. Denn Vertrauen wie Misstrauen beschreiben ja die Beziehungen zwischen einzelnen Personen bzw. Gruppierungen in einer Organisation; je größer eine Organisation aber ist, desto größer die Zahl der Beziehungen, desto schwieriger ist es daher und desto länger dauert es, bis die "kritische Masse" für eine Veränderung erreicht ist. Und desto mehr konterkariert zugleich das täglich erlebte Misstrauen jedes Bemühen, ein vertrauensvolle(re)s Klima aufzubauen.

  • Je größer, desto schwieriger
  • Da die Grüne-Wiese-Option aber real nicht existiert, stellt sich eben doch die Frage, wie man eine solche Kulturveränderung mit einem bestehenden Unternehmen angehen könnte. Die Antwort lautet in Kurzfassung: von oben nach unten. Im Grunde kann ein solchen Unterfangen nur dann gelingen, wenn er vom oberen Management ausgeht und mit großer Beharrlichkeit verfolgt wird. Im Idealfall ist dies der Vorstand oder die Geschäftsleitung, aber es kann auch ein Bereichs- oder Niederlassungsleiter sein.

  • Top-Down-
    Vorgehen
  • In diesem Fall muss der betreffende Vorgesetzte den Puffer zwischen "oben" und "unten", zwischen der "Welt des Misstrauens" und der "Insel des Vertrauens" bilden – wobei schon diese Begriffe nicht ungefährlich sind, weil sie in zwei Lager polarisieren und zudem höhere Erwartungen wecken als einlösbar sind. Denn selbst wenn es einem Manager gelingt, innerhalb des eigenen Bereichs ein relativ vertrauensvolles Klima aufzubauen, haben die Mitarbeiter ja immer auch mit Kollegen außerhalb dieses Bereiches zu tun und müssen daher mit beiden Welten umgehen können. Die tägliche Konfrontation mit einem misstrauischen Klima färbt unweigerlich auch nach innen ab.

  • Insellösungen möglich, aber schwierig
  • Aber wie kann das Vorgehen konkret aussehen? Widerstehen Sie der Versuchung, zur Überwindung des Misstrauens ein Leitbilds erarbeiten zu lassen – dies würde das Problem nicht lösen, sondern Ihnen stattdessen ein zweites einbringen, nämlich zum einen das Kopfschütteln der alten Grabenkrieger, zum anderen nach anfänglicher Begeisterung eine wachsende Enttäuschung der Gutwilligen, die zutiefst frustriert sind, weil das Klima nicht besser wird, obwohl doch im Leitbild ausdrücklich ein "vertrauensvoller und offener Umgang" gefordert wird. So sinnvoll und wichtig es ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Zusammenarbeit auch anders aussehen könnte als ständig auf der Hut zu sein, so wirklichkeitsfremd ist es, Leitsätze zu verfassen, in denen man ein Wunschbild davon zeichnet, wie man die Welt gerne hätte, und dann hofft, die Welt werde sich danach richten.

  • Leitbilder helfen nicht
  • Einen Entwicklungsprozess in Gang setzen und beharrlich vorantreiben

     

    Da sich Vertrauen nicht erzwingen lässt und auch das Aufgeben von Misstrauen nicht verordnet werden kann, bleibt nur die Möglichkeit, einen allmählichen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen. Hierfür gelten vom Grundsatz her die gleichen Empfehlungen wie für die Förderung von Vertrauen, nur dass der Weg noch länger und steiniger ist, weil er bei einer ausgeprägten Misstrauenskultur noch ein ganzes Stück weiter unten beginnt. Wer das Entstehen von Vertrauen fördern will, muss seine Autorität nutzen, um kooperatives Handeln zu ermutigen und dafür zu sorgen, dass destruktive Machtspielchen negative Konsequenzen haben.

  • Konstruktive Strategie
  • Dabei können Sie auf einen nicht zu unterschätzen Verbündeten zählen: Die allermeisten Menschen – auch die allermeisten Führungskräfte bis hinauf ins Top-Management – würden persönlich viel lieber in einem vertrauensvollen Klima arbeiten als in einem misstrauischen; sie haben nur gelernt bzw. aus ihren Erfahrungen für sich die Lehre gezogen, dass dies in ihrem derzeitigen Umfeld nicht möglich bzw. nicht ratsam ist. Die allermeisten von ihnen sind daher in einem Dilemma zwischen dem, was sie sich eigentlich wünschen würden, und dem, was sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen pragmatisch für geboten halten. Oder anders gesagt, sie pendeln zwischen Hoffnung und Angst – und fürs Erste hat bei den meisten die Angst gesiegt.

