Die Umsetzungsberatung

Eine Veränderungsstrategie entwickeln

Benchmarking / Best Practice: Aus Vergleichen zu lernen lernen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Manchmal hilft ein kleiner Schock, um wach zu werden. Bei der internen Optimierung von Prozessen und Abläufen ist früher oder später der Punkt erreicht, an dem man glaubt, dem Optimum ziemlich nahe zu sein. Und es ist nur menschlich, dass man sich dann irgendwann mit dem erreichten Stand auch zufrieden gibt. (Auch wenn man das niemals zugeben würde, weil man als Manager ja nie mit dem Erreichten zufrieden sein darf.) Falls man dann durch Zufall erfährt, dass ein anderes Unternehmen die gleiche Aufgabe viel pfiffiger und effizienter gelöst hat, ist das erst einmal ein Schock: Man zuckt zusammen, ist beleidigt, glaubt es erst einmal nicht, beginnt nach einer Weile aber doch, neu nachzudenken. Und ein paar Wochen später hat man dann auch die eigenen Abläufe deutlich effizienter gemacht – oft sogar noch ein Stück effizienter als das Unternehmen, dem man den Vergleichsimpuls verdankt.

  • Die Grenzen erreicht – vermeintlich
  • "Benchmarking" heißt, solche Lernprozesse nicht dem Zufall zu überlassen, sondern sich systematisch um Vergleichsinformationen zu bemühen. Der Begriff beschreibt also die unendliche Suche nach dem, was man auf gut Denglisch "Best Practice" nennt, was man aber genau so gut auch einfach als die Suche nach der pfiffigsten Lösung bezeichnen könnte. Das ausdrückliche Ziel dabei ist meist, zum "Musterschüler" zu werden ("Best in Class"). Weil viele andere das aber auch wollen, wird das zum ewigen Wettrennen. Doch obwohl dieses Rennen nicht dauerhaft zu gewinnen ist, kann man auch nicht aussteigen, denn verlieren kann man es sehr wohl. Und das wäre ausgesprochen unerfreulich, weil es über kurz oder lang dazu führt, dass man Probleme mit seinen Kunden bekommt. Denn die sind auf die Dauer nicht bereit, einen Mehrpreis für Aufwände zu bezahlen, von denen sie keinen Nutzen haben. Und den haben sie nicht, wenn Prozesse umständlicher und damit teurer abgewickelt werden als es dem Stand der Kunst entspricht. Aus diesem Grund sind Prozessoptimierung und Kostensenkung, ob einen das freut oder nicht, eine unternehmerische Daueraufgabe, und Benchmarking ist ein nützliches Werkzeug dazu.

  • Ein ewiges Wettrennen
  • Benchmarking am Beispiel einer Übung

     

    Wie Benchmarking funktioniert, lässt sich gut anhand einer einfachen Übung illustrieren, die gern in Teamentwicklungsprozessen eingesetzt wird: Die Gruppe wird in zwei Untergruppen geteilt, die sich in zwei Reihen gegenüber einander aufstellen. Dann wird durchgezählt, und zwar abwechselnd zwischen den Reihen, sodass in der einen Reihe alle geraden Nummern sind und in der anderen alle ungeraden. Die Aufgabe lautet nun, einen Tennisball möglichst schnell von der kleinsten zur größten Zahl zu befördern. Dabei muss er sämtliche Zahlen in aufsteigender Reihenfolge durchlaufen, also von der Nummer 1 zur Nummer 2, von der 2 zur 3, von dort zu Nummer 4, und so weiter, bis die höchste Zahl erreicht ist. Die benötigte Gesamtzeit wird vom Trainer oder einer anderen vertrauenswürdigen Person gestoppt.

  • Die Übungs-
    aufgabe
  • Nach einem Probelauf erhält die Gruppe die Auftrag, die schnellstmögliche Zeit zu erzielen; der beste von drei Durchgängen wird gewertet. Je nach Gruppengröße kommt dabei meist eine Zeit zwischen einer halben Minute und einer Minute heraus. Dann fragt der Trainer, welche Verbesserungen der Zeit nach Einschätzung der Gruppe noch möglich wären. Die übliche Antwort lautet: Mit mehr Übung wären sicher noch etwas bessere Zeiten zu erzielen, aber einen riesigen Sprung würde es nicht mehr geben.

