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Entwertung und Angstmache als Integrationsrezept?

Feldman, Mark L.; Spratt, Michael F. (2000):

Speedmanagement für Fusionen

Über Frösche, Hasenfüße und Hasardeure (Englisches Original:

Gabler (Wiesbaden); 213 S.; 36,00 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 6 / 5

Rezensent: Winfried Berner, 17.07.2005

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Enthält nützliche Hinweise und Gedanken, beschränkt sich aber allzu oft darauf, Probleme möglichst drastisch und furchterregend auszumalen und den Lösungsweg allenfalls knapp anzudeuten. Genaueres erst nach Auftragserteilung?!

"Viele Manager vertreten die Überzeugung, dass das erfolgreiche Management von Veränderungsprozessen nur eine Frage noch härterer und besserer Arbeit ist. Diese Hoffnung zeugt eher von Arroganz als von gesundem Realitätsbewusstsein." (S. 38f.) Es ist erstaunlich, zu welch schneidender Schärfe gegenüber der eigenen Klientel dieses Buch aus dem Hause Price Waterhouse Coopers findet, und zugleich zu welch grotesken Fehlurteilen. Denn der Versuch, eine Fusion mit Fleiß bewältigen zu können, ist zwar in der Tat illusorisch, aber der Versuch dazu zeugt doch nicht von Arroganz, sondern eher von Hilflosigkeit. Dass dies kein singulärer MIssgriff ist, zeigt ein Zitat von der nächsten Seite: "Leider haben diese Manager die Regel der nicht berücksichtigten Konsequenzen entweder vergessen oder nicht gekonnt – d.h., dass unternehmerische Aktivitäten gerne Nebeneffekte entfalten, die der ursprünglichen Absicht entgegenlaufen." (S. 39) Oder: "Die meisten Unternehmen beweisen dabei unübertreffliches Ungeschick." (S. 53) Arroganz, Vergessen von "Essentials", Unkenntnis, unübertreffliches Ungeschick – wie kann man erfolgreich beraten, wenn man mit so viel Geringschätzung und Verachtung von seinen potenziellen Kunden spricht?

Zu dieser anmaßenden Überlegenheitspose passen auch viele Kapitelüberschriften: "1. Die verpasste Chance", "2. Die schreckliche Wahrheit", "3. Noch mehr schreckliche Wahrheiten". Um mich nicht dem Verdacht einer tendenziösen Auswahl auszusetzen, zitiere ich auch die nächsten drei: "4. Die Heftpflasterstrategie", "5. 260 Prioritäten", "6. Windschutzscheiben-Hysterie." Manager scheinen schon wirklich abgrundtief doof zu sein. Oder aber die Autoren verfolgen die Strategie, die für eine Fusion verantwortlichen Manager derart zu verwirren und ihnen so viel Angst einzujagen, dass sie schließlich in nackter Panik in ihre Arme flüchten. Die erste konstruktive, nicht sarkastische Überschrift trägt das siebte Kapitel (von 13); und sie hat sofort meine ungeteilte Zustimmung: "Keine Geheimnisse und Überraschungen, kein überflüssiges Gerede und keine leeren Versprechungen". (Die weiteren Überschriften sind nicht weniger kryptisch, aber neutraler: "8. Fünf Frösche auf einem Baumstamm"; "9. Ängste vor dem Strukturwandel"; "10. Der Fünftonner"; "11. Unternehmenskultur"; "12. Der einarmige Bandit und andere Verlockungen".) Es liegt allerdings nicht nur an den Überschriften, wenn einem auch nach dem Lesen die Gliederungslogik des Buchs nicht so recht klar ist.

