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Kann die Personalstrategie Treiber der Geschäftsstrategie sein?

Schwarz, Gunther; Barber, Felix; Villis, Ulrich (2006):

When People Strategy Drives Business Strategy



BCG Perspectives (o.Pag.)


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 26.09.2006

Ein kühner und faszinierender Gedanke, dass die Personalstrategie nicht zwangsläufig aus der Geschäftsstrategie abgeleitet sein muss, sondern diese auch bestimmen kann. Leider kann die Beweisführung nicht völlig überzeugen.

Im Gegensatz zum großen Konkurrenten McKinsey und den anderen großen Top Management-Beratern leistet sich die Boston Consulting Group mit ihren "Perspectives" einen elitären Sonderweg: Sie publiziert nicht ein eigenes Journal wie das renommierte McKinsey Quarterly, sondern bringt in loser Folge ihre "BCG Perspectives" heraus, die Zielkunden und anderen wichtigen Ansprechpartnern direkt zugesandt werden, aber seit einigen Jahren auch im Internet herunterladbar sind. Format und Umfang orientieren sich an den Lesegewohnheiten von Vorständen: Mit ihrem Jackettaschen-Format eignen sie sich ideal für langweilige Konferenzen oder kurze Wartezeiten am Flughafen. Sie sind in aller Regel deutlich kürzer als Artikel im Harvard Business Review oder McKinsey Quarterly und konzentrieren sich (meist) auf eine einzige Kernaussage, die für Vorstände interessant und wissenswert ist oder sein sollte. Der Nachteil dieser elitären Publikationsform ist, dass das Gedruckte "graue Literatur" bleibt, die nicht so richtig zitierfähig und überdies ein paar Jahre später kaum noch zu beschaffen ist. Während dies in früheren Jahren eine sehr clevere Strategie war, mit der Tatsache umzugehen, dass BCG schlicht nicht die kritische Masse hatte, um eine Zeitschrift mit hochwertigen Beiträgen zu füllen, bekommt es über die Jahre, wo BCG längst zum Blue Chip der Consultingbranche geworden ist, zunehmend etwas Altmodisches. Dennoch lohnt es sich um genau dieser zugespitzten Kernaussagen willen immer wieder, einen Blick in die "Perspektiven" zu werfen.

Der wichtigste Impuls dieser "BCG Perspective" ist, wenigstens für mich, was in der Überschrift bereits zum Ausdruck kommt: Dass es überhaupt denkbar ist, dass die Personalstrategie prägenden Einfluss auf die Unternehmensstrategie hat und nicht bloß eine aus der Unternehmensstrategie abgeleitete und deren Umsetzung dienende Folgemaßnahme ist. Denn bis zum Lesen dieses Artikels war für mich eine unhinterfragte Selbstverständlichkeit, dass die HR-Strategie nur aus der Gesamtstrategie abgeleitet sein kann und ihr logisch nachgeordnet ist: Dass sie dazu dient, dem Unternehmen diejenigen Kompetenzen und Qualifikationen bereitzustellen, die für die Umsetzung der Strategie heute und in näherer Zukunft benötigt werden. Genau so stellen auch Schwarz, Barber und Villis fest: "Developing a people strategy was once a straightforward matter of figuring out how to create the best possible work force to execute an already defined business strategy. But (...) people strategy today involves much tougher choices and trafeoffs. It may actually drive business strategy as much as business strategy drives it."

Die drei BCG-Berater aus Köln, Zürich und München benennen sieben Trends, die es nach ihrer Auffassung erforderlich machen, das traditionelle Verständnis der Personalstrategie zu hinterfragen:

  • "Globalization
  • Sharp shifts in core business processes
  • Diversity
  • Increased competition for senior managers
  • The aging of the work force
  • The advent of 'people businesses', which have few assets beside their employees
  • New technology that drives human resource processes."

An drei Beispielen versuchen sie ihre These zu exemplifizieren. Bei keinem davon erschließt sich für mich allerdings völlig, inwiefern darin die Personalstrategie wirklich der Treiber der Geschäftsstrategie ist. Im ersten Fall beschreiben sie, wie sich im Textilhandel "sharp shifts in core business processes" ergaben, als die Modehäuser dazu übergingen, ihre eigenen Handelsmarken zu etablieren, und dafür natürlich entsprechend qualifiziertes Personal brauchten: "To support this new business model, retailers have needed to hire people with capabilities in apparel design and sourcing." Das scheint mir ein geradezu klassisches Beispiel dafür zu sein, wie eine veränderte Geschäftsstrategie auch eine andere Personalstrategie nach sich zieht – und zwar in genau dieser "herkömmlichen" Abfolge.