  • Gefühl, dem Optimum nahe zu sein
  • Worauf der Trainer alle Teilnehmer bittet, drei Schritte zurück zu machen, sodass sich der Abstand zwischen den Reihen vergrößert, und es dann erneut zu probieren. Es kommt, wie es kommen musste: Wegen des größeren Abstands steigt die Fehlerquote, und die Zeiten werden länger. Danach fragt der Trainer erneut, welche Verbesserungen möglich wären. Meistens fällt dann einigen Teilnehmern auf, dass, wenn eine Vergrößerung des Abstands zu schlechteren Ergebnissen führt, eine Reduzierung des Abstands eigentlich zu besseren führen sollte. Also verkürzt die Gruppe den Abstand zwischen den Reihen, sodass sich die Teammitglieder den Ball nicht mehr zuwerfen, sondern – bei deutlich verbesserter Prozessqualität – gegenseitig in die Hand geben. Prompt wird so eine deutlich bessere Zeit erzielt, üblicherweise etwa die Hälfte Drittel der bisherigen Bestmarke. Zufrieden konstatiert die Gruppe ihren Leistungssprung.

  • Erster Umbau des Prozesses
  • Abermals fragt der Trainer, ob noch Verbesserungen möglich sind. Abermals die gleiche Antwort: Geringfügig bessere Zeiten sicher noch, aber keine großen Sprünge mehr. Darauf sagt der Trainer: "Dann sage ich Ihnen jetzt mal, wo der bisherige Rekord bei dieser Übung liegt!" Und nennt eine Zahl, die bei weniger als der Hälfte der gerade erzielten Bestmarke liegt: "Acht Sekunden." Typische spontane Reaktion: "Völlig unmöglich, das kann überhaupt nicht sein!" Und: "Wollen Sie uns veräppeln?!" Einige Teilnehmer sind zu diesem Zeitpunkt wirklich ärgerlich.

  • Provokation durch ein Benchmark
  • Wenn der Trainer jedoch ruhig und selbstsicher auf der genannten Zahl beharrt, setzt ein erneutes Nachdenken ein. Das kann die Gruppe nicht auf sich sitzen lassen, dass andere besser waren als sie! (Ein deutliches Zeichen für ein entstehendes Wir-Gefühl.) Und früher oder später hat jemand die entscheidende Idee (die hier natürlich nicht verraten wird). Die wird dann noch kurz diskutiert, optimiert und dann sofort umgesetzt. Neuer Rekordversuch – und er gelingt: "Sechs Sekunden!" Stolz, zufrieden und in ihrem Wir-Gefühl gestärkt feiert die Gruppe ihren Durchbruch: "Sind wir nicht super?!"

  • Anspornen des Ehrgeizes
  • Dreistufiger Lernprozess

     

    An dieser Übung kann man lernen, wie sehr gemeinsam bewältigte Herausforderungen das Wir-Gefühl einer Gruppe stärken – weit mehr als komfortable Luxusevents. Man kann an ihr aber auch studieren, wie Verbesserungsprozesse und speziell Benchmarking funktionieren. Wenn man den Verlauf analysiert, zeigt sich, dass die Leistungssteigerung (und Prozessoptimierung) in drei Stufen verlaufen ist. Die erste Stufe ist zugleich die banalste: Das ist die Optimierung innerhalb des vorgegebenen Rahmens, also das Einüben des Hin- und Herwerfens des Balles. Dabei lernt die Gruppe, nicht bloß aufs Tempo zu drücken, sondern  eine optimale Balance zwischen Schnelligkeit und Qualität (d.h. Vermeidung von Wurf- und Fangfehlern) zu finden. Diese Phase ist Bestandteil jedes Lern- und Trainingsprozesses. Und sie hat, genau wie im Sport, einiges Steigerungspotenzial, doch wenn der Ablauf einmal halbwegs eingeübt ist, wird der Zugewinn durch weiteres Training immer geringer und verläuft schließlich asymptotisch.

  • Erste Stufe:
    Lernen und Übung
  • Der zweite Schritt wurde kennzeichnenderweise nicht von alleine erreicht, sondern durch einen Impuls des Trainers. Er forderte dazu auf, drei Schritte zurück zu treten – und machte damit auf eine Einflussgröße aufmerksam, die bis dahin niemand beachtet hatte, nämlich den Abstand zwischen den Reihen.