Dabei hätten Feldman und Spratt solch permanente Entwertungen und Entmutigungen gar nicht nötig, denn ihr Buch bündelt eigentlich eine Menge Kompetenz und ist offenkundig von einiger Erfahrung im Management von Fusionen getragen. In ihren besten Passagen bieten sie Hinweise und Empfehlungen, die nicht nur Hand und Fuß haben, sondern deutlich über das hinausgehen, was man anderswo zu diesem Thema lesen kann. Ihren wertvollsten Rat geben sie aus meiner Sicht in dem Kapitel "260 Prioritäten", in dem sie durchaus zu Recht darauf hinweisen, dass Handlungsunfähigkeit nicht nur dann droht, wenn man – siehe Überschrift – in 260 Prioritäten ertrinkt, sondern auch dann, wenn das Top Management sich über die Prioritäten uneinig ist und infolgedessen auch nicht an einem Strang zieht. Da es aber alles andere als einfach ist, sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Aufgaben, Erfahrungen und Interessen auf eine gemeinsame (und kurze) Prioritätenliste zu verständigen, ist ein methodischer Ansatz, wie man dies erreichen kann, hochwillkommen.

Feldman und Spratt empfehlen hier ihre "Value-Driver-Analyse". Dazu werden sämtliche möglichen Maßnahmen einerseits nach ihren finanziellen Effekten, andererseits nach ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit bewertet und in eine Matrix einsortiert. Ziel der Übung ist, "einen Konsens über die 20 Prozent aller Maßnahmen zu erzielen, die 80 Prozent des Wertpotenzials mit der größten Erfolgswahrscheinlichkeit im kürzestmöglichen Zeitraum darstellen." (S. 76) Spezialisten für Ex-Post-Vorhersagen mögen diese Empfehlung trivial finden, und in der Tat könnte man der Value-Driver-Ansatz auch ganz schlicht als die Regel formulieren: "Orientiere deine Prioritätensetzung am (finanziellen) Erwartungswert der Maßnahmen!" Aber ich habe wenige Integrationsprozesse erlebt, in denen das Management die Priorisierung tatsächlich konsequent an diesem oder einem anderen nachvollziehbaren Kriterium orientiert hat – mit der Folge, dass das Fusionschaos oft größer war als es hätte sein müssen. Ganz so trivial scheint die Empfehlung (und ihre Umsetzung) also doch nicht zu sein.

Auch viele Hinweise, die Feldman und Spratt zum Thema Kommunikation geben, sind sinnvoll und beherzigenswert – insbesondere die, bei der Kommunikation nach außen und noch mehr nach innen auf "heiße Luft" und "inhaltsloses Geschwätz" zu verzichten. Denn Sprechblasen sind in der Tat Dinge, mit denen man auch die gutwilligsten Belegschaften, Führungskräfte und Kunden an den Rand der Verzweiflung und darüber hinaus bringen kann. Auch ihre Empfehlung, die "Transition-Teams" klein zu halten, sie mit einem klaren Auftrag auszustatten und nahe an ihrer Arbeit dranzubleiben, kann ich nach meiner Erfahrung nur unterstreichen. Desgleichen teile ich ihre Aussage, dass die Unternehmenskultur zwar "der perfekte Sündenbock" (S. 159) ist, wenn man eine Fusion in den Sand gesetzt hat, aber in den seltensten Fällen der wirkliche Grund sind, an dem Integrationen gescheitert sind. Diese treffenden Hinweise und Gedanken sind es, die mich dazu veranlassen, das Buch trotz vieler Kritikpunkte doch noch relativ hoch zu bewerten.

Ärgerlich finde ich hingegen, dass die beiden Price Waterhouse-Berater zwar oftmals sehr viel Zeit und Platz darauf verwenden, detailreich und in den dramatischsten Farben Probleme zu beschreiben, aber ziemlich wortkarg und allgemein bleiben, wenn es darum geht, Lösungen für diese Probleme zu nennen. So verbringen sie beinahe acht Seiten damit, anschaulich und nacherlebbar zu machen, wie schwierig und zugleich wie wichtig es ist, die Schlüsselpositionen mit den richtigen Leuten zu besetzen. Dafür lassen sie sich so plakative Schlagzeilen einfallen wie "Katzen finden, die Mäuse fangen", "Korbjäger und Boxer" und "Die versteckten Kosten der Anstellung von Nieten". Aber wenn es schließlich um die Lösung geht, beschränkt sich ihre Empfehlung auf einen Absatz von zehn Zeilen, dessen zweiter Teil bereits wieder Angst macht: "Die einzig zuverlässige Methode, um kulturelle Leitbilder zu finden, ist, das Befragen zu Verhaltensweisen zum Bestandteil des Auswahlprozesses zu machen. Es gibt mehrere Techniken auf diesem Gebiet; jeder Ansatz ist erfolgversprechend, wenn er zuverlässige Informationen über die Arbeitsphilosophie und die Präferenzen der Kandidaten für hochrangige Führungspositionen wiedergibt. Wenn diese Daten nicht verfügbar sind, werden Aufsichtsräte und Vorstände gewzungen, die Zukunft ihres Unternehmens von einer Führungsmannschaft abhängig zu machen, die zum Großteil aufgrund ihrer politischen, persönlichkeitsbezogenen und gesellschaftlichen Eigenschaften ausgewählt wurde." (S. 187)