Das zweite Beispiel ist mit "Diversity" überschrieben: "Diversity represents a huge opportunity to gain competitive advantage, but many companies miss out because they view diversity simply as a way to avoid legal liability. In fact, a diverse work force can have substantial benefits, such as helping the organization reach many different markets ..." Ja, einverstanden – aber heißt wirklich, dass die Personalstrategie zum Treiber der Geschäftsstrategie wird? Ist die Logik wirklich: "Weil wir eine buntere Belegschaft haben (müssen), ändern wir unsere Geschäftsstrategie und sprechen neue Zielgruppen an?" Oder bleibt hier nicht doch das Primat der Geschäftsstrategie: "Weil wir neue Zielgruppen ansprechen wollen, nutzen wir Diversity bewusst als Instrument unserer Personalstrategie?"

"Increased Competition for Senior Managers" ist das dritte Beispiel überschrieben: "Hiring and retaining top-level managers is more difficult than ever", stellen sie mit Hinweis auf die Private Equity-Firmen fest, die ihren Managern eine persönliche Risikobeteiligung verlangen, ihnen bei positiver Wertentwicklung aber auch enorme Verdienstmöglichkeiten eröffnen. Das kann für herkömmliche Firmen in der Tat zum Problem werden: "Companies with several business units face a particular challenge motivating managers in this way because the success of an individual unit is not measurable unless the business is sold or otherwise valued. The competition for business unit managers is starting to alter the corporate strategies of some multibusiness companies, providing a reason for greater portfolio focus or partial floatation of stock in subsiduaries." Das ist wohl das beste Beispiel von den dreien, weil Unternehmen hier durch den Wettbewerb um eine knappe Ressource tatsächlich gezwungen sind, wenn schon nicht ihre Strategie, sondern doch zumindest ihre Strukturen und ihr Accounting anzupassen.

Dennoch finde ich diese Beispiele weit weniger schlagend als ich es mir angesichts der Eingangsthese erwartet hätte. Dass die Personalstrategie Restriktionen für die Geschäftsstrategie nach sich ziehen kann, weil mit der bestehenden Mannschaft bestimmte strategische Ziele nicht erreichbar sind oder weil personelle Engpässe bestimmte Einschränkungen erzwingen, ist ja keine neue Erkenntnis. Aber es ist die Frage, weshalb es den drei erfahrenen Beratern nicht gelingt, überzeugendere Beweise für ihre These aufzufahren: Sind sie so befangen in ihrer BCG-Denke, dass sie selbst in der Beweisführung für die Gegenthese auf das gewohnte Denkmuster vom Primat der Geschäftsstrategie zurückfallen, oder ist ihre These zwar faszinierend, aber letztlich doch falsch, weil sich Strategie am Ende doch immer am Markt und Wettbewerb ausrichten muss und dabei andere Parameter zwar zu berücksichtigen hat, aber sie nicht ins Zentrum stellen darf?

Eigentlich bin ich geneigt, der These vom Primat der Wettbewerbsstrategie zuzustimmen. Aber paradoxerweise ist BCG selbst ein Beispiel dafür, dass die Personalstrategie tatsächlich maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsstrategie haben kann. Zumindest in den Jahren 1985 - 94, die ich im Münchener Büro miterleben durfte, gab es phasenweise einen echten Konflikt zwischen den Interessen der Firma, die an langjährigen, hochprofitablen Umsetzungsaufträgen interessiert war, und den Interessen der Berater, die sich von diesen Projekten unterfordert fühlten und fanden, dass sie dort nicht genügend lernten. Das BCG-Management war damals weitsichtig genug, zu erkennen, dass ein Verlust der besten Nachwuchskräfte der Firma langfristig weitaus mehr geschadet hätte als kurzfristige Abstriche an der Profitabilität. In diesem Fall war wirklich die Personalstrategie Treiber der Geschäftsstrategie, denn es war ja eine bewusste strategische Entscheidung, der Bindung der besten Talente Vorrang vor der Profitabilität einzuräumen.

Nicht uninteressant auch die Empfehlungen, die Schwarz, Barber und Villis für "Building People Strategy" geben. Sie dürften Wunsch- und Alpträume vieler Personalmanager gleichermaßen ansprechen:

  • "Give line managers specific HR responsibilities" (um sie zu trainieren und in die Verantwortung zu nehmen)
  • "Treat HR like finance" (Aufwertung in der Bedeutung, aber auch im Anspruchsniveau)
  • "Develop and deploy standard HR metrics worldwide"
  • "Boost the HR organization's performance" ("If HR does not have its house in order, it will not have the time and credibility to play a strategic role" / "companies can achieve savings of 30 percent or more in the HR function by standardizing and automatizing operations")

Insgesamt eine "Perspektive", die keine abschließenden Antworten liefert (dafür braucht man halt doch Berater), aber zum Nachdenken anregt – und damit genau der Intention dieser elitären Reihe entspricht.

Schlagworte:
Unternehmensführung, Strategie, Wettbewerbsstrategie, Personalstrategie

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