    Nach diesem Impuls fiel es der Gruppe leicht, eine hinderliche Annahme zu erkennen und zu überwinden, die sie bislang stillschweigend für selbstverständlich genommen hatte: Dass nämlich der ursprüngliche Abstand zwischen den Reihen weder gottgewollt noch gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern verändert werden kann. Ist der Abstand aber erst einmal als beeinflussbare Variable erkannt, ist es kein weiter Weg mehr zu der Erkenntnis, dass dessen Verkürzung und "Optimierung" zu besseren Ergebnissen führen sollte. Auf Basis des verkürzten Abstands fand dann erneut ein Übungsprozess vom ersten Typ statt, dessen Zugewinn nach einer Weile grenzwertig wurde.

  • Zweite Stufe:
    Erkennen von Variablen und Optimierung
  • Die dritte Stufe war dann ein (beinahe) klassisches Benchmarking: Der Trainer nannte den bisherigen Rekord ("Best in Class") und machte ihn glaubhaft. Allen Teilnehmern war sofort klar, dass dieser "Performance-Sprung" keinesfalls durch ein Lernen vom ersten Typ zu erreichen war, also durch noch so heftiges weiteres Üben und größte Anstrengung. Deshalb auch die erste spontane Reaktion: "Völlig unmöglich, das kann überhaupt nicht sein!"

    Eben diese Erkenntnis löste aber auch den Durchbruch aus: Wenn die neue Zielmarke nicht durch eine Optimierung im bisherigen System zu erreichen ist, bedeutet das ja, dass eine grundlegend andere Vorgehensweise erforderlich war. Die Frage lautete also: Wie könnte ein grundlegend anderes Vorgehen aussehen, das nicht eine Steigerung um 10 oder 20 Prozent ermöglicht, sondern eine um 50 bis 70 Prozent?

  • Dritte Stufe:
    Alles in Frage gestellt
  • Neuer Blick auf die Fragestellung

     

    Wenn die Frage erst einmal so formuliert ist, ist offensichtlich, dass damit alle bisherigen Selbstverständlichkeiten – gleich ob bereits erkannt oder noch nicht – zur Disposition gestellt sind: Kleine Verbesserungen und Detailoptimierungen reichen niemals aus, um so viel schneller zu werden – ein grundlegend anderer Ablauf muss her!

    Meistens kommt als erstes die Idee, denn Ball direkt von der ersten zur letzten Station zu geben, und der Trainer muss daran erinnern, dass dies gegen die Regeln ist, weil der Ball alle Stationen in aufsteigender Reihenfolge durchlaufen muss. Doch wenn die Gruppe erst einmal so zu denken begonnen hat, kommt früher oder später irgendwem die entscheidende Idee. Und ab dann ist es bis zur Realisierung nicht mehr weit: Zwischen der Idee und der Realisierung der Lösung liegt dann "nur noch" Fleißarbeit: Der Durchbruch ist damit geschafft.

  • Der Rest ist Fleißarbeit
  • Doch noch ein weiteres kann man aus der Übung lernen: Erinnern Sie sich noch, wie viele Versuche zur weiteren Verbesserung gemacht wurden, nachdem der neue Rekord erzielt war? Richtig: Kein einziger mehr. Warum eigentlich nicht, wo doch das Potenzial für Optimierungen nach dem ersten Versuch mit Sicherheit noch nicht ausgeschöpft war? Weil das Gefühl, den bisherigen Rekord gebrochen und damit "Spitze" zu sein, die Motivation zu weiteren Anstrengungen auf der Stelle versiegen ließ – ähnlich wie sich beim Elfmeterschießen, wenn der spielentscheidende Treffer gefallen ist, niemand mehr die Mühe macht, den theoretisch noch erforderlichen letzten Elfer zu schießen. Mehr als der Beste sein, kann (und braucht) man schließlich nicht.

  • Selbst-zufriedenheit
  • Ökonomisch würde es vermutlich durchaus noch eine Verbesserung bringen, auch hier noch eine Optimierung vom ersten Typ anzuschließen; damit ließe sich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch eine etwas bessere Zeit herausholen. Doch die Energiequelle dafür ist weggefallen, weil die Spitzenposition bereits erreicht ist. Hier laufen psychologische und ökonomische Motive also deutlich auseinander.