Und immer wieder bin ich perplex über die Feindseligkeit vieler Passagen: "Viele dieser Kritiker ähneln Büro-Maulwürfen (...) Ein Büro-Maulwurf ist jemand, der um 8 Uhr morgens in sein Büro kommt und einen Maulwurfshügel aus Papier auf seinem Schreibtisch entdeckt. Er hat nun bis 17 Uhr Zeit, diesen zu einem Gebirge aufzutürmen. Ein wirklich effektiver Büro-Maulwurf hat seine Arbeit bis zum Mittag erledigt und widmet sich den Rest des Tages der Unterwanderung des gesamten Unternehmens mit verzerrten Darstellungen der Realität, schürt Ängste, mindert die Produktivität und schafft so eine Atmosphäre, die die Richtigkeit seiner Thesen beweist." (S. 86) Das grenzt schon an eine Verschwörungstheorie – fehlt nur noch der Verdacht, dass diese Saboteure vom KGB bezahlt werden. Doch dient diese überzogene Darstellung eigentlich nur dazu, den Lesern die durchaus richtige Botschaft zu vermitteln, dass sie bei Fusionen kein Kommunikationsvakuum entstehen lassen dürfen, weil sich das sonst unweigerlich mit Gerüchten und Spekulationen füllt. Aber "nebenbei" vermitteln sie damit ein Menschenbild, das mich frösteln lässt.

Darüber könnte man hinwegsehen, wenn es ein einmaliger Ausrutscher wäre. Aber diese Kombination von Angst-Machen und Entwertung zieht sich durch das ganze Buch durch. Aus diesem Grund mache ich trotz klarer Sprache und guter Übersetzung deutliche Abstriche bei der Bewertung der Lesbarkeit: Nicht die Verständlichkeit ist in diesem Fall der Schwachpunkt, sondern die Zumutung, ständige Abwertungen und Angstszenarien lesen zu müssen. Ich muss ehrlich sagen: Wenn ich nicht schon etliche Integrationsprozesse miterlebt und zu deren Erfolg beigetragen hätte, würde ich mich nach der Lektüre dieses Buchs kaum noch an solch ein Unterfangen heranwagen. Jedenfalls nicht ohne omnipotente Berater ...

Fazit: Wer sich darin üben möchte, Stress auszuhalten und eine permanente Überlegenheitspose zu ertragen, dem kann dieses Buch uneingeschränkt empfohlen werden. Dazu trägt auch die sehr plakative Sprache bei, auch wenn sie den Autoren zuweilen aus dem Ruder läuft. Man fragt sich, ob es die Rache der Lektoren war, wenn Sätze wie der folgende in den Druck gingen: "Voller Vertrauen auf die Unterzeichnung der Fusionsvereinbarung, mit überschwänglichen Pressemitteilungen gegenüber Kritikern gewappnet und kampfbereit, stürzen sich die Top-Manager wie die Lemminge in das Schlachtfeld 'Integration', auf dem eine Tretmine neben der anderen lauert – ohne einen strategischen Plan, ohne die notwendige Ausrüstung und ohne jede Orientierung. Das dann folgende Feuerwerk ist spektakulär." (S. 36) Da kann ich nur mit meinem Lieblings-Stilbruch konstatieren: "Die Sonne ging über den Bergen auf und lachte aus vollem Halse."

Schlagworte:
Fusion, Übernahme, Post-Merger-Integration

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