Die Umsetzungsberatung

Eine Veränderungsstrategie entwickeln

Interkulturelles (Change) Management: Erschwerte Zusammenarbeit zwischen Kulturkreisen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Dass in anderen Ländern andere Sitten herrschen, ist ja keine ganz neue Erkenntnis. Doch wie verstörend anders die Sitten und Gebräuche schon in Frankreich, Tschechien oder Italien sind, merkt man spätestens dann, wenn man unter Zeitdruck zu Ergebnissen kommen muss und "der Ausländer" sich so völlig anders verhält als ein vernünftiger ... – Deutscher. "All men are born equal", heißt es. Doch als Erwachsene lassen sie sich davon nicht mehr viel anmerken. Auf den obersten Führungsebenen klappt die Verständigung meistens noch halbwegs; dort hat sich mittlerweile so etwas wie ein "internationaler Management-Standard" herausgebildet. Trotzdem ist die Zusammenarbeit mit manchen Nationalitäten auch hier traditionell mühsamer als mit anderen. Richtig schwierig aber wird es, wenn eine produktive Zusammenarbeit mit mittleren oder unteren Ebenen notwendig ist, die fest in ihrer eigenen Kultur verhaftet sind – erst recht, wenn man dort größere Veränderungen bewirken soll, will oder muss.

  • Andere Spielregeln
  • Selbst innerhalb des eigenen Landes, mit dessen Sitten und Gebräuchen wir eigentlich vertraut sind, kann man im Change Management die eine oder andere Überraschung erleben, weil die Unternehmenskulturen von Branche zu Branche und von Firma zu Firma so unterschiedlich sind: Konsumgüter-Unternehmen ticken anders als Industriegüter, Handel anders als produzierende Unternehmen, Mittelständler anders als Konzerntöchter anders als Banken anders als die Bauindustrie.

    In einem Handelsunternehmen muss man darauf gefasst sein, dass der Vorstand beinahe jedes Gespräch unterbricht, wenn ihm die Verkaufszahlen vom Vortag hereingereicht werden. Im Anlagenbau lässt der Vorstand jeden internen Termin platzen, wenn ein wichtiger Kunde ein Wehwehchen hat – frustrierend für Mitarbeiter und Change Manager, aber ziemlich nachvollziehbar, wenn man versteht, welchen Einfluss die Befindlichkeit des Kunden auf die Profitabilität hat. In Konzerntöchtern genießt eine ähnliche Priorität der Konzernvorstand – nicht, weil er so großen Einfluss auf die Profitabilität hat, wohl aber auf die Befindlichkeit der Geschäftsführung. Diese kulturellen Besonderheiten müssen auch im Change Management berücksichtigt werden, weil man sonst an der jeweiligen Kultur vorbei kommuniziert. So muss man in der Konsumgüterbranche zuweilen zu Inszenierungen greifen, die in einer nüchternen Ingenieurkultur auf totales Unverständnis stoßen, wenn nicht gar scharfe Ablehnung auslösen würden: "Wir sind doch hier nicht im Kasperletheater!"

  • Kulturelle Unterschiede innerhalb einer Kultur
  • "Angemessene" Kommunikation und Missverständnisse

     

    Diese Unterschiedlichkeit der Kulturen ist für das Change Management kein geringes Problem, ist unsere Aufgabe doch, wirkungssichere Kommunikationsformen und -methoden auszuwählen, das heißt solche, die im jeweiligen Umfeld zuverlässig oder zumindest mit sehr hoher Erfolgswahrscheinlichkeit die gewünschten Wirkungen erzielen. Ideal wäre also, wenn uns Mittel und Methoden zu Verfügung stünden, deren Wirkung unabhängig von der jeweiligen Kultur ist. Aber das ist leider illusorisch, denn ob eine Methode wirksam und angemessen ist, hängt nun einmal stark davon ab, wie in diesem Unternehmen ansonsten kommuniziert wird – und damit stark beeinflusst durch die jeweilige Kultur. So kann es in einem konservativen Familienunternehmen ein dramatisches, möglicherweise sogar ein zu dramatisches Signal sein, wenn der Vorstand alle Mitarbeiter zusammenruft, um sie aus erster Hand über geplante Veränderungen zu informieren. Die gleiche Veranstaltungsform wird in einem Unternehmen, das an offene Kommunikation gewöhnt ist, keine großen Reaktionen auslösen, vielleicht nicht einmal als besonderes Signal empfunden werden.

  • Der Kultur angemessene Kommunikation
  • Da es keine kulturunabhängigen Methoden gibt, stehen wir im Change Management vor der Notwendigkeit, unser Vorgehen möglichst gut auf die jeweilige Kultur abzustimmen, vor allem auf die dort üblichen Gepflogenheiten im Bereich von Kommunikation und Führung. Das ist schon im eigenen Land schwierig genug, wenn man zum ersten Mal mit einer Branche zu tun hat, deren Sitten und Gebräuche einem noch nicht vertraut sind. Noch mal eine ganze Stufe (oder auch mehrere Stufen) schwieriger ist es, wenn sich das Veränderungsvorhaben in einem Land oder Kulturkreis abspielt, mit dem man nicht wirklich vertraut ist.

  • Vertrautheit mit Sitten und Gebräuchen
  • Die Schwierigkeit wird dabei umso größer, je fremder uns der jeweilige Kulturkreis ist. Denn umso weniger können wir davon ausgehen, dass unsere unbewussten "kulturellen Eichungen" auch für den Kulturkreis passen, in dem das aktuelle Veränderungsvorhaben stattfindet. Da hilft es auch nur begrenzt, wenn man das jeweilige Land von vielen Ferienaufenthalten "kennt" und Land und Leute liebt: Die dortigen Standards in der firmeninternen Kommunikation kennen wir in der Regel trotzdem nicht gut genug, um wirkungssicher handeln zu können. Inkompatible Eichungen eröffnen ein reichhaltiges Potenzial für zum Teil groteske Missverständnisse und Komplikationen, über die man allerdings nur dann lachen kann, wenn man nicht allzu sehr unter Druck steht.

  • "Kulturelle Eichungen"
  • Das Prinzip hinter solchen Missverständnissen und den daraus möglicherweise erwachsenden Konflikten ist immer das Gleiche: Wenn wir nicht genau genug verstehen, was die Adressaten für angemessen und "normal" halten, können wir auch nicht optimal wirksam kommunizieren: Weder können wir diesen Erwartungen mit hinreichender Genauigkeit gerecht werden noch können wir sie – was im eigenen Kulturkreis sehr wirkungsvoll sein kann – gezielt durchbrechen, um genau dadurch ein Signal zu setzen.

  • Missverständnisse und Komplikationen
  • Zweite Stufe der Verwirrung: Wenn unseren Adressaten nicht bewusst ist, dass wir aus einem anderen Kulturkreis stammen und uns deshalb an anderen Verhaltensnormen orientieren, dann messen sie unser Verhalten, ohne überhaupt darüber nachzudenken, an den Standards ihrer eigenen Kultur – und empfinden manche unserer Aussagen und Handlungsweisen daher möglicherweise als unangemessen oder irritierend. Wenn es ihnen aber bewusst ist und sie vielleicht sogar wissen, dass wir uns ein Stück mit ihrer Kultur vertraut gemacht haben, dann ist für sie erst recht schwierig zu beurteilen, ob ein Signal, das sie als irritierend empfinden, von uns bewusst gesetzt wurde oder ob es nur unserer mangelnden Vertrautheit mit ihren Sitten und Gebräuchen entspringt. Die Kommunikation wird also trotz des redlichen Bemühens beider Seiten (und zum Teil sogar dadurch) undeutlicher, unklarer und damit auch "wackeliger".

  • Missverständnisse zweiter und dritter Ordnung
  • Unterschiedliche "kulturelle Eichungen" und ihre Folgen

     

    Nun gibt es schon innerhalb der eigenen Kultur genügend Missverständnisse. Doch die meisten davon können wir, wenn wir erst einmal erkannt haben, dass wir aneinander vorbei kommuniziert haben, relativ leicht ausräumen – etwa dadurch, dass wir noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen, wie unsere Botschaft gemeint ist bzw. wie sie keinesfalls verstanden werden soll. Diese Korrekturen jedoch funktionieren deshalb, weil sie auf dieselbe kulturelle Eichung zurückgreifen. Treffen aber divergierende Eichungen aufeinander, so wird die Korrektur ihrerseits zur Quelle von Missverständnissen, und zwar paradoxerweise umso mehr, je mehr wir uns bemühen, es (im Sinne unserer eigenen kulturellen Eichungen) richtig zu machen. Denn umso mehr verstoßen wir damit möglicherweise ungewollt und ohne es zu ahnen gegen die kulturellen Eichungen unserer Kommunikationspartner.

  • Schwierigkeit, Missverständnisse auszuräumen
  • Ein simples Beispiel: Unterschiedliche Kulturen haben unterschiedliche Eichungen, was der richtige körperliche Abstand zwischen den Personen in einem informellen Gespräch ist. Für Mittel- und Nordeuropäer ist das ungefähr ein Meter, für (manche) Asiaten deutlich mehr, und für Araber deutlich weniger. Den wenigsten Menschen ist diese Eichung bewusst, und das muss sie auch nicht sein: Wir kennen sie auch so und halten sie ein, ohne uns darüber Gedanken zu machen. Unwillkürlich achten wir in jedem Gespräch darauf, dass der Abstand weder zu groß ist noch zu nahe. Umgekehrt irritiert es uns sehr, wenn uns ein Gesprächspartner entweder zu sehr "auf Abstand hält" oder wenn er "distanzlos ist": Wir fühlen uns dann unbehaglich.

    All das regelt sich im Alltag von selbst und erfordert kein bewusstes Nachdenken – jedenfalls solange Mitglieder desselben Kulturkreises miteinander kommunizieren. Treffen aber, zum Beispiel auf einem wissenschaftlichen Kongress oder bei einer Konzerntagung, Mitglieder unterschiedlicher Kulturkreise aufeinander, tun sie genau das, was sie zuhause auch tun: Sie achten im Gespräch unbewusst auf den richtigen Abstand und stellen bei Abweichungen sofort wieder die richtige Distanz her. Das einzige Problem ist, dass sie unterschiedliche "Eichungen" dafür haben, was der richtige Abstand ist.

  • Beispiel divergierender Eichungen
  • Infolgedessen findet während der informellen Pausengespräche eine permanente und zunehmend unbehagliche Abstandskorrektur statt: Immer, wenn der eine es geschafft hat, den (gemäß seiner unbewussten Eichung) richtigen Abstand herzustellen, macht der andere mit einem Schritt wieder alles kaputt, weil er versucht, den gemäß seiner Eichung richtigen Abstand herzustellen. Nun kommt das erwähnte Korrektur-Paradoxon zur Wirkung: Wenn einer der Beteiligten das Unbehagen seines Gesprächspartners bemerkt und deshalb sofort versucht, den Abstand zu korrigieren, beseitigt er die Irritation damit nicht, was eigentlich seine beste Absicht war, sondern er vergrößert sie. Sein Versuch, den falschen Abstand zu korrigieren, misslingt, weil jedem Korrekturversuch dieselben inkompatible Eichungen zugrunde liegen: Jede Korrektur wird zum Ausgangspunkt erneuter Irritationen und trägt so nicht zur einer Lösung bei, sondern im Gegenteil zu einer Vergrößerung der allseitigen Anspannung.

  • Vergebliche Korrekturversuche
  • Theoretisch ist es nicht so schwierig, diese unterschiedlichen Eichungen zu akzeptieren, wenn man sie erst einmal begriffen hat. In der Praxis ist es deutlich schwieriger, denn unser intuitives Gefühl, wie es richtig ist, "überholt" ständig unser bewusstes Denken. Es ist, als ob uns wie ein starker Magnet ständig in die Position zöge, die der nach unserem Empfinden "richtige" Abstand ist. Selbst wenn wir uns bewusst dafür entscheiden, trotz eines gewissen inneren Unbehagens einen "zu großen" oder "zu geringen" Abstand zu akzeptieren, sind wir ein paar Momente später, sobald sich unser Bewusstsein wieder anderen Dingen zugewandt hat, bereits wieder beim Korrigieren. Was die bewusste Selbstkontrolle noch schwieriger macht, ist, dass sich das Problem nicht auf den richtigen Abstand beschränkt, sondern auch viele andere stillschweigende Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs umfasst – wie etwa die richtige Dauer des Blickkontakts zwischen Fremden oder um körperliche Berührungen.

  • Ein starker
    innerer Drang
  • Was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass Verstöße gegen die unbewussten Normen spontan sehr starke Gefühle und Bewertungen auslösen. So empfinden wir eine zu kurze Dauer des Blickkontakts nicht etwa bloß als "zu kurz", sondern wir bewerten ihn als ausweichend – und unterstellen sofort einen Mangel an Offenheit. Eine zu lange Blickdauer empfinden wir als aufdringlich und bedrängend, besonders im Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Es ist extrem schwer, Verstöße gegen diese unbewussten Regeln nicht negativ zu bewerten, weil unsere Intuition einfach schneller sind als unsere bewussten Überlegungen.

    Deshalb empfinden wir Ausländer leicht als bedrohlich, als falsch oder sonstwie suspekt, wenn sie von unseren unbewussten Eichungen abweichen: "Araber sind zudringlich: Die rücken dir sofort auf die Pelle und bedrängen dich. Und den Chinesen ist nicht zu trauen: Die können dir ja nicht mal gerade in die Augen sehen!" Als aufgeklärte Menschen würden wir solch plumpe und vorurteilsbehaftete Wertungen natürlich niemals offen äußern, doch unsere vorbewusste Intuition tut sich sehr schwer damit, mit unserer "political correctness" Schritt zu halten und unterschiedliche kulturelle Normen als gleichwertig anzuerkennen. Zu allem Übel gilt das für beide Seiten!

  • Reflektorische Bewertung
  • Ängste und Misstrauen erschweren Verständigung

     
    Die Schwierigkeit, Missverständnisse und Fehlinterpretationen wertfrei wahrzunehmen und sie rasch und wirksam zu korrigieren, macht in der interkulturellen Kommunikation größere Probleme als die Tatsache selbst, dass es gelegentlich zu Missverständnissen kommt. Denn die unterschiedlichen kulturellen Eichungen beschränken sich nicht auf den Bereich der Körpersprache, sondern schließen alle Aspekte des zwischenmenschlichen Umgangs ein, so zum Beispiel:
    • Wie direkt oder wie "diplomatisch" werden in der jeweiligen Kultur kritische Themen angesprochen?
    • Was muss überhaupt ausgesprochen werden, wieweit kann man sich auf Andeutungen beschränken, weil alle Beteiligten ohnehin im Bild sind, worum es geht?
    • Wie partnerschaftlich bzw. wie patriarchalisch sollte die Kommunikation angelegt sein?
    • Sollte man jegliches Imponiergehabe vermeiden, oder muss man ein bisschen auf den Putz hauen, um ernstgenommen zu werden?
    • Sollte größtmögliche Klarheit bis ins Detail angestrebt werden oder genügt es, die grobe Richtung klarzumachen?
    • Sollte man die Adressaten eher mit Sachargumenten ansprechen und ihnen den materiellen Nutzen der Veränderung erklären, oder sollte man sie eher emotional ansprechen und immaterielle Dinge wie das Renommée der Firma in den Vordergrund stellen?

  • Betroffen sind
    alle Aspekte der Kommunikation
  • Angesichts dieser Flut möglicher Komplikationen mögen Sie sich fragen, wie dann überhaupt eine Verständigung von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen gelingen kann. Die Erfahrung zeigt ja, dass es geht, auch wenn es meist anstrengender ist als mit Menschen aus dem eigenen Kulturkreis. Wissenschaftliche Kongresse und internationale Konzerntagungen sind Beispiele, die unter beinahe optimalen Voraussetzungen stattfinden: Dort kommen Menschen zusammen, die erstens durch einen gemeinsamen fachlichen Hintergrund, durch verwandte Interessengebiete oder durch eine gemeinsame Firma verbunden sind und deren Teilnehmer zweitens (großteils) die Bereitschaft haben, produktiv mit den anderen Teilnehmern zusammenzuarbeiten. Dafür nehmen sie die intellektuelle und emotionale Zusatzanstrengung auf sich, die damit verbunden ist, über Kulturkreise hinweg zu kommunizieren. Trotzdem sind wenigstens die Ungeübten nach ein paar Stunden erschöpft und heilfroh, wenn sie wieder in ihre Muttersprache und in die vertrauten Kulturstandards zurückfallen dürfen.

  • Gemeinsame Interessen / Vorbehalte
  • Schwieriger gestaltet sich die interkulturelle Kommunikation, wenn die gemeinsame Basis dünner und die Vorbehalte größer sind, und erst recht, wenn das wechselseitige Verhältnis von Skepsis und Misstrauen bestimmt ist. Genau das ist bei vielen Veränderungsvorhaben der Fall, zumal wenn sie länderübergreifend sind und/oder mit dem Verhältnis von Zentrale und Niederlassungen zu tun haben. Das hat nichts mit Vorurteilen und Ausländerfeindlichkeit zu tun, jedenfalls nicht in erster Linie. Aber es ist eine Sache, einem Fremden, wenn er höflich ist und einigermaßen manierlich ausschaut, den Weg zu zeigen oder sich mit ihm unverbindlich über das eine oder andere Thema zu unterhalten. Eine ganz andere Sache ist es, wenn so ein Fremder Entscheidungen trifft, die Auswirkungen auf das eigene Leben haben, und wenn er Veränderungen durchsetzen will, deren Logik und Absicht man nicht versteht und die, wie die meisten Veränderungsvorhaben, potenziell bedrohlich sind.

  • Angst und Misstrauen
  • Unter diesen Umständen tragen der andere kulturelle Hintergrund und die Verständigungsschwierigkeiten zusätzlich zur Verunsicherung bei, weil man die Signale des oder der Fremden schlechter deuten kann und ihre Denkweise, ihre Intentionen weniger versteht und deshalb auch misstrauischer reagiert. Deshalb ist es auch schwieriger, vorhandene Ängste auszuräumen. Die bestehenden Besorgnisse wiederum führen leicht dazu, dass unklare oder missverständliche Formulierungen negativ interpretiert werden und damit die Ängste eher anheizen. Dass dies nicht allein mit Freemdenangst zu tun hat, sieht man daran, dass sich das Klima in aller Regel deutlich ändern, wenn ein Unternehmen über längere Zeit von einem (oder mehreren) Ausländer(n) geführt wird: Dann mögen ihr Kommunikationsverhalten und ihre Denkweise vielleicht immer noch fremdartig und bizarr erscheinen, aber sie werden berechenbarer und sind damit weniger bedrohlich.

  • Mangelnde Berechenbarkeit
  • Lokales Change Management durch "kulturelle Insider"!

     

    Wegen dieser brisanten Kombination von Bedrohlichkeit / Angst einerseits und erhöhtem Risiko von Missverständnissen andererseits halte ich es für einen Kunstfehler, Change Management in einer Kultur zu betreiben, mit der man nicht von Grund auf vertraut ist. Unser Geschäft besteht ja nicht nur aus direkter Kommunikation, bei der man, wenn man einigermaßen aufmerksam und sensibel ist, Missverständnisse und Irritationen frühzeitig erkennen und richtigstellen kann. Change Management besteht zu einem erheblichen Teil aus indirekten Kommunikationsformen, wie Beispiel Newslettern oder Großveranstaltungen, in denen es entweder gar kein Feedback gibt oder nur in stark abgeschwächter Form.

  • Kein oder verzögertes Feedback
  • Schon bei einer mittelgroßen Info-Veranstaltung bekommt der Referent zwar mit, ob die Teilnehmer schweigen oder aufgeregt murmeln, ob das Klima entspannt ist oder angespannt. Aber er kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass diese Reaktionen dasselbe bedeuten wie bei ihm zuhause. Was hat es in diesem Land zu bedeuten, wenn die Teilnehmer kein Wort sagen oder wenn sie heftig miteinander tuscheln? Wir können nicht umhin, alle Reaktionen, die wir aufnehmen, vor dem Hintergrund unserer eigenen kulturellen Eichungen zu deuten. In einer anderen Kultur leitet uns unsere Intuition aber möglicherweise völlig falsch. Ausgehend von unseren eigenen Eichungen, würde es uns vermutlich intuitiv zutiefst beunruhigen, wenn unsere Zuhörer bei einem Vortrag die ganze Zeit über schweigend und wie versteinert dasitzen. Doch zum Beispiel in Finnland wäre das kein schlechtes Zeichen, zumal im Winter. In Südeuropa oder in den arabischen Ländern hingegen wäre größte Beunruhigung angebracht.

  • Fehldeutung von Feedback
  • Noch schwieriger ist es bei Kommunikationsmethoden, bei denen es überhaupt kein direktes Feedback gibt, wie Newsletter, Intranet-Websites oder Videos: Sie setzen ein sicheres Gespür dafür voraus, welche Methoden in welcher Situation, unter welchen Rahmenbedingungen und zu welchem Zweck angemessen sind. Schon die simple Kommunikationsregel "Gewöhnliche Kommunikationsmethoden für gewöhnliche Nachrichten, außergewöhnliche Kommunikationsmethoden für außergewöhnliche Nachrichten" lässt sich ja nur befolgen, wenn man "geeicht ist", also weiß, welche Methoden in dieser Kultur gewöhnlich oder außergewöhnlich sind.

    Daher ist es dringend ratsam, lokale Change-Programme auch in internationalen Konzernen und ähnlichen länderübergreifenden Strukturen nur mit Unterstützung landeskundiger Kollegen durchzuführen. Wer darauf hofft, dass er mit den Mitteln und Methoden, die anderswo funktioniert haben, auch in diesem Land erfolgreich ist, kann natürlich Glück haben, aber er geht ein schwer kalkulierbares Risiko ein und hinterlässt möglicherweise ein "Problem für Fortgeschrittene".

  • Vertrautheit mit der Kultur erforderlich
  • Geeignete "kulturelle Insider" finden

     

    Die idealen Partner für solche Vorhaben sind Berater, die nicht nur aus dem jeweiligen Land bzw. der betreffenden Region kommen, sondern auch schon für das lokale Unternehmen bzw. die örtliche Niederlassung gearbeitet haben. Dann haben sie nicht nur ein Gespür für die Landeskultur, sondern auch für die Besonderheiten des jeweiligen Betriebs und dessen Vorgeschichte, sowohl was dessen Verhältnis zur Zentrale betrifft als auch, was erfolgreiche und weniger erfolgreiche Veränderungsvorhaben angeht.

    Je vertrauter die Berater mit der örtlichen Niederlassung sind, desto mehr haben sie auch deren Kultur inhaliert. Desto mehr wird deshalb schon die Zusammenarbeit mit ihnen zu einem Vorgeschmack auf die Art, wie die Mitarbeiter und Führungskräfte auf die Veränderungen reagieren werden. Das gilt erst recht bei Internen. Deshalb empfiehlt es sich, Einwände, Vorbehalte und die Aritkulation von "Bauchschmerzen" nicht voreilig als Widerstand zu interpretieren, sondern ihnen nachzugehen und sie für das weitere Vorgehen nutzbar zu machen: Welche Befürchtungen, welche Enttäuschungen, welche Bedürfnisse stecken dahinter? Was lässt sich daraus über die aktuelle Situation, deren Vorgeschichte und die lokalen Rahmenbedingungen der Veränderung lernen? Und was folgt daraus für ein sinnvolles Vorgehen?

  • Zusammen-
    arbeit mit lokalen Beratern
  • Wichtig ist allerdings, dabei sowohl sich selbst als auch allen anderen Beteiligten klarzumachen, dass dabei nicht das "Ob" zur Verhandlung steht, sondern nur das "Wie". Für eine unternehmensweite Umsetzung von Veränderungen wäre es fatal, wenn der Eindruck entstünde, man könne sich aus einem Programm herausmogeln, wenn man nur lange und dramatisch genug auf die besonderen Umstände und Schwierigkeiten im eigenen Land hinweist. Das Lied "In unserem Land ist alles anders" zählt ohnehin zu den beliebtesten Evergreens in internationalen Konzernen, was angesichts des natürlichen Spannungsverhältnisses zwischen Zentrale und Niederlassungen auch verständlich ist. Da nützt es niemandem, sondern weckt nur unrealistische Hoffnungen und sät damit den Keim für spätere Konflikte, wenn man sich konzilianter gibt als man es vom eigenen Auftrag her sein kann.

  • Nicht das "Ob", sondern nur das "Wie"
  • Die Rolle der örtlichen Berater wie auch der beteiligten Internen ist daher, die Implementierung aktiv zu unterstützen, nicht, sie abzuwenden oder zu verwässern. Dafür kann es eine wichtige Rolle spielen, wer formal ihr Auftraggeber ist, aber auch, von wem sie sich Folgeaufträge erhoffen. Wenn beides das Management der örtlichen Niederlassung ist, sind Interessenkonflikte zumindest für den Fall vorprogrammiert, dass das lokale Management von den Veränderungen eher wenig begeistert ist. Wenn das zum Problem zu werden droht, kann es sinnvoll sein, auf die inhaltlich zweitbeste Lösung zurückzugreifen und mit Beratern zu arbeiten, die zwar mit der Landeskultur vertraut sind, aber noch nicht in Geschäftsbeziehungen zu der lokalen Niederlassung stehen. In Ländern, wo die kulturelle Loyalität sehr ausgeprägt ist, ist es unter Umständen ratsam, ein Gegengewicht durch den Einsatz von örtlichen Beratern zu schaffen, die mit den Beratern der Zentrale verbunden oder assoziiert sind.

  • Mögliche Interessen- konflikte

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  • Buch "Culture Change"
  • Länderübergreifende Zusammenarbeit

     

    Grundsätzlich anders stellt sich die Gemengelage dar, wenn es um eine Zusammenarbeit in länder- bzw. kulturübergreifenden Teams oder Organisationsstrukturen geht. Denn dann sind es nicht mehr zwei Kulturen, die zu einer Verständigung finden müssen, sondern, je nach Situation, fünf, zehn oder zwanzig. Damit ist jeder Versuch zum Scheitern verurteilt, sich in ein- und demselben internationalen Meeting an die Kulturstandards von Amerikanern und Japanern, von Finnen und Indern, von Arabern und Brasilianern auszurichten. Selbst wer die außergewöhnliche kulturelle Flexibilität besäße, sich auf jede dieser Kulturen gut einzustellen, müsste an dem Versuch scheitern, es allen gleichzeitig recht zu machen. Gerade diese Komplexität erzwingt und ermöglicht am Ende eine Vereinfachung: Da es schlicht unmöglich ist, dass sich alle auf alle in ihrer jeweiligen Besonderheit einstellen, ist die einzig realistische Alternative, dass alle sich ein Stück von ihren eigenen Eichungen lösen und sich in Richtung des gemeinsamen Mittelwerts bewegen.

  • Komplexität erzwingt Vereinfachung
  • Und in der Tat hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten so etwas wie ein "internationaler Management-Standard" herausgebildet, der eine Verständigung quer über die Kulturkreise dieser Welt erheblich erleichtert: Man wappne sich mit etwas mehr Höflichkeit, Zugewandtheit und Geduld als man es zuhause vielleicht täte, sei als Deutscher nicht ganz so scharf mit seiner Kritik, als Japaner nicht ganz so zurückhaltend, bremse als Franzose seine Neigung zu philosophischen Exkursen und kreativen Ideen und trage als Amerikaner nicht ganz so dick auf wie daheim – und siehe da: Es geht! Nicht ganz so schnell und effektiv zwar wie wenn Manager derselben Kultur zusammensitzen, und mit mehr Missverständnisse und Fehldeutungen, die erst mühsam erkannt und ausgeräumt werden müssen, aber es geht.

  • "International Management Standard"
  • Dabei sollte man auch Rückschläge einplanen. So kann es manchmal frustrierend sein, wenn sich nach einer Weile herausstellt, dass eine Einigung, die erstaunlich rasch und leicht erreicht war, gar keine war, weil etwa das "Yes, yes" der Japanergar keine Zustimmung signalisieren sollte, sondern nur die höfliche Kenntnisnahme der anderen Sichtweise, mit der Folge, dass die eigentlichen Verhandlungen erst jetzt beginnen, wo man glaubte, schon am Ziel zu sein. Aber verglichen mit dem Reiseaufwand für internationale Vorhaben hält sich der zusätzliche Kommunikationsaufwand im Rahmen.

  • Rückschläge einplanen
  • Auch internationale Teams werden effizienter, wenn sie zusammenwachsen. Es ist daher nicht fair, die Produktivität eines frisch zusammengewürfelten internationalen Teams, das sich erst noch finden muss, mit einem eingespielten heimischen Team zu vergleichen. Die Gruppendynamik durchläuft bei der Entstehung eines internationalen Teams die gleichen Phasen wie bei einem lokalen – allenfalls vielleicht etwas vorsichtiger: Nach einer Phase des höflichen Abtastens, in der alle um einen guten Eindruck und Fauxpas-Vermeidung bemüht sind ("Forming"), folgt die Phase des "Storming", also des Ringens und Rangeln, in der sowohl die Kräfteverhältnisse in der Gruppe abgesteckt als auch die Spielregeln geklärt werden. Erst danach erreicht das Team seine volle Leistungsfähigkeit ("Performing").

  • Teambildung und Gruppendynamik
  • Das "Delegierten-Problem"

     

    Allerdings funkt in internationalen Teams häufiger ein Effekt dazwischen, der weniger mit kulturellen Unterschieden zu tun hat als damit, dass alle Menschen Träger unterschiedlicher Rollen sind und dadurch auch in Rollenkonflikte geraten können. Bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit ist die Zugehörigkeit zu dem internationalen Team für viele seiner Mitglieder nicht ihre "primäre Rolle". Das heißt, sie fühlen sich nicht in erster Linie als Mitglieder dieses Teams, sondern als Vertreter und Entsandte ihres Landes bzw. ihrer regionalen Niederlassung. Entsprechend gilt auch ihre Loyalität im Zweifelsfall weniger dem Team und seinen Aufgaben als ihrem Herkunftsland.

  • Rollenkonflikte
  • Das macht einen gewaltigen Unterschied für ihr Denken und Handeln – genau wie es einen gewaltigen Unterschied macht, ob sich ein Produktionsleiter in erster Linie als der Interessenvertreter der Produktion versteht oder als dasjenige Mitglied des Managements, das im Rahmen der notwendigen Arbeitsteilung für die Produktion verantwortlich ist: Im ersten Fall liegt es für ihn nahe, hauptsächlich die Interessen der Produktion zu verfechten, im zweiten wird er viel stärker dazu neigen, die Interessen des Gesamtunternehmens mit denen der Produktion in Ausgleich zu bringen.

  • Wem gilt die Loyalität?
  • Wenn sich ein Teammitglied in erster Linie als Delegierter und Beauftragter seiner "Heimatbasis" versteht, redet und handelt er natürlich anders als wenn er sich primär dem Erfolg des internationalen Teams verpflichtet fühlt. Schon ein einziges Teammitglied, das konsequent als "Delegierter" denkt und handelt, erschwer daher die produktive Zusammenarbeit und das Zusammenwachsen eines Teams – gleich ob national oder international! – erheblich.

    Wenn auch nur ein Teammitglied die Ziele seines Herkunftslandes in den Mittelpunkt stellt, gibt es kein gemeinsames Ziel des Teams mehr. Stattdessen stehen alle vor der Frage, ob sie nicht ihre Heimatbasis benachteiligen, wenn sie sich allein an den übergeordneten Zielen des Projekts orientieren. Damit erhalten die Zusammentreffen dann den Charakter einer offenen oder verdeckten Verhandlung: Dort versucht jeder, so viel wie möglich für sein Entsendeland herauszuholen und in jedem Fall Beschlüsse zu verhindern, die den Interessen der eigenen Heimatbasis zuwiderlaufen – gleich wie sinnvoll sie aus übergeordneter Perspektive auch sein mögen.

  • Teammitglied
    vs. Interessen- vertreter
  • Dieses "Delegierten-Problem" verschärft sich, wenn die Teammitglieder gegenüber ihrem Entsendeland bzw. dessen Management rechenschaftspflichtig sind. Davon ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn es sich um Mitarbeiter der zweiten oder dritten Führungsebene handelt, deren disziplinarischer Chef in ihrem Heimatland angesiedelt ist. Denn dann müssen die betreffenden Personen ja davon ausgehen, dass sie mit der Zustimmung zu Entscheidungen, die für ihr Entsendeland (oder ihren Chef) negative Effekte haben, zuhause als "Verräter" betrachtet werden. Eine zu starke Identifikation mit dem internationalen Team könnte sich für sie leicht als ein "Career-Limiting Move" erweisen.

    Vom Prinzip her ist das kein anderer Rollenkonflikt als wenn die Mitglieder eines lokalen Projektteams Lösungsvorschläge entwickeln, die den Vorstellungen und Interessen ihrer direkten Vorgesetzten zuwiderlaufen. Wenn die Betreffenden bei der Teamarbeit nicht mitziehen, sondern sich eher als Bremser erweisen, hat das nichts mit Verbohrtheit und bösem Willen zu tun, sondern ist Ausdruck eines strukturellen Konflikts, der sie zum Herumlavieren und letztlich zur Verfolgung lokaler Interessen zwingt. Ein Austauschen der Personen bringt hier wenig, wenn es für jeden Nachfolger im eigenen Interesse ratsam wäre, sich ähnlich zu verhalten.

  • Hindernis Rechenschafts- pflicht
  • Auch wenn dieses "Delegierten-Problem" prinzipiell in jedem Projekt zum Problem werden kann, scheint es auf internationaler Bühne der Denkweise und Gefühlswelt vieler Menschen noch stärker zu entsprechen, ihre primäre Identifikation zuhause in ihrer Heimat zu sehen. Das ist zum Teil wohl eine Frage der Persönlichkeit, zum Teil aber auch eine Frage der Herkunft: Franzosen und Japaner beispielsweise scheinen dazu stärker zu neigen als etwa Amerikaner, Skandinavier oder Deutsche. Aber wie auch immer: Wer sich in erster Linie als Interessenvertreter seines Entsendelandes versteht, mag trotzdem ein guter Verhandler sein, aber er eignet sich nicht als Mitglied eines internationalen Teams, das länderübergreifende Entwicklungen voranbringen soll.

  • "Nationale" Identifikation
  • Management der Unterschiedlichkeit ("Diversity")

     

    Im besten Fall können eingespielte internationale Teams sogar produktiver sein als lokale oder nationale – aber sie sind es, wenn sie es sind, auf andere Art. Ihre besten Leistungen erreichen sie, wenn es ihnen gelingt, die herkunftsbedingte Unterschiedlichkeit ihrer Mitglieder nicht bloß "in den Griff zu bekommen", sondern zur Quelle produktiver Energie zu machen. Denn je ähnlicher sich Teammitglieder von ihrem Werdegang und ihrer Denkweise sind, desto schneller sind sie sich einig – aber desto weniger Mehrwert entsteht aus ihrer Zusammenarbeit im Vergleich zu dem, was jedes einzelne Teammitglied auch alleine hätte zustandebringen können. Je unterschiedlicher sie sind, desto eher kann aus der Konfrontation völlig verschiedener Denkweisen und Perspektiven ein Ergebnis entstehen, das qualitativ weit über das hinausreicht, was die kreativsten Teammitglieder auch im Alleingang hätten schaffen können. Das Problem ist nur: Je unterschiedlicher sie sind, desto schwieriger ist es auch, diese theoretische Möglichkeit in eine praktische Wirklichkeit zu verwandeln. Denn umso schwieriger ist es, diesen "Flohzirkus" zu hüten und zu handfesten Resultaten zu führen.

  • Der Nutzen der Unterschiedlichkeit
  • Um diese Unterschiedlichkeit nutzbar zu machen, ist zum ersten etwas erforderlich, was der Philosoph und Managementtrainer Rupert Lay sehr präzise als "Distanz zur eigenen Gewissheit" bezeichnet hat. Gemeint ist damit die Fähigkeit und Bereitschaft, es trotz all unseren Wissens und aller unserer Erfahrung für möglich zu halten, dass völlig andere Denkansätze und Vorgehensweisen sinnvoll und zielführend sein könnten. Je rigider Menschen in ihrem Denken sind, je starrer sie darauf bestehen, dass es nur eine Wahrheit geben kann (und zwar die ihre), je mehr sie der Gedanke irritiert, dass es unterschiedliche – und prinzipiell gleichwertige – Wege zum Ziel geben könnte, desto schwerer tun sie sich mit solch einem offenen, neugierigen Herangehen.

  • Distanz zur eigenen Gewissheit
  • Neben dieser "Ambiguitätstoleranz" sind zum zweiten ein Stück Geduld und Einfühlungsbereitschaft erforderlich: Wer zu rasch auf greifbare Resultate drängt, erschwert einen kreativen Denkprozess oder blockiert ihn sogar. Die Bereitschaft zur Einfühlung und zum Eindenken ist deshalb so wichtig, weil es umso mehr innere Anstrengung erfordert, Nutzen aus einem anderen Denkansatz oder einer ungewohnten Herangehensweise zu ziehen, je fremder sie einem ist.

  • Geduld und Empathie
  • Zum dritten wird die gesamte "Diversity" nur dann produktiv, wenn man nicht nur ergriffen davorsteht, sondern es schafft, daraus am Ende praktische, umsetzbare Ergebnisse zu formen. Das macht es erforderlich, in der Moderation nach einer Phase des Öffnens zunehmend zu kanalisieren: Während es anfänglich darum geht, die Teilnehmer dafür zu gewinnen, sich aufmerksam und neugierig mit den unterschiedlichsten Sichtweisen zu beschäftigen und sie zu vergleichen, geht es im weiteren Verlauf immer mehr darum, "einen Knopf an die Sache zu machen", das heißt, zu konkreten Festlegungen über den besten Weg und das weitere Vorgehen zu machen. Dafür ist es sinnvoll, zwischen dem allgemeinen Austausch über unterschiedliche Herangehensweisen und der konkreten Maßnahmenplanung eine Phase einzuschieben, in der darüber nachgedacht wird, wie sich die verschiedenen Ansätze verbinden oder kreativ neu zusammenzusetzen ließen, um etwas zu erreichen, das über das Bisherige hinausgeht.

  • Zu konkreten Ergebnissen führen
  • Denn es wäre natürlich schade, wenn der Vergleich unterschiedlichster Denkweisen und Ansätze am Ende nur darauf hinausliefe, sich für eine der Varianten zu entscheiden – und damit alle anderen zu verwerfen. Sehr viel mehr Charme hätte es, wenn es gelänge, die unterschiedlichen Perspektiven so zu integrieren, dass tatsächlich etwas Neues entsteht, das über das Vorhandene hinausgeht und eine neue Qualität erreicht.

    Dafür wiederum ist es gut, wenn der Übergang vom allgemeinen Austausch zur konkreten Maßnahmenplanung nicht zu abrupt ist. Eine gute Möglichkeit ist daher, im Zeitablauf eine Phase vorzusehen, in der sich das Team mit der Frage befasst: "Welche Möglichkeiten fallen uns ein, die vorgestellten Denkansätze und Lösungswege kreativ zu verbinden?" Ideal ist, wenn diese Diskussion am Abend des einen Tages begonnen und am Morgen des folgenden fortgeführt werden kann. Auf diese Weise hat das Unterbewusstsein der Teilnehmer über Nacht die Möglichkeit, sich weiter mit dem Thema zu befassen – desgleichen das Bewusstsein derjenigen Teilnehmer, die den Abend gemeinsam in der Bar verbringen.

  • Entwicklung innovativer Lösungen
  • Das Nachdenken über innovative Ideen und kreative Rekombinationen vorhandener Vorgehensweisen ist jedoch kein Selbstzweck. Es gibt auch den Fall, dass sowohl der eine als auch der andere herkömmliche Weg gangbar ist, dass aber jede Zwischenlösung oder Kombination schlechter ist als die beiden ursprünglichen Varianten. In solchen Fällen zeichnet es ein gutes internationales Team aus, keinen faulen Kompromiss zu machen, nur damit sich alle "irgendwie" in dem Ergebnis wiederfinden, sondern es den Mut besitzt, sich für einen der beiden bewährten Wege zu entscheiden.

    Gerade internationale Gremien verderben sich ihren Ruf ja allzu oft damit, dass sie aus einer "Übersensibilität an der falschen Stelle" Lösungen verabschieden, die durch die abstrusesten Konstruktionen den "Sensibilitäten" allen Beteiligten gerecht werden sollen, aber in Wirklichkeit von den allermeisten Beteiligten und Unbeteiligtne als Schwachsinn empfunden und zuhause auch so genannt werden. Ein gutes Team, gleich ob national oder international, sollte es sich schuldig sein, keine Befriedungskompromisse zu verabschieden, sondern nur Lösungen, von denen alle Beteiligten überzeugt sein können.

  • Keine faulen Kompromisse!
  • Herzlichen Dank an Reinhold Zintgraf, Beiersdorf AG, dass er seine umfangreiche internationale Erfahrung in eine kritische Durchsicht dieses Beitrags eingebracht hat!

     

    Literatur:

    Trompenaars, Fons; Hampden-Turner, Charles (1997): Riding the Waves of Culture

    Lewis, Richard D. (2004): When Cultures Collide

    Morrison, Terri; Conaway, Wayne A.; Borden, George A. (1994): Kiss, Bow, Or Shake Hands

  • Literatur

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