  • Verschenkte Potenziale
  • Verschiebung der mentalen Grenzen

     

    Was lehrt uns diese Übung über die Funktion und Wirkung von Benchmarking? Am wichtigsten ist wohl die Erkenntnis, dass ein gutes Benchmark keine fertigen Lösungen und Erfolgsrezepte liefert. Sein entscheidender Mehrwert liegt darin, dass es eine Vorstellung davon liefert, was möglich ist. Auf diese Weise sprengt das Benchmark die Grenzen dessen, was die Beteiligten bislang für möglich gehalten haben, und fordert dazu auf, zu der neuen Zielmarke aufzuschließen und sie nach Möglichkeit noch ein Stück zu verbessern.

    Ähnlich wie in unserer Übung fangen die meisten Menschen erst dann an, über erreichte Optima hinauszudenken, wenn sie mit dem Beweis (oder der glaubhaften Behauptung) konfrontiert sind, dass das möglich ist. Der Grund dafür liegt keineswegs, wie viele Manager glauben, in Saturiertheit und geistiger Trägheit; vielmehr lähmt die Annahme das Denken, dem Optimum bereits sehr nahe zu sein und keine grundlegenden Verbesserungen mehr erzielen zu können.

  • Bisherige Grenzen des Denkens sprengen
  • Der entscheidende Durchbruch liegt deshalb nicht im Finden der neuen Lösung, sondern in ihrem Für-Möglich-Halten. Ein deutlicher Beleg dafür ist, dass Kostensenkungen und Produktivitätssteigerungen meistens in Schüben verlaufen: Jahrelang tut sich gar nichts oder nur sehr wenig, wenn jedoch ein Unternehmen vorangeht und einen deutlichen Schritt nach vorne macht, ziehen alsbald (fast) alle anderen nach.

  • Entwicklung
    in Schüben
  • Als beispielsweise die Boston Consulting Group um 1990 herum mit dem Konzept "Time-Based Competition" auf den Markt kam (später zur Vermeidung unschöner Abkürzungen in "Time-Based Management" umbenannt), gelang es auf einmal vielen Unternehmen binnen weniger Jahre, ihre Durchlaufzeiten in Entwicklungs-, Produktions- und Verwaltungsprozessen um mehr als die Hälfte zu verkürzen und dabei zugleich die Qualität zu verbessern und die Kosten um 10 – 20 Prozent zu senken. Das waren Durchbrüche, die davor niemand für möglich gehalten hatte und die, wie ich selbst miterlebt habe, selbst zu Projektbeginn noch von vielen erfahrenen Praktikern nicht bloß für unrealistisch, sondern als geradezu lächerlich und absurd angesehen wurden.

  • Beispiel Time-Based Competition
  • Die Methoden, die zur Erreichung solch dramatischer Durchlaufzeitverkürzungen eingesetzt wurden, waren sehr unterschiedlich; schließlich handelte es sich um völlig unterschiedliche Aktivitäten und Abläufe. Doch völlig unabhängig vom Anwendungsgebiet gelang es in den allermeisten Fällen mindestens eine Halbierung der Durchlaufzeiten – und zuweilen noch deutlich mehr. Was war der Auslöser dafür? Auch wenn BCG damals sicherlich einige nützliche Methoden und Konzepte in die Diskussion eingebracht hat – wie etwa die Reduzierung unnützer Liege- und Wartezeiten oder das Vermeiden fragmentierter Bearbeitungsprozesse, die immer wieder neue Einarbeitungen erzwangen – waren das keine Gedanken, die zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte auftauchten. Die Durchbrüche, die damals gleich reihenweise erzielt wurden, waren nicht so sehr auf neuartige Techniken und Methoden zurückzuführen, sondern darauf, dass man es, ermutigt durch das BCG-Konzept und seine Erfolge, wagte, solch dramatische Verkürzungen der Durchlaufzeiten auch im eigenen Unternehmen für möglich zu halten, und sich ernsthaft darum bemühte, sie zu erreichen.

  • Ermutigung zu grundlegenden Verbesserungen

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  • Buch "Change!"
  • Benchmarking verändert die Wahrnehmung, nicht aber die Grenzen der Realität

     

    Allerdings muss man sich hier, wie immer im Leben, vor voreiligen Umkehrschlüssen hüten. Zwar werden Durchbrüche wie die beschriebenen erst erreichbar, wenn man wagt, sie für möglich zu halten. Doch daraus folgt keineswegs, dass der Mut, sich einen solch einen Durchbruch vorzustellen, diesen Durchbruch unweigerlich hervorbrächte. Es ist blanker Unsinn, wenn von Erfolgstrainern oder euphorischen Managern behauptet wird, alles, was jemand sich vorstellen könne, könne er auch erreichen ("Du musst nur daran glauben!"). Nicht nur die Grenzen von Physik und Chemie stehen dem entgegen, sondern die des Menschen und die sozialer Systeme.

  • Vorsicht Fehlschluss
  • Wenn es so einfach wäre, dass das Vorstellungsvermögen ausreicht, um beliebige Durchbrüche möglich zu machen, müssten wir nicht nur über Wasser wandeln können, sondern es müsste zum Beispiel auch möglich sein, die auf die Hälfte verkürzten Durchlaufzeiten noch ein zweites Mal zu halbieren, und danach noch ein drittes, viertes und fünftes Mal, bis sich schließlich sämtliche Durchlaufzeiten der Welt der Nulllinie nähern. Dem dürften jedoch in vielen Fällen phyikalische und chemische Grenzen entgegenstehen, wie etwa die, dass Farbe einige Zeit zum Trocknen und Beton einige Zeit zum Abbinden braucht. Um einen Durchbruch zu erzielen, ist daher nicht nur erforderlich, dass man ihn sich vorstellen kann, sondern es müssen auch unausgeschöpfte Verbesserungsspielräume vorhanden sein. Wo diese Spielräume nicht (mehr) vorhanden sind, hilft auch alle Vorstellungskraft nichts.

  • Es gibt auch noch eine Realität
  • Deshalb wäre es auch eine zweifelhafte Idee, mit falschen oder fiktiven Benchmarks zu arbeiten. Wenn es nur darum ginge, die Grenzen des bisherigen Denkens zu sprechen, müsste ein erfundenes, glaubwürdig vorgegaukeltes Placebo-Benchmark ja genauso wirksam sein wie ein echtes. Wenn die Realität diese Verbesserung noch hergibt, kann der Trick sogar gelingen. Wenn die Realität sie hingegen nicht mehr hergibt, weil die vorhandenen Spielräume zu gering sind, geht die Sache nach hinten los. Dann macht das Projektteam die extrem frustrierende Erfahrung, vergeblich gegen eine angeblich lösbare Aufgabe anzurennen. Und wenn dann irgendwann herauskommt, dass das Benchmark nur vorgetäuscht war, hat sein Urheber ein schwerwiegendes, kaum noch reparables Glaubwürdigkeitsproblem. Er braucht garantiert nie wieder mit einem Benchmarking kommen, doch auch bei vielen anderen Aussagen wird ihm ab dann Misstrauen entgegenschlagen: Organisationen haben ein langes Gedächtnis.

  • Fiktive Benchmarks sind gefährlich
  • Andererseits beweist, wie wir am Beispiel Time-Based Competition gesehen haben, die mangelnde Vorstellungskraft der "Experten" nicht, dass es tatsächlich keine Spielräume mehr gibt. Auch wenn Insider Stein und Bein schwören, dass es bei einem bestimmten Prozess keine Spielräume mehr gebe, ist daher kein Beweis, dass tatsächlich keine mehr existieren, sondern zunächst einmal nur eine Auskunft über ihr Vorstellungsvermögen. Solche apodiktisch negativen Expertenaussagen stehen sogar recht häufig am Beginn von substanziellen Prozessverbesserungen, und eines der Probleme auf dem Weg zu ihrer Realisierung ist, dass die Experten leicht zu Gegnern der Veränderung werden, weil sie mit ihren anfänglichen Aussagen nicht Unrecht haben oder gar ihr Gesicht verlieren wollen. Ein wichtiges Element der erfolgreichen Prozessverbesserung liegt daher darin, ihnen eine Brücke zu bauen, über die sie ohne Gesichtsverlust gehen können.

  • Grenzen der Vorstellung
  • Vorsicht, erhöhtes Konflikt- und Kränkungspotenzial!

     

    Beim Umgang mit Benchmarks geschieht oft das genaue Gegenteil. Natürlich lassen sich echte und falsche Benchmarks wunderbar benutzen, um Schuldzuweisungen vorzunehmen oder Druck auf Mitarbeiter und Kollegen oder auch auf Nachbarbereiche auszuüben. Wo dies geschieht, geht die ermutigende Wirkung von Benchmarks weitgehend verloren; stattdessen werden sie zum Instrument der internen "Politik". Dann verwenden die Angegriffenen viel Zeit und Energie darauf, zu "beweisen", dass die vorgelegten Benchmarks unbrauchbar sind, weil darin Äpfel mit Birnen, Tomaten oder Schraubenmuttern verglichen wurden. Bis sie schließlich herausfinden, dass es noch viel cleverer ist, den Spieß umzukehren und mit Gegen-Benchmarks zurückzuschlagen.

    Am Ende hauen sich dann alle gegenseitig ihre Benchmarks um die Ohren, doch statt Lernprozessen und Verbesserungenn kommen dabei nur einige weitere nutzlose Runden in den altbekannten Ritualen von Druckmachen, gegenseitigen Angriffen und Schuldzuweisungen heraus. Kein Wunder also, dass Benchmarks in vielen Unternehmen nicht im allerbesten Ruf stehen, insbesondere nicht bei jenen Mitarbeitern, die damit immer wieder zu neuen "Break-Throughs" und noch größeren Anstrengungen "motiviert" werden sollen.

  • Benchmarking als Kampfsport
  • Benchmarks haben von Haus aus ein hohes Risiko, Beziehungskonflikte und Machtkämpfe auszulösen. Denn es hat für die Verantwortlichen immer einen Stachel, wenn sie erkennen müssen, dass auf dem eigenen Kerngebiet andere besser sind als sie selbst. Wenn man mit dieser Situation nicht behutsam umgeht, löst man leicht zusätzliche Schmerzen und Verletzungen aus. Schließlich will niemand so dastehen, als hätte er seinen Verantwortungsbereich nicht im Griff, und erst recht will sich niemand mit dieser Unterstellung vorführen lassen. Das heißt, in dieser Situation ist die Empfindlichkeit erhöht, und jede tatsächliche oder vermeintliche Herabsetzung und löst daher sehr schnell sehr gereizte Reaktionen aus. Binnen weniger Minuten kann sich das scheinbar so nüchterne und neutrale Benchmarking in scharfe persönliche Auseinandersetzungen verwandeln. Wobei die Empfindlichkeit sogar noch größer ist, wenn der Betreffende die Kritik im Kern als berechtigt empfindet und möglicherweise selbst das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein und seinen Job nicht optimal gemacht zu haben.

  • Erhöhte Konfliktgefahr
  • Sobald ein Benchmarking als Kritik oder versteckter Vorwurf eingesetzt oder aufgefasst wird, reagieren die Adressaten darauf mit Gegenangriffen und anderen Versuchen, ihr Ansehen und ihre Selbstachtung zu verteidigen. Damit jedoch wird das Benchmarking zum Auslöser eines Konfliktes und steht damit unter denkbar schlechten Vorzeichen. Im ungünstigsten Fall färbt das auf die ganze weitere Verwendung von Benchmarks im Unternehmen ab und macht sie zu einem Thema, auf das Mitarbeiter, Führungskräfte und Betriebsräte von vornherein mit aufgestellten Nackenhaaren reagieren.

  • Verteidigung
    von Ansehen und Selbstachtung
  • Wer Benchmarking für konstruktive Zwecke nutzen will und nicht zur Bestrafung, tut daher gut daran, von Anfang an sorgfältig darauf zu achten, dass es nicht als Druckmittel eingesetzt wird, sondern als Instrument zur Weiterentwicklung. Um das zu erreichen, sollten die Benchmarks nicht von Managern oder Beratern aus dem Zylinder gezaubert werden, sondern Element eines gemeinsamen Bemühens um Verbesserungen sein. Gerade wegen des hohen Kränkungspotenzials ist es wichtig, dieses Instrument mit Sorgfalt einzuführen und bei der Kommunikation von vornherein darauf zu achten, dass es nicht als unterschwelliger Vorwurf ankommt, sondern als die Chance, durch den Vergleich mit anderen noch besser zu werden. Dass die mitschwingende "Beziehungsbotschaft" einen Unterschied macht, sieht man in der Praxis daran, dass Benchmarking in manchen Unternehmen ein ausgesprochen heikles Thema ist, in anderen hingegen ein eingeführtes und bereitwillig genutztes Instrument zur permanenten Prozessverbesserung. Es kann also nicht allein am Benchmarking liegen …

  • Sorgfältige Kommunikation
  • Benchmarking-Daten gewinnen und richtig nutzen

     

    Aber wie kommt man zu brauchbaren Benchmarks? Wenn Sie es nicht dem Zufall überlassen wollen, an nutzbare Vergleichsdaten zu kommen, gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Erstens können Sie Ihre Einblicke in andere Unternehmen systematisch auswerten, die Sie zum Beispiel aus Lieferanten- und Kundenbeziehungen sowie aus Personalwechseln bekommen können. Zweitens können Sie Benchmarks von Beratungsfirmen kaufen. Drittens können Sie mit geeigneten anderen Unternehmen einen systematischen Austausch von Benchmarking-Daten vereinbaren. Manche Unternehmen schließen sich sogar zu "Benchmark-Ringen" zusammen, die bestimmte Daten entweder direkt austauschen oder über einen spezialisierten Dienstleister erheben und aufbereiten lassen – was vielleicht den Vorteil einer höheren Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Daten hat. Solche Benchmarking-Ringe haben den Charme, dass alle Beteiligten mehr zurückbekommen als sie geben, weil ja jeder die Benchmarks von mehreren Unternehmen erhält und so prüfen kann, wo das eigene im Effizienzvergleich steht.

  • Wichtigste Datenquellen
  • Allerdings steckt der Teufel bei diesen Vergleichen im Detail. Es bringt wenig, nur die Teilsummen der Tabellen zu vergleichen, wenn man nicht weiß, was in diesen Beträgen enthalten ist und was nicht. Denn es sind nun einmal nicht alle Unternehmen gleich strukturiert, und nicht überall sind die gleichen Aufgaben den gleichen Ressorts zugeordnet. Bei zu oberflächlicher Betrachtung läuft man daher leicht Gefahr, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, sondern Apfelkuchen mit Birnenkompott. Manchmal muss man daher ziemlich tief ins Detail einsteigen und sich unter Umständen sogar zusätzliche Informationen besorgen, um aus vordergründig vergleichbar erscheinenden Benchmark-Daten tatsächlich vergleichbare Zahlen zu machen.

  • Detailarbeit erforderlich
  • Ebenso wichtig ist, diese Vergleiche richtig zu lesen: Nicht auf der Suche nach Bestätigung, sondern auf der Suche nach Ansatzpunkten für Verbesserungen. Dieser Schritt ist noch schwieriger als das inhaltliche Vergleichbarmachen der Daten. Denn natürlich schmeichelt es dem eigenen Stolz, wenn man sich im Vergleich als "Best in Class" herausstellt oder doch nahe an dieser Marke dran ist. Und das darf auch sein, denn es ist ja durchaus eine bemerkenswerte Leistung, wenn man diesen Stand auch nur auf einigen Gebieten erreicht hat. Doch sollte es nicht dazu führen, dass man sich in die Tasche lügt und die Ergebnisse kunstvoll so zurechtinterpretiert, dass sie bei oberflächlichem Hinsehen wie "Best in Class" aussehen. So erfreulich echte Spitzenpositionen sind, so schädlich sind gemogelte, gleich ob sie aus bewusster Uminterpretation der Daten zustande kommen oder aus Selbsttäuschungen. Denn sie schonen zwar das Selbstwertgefühl, gefährden aber die Wettbewerbsposition.

  • Die richtige Haltung
  • Das Wichtigste am Benchmarking ist daher wohl der Mut, sich offen seinen Ergebnissen zu stellen, statt defensiv auf sie zu reagieren und "kränkende" Erkenntnisse wegschieben oder sie nur halbherzig zur Kenntnis zu nehmen. Dafür ist es wahrscheinlich eine Hilfe, sich immer wieder klar zu machen, dass es ein völlig unrealistischer Anspruch wäre, auf allen Feldern "Best in Class" zu sein. Andere Menschen und andere Firmen haben eben auch Ideen, wie Prozesse verbessert und Abläufe gestrafft werden können. Es ist daher völlig unausweichlich und keineswegs eine Schande, wenn andere auf manchen Feldern besser und effizienter sind. Unprofessionell wäre nur, dies nicht wahrhaben zu wollen und es zu verleugnen und zu vertuschen. Denn damit würde man sich und sein Unternehmen der Chance berauben, von den – auf diesem Feld – Besten zu lernen und zur Spitzengruppe aufzuschließen. So betrachtet, ist das scheinbar so technische Benchmarking eine Aufgabe, die sehr hohe Anforderungen an die Professionalität sowie soziale Kompetenz der Betroffenen stellt.

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