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Empfehlenswertes Lehrbuch der Wirtschaftsmediation

Duve, Christian; Eidenmüller, Horst; Hacke, Andreas (2011):

Mediation in der Wirtschaft

Wege zum professionellen Konfliktmanagement

Köln (Schmidt) 2. Aufl. 2011; 440 Seiten; 39,80 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 9 / 8

Rezensent: Winfried Berner, 22.09.2016

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Ausgezeichnetes Lehrbuch der Wirtschaftsmediation: Umfassend, engagiert, sehr strukturiert und erfreulich praxisorientiert. Wichtige Ergänzung zu eher psychologisch oder "systemisch" ausgerichteten Büchern.

Etwas flapsig könnte man sagen: Wenn Juristen ein Buch über Mediation schreiben, handelt es sich um ein juristisches Problem, das auch psychologische (und einige andere) Aspekte hat. Wenn Psychologen ein Buch über Mediation schreiben, handelt es sich um ein psychologisches Problem, das auch juristische (und einige andere) Aspekte hat. Während beispielsweise in dem Lehrbuch von Ballreich und Glasl die juristischen Aspekte der Mediation kaum erwähnt werden, heben Duve und Kollegen immer wieder hervor und nehmen sie in den Fokus. Wobei man fairerweise anerkennen muss, dass sie sich auch sehr intensiv und sorgfältig mit psychologischen, spieltheoretischen und anderen Perspektiven auseinandersetzen.

Aus juristischer Perspektive

Aber dass Autoren die Welt durch die Brille der eigenen Fachlichkeit sehen, lässt sich wohl nicht vermeiden – und es muss auch nicht schädlich sein, vor allem wenn man sich als Leser dessen bewusst ist. Im konkreten Fall kommt hinzu, dass Duve und Kollegen unter "Mediation in der Wirtschaft" explizit auch Streitigkeiten zwischen Unternehmen verstehen. Die wiederum sind häufig Streitigkeiten unter Vertragspartnern, sodass deren vertragsrechtliche Seite die Grundlage für sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen sind – und damit die Basis, auf der die gesamte Mediation aufsetzt. (Wobei es in der Mediation, im Gegensatz zu einem Schiedsverfahren oder vor Gericht, nicht erforderlich und meist auch nicht sinnvoll ist, sich auf diese vertragsrechtlichen Aspekte zu begrenzen.)

Alle drei Autoren dieses Werks sind mediationserfahrene Juristen: Dr. Christian Duve und Dr. Andreas Hacke sind Partner in großen Anwaltskanzleien, Prof. Dr. Horst Eidenmüller ist Juraprofessor in München und Direktor des Centrums für Mediation und Verhandlung (CMV) an der dortigen Universität. Jeder Zeile ihres Buchs merkt man an, dass hier keine ehrgeizigen Jungakademiker ihr angelesenes Wissen referieren, sondern dass die Autoren aus eigener langjähriger Mediationspraxis sprechen. Zugleich zeigt ihr Buch, dass eine ausgeprägte Praxisorientierung nichts mit Theoriefeindlichkeit zu tun hat, sondern im Gegenteil auf solide theoretische Fundamente aufbaut – und zu deren Fortentwicklung beiträgt.

Inhaltsübersicht

Die 13 Kapitel des Buchs sind in drei große Teile gegliedert. Dessen zweiter "Die Methode der Mediation" nimmt mit neun Kapiteln und knapp 220 Seiten den größten Teil des Umfangs ein. Er folgt zunächst den Phasen einer Mediation und ergänzt sie sodann mit einem ebenfalls sehr lesenswerten Kapitel "Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen". Das ist durchweg sehr informativ, immer wieder mit Beispielen – meist aus realen Fällen – illustriert und immer auf die praktische Anwendung bezogen: Klar und nachvollziehbar geschrieben, wenn auch natürlich keine Entspannungslektüre.

Teil I "Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements" ist mehr als eine Einleitung: Im ersten Kapitel "Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen" stellt sie die Auslöser, Typen und die Eskalation von Konflikten dar; im zweiten Kapitel beschreibt sie "Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung", wobei erfreulicherweise auch die "Alternative Dispute Resolution" (ADR) aus den USA sehr kenntnisreich einbezogen wird.

Bemerkenswert, dass diese außergerichtlichen Verfahren nach diversen Studien eine Erfolgsquote von um die 80 Prozent aufweisen – die Bandbreite der Befunde reicht von knapp 70 bis 87,5 Prozent. Wobei eine Nichteinigung nicht notwendigerweise ein Scheitern der Mediation bescheinigt: Möglicherweise ist im Zuge der Mediation auch nur eine der Parteien zu der Erkenntnis gelangt, eine bessere Alternativen zu einer Einigung zu haben: die berühmte "Best Alternative to a Negotiated Agreement" aus dem Harvard-Konzept des Verhandelns (siehe Rezension). Dazu kommt, dass Mediation erheblich kostengünstiger ist als Klagen und Schiedsverfahren, weil deren Kosten sich nach dem Streitwert richten.

Im Teil III schließlich geht es um "Die erfolgreiche Anwendung von Mediation": Kapitel 12 "Mediation intelligent nutzen" befasst sich mit ganz praktischen Fragen, nämlich, welche Konflikte überhaupt mediationsgeeignet sind und welche nicht, weiter wie man einen Mediator findet und wie man ein Mediationsverfahren sinnvoll organisiert. Dabei wechseln die Autoren des Öfteren die Perspektive: Mal wenden sie sich vor allem an die Konfliktparteien, mal an Mediatoren, und mal an die Rechtsanwälte der Parteien. Aber das schadet nicht – im Gegenteil: Es hilft, das gesamte Setting nicht nur aus der Sicht des Mediators zu betrachten.

Vom Sonderfall zum Normalfall

Überraschend spannend ist das Schlusskapitel "Mediationsverfahren institutionalisieren", das zunächst eher ein berufs- und gesellschaftspolitisches Plädoyer erwarten lässt. Aber natürlich ergibt es ziemlich viel Sinn, etwas, das eine ständige und unvermeidliche Begleiterscheinung menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens ist, wie es Konflikte nun einmal sind, nicht wie ein murmeltierartig wiederkehrendes Einzelereignis zu behandeln, sondern es genau wie jeden anderen wiederkehrenden Vorgang im Unternehmen in organisatorische Prozesse und Routinen zu integrieren. Zumal dies – natürlich – auch dazu beiträgt, direkte und indirekte Konfliktkosten zu reduzieren.

Ebenso wichtig ist, beim Umgang mit Konflikten aus dem "Krisen- und Eindämmungsmodus" herauszukommen, in den viele Manager bei eskalierenden Streitigkeiten verfallen, und stattdessen deren kreatives und innovatives Potenzial zu entdecken und zu erschließen. Oder, in den Worten der Autoren, Konflikte nicht allein "als unternehmerisches Risiko" zu sehen, sondern "als unternehmerische Chance zur Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung von persönlichen und geschäftlichen Beziehungen sowie als Ausgangspunkt neuer Ideen." (S. 326) Das ist natürlich leichter gesagt als getan, wenn ein wütender Kunde Ultimaten setzt und eine Regressklage androht – eine Chance ist es trotzdem.

Aufbau institutionalisierter Konfliktmanagementsysteme

Beim Nachdenken über Konfliktmanagementsysteme ist es sinnvoll, drei Arten von Konflikten zu unterscheiden: (1) solche mit externen Partnern, also vor allem Kunden und Lieferanten, (2) solche zwischen Mitarbeitern und dem Unternehmen, (3) solche zwischen internen Organisationseinheiten (wie Unternehmensbereichen, Abteilungen etc.) und Funktionen.

Beim Streit mit externen Partnern ist ein gravierendes Hindernis, in eine Mediation zu kommen, dass schon der Vorschlag einer Mediation von den Partnern als das Signal (miss?)verstanden werrden kann, dass man seine eigene Position als nicht sehr stark einschätzt und/oder kompromissbereit ist. Dieses Signal will aber im Konfliktfall aus taktischen Gründen niemand geben. Dieses Hindernis kann man umgehen, indem man unabhängig von konkreten Streitigkeiten eine "Selbstbindung" eingeht, zum Beispiel durch eine Erklärung, bei Streitigkeiten vor einer Klage generell eine außergerichtliche Lösung suchen zu wollen. Weiter kann man eine entsprechende Vereinbarung in Verträge, AGBs oder Rahmenvereinbarungen aufnehmen, und schließlich kann man sich Initiativen anschließen, deren Mitglieder sich untereinander zu einem Primat der ADR verpflichten.