  • Am Bedürfnis nach Vertrauen anknüpfen
  • Aber das muss nicht zwangsläufig so bleiben. Wenn es Ihnen gelingt, einen Entwicklungsprozess in Gang zu bringen und die Hoffnung zu stärken, dass ein anderes Miteinander möglich und erreichbar ist, können sie die Balance verschieben. Das wird nicht in einem Workshop gelingen, es wird ein längerer Prozess sein – aber es wird vermutlich mit einem Workshop beginnen. Denn Workshops sind hier wirksamer als Einzelgespräche: Einzelgespräche können helfen, ein Vertrauensverhältnis zwischen einzelnen Personen aufzubauen, aber eine Vertrauenskultur in einer Führungsmannschaft ist mehr als die Summe der Vertrauensverhältnisse zwischen Individuen, es ist das Grundgefühl, "dass man den anderen hier trauen kann". Und das entsteht wesentlich schneller und leichter durch gemeinsames Erleben, als durch Einzelgespräche, von denen keiner weiß, wie die anderen Gespräche verlaufen sind.

  • Vertrauens-bildende Workshopreihe
  • Vertrauen ist keine Frage von Null oder Eins, es kennt viele Abstufungen. Deshalb geht es nicht um den einen großen Sprung: Der Abbau von Misstrauen und der Aufbau von Vertrauen verläuft schrittweise, und es auf diesem Weg wird auch der eine oder andere Rückschlag vorkommen. Wenn es in einem ersten Workshop gelingt, ein Stück mehr Vertrauen und Offenheit herzustellen, haben Sie viel erreicht – und trotzdem wird das am Tag nach dem Workshop allerlei zwiespältige Gefühle hervorrufen, denn nun, nachdem man zurück im Alltag ist, stellt sich ja für jede und jeden die Frage: Kann man dem Frieden trauen? Oder soll man sicherheitshalber – nicht aus böser Absicht, sondern nur, um kein zu großes Risiko einzugehen – an den alten misstrauischen Mustern festhalten? Oder sollte man tatsächlich das Wagnis von etwas mehr Vertrauen eingehen?

  • Schrittweiser Prozess
  • Manche verhalten sich am Anfang noch sehr vorsichtig, andere wagen sich von vornherein weiter aus der Deckung – aber so oder so, es kommt etwas in Bewegung. Doch kaum jemand wird nach einem solchen Workshop die größere Offenheit seiner Kollegen nutzen, um sie in die Pfanne zu hauen. Manche der Mutigeren treffen auf Gleichgesinnte, was sie ermutigt, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen: Ein Anfang ist gemacht.

  • Ein Anfang ist gemacht
  • Nun gilt es am Ball zu bleiben mit Folge-Workshops, damit die ersten positiven Erfahrungen nicht gleich wieder von den misstrauischen Alltagsroutinen der bestehenden Kultur zunichte gemacht werden. Als ausgesprochen nützlich erweist es sich dann, wenn man in dem ersten Workshop nachprüfbare Kriterien vereinbart hat, wie die künftige Zusammenarbeit aussehen soll, und diese Kriterien dann gemeinsam abprüft. So kann man über einige Stationen hinweg tatsächlich eine Kulturveränderung erreichen.

  • Am Ball bleiben
  • Entlang der Hierarchie von oben nach unten vorgehen

     

    Eine entscheidende Rolle bei dem Vorgehen spielt die Hierarchie. Auch wenn sich das Misstrauen über alle Hierarchieebenen hinweg ausgebreitet hat, kann es nur entlang der hierarchischer Ordnung aufgelöst werden, und zwar von oben nach unten. Bevor nachgeordnete Führungsebenen in den Prozess einbezogen werden können, muss sich als erstes die oberste Ebene erkennbar auf den Weg gemacht haben: Im Vorstand, der Geschäftsführung oder der Bereichsleitung muss ein gewisser Grad von entspannter Offenheit – nicht zu verwechseln mit gekünstelter Lockerheit – erreicht sein, bevor man die nächste Ebene einbeziehen kann.

  • Entlang den Hierarchieebenen vorgehen
  • Das liegt daran, dass sich für die jeweils oberste Ebene die Situation völlig verändert, wenn nachgeordnete Ebenen an einem Workshop teilnehmen: Sie agieren dann sozusagen vor Publikum auf der Bühne. Vor allem ihre Interaktion untereinander steht unter Beobachtung, und ihre "Direct Reports" verfolgen dann sehr genau, wie offen und vertrauensvoll sie tatsächlich miteinander umgehen. Das gilt natürlich besonders, wenn sie, wie es unweigerlich vorkommen wird, in irgendeiner Sach- oder Stilfrage erkennbar nicht auf einer Linie sind. In solchen Situationen lässt sich ein Vertrauensverhältnis, das noch nicht entstanden ist, nicht simulieren: Das kann nur gelingen, wenn sich die Häuptlinge im Vorfeld wirklich zusammengerauft haben. Was wiederum nur möglich ist, wenn sie im kleinen Kreis und ohne Zuschauer eine neue Grundlage für ihre Zusammenarbeit finden.

  • Oberste Ebene unter Beobachtung
  • Deshalb muss ein solcher Prozess zwingend ganz oben beginnen und sich dann Stufe für Stufe, immer unter aktiver Mitwirkung der höheren Ebenen, von oben nach unten durch die Hierarchiestufen hindurcharbeiten. Das dauert natürlich eine Weile und kostet eine Menge Zeit – das einzige, was noch mehr Zeit und Geld kostet, ist eine Kultur des Misstrauens fortbestehen zu lassen.

  • Von oben nach unten durcharbeiten
  • Dieser Zeitaufwand lässt sich nicht verkürzen: Vertrauen muss wachsen wie eine Pflanze, und dieses Wachstum hat sein eigenes Tempo, es lässt sich nicht beschleunigen, indem man an der Pflanze zieht; man kann es allenfalls fördern, indem man Nährstoffe bereitstellt und Schadstoffe fernhält. Dieser Prozess lässt sich auch nicht delegieren, indem man Berater einsetzt: Ein guter Berater kann den Prozess moderieren und fruchtbare Diskussionen anstoßen, doch Vertrauen kann sich nur zwischen Menschen entwickeln. Und die oberen Ebenen sind dafür deshalb so unverzichtbar, weil die nachgeordneten Ebenen gut beraten sind, zu anderen Abteilungen und Bereichen nicht mehr Vertrauen zu entwickeln als ihre Chefs, weil sie sich sonst deren Misstrauen zuziehen könnten.

  • Erheblicher Zeitaufwand
  • Beharrlichkeit ist alles

     

    Vor allem bei einem sehr verfestigten Misstrauen kann es unter Umständen lange dauern, bis verstanden wird, dass Ihre Kooperationsangebote weder blanker Naivität entspringen noch bloß ein neuer mieser Trick sind, um ihre Gegner aufs Kreuz zu legen. Eine klare Ansage kann dennoch sehr hilfreich sein, wenn sie authentisch und überzeugend ist. So antwortete der Geschäftsführer eines Pharmaunternehmens auf die Frage, warum ihm diese Kulturveränderung denn so wichtig sei: "Wissen Sie, ich verbringe einfach zu viel Zeit in der Arbeit, um akzeptieren zu können, dass Lebensqualität für mich erst am Feierabend beginnt!"

    Man konnte förmlich dabei zuschauen, wie dies die Sichtweise seiner Bereichsleiter veränderte. Keiner sagte ein Wort, aber etlichen wird wohl bewusst geworden sein, dass es ihnen ähnlich geht, und vor allem war damit klar, dass der Geschäftsführer dieses Vorhaben aus einem glaubhaften eigenen emotionalen Bedürfnis verfolgte.

  • Impulse zum Umdenken geben
  • Trotzdem ist für einen solchen Weg viel Geduld, Hartnäckigkeit und Frustrationstoleranz erforderlich; planen Sie daher Rückschläge und Enttäuschungen von vornherein fest ein. Dieser Prozess lässt sich allenfalls dadurch beschleunigen, dass Sie die Prinzipien Ihres Handelns immer wieder erklären und versuchen, sie nachvollziehbar zu machen. Dabei kann es helfen, das herrschende Misstrauen von Zeit zu Zeit in geeigneten Runden zum Thema zu machen – allerdings unbedingt ohne Vorwürfe und Schuldzuweisungen, denn sonst wird es sofort als neues taktisches Spiel eingestuft und verpufft wirkungslos.

  • Misstrauen zum Thema machen
  • Wenn Sie Ihren Mitarbeitern und Kollegen erklären, dass Sie entschlossen sind, ab sofort das in Ihrem Möglichkeiten Stehende zu tun, um Misstrauen abzubauen und das Klima zu verbessern, wird das – natürlich – kein spontanes Vertrauen auslösen. Im Gegenteil: Die Reaktionen werden absehbar präzise einem psychologischer Merksatz folgen, der lapidar lautet: "Das neurotische Muster wirkt auch in der Therapie." Mit anderen Worten, jeder Versuch, Misstrauen abzubauen, wird zunächst mit größtem Misstrauen beäugt und läuft Gefahr, zum Opfer genau dieses Misstrauen zu werden.

  • Beharrlichkeit ist alles
  • Deshalb bedarf es großer Zähigkeit und Frustrationstoleranz, um durch immer neue konstruktive Impulse im Laufe der Zeit doch eine positive Bewegung auszulösen. Dennoch ist es der Mühe wert, denn selbst wenn es Ihnen zunächst nicht gelingt, das verfestigte Misstrauen aufzulösen und zumindest Ansätze zu einer Vertrauenskultur zu schaffen, wird es doch Ihr persönliches Ansehen verändern. Erstaunlicherweise gibt es selbst in ausgeprägten Misstrauenskulturen immer wieder einzelne Persönlichkeiten, die ein hohes Maß an Vertrauen von (fast) allen Seiten genießen – und damit auch die Chance haben, Schritt für Schritt auch andere mit kooperativem Handeln zu "infizieren".

  • Zähigkeit und Frustrationstoreranz

  • Stehen Sie vor der Frage, wie Sie in Ihrem Unternehmen eine Kultur des Misstrauens überwinden und sie durch eine Vertrauenskultur ersetzen können? Dann empfehlen wir Ihnen zum Einstieg einen Workshop "Aufbau einer Vertrauenskultur" im engsten Kreise Ihres Top-Managements.

                Mehr Informationen über solch einen Workshop "Aufbau einer Vertrauenskultur"

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  • Aufbau einer Vertrauenskultur
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