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Schlüsselrolle des Top Managements bei Veränderungen

Aiken, Carolyn B.; Keller, Scott P. (2006):

The CEO's Role in Leading Transformation



McKinsey Quarterly Online


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 19.05.2007

Nützliche Anregungen zu einem, wenn nicht dem zentralen Erfolgsfaktor für Veränderungsprozesse. Nicht alles daran ist so neu wie die Autoren suggerieren, doch die zentrale Botschaft kann ich nur dick unterstreichen.

"... in the volumes of pages on how to go about implementing a transformation, surprisingly little adresses the role of one important person. What exactly should the CEO be doing, and how different is this role from that of the executive team or the initiative's sponsors?", behaupten die McKinsey-Berater Carolyn Aiken und Scott Keller und umreißen damit zugleich das Problem, das ihr Artikel lösen soll. Doch diese Prämisse kann ich nicht teilen. Beispielsweise befasst sich der Harvard-Professor und Change Management-Guru John Kotter in seinen Publikationen vorrangig mit dieser Frage – man denke an sein Acht-Phasen-Modell in "Leading Change" oder sein Buch "Power and Influence". Auch seine Kollegin Rosabeth Moss-Kanter hat sich immer wieder genau zu dieser Fragestellung geäußert, genau wie meine Ex-BCG-Kollegin Jeanie Daniel Duck. Trotzdem ist dieser Artikel alles andere als überflüssig, denn der oberste Chef als Machtzentrum einer Organisation hat nun einmal eine Bedeutung für den Erfolg von Veränderungsvorhaben, die man kaum unterschätzen kann: "Only the boss of all bosses can ensure that the right people spend the right amount of time driving the necessary changes." (S. 19) Seine Einflussmöglichkeiten und Aufgaben arbeiten Aiken und Keller gut heraus.

Für deutsche und nordeuropäische Verhältnisse, aber bei ehrlicher Betrachtung wohl auch für amerikanische, muss man wohl zuerst die CEO-Zentrierung zurechtrücken, die gerade von den Großberatern so anbetungsvoll zelebriert wird. Natürlich kann das Machtzentrum eines Veränderungsprozesses auch mal der Vorstandsvorsitzende oder CEO sein. Genausogut kann es aber ein anderes Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung sein oder sogar "nur" ein Sparten-, Bereichs- oder Werksleiter, in dessen Verantwortungsbereich die aktuelle Veränderung stattfindet. Letztlich geht es nicht um den Titel, sondern darum, dass der oberste direkte Chef der Organisationseinheit(en), in denen die Veränderungen erreicht werden sollen, sich der Sache persönlich und mit dem nötigen Nachdruck annimmt. Nur wenn es um das Gesamtunternehmen geht, ist das der CEO (oder VV), anderenfalls – und nach meiner Wahrnehmung im Regelfall – ist es derjenige, den die Mitarbeiter als ihren obersten direkten Chef ansehen. Und das ist bei einem Großunternehmen in aller Regel nicht der CEO, sondern zum Beispiel der Landeschef, Werks- oder Vertriebsleiter. In diesem Sinne sollte der Begriff CEO denn auch im Weiteren verstanden werden.

Aiken und Keller sagen nun "that four key functions collectively define a successful role for the CEO in a transformation:
1. Marking the transformation meaningful (...)
2. Role-modeling desired mind-sets and behavior (...)
3. Building a strong and committed top team (...)
4. Relentlessly pursuing impact." (S. 19 f.)
Diese vier Punkte erläutern die beiden vier Punkte im Rest des Artikels und geben dabei etliche nützliche Anregungen, auch wenn manche Gedanken so klingen, als hätten ihnen John Kotter und Rosabeth Moss Kanter dabei über die Schulter geschaut – oder umgekehrt.

Die Einsicht in den Nutzen bestimmter Veränderungen garantiert nach meiner Erfahrung noch lange nicht, dass sie umgesetzt werden. Doch steigen die Widerstände sprunghaft an, wenn es an ihr fehlt. "Making the transformation meaningful" ist also ohne Zweifel eine wichtige, doch keineswegs eine hinreichende Bedingung für den Erfolg eines Veränderungsvorhabens. Ein wichtiger Gedanke ist dabei, dass es hier nicht nur um schlüssige Antworten auf Sachfragen geht, sondern auch um "the CEO's willingness and ability to make things personal, to engage others openly, and to spotlight successes as they emerge." (S. 20) Aiken und Keller empfehlen daher – erstaunlich für eine zutiefst von rationaler Analyse getriebene Beratungsfirma: "Adopt a personal approach". Dabei zitieren sie einen amerikanischen CEO mit den Worten: "You have to put your face in front of the people if you want them to follow you." (S. 21) Eindrucksvoll – und bei genauerem Hinsehen ebenfalls ein "personal approach", keine sachliche Beweisführung.

Bestenfalls eine nützliche Bedingung ist auch das "role-modeling desired mind-sets and behavior". Ein Top Manager wird ohne Zweifel Respekt und Bewunderung ernten, wenn er die gewünschten Veränderung persönlich vorlebt ("Transform yourself"), aber er sollte keine übertriebenen Hoffnungen darauf setzen, dass sie ihm der Rest der Organisation die Veränderungen schon deshalb "nachleben" wird. Daher sollte unbedingt auch der zweite Tipp unbedingt beherzigt werden: "Take symbolic action" – auch wenn etwas vage bleibt, was das konkret bedeutet und woher man die richtigen Symbole bezieht.

"Building a strong and committed top team", lautet die dritte Empfehlung. Auch ihr kann man kaum widersprechen, zumal John Kotter diesen Gedanken schon 1996 als "Building the Guiding Coalition" propagiert hat. Sehr nützlich ist hingegen, wie Aiken und Keller diesen Vorschlag konkretisieren: "Many CEOs find it useful to map team members on a matrix, with 'business performance' on one axis and 'role-modeling the desired behavior' on the other." (S. 22) Und nun kommt's: "The greatest potential for sending signals involves the employees in the box of 'undesired behavior, high performance'. When clear action is taken to improve or remove these managers, the team's menbers know that role-modeling and teamwork matter." (S. 23) Das kann ich nur unterstreichen. Genau diese Gruppe ist es, an der sich zeigt, wo die Prioritäten des Top Managements wirklich liegen – und an der Top Manager allzu oft die eigenen Veränderungsinitiativen durch Halb- oder Viertelherzigkeiten unterminieren.

Auch die vierte Empfehlung klingt, als hätte man sie schon mal irgendwo gehört: "Relentlessly pursuing impact", samt der Konkretisierungen "Roll up your sleeves" (Hemdsärmel) und "Hold leaders accountable". Ob die Einmischung von oben allerdings durchgängig so segensreich ist wie die beiden McKinsey-Berater glauben, oder ob sie nicht eher Ausnahme- und Notfällen vorbehalten bleiben sollte, darüber kann man geteilter Meinung sein. Auch das Einfordern von Ergebnissen halte ich nur dann für ein Erfolgsrezept, wenn es in unterstützender Weise geschieht und sich nicht in bloßem Druck erschöpft. Doch dass die Motivation über Druck (= Angst) auch kontraproduktiv wirken kann, ist wohl eine Einsicht, die vielen Top-Beratern aufgrund eigener blinder Flecken schwer zugänglich ist. Andererseits ist nicht zu bestreiten, dass hoher Druck eine wirksame Strategie ist, das eigene Handeln vor kritischem Hinterfragen zu schützen. Aber eigentlich wollten wir doch über Change Management reden, nicht über Machttaktiken?

Alles in allem ein Artikel, der nützliche Anregungen zu einem zentralen Erfolgsfaktor von Veränderungen liefert, ohne das Thema völlig zu durchdringen. Auch wenn er seinen hohen Anspruch, grundlegend Neues zu einem vernachlässigten Thema zu sagen, nur unvollkommen einlöst, kann man doch seiner zentralen Botschaft uneingeschränkt zustimmen, und desgleichen auch vielen seiner Empfehlungen.

Schlagworte:
Change Management, Top Management, CEO, Vorstand

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