Etwas anders sieht die Lage bei Konflikten zwischen Mitarbeitern und dem Unternehmen aus, denn hier stoßen interne Konfliktmanagementsysteme an Grenzen, die durch das Arbeitsrecht, das Betriebsverfassungsgesetz und durch Tarifverträge gesetzt sind. Interne Regelungen haben sich an diesem Rahmen zu orientieren und dürfen die Mitarbeiter nicht schlechter stellen als dort vorgesehen. Beispielsweise darf den Mitarbeitern nicht vorgeschrieben werden, dass sie sich zunächst an eine innerbetriebliche Schieds- oder Beschwerdestelle wenden, bevor sie Klage erheben. Das Einzige, was der Arbeitgeber hier tun kann, ist, sich von seiner Seite einseitig an einen definierten Weg zu binden, in der Hoffnung, dass die Mitarbeiter dann eher dazu bereit sein werden, sich ebenfalls auf einen solchen Weg einzulassen.

Logische Fortführung von "Streitkultur" und "interner Kundenorientierung"

Am spannendsten scheint mir aber das Feld, das am wenigsten "justiziabel" ist, nämlich das der innerbetrieblichen Reibungsverluste. Wenn es zwischen Vertrieb und Arbeitsvorbereitung ständig kracht, wenn ein Machtkampf zwischen Zentrale und Niederlassungen tobt oder kalter Krieg zwischen zwei Vorständen herrscht, dann geht dort sehr viel mehr Geld durch den Kamin als bei Streitigkeiten mit einzelnen Mitarbeitern und selbst als bei Vertragshändeln mit Kunden und Lieferanten.

Wie die Autoren berichten, haben einige Unternehmen damit begonnen, für solche Konflikte systematische Prozesse und Regeln festzulegen – und offenbar recht gute Erfahrungen damit gesammelt. Doch diese Beispiele beschreiben Duve und Kollegen erkennbar aus zweiter Hand; damit scheinen sie weit weniger Erfahrung zu haben – vielleicht genau deshalb, weil Streitigkeiten zwischen betrieblichen Instanzen nicht justiziabel sind und deshalb auch weniger nach der Einschaltung externer Juristen rufen.

Was die Autoren auf den letzten Seiten als "Prinzipien der erfolgreichen Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen" (S. 344 ff.) beschreiben, ist eine veritable Kulturveränderung – und eigentlich die logische Fortführung dessen, was anderswo unter Überschriften wie "konstruktive Streitkultur" oder auch "interne Kundenorientierung" angestrebt wird. Doch die wenigsten Firmen gehen bislang so weit, den so oder so unvermeidlichen innerbetrieblichen Konflikten einen organisatorischen Rahmen zu geben, der destruktive Eskalationen zu vermeiden hilft und ihre Energie in konstruktive Bahnen lenkt.

Dabei wäre das eigentlich die logische Konsequenz, wenn man das Ziele einer Streitkultur zu Ende denkt: Dann sollte man nicht nur die Konfliktkompetenz im Unternehmen fördern, sondern auch die Mediationskompetenz – und man müsste dafür einen organisatorischen und prozessualen Rahmen finden, der es zur neuen gemeinsamen Gewohnheit macht, Konflikte "einzufangen", bevor sie sich zu Privatfehden, Lagerbildungen und Grabenkriegen entwickeln.

Insgesamt ein sehr lohnendes Buch, aus dem man eine Menge über Theorie und Praxis der Mediation lernen kann, auch in Abgrenzung zu Schlichtungsverfahren und anderen Formen der "Alternative Dispute Resolution". Ein bisschen schade ist nur, dass es sich überwiegend auf die "große", formalisierte Mediation konzentriert und die "kleine Mediation für zwischendurch" etwas stiefmütterlich behandelt: die Konflikte innerhalb und zwischen Abteilungen, alltägliche Führungskonflikte, in denen geschulte Kollegen oder Betriebsräte vermitteln könnten, die unvermeidlichen, aber oft überaus destruktiven Konflikte zwischen Projekten und Linie … Aber vielleicht ist es tatsächlich so, dass, wenn Juristen und Psychologen von Konflikten und Mediation reden, dass sie dann nicht nur aus unterschiedlichen Perspektiven reden, sondern auch über unterschiedliche Konflikte ...

Schlagworte:
Konfliktmanagement, Mediation, Wirtschaftsmediation, Konfliktmoderation, ADR, Alternative Dispute Resolution

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