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Gulatis zentrales Thema ist Kundenorientierung, nicht Resilienz

Gulati, Ranjay (2009):

Reorganize for Resilience

Putting Customers at the Center of Your Business

Harvard Business Review Press (Boston MA); 270 Seiten; 26,10 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 7 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 13.07.2014

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Wer wissen will, was Resilienz für Unternehmen bedeutet, wird hier recht einseitig bedient: Er bekommt nur ein unvollständiges, stark verengtes Bild, denn das Buch handelt ausschließlich von konsequenter und durchgängiger Kundenorientierung.

Der Titel "Reorganize for Resilience" ist im Grunde irreführend, denn in dem Buch geht es nur um einen einzigen Aspekt von Resilienz, nämlich um eine in Fleisch und Blut bzw. in Strukturen, Prozessen und Kultur tief verankerte Kundenorientierung. Auch wenn Gulati dieses Thema radikaler und konsequenter angeht als üblich, ist Kundenorientierung aber nur ein Element von unternehmerischer Resilienz und keineswegs das ganze Bild. Wenn man "Managing the Unexpected" von Karl E. Weick und Kathleen M. Sutcliffe gelesen hat (siehe Rezension), ist es geradezu atemberaubend, wie viele elementare Aspekte von Resilienz der Harvard-Professor Ranjay Gulati entweder überhaupt nicht im Blickfeld hat oder bewusst weglässt. Auch Aspekte wie die finanzielle und ökonomische Robustheit bleiben völlig unerwähnt.

Wenn man also den Maßstab anlegt, ob und inwieweit dieses Buch dabei hilft, sich ein umfassendes Bild von unternehmerischer Resilienz zu machen, kann man ihm eigentlich nur schwerste Mängel bescheinigen. Freundlicher wird die Bewertung, wenn man sie auf das eigentliche Thema des Buchs bezieht, das im Untertitel zum Ausdruck kommt, also darauf, wie sich Kundenorientierung in größtmöglicher Konsequenz unternehmerisch umsetzen lässt.

Doch auch bei diesem wohlwollenden Maßstab löst das Buch keine vorbehaltlose Begeisterung aus: Was Gulati schreibt, ist klar strukturiert und arbeitet die Handlungsfelder für den Aufbau umfassender Kundenorientierung gut heraus, aber es ist keineswegs so neu und revolutionär wie er beansprucht. Das beginnt mit dem programmatischen Claim des "Outside-In Thinking", unter den er sein gesamtes Buch stellt, ohne zu wissen oder zu erwähnen, dass die Boston Consulting Group diesen Begriff schon in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Kernelement jeder Strategieentwicklung propagiert hat. Das löst Befremden aus: Ein Harvard-Professor für "Business Administration", der zentrale Gedanken und Konzepte von BCG nicht kennt? Oder meint, die Quelle seines Leitbegriffs nicht erwähnen zu müssen? Seltsam.

Auch der Gedanke, dass in vielen Unternehmen organisatorische "Silos" einer konsequenten Kundenorientierung im Weg stehen, und dass unterschiedliche Funktionen zu deren Umsetzung zur Zusammenarbeit bewegt werden müssen, ist nichts, was ich bei Gulati zum ersten Mal lese. Soweit ich mich entsinne, ist das seit ungefähr 30 Jahren ein wiederkehrendes Thema im Harvard Business Review (und vermutlich nicht nur dort).

Inhaltlich strukturiert Gulati seine Empfehlungen zum Aufbau einer durchgängigen Kundenorientierung in fünf "Hebel" (levers):

  • Lever 1: Coordination
  • Lever 2: Cooperation
  • Lever 3: Clout (nur damit sich's stabreimt. "Clout" heißt laut Wörterbuch "Schlag" (im Sinne von Ohrfeige. Was damit gemeint ist, ist, wie sich beim Lesen herausstellt, Macht – bei der Erläuterung greift Gulati denn auch ungerührt auf Definitionen von "power" zurück)
  • Lever 4: Capabilities
  • Lever 5: Connections (auch nur um des Reimes willen; gemeint sind Outsourcing, Kooperationen, strategische Partnerschaften und Lieferanten-Netzwerke)

Nach einem einleitenden Kapitel "Building a Resilient Organization" stellt Gulati jeden dieser fünf Hebel in einem ausführlichen Kapitel vor. Meist beginnt er mit einer ausführlichen Fallstudie, an die er seine Verallgemeinerungen, Erkenntnisse und Empfehlungen anfügt. Das ist alles klar und schlüssig dargestellt, auch wenn es wenigstens mir persönlich keine großen Aha-Erlebnisse vermittelt hat. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass seine "Hebel" teils auf struktureller, teils auf kultureller Ebene ansetzen – was auch heißt, dass sich der Schwierigkeitsgrad ihrer Umsetzung unterscheidet: Die Strukturen zu verändern ("coordination") ist leichter als eine siloübergreifende Zusammenarbeit ("cooperation") in Gang zu setzen.

Den Abschluss bildet ein Kapitel "Road to Greater Customer Centricity: Mapping the Journey to Greater Resilience". Darin ergänzt er seine fünf "Levers" um vier "Levels" der Kundenzentrierung (oder Kundenzentrizität? Man darf auf die Übersetzung gespannt sein):

  • Level 1 – Inside-out
  • Level 2 – Customer segmentation
  • Level 3 – Customer solutions
  • Level 4 – Outside-in.

Offenkundig beschreiben diese "Levels" unterschiedliche Grade oder Stufen der Kundenorientierung (bleiben wir bei dem eingeführten Begriff, auch wenn Gulati ihn gern steigern möchte). Anhand des Zementherstellers Lafarge erläutert Gulati, wie Unternehmen von einer reinen Produktorientierung über eine Kundensegmentierung einen ersten Schritt zu mehr Ausrichtung auf den Kunden entwickeln und wie sie von dort über ein besseres Verständnis zentraler "Schmerzpunkte" (key pain points) zu kundenspezifischen Lösungen vordringen, bevor sie entlang des Grundsatzes "solve, not sell" (S. 210) aufbrechen, ein wahres Outside-In-Unternehmen zu werden, das er so charakterisiert: "They've broken down internal rigidities and become agnostic about their own external borders. Their goal is to solve customers' problems by any means necessary, including those outside the firm." (S. 210)

Nicht jedes Unternehmen muss so weit gehen, konzediert Gulati; für Firmen "that exist largely outside the flames of commodity hell", wie er es anschaulich nennt, mag eine Kundensegmentierung oder die Entwicklung kundenspezifischer Lösungen genügen. Aber mit oder ohne Kundensegmentierung, kundenspezifische Lösungen sind zum Beispiel in der Werkzeugmaschinenindustrie quasi seit deren Gründung gang und gäbe, und wohl auch in anderen Branchen, in denen es um große Investitionen geht. Hier grenzt Gulati meines Erachtens nicht genau genug ab, was bei seinen "customer solutions" eigentlich das Neue sein soll. Deutlicher wird das auf Level 4, wo es um Kooperationen und strategische Partnerschaften geht. Das ist ein großer Schritt, zumal er in aller Regel mit einer Neudefinition des eigenen Selbstverständnisses einhergeht, wie sichtbar wird, wenn er fordert: "Shrink the core, expand the periphery" (S. 156).

Fazit: Wer zum Ziel hat, die Kundenorientierung seines Unternehmens auf ein neues Niveau zu heben, für den lohnt es sich, dieses Buch zu lesen, weil es ihm mit Sicherheit helfen wird, die Aktionsfelder und Ansatzpunkte klarer zu sehen, zu durchdenken und sein Vorgehen schlüssig durchzustrukturieren. Wer hingegen die Resilienz seines Unternehmens verbessern möchte, dem ist mit diesem Buch wenig gedient, und man kann ihm nur wünschen, dass er nicht Gulatis völlig verengter Fokussierung auf die Kundenorientierung zum Opfer fällt und andere so zentrale Aspekte außer Acht lässt wie zum Beispiel die finanzielle Robustheit oder die Fähigkeit zur Antizipation möglicher Krisen und zu deren Bewältigung.

Schlagworte:
Kundenorientierung, Kulturveränderung, Customer Focus, Outside-In Denken, Kundenzentriertheit, Organisation, Resilienz

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