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Gute, weil extrem einseitige Ergänzung zu anderen Länderführern

Neumann, Christoph (2006):

Darum nerven Japaner

Der ungeschminkte Wahnsinn des japanischen Alltags

Piper (München, Zürich) 9. Aufl. 2008; 169 S.; 7,00 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 6 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 10.05.2008

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Erfrischend unkorrekt, aber leider allzu einseitig schildert Neumann, mit welchen Sitten und Gebräuchen der Japaner er sich auch nach vielen Jahren im Lande nicht anfreunden konnte – oder die ihn im Laufe der Zeit sogar immer mehr nervten.

In seiner "Gebrauchsanweisung für Amerika" hat der in Kärnten geborene Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick, einer der prominentesten Vertreter des Konstruktivismus, teils süffisant, teils genervt, teils geradezu verzweifelt manche Eigenheiten der Amerikaner beschrieben, die ihm als Wahlamerikaner im Laufe der Jahre offenbar immer mehr auf die Nerven gingen – und damit ein "reizvolles" Beispiel für die praktischen Grenzen des Konstruktivismus geliefert: Wenn es hart auf hart geht, sind offenbar selbst in der Wolle gefärbte Konstruktivisten nur begrenzt dazu bereit und/oder in der Lage, ihre eigenen Realitätskonstruktionen als solche zu relativieren. Das ist selbstverständlich keine Widerlegung des Konstruktivismus, aber es signalisiert doch eine Einschränkung dessen, was sich in der Praxis damit anfangen lässt.

Der in Japan promovierte Softwareentwickler und Journalist Christoph Neumann scheint in der entgegengesetzten Himmelsrichtung ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben, aber er hat sie anders verarbeitet. Er bemüht sich nicht um Distanz und Objektivierung, sondern schreibt sich in 19 kurzweiligen Kapiteln seine Genervtheit, seinen Frust und seine Fassungslosigkeit von der Seele, und zwar erfrischend authentisch und ohne jede Rücksicht auf Political Correctness. So lesen wir über Regeln, Regelungswut und Bedürfnisse nach klaren Regeln ("Das Volk will belehrt werden") und das Ausziehen und Wechseln von Schuhen, über verordnete Ruhepausen in Schwimmbädern und die nahtlos in das gesellschaftliche Leben integrierte Mafia (sozusagen eine Form von präventiver Resozialisierung), über Hochdruck und Werbedruck in U- und S-Bahnen und über Spontanschlaf als Strategie, sich sozialen Zwängen zu entziehen, über ein offenbar grenzenloses Bedürfnis nach Konformität und noch über manches andere mehr.

Glücklicherweise beschreibt Neumann das nicht bitterernst, sondern eher mit der dramatischen Erregtheit von Kölnern oder Berlinern, in der (meist) ein relativierendes Augenzwinkern enthalten ist (welches auch aus seiner Webadresse www.noiman.com hervorschimmert). Durch die Kombination von plastischen Beispielen, dramatisierender Aufbauschung und Ironie wird lesbar, was anderenfalls schwer erträglicher Chauvinismus wäre. Dennoch klingt vieles, was er beschreibt, ärgerlich, wütend und verbittert, und es ist von keinerlei Relativierung des eigenen Maßstabs geprägt.

Doch gerade aus solch einer ehrlichen emotionalen "Abrechnung" lässt sich eine Menge lernen – und zwar keineswegs nur über manche (wirklich merkwürdigen) Sitten und Gebräuche der Japaner, sondern auch über unsere eigene Kultur, die ja die Normen liefert, anhand derer Neumann und wir uns über andere Kulturen wundern. Am Ende nerven ja nicht "die Japaner", sonst müssten sie schließlich von sich selbst genervt sein, sondern es nervt deren penetrante Abweichung von unseren eigenen Erwartungen, die, auch wenn wir sie noch so "objektiv" begründen mögen, von unserer eigenen Kultur geprägt sind und von der wir uns auch bei mit unserem Bewusstsein von Realitätskonstruktionen offenbar kaum lösen können (oder wollen). Insofern ist dieses kleine Buch, wenn man es so zu lesen versteht, auch ein hübscher Spiegel, um sich selbst, die eigene Kultur und unsere unhinterfragten und "unbezweifelbaren" Selbstverständlichkeiten besser kennenzulernen.

Trotzdem schlug das anfängliche Amüsement wenigstens bei mir nach einigen Kapiteln in Befremden um. Ohne Zweifel kennt sich Neumann sehr gut aus in Japan, doch seine Schilderung immer neuer seltsamer Sitten und Gebräuche wirkt auf die Dauer allzu einseitig, zumal sie von keinerlei Bemühen um Verständnis geprägt ist und praktisch keine positiven Aspekte erwähnt. Ohne in der Gefahr zu sein, mich vorschnell mit "den Japanern" zu solidarisieren, drängte sich mir doch immer stärker die Frage auf: Wieso lebt dieser Mensch eigentlich weiter in diesem Land, wenn ihm das alles so unendlich auf die Nerven geht und er es bis zur Halskrause satt hat? Ist das nur Masochismus oder unterschlägt er uns das, was diese fremde Kultur für ihn vielleicht doch ertragenswert macht?

Andererseits bringt es keinen Nutzen, sich über die (mutmaßliche) Einseitigkeit des Autors zu ärgern. Klüger ist, sie zu nutzen. Auch wenn die Darstellung auf die Dauer etwas strapaziös ist, liefert sie doch eine ausgesprochen wertvolle Ergänzung zu dem übersensiblen, geradezu verklärenden Bild, das die meisten anderen Länderführer zeichnen. Denn an einem habe ich nach der Lektüre keine Zweifel: Dass Neumann wirklich ein tiefer Kenner des Landes ist und seine zahlreichen "Reizpunkte" nicht erfunden, sondern erlebt hat – und sie seine Leser sehr plastisch und authentisch miterleben lässt.

Schlagworte:
Japan, Deutsche, Interkulturelles Management, Interkulturelle Zusammenarbeit

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