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Wege zu einem resiliente(re)n Lebensstil

Martenson, Chris; Taggart, Adam (2015):

Prosper!

How to Prepare for the Future and Create a World Worth Inheriting

Peak Prosperity / RDA (Scottsdale); 209 Seiten; 16,99 Euro


Nutzen / Lesbarkeit: 8 / 9

Rezensent: Winfried Berner, 10.07.2017

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Nützliche Anleitung zur Umstellung auf einen resilient(er)en, nachhaltige(re)n und befriedigende(re)n Lebensstil. Verfolgt einen umfassenden Ansatz mit acht Dimensionen der Resilienz, ist also nicht bloß auf Finanzielles und Materielles fixiert.

Chris Martenson und Adam Taggart betreiben zusammen die Website und Community www.peakprosperity.com, die sich mit den ökonomischen und ökologischen Krisen unserer Zeit und einem resilienten, nachhaltigen Lebensstil befasst. Sie haben schon vor Jahren auf der Suche nach einer besseren Art des Lebens ihre bürgerlichen Berufe hinter sich gelassen, weil sie zu der Überzeugung kamen, dass sich die Risse hinter der glänzenden Fassade umso weniger verdrängen ließen, je genauer man sich mit der Gesamtsituation befasste, und dass ihr bisheriger Lebensstil daher bei allem Komfort für den Fall einer ökonomischen oder ökologischen Krise hochgradig unsicher war.

Die Gründe, aus denen sie zu dieser Einschätzung kommen, hat Chris Martenson in dem sehr lesenswerten Buch "The Crash Course" herausgearbeitet (siehe Rezension). Dessen zentrale Inhalte haben sie auch in einer Serie von ebenso verständlichen wie eindringlichen Video-Lektionen aufbereitet, die erst kürzlich überarbeitet und erweitert wurde und die kostenlos auf ihrer o.a. Website abgerufen werden kann. Im Zentrum stehen dabei die drei großen E's: die Zusammenhänge und Wechselbeziehungen zwischen "Energy, Economy, and Environment".

Derartige Gedanken bewegen offenbar viele Menschen, sodass um sie und ihre Website herum inzwischen eine große und sehr lebendige Community entstanden ist. Ihr "Geschäftsmodell" ist, dass sie manche Inhalte frei und weiterführende nur für Abonnenten anbieten – was offenbar nicht zum Reichtum führt, aber dazu, dass sie ihr Projekt auf die Dauer betreiben könnten. Ich war selbst einige Monate dabei, habe das Abonnement aber nach einer Weile beendet, weil das gemeinsame Warten auf die große Krise mit der Zeit doch etwas ermüdend ist. So ein Abo-Modell erzeugt ja den Druck, ständig etwas Neues zu bieten, doch so viel Neues passiert einfach nicht – und die wöchentlichen langen, meist in Handy-Tonqualität aufgenommenen Interviews – Verzeihung: Podcasts waren mir auf die Dauer zu zeitraubend.

Ein umfassendes Verständnis von Resilienz

Mit diesem Buch wollen Martenson und Taggart vor allem Neueinsteigern helfen, das Konzept der Resilienz erstens besser zu verstehen und zweitens mit deren praktischem Aufbau zu beginnen. Sehr wichtig ist ihnen dabei, deutlich zu machen, dass Resilienz mehr ist als materielle Sicherheit und erst recht mehr als ein "krisenfestes Portfolio". Denn in einer schweren und länger andauernden Krise ist durchaus fraglich, ob Geld – in welchem Aggregatzustand auch immer – von großem Nutzen ist. Und es ist auch zweifelhaft, ob es viel bringt, sich mit reichlichen Vorräten irgendwo in der Wildnis zu verschanzen. Deshalb grenzen sie ihren Ansatz auch klar von den nicht nur in den USA sehr beliebten Survival-Ansätzen ab.

Ihr Verständnis von Resilienz ist das umfassendste und schlüssigste, das mir bislang begegnet ist. Danach gibt es acht "principal forms of resilience", nämlich

  • "Financial capital (…)
  • Social capital involves our private and public relationships (…)
  • Living capital is the land, the trees, the water, the soil, and the animals around us (…)
  • Material capital refers to tangible possessions (…)
  • Knowledge capital includes the things we know and our expertise in applying that knowledge.
  • Emotional and spiritual capital is measured by our personal capacity to roll with the punches, to weather inner storms (…)
  • Cultural capital is defined by the stories, songs, and habits of the local population we live among (…)
  • Time capital" (S. 14)

Die wichtigste Erkenntnis dürfte für viele Einsteiger sein, dass zwar alle acht Bereiche unverzichtbar sind, dass aber einem davon eine ganz besondere Bedeutung zukommt, nämlich dem "Social Capital", das heißt, einem belastbaren sozialen Netzwerk, das in langjähriger Zusammenarbeit zum allseitigen Nutzen erwachsen ist und auf das man sich verlassen kann, wenn man sich auf sonst nichts mehr verlassen kann. Denn die Hoffnung, eine längere Krise als Einzelkämpfer zu bestehen, ist illusorisch; die besten Aussichten bietet ein intaktes soziales Netzwerk. Und das kann man sich nicht kaufen; das muss über Jahre aufgebaut werden.

Diese acht Dimensionen ergeben in meinen Augen eine ziemlich runde Mischung: Sie lassen die emotionale und soziale Blindheit vieler Survival-Ratgeber ebenso hinter sich wie die in meinen Augen ebenfalls naive Vorstellung, dass alles nur eine Frage der Spiritualität, der inneren Haltung und/oder der Überwindung materieller Einstellungen wäre.

Wenn beispielsweise ein mehrtägiger Stromausfall nicht nur Telefonnetze und Internet zum Erliegen brächte, sondern auch Heizungen, Zapfsäulen, Supermärkte und Lieferketten, dann dürfte die innere Einstellung alleine nicht reichen, um eine Mindestversorgung mit Nahrung, Wärme und sauberem Wasser zu gewährleisten. Umgekehrt hilft einem weitgehende Autonomie auch nur begrenzt, wenn rings um einen herum die Strukturen zusammenbrechen, die Nachbarn leiden und marodierende Banden beginnen, sich das, was ihnen fehlt, mit Gewalt zu holen. Der Weg zur Resilienz führt daher nicht über individuelle Überlebensstrategien, sondern allein über den Aufbau resilienter lokaler Gemeinschaften.

Reichlich Anregungen zum Nachdenken und Handeln

Nach einer für meinen Geschmack etwas arg langen Vorrede, die sich über fünf Kapitel hinzieht, gehen Martenson und Taggart alle acht Dimensionen der Resilienz in jeweils einem Kapitel durch. Wie viel man daraus an Neuem herausziehen kann, hängt natürlich entscheidend davon ab, wie viel man sich mit derartigen Themen schon beschäftigt hat – aber ein paar Anstöße zum Nachdenken und Handeln wird wahrscheinlich jeder daraus ziehen, der nicht ein langjähriger Resilienz-Vollprofi ist.

Überlegen muss man sich bei dieser Gelegenheit auch, auf welche krisenhaften Entwicklungen man vorbereitet sein möchte und auf welche nicht. Ob es wirklich sinnvoll ist, Lebensmittelkonserven für drei Monate zuhause auf Vorrat zu lagern und bei der Ernährung zumindest eine teilweise Autonomie anzustreben, daran habe ich Zweifel. Durchaus überlegenswert finde ich aber zum Beispiel, einen brauchbaren Wasserfilter zu besitzen und auch für einen längeren Ausfall von Telefon- und Stromnetz vorbereitet zu sein: Cyberwar ist ja leider keine bloße Fiktion mehr.

Andere Empfehlungen sind unabhängig von dem angenommenen Krisenszenario sinnvoll: Etwa, bewusst unter seinen Verhältnissen zu leben und sein Leben nicht über seinen Konsum zu definieren, