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Ernüchternder, aber äußerst wertvoller Entscheidungs-Ratgeber

Belsky, Gary; Gilovich, Thomas (2000):

Why Smart People Make Big Money Mistakes And How to Correct Them

Lessons From the New Science of Behavioral Economics

Simon & Schuster (New York) 1999, TB 2000; 221 S.; 11,50 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 10 / 10

Rezensent: Winfried Berner, 07.05.2005

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Vordergründig nur ein Finanzratgeber für Privatleute. Besondere Aufmerksamkeit verdient er, weil er auf dem neuen Forschungsgebiet "Behavioral Economics" basiert – und die meisten beschriebenen Fallstricke für alle Arten von Entscheidung gelten.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger, Psychologe und Mathematiker Daniel Kahneman und sein allzu früh verstorbener Kollege Amos Tversky begründeten mit ihrem Buch "Judgement Under Uncertainty" (1982) die sogenannte "Prospect Theory". Dieses Forschungsgebiet befasst sich, flapsig formuliert, mit den psychologischen Gesetzmäßigkeiten, die hinter unseren Fehlentscheidungen stecken, und es ist von ebenso großer theoretischer Faszination wie außergewöhnlicher Praxisrelevanz. (Ich stütze mich zum Beispiel in dem Artikel "Risikobereitschaft" auf ihre Erkenntnisse.) Mit ihren Forschungen haben sie auch kräftige Impulse für den neuen Wissenschaftszweig der "Behavioral Economics" (oder "Behavioral Finance") geliefert, der sich mit systematischen Fehlern bei finanziellen Entscheidungen und deren Vermeidung befasst.

Auf diesem Gebiet ist einer der beiden Autoren – Thomas Gilovich – als Psychologieprofessor an der Cornell University selbst forschend tätig, während der andere – Gary Belsky – ein (im doppelten Sinne) ausgezeichneter Finanzjournalist ist. Gemeinsam ist den beiden ein Buch gelungen, dessen Payback schon am Ende des ersten Kapitels erreicht ist, unter der einzigen Bedingung, dass man die dort vorgetragenen Gedanken wenigstens gelegentlich anwendet.

Die sieben Kapitel befassen sich mit sieben zentralen (Selbst)Täuschungen, die unseren Umgang mit Geld prägen, aber auch auf viele andere Entscheidungen abfärben. Und natürlich beschränken sich diese systematischen Fehlermuster nicht auf den privaten Lebensbereich, sondern verleiten auch Unternehmer, Manager und Politiker zu suboptimalen Entscheidungen. Das wird schon im ersten Kapitel deutlich, wo es unter der Überschrift "Not All Dollars Are Created Equal" um das Phänomen der mentalen Kontoführung (mental accounting) geht, mit dem wir uns selbst – mal zu unserem Vorteil, mal zu unserem Schaden – dazu veranlassen, mit manchen Teilen unseres Geldes besonders restriktiv und mit anderen ziemlich locker umzugehen. So würden viele Menschen das Geld, das sie für die Ausbildung ihrer Kinder zurückgelegt haben, nur im äußersten Notfall antasten, während sie sich von einer unverhofften Steuerrückzahlung durchaus mal etwas gönnen würden – und das, obwohl 1.000 Euro auf dem zweiten mentalen Konto exakt gleich wertvoll sind wie auf dem ersten. Was (wenigstens im Falle der "Ausbildungsrücklage") sehr ehrbar und verantwortungsbewusst klingt, wird spätestens dann fragwürdig, wenn wir den einen Betrag auf einem Sparkonto mit kärglichen 2 Prozent Verzinsung liegen lassen, während wir für eine Überziehung des Girokontos 14 Prozent bezahlen.

Im zweiten Kapitel "When Six of One Isn't Half A Dozen of the Other" geht es darum, wie die Formulierung der Alternativen unsere Entscheidungen beeinflusst. Werden die Entscheidungsalternativen als Chancen dargestellt, entscheiden wir anders als wenn sie als Verlustrisiken beschrieben sind – auch wenn die Entscheidungssituation objektiv identisch ist. Hier kommt das von Kahneman und Tversky formulierte Prinzip der "Verlustscheu" (loss aversion) zum Tragen, das unser Verhalten sehr viel genauer vorhersagt als das gängige Stereotyp von der Risikoscheu. – Das dritte Kapitel befasst sich mit jener Entscheidungslähmung (decision paralysis), die eintritt, wenn wir mit zu vielen (beinahe) gleichwertigen Alternativen konfrontiert sind: "The more choices people face in life, the more likely they are to simply do nothing." (S. 83) Dazu kommt der "Status Quo Bias", der uns zusätzlich dazu verleitet, die Dinge im Zweifelsfalle so zu belassen wie sie sind.

Von der "Number Numbness" und ihren kostspieligen Konsequenzen handelt das vierte Kapitel. Die Tendenz, kleine Zahlen zu ignorieren, verleitet sowohl zur Vernachlässigung des Zinseszinseffektes als auch zum Ignorieren der Inflationsrate – mit der Folge, dass gerade vermeintlich "sicherheitsbewusste" Anleger einen kontinuierlichen Wertverlust ihrer Ersparnisse erleiden, während sie sich gleichzeitig reich rechnen. Sie führt auch dazu, dass wir bei Geldanlagen (und auch anderswo) die laufenden Kosten übersehen, die über Agios, "Verwaltungsgebühren" und Erfolgsbeteiligungen einen großen Teil der erzielten Erträge auffressen. In der Tat kennt kaum ein Anleger die "Total Expense Ratio" (TER) seiner Fonds – und das, obwohl sie offiziell ausgewiesen sein müssen. Doch "Zahlenblindheit" äußert sich auch in unserer Schwierigkeit, Zufallseffekte als solche zu erkennen, insbesondere wenn sie sich in scheinbar bedeutsamen Häufungen von "Treffern" äußern. Gleich ob ein Aktienfonds über mehrere Jahre hinweg den Index schlägt oder Sportler einen "Lauf" hat: Allzu schnell neigen wir dazu, zu glauben, dass "das doch kein Zufall sein kann", und daraus voreilige Schlüsse für die Zukunft abzuleiten. Und prompt reißt das vermeintliche Erfolgsmuster meistens just in dem Moment ab, wo wir darauf gewettet haben.

Einem ausgesprochen irritierenden Aspekt widmet sich das fünfte Kapitel, nämlich der Bedeutung von sogenannten "Ankern", das heißt von mentalen Bezugspunkten. Gleich ob es um das Erraten historischer Daten geht oder um die Bestimmung von Aufwänden oder Marktpreisen, jede in diesem Zusammenhang auftauchende Zahl beeinflusst unsere Schätzungen ebenso unmerklich wie messbar – und zwar selbst dann, wenn wir wissen, dass diese Zahlen keinerlei Aussagekraft haben. Das ist deshalb besonders beunruhigend, weil man sich diesem Effekt offenbar kaum entziehen kann.

Um "Overconfidence", also um unverschuldetes Vertrauen in das eigene Wissen und Können, geht es im sechsten Kapitel. Spätestens hier wird klar, dass die Erkenntnisse der Prospect Theory nicht bloß unseren Umgang mit Geld betreffen, sondern alle Aspekte unseres Lebens und Entscheidens. Gleich ob es um unsere "Menschenkenntnis" geht, um private Investitionen oder um unternehmerische Entscheidungen, wir sind ständig in der Gefahr, nicht nur den Umfang und die Qualität unseres Verständnisses zu überschätzen, sondern auch, wie Tversky und Kahneman einmal geschrieben haben, zu glauben, dass das, was wir nicht wissen, irrelevant wäre. – Das siebente Kapitel schließlich handelt von unserer Anfälligkeit, mit der Masse mitzulaufen. Und auch hier könnte man nicht nur an den zurückliegenden Börsenboom und Börsencrash denken, sondern zum Beispiel auch an das Kommen und Gehen von Management-Moden.

Very american und zugleich very nützlich dann das letzte Kapitel "Now What", in dem Belsky und Gilovich die wichtigsten Erkenntnisse ihres Buchs zusammenfassen und praktische Empfehlungen daraus ableiten. Und dies, obwohl sie zuvor schon am Ende jeden Kapitels unter Überschrift "How to Think And What to Do" jeweils eine Handvoll praktische Tipps gegeben und ihre Leser zu einer Selbstdiagnose ("You might be a victim of loss aversion or the sunk cost fallacy if ...") eingeladen hatten. Dennoch liefert diese "verdichtete Essenz" noch einmal zusätzlichen Nutzwert, indem sie die Erinnerung auffrischt und die wichtigsten Schlussfolgerungen noch einmal dick unterstreicht.

Fazit: Ich kenne sehr wenige Bücher, in denen solch eine solide theoretische Fundierung mit einer sehr klaren und oftmals spannenden, amüsanten Aufbereitung und einer konsequenten Orientierung an der praktischen Nutzanwendung eine derart glückliche Verbindung eingeht wie in diesem Fall. Gerade deshalb bedaure ich es, dass Belsky und Gilovich ihrem Buch keine kommentierte Literaturliste beigefügt haben, die all jenen bei der Orientierung hilft, denen sie mit ihrem Buch Appetit auf mehr Behavioral Economics und Prospect Theory gemacht haben. Dennoch: Da nicht nur Geldfragen, sondern auch Entscheidungen im Grunde jeden betreffen, kann ich dieses Buch wirklich uneingeschränkt und ohne Zielgruppen-Spezifikation empfehlen. Zumal auch das Englisch so gut lesbar ist, dass mittelprächtige Englischkenntnisse genügen dürften, um eine deutsche Ausgabe nicht zu vermissen. (Welche dennoch eine gute Idee wäre ...)

Schlagworte:
Entscheiden, Entscheidungen, Entscheidungspsychologie, Wirtschaftspsychologie, Denkpsychologie, Prospect Theory, Behavioral Economics, Geldanlage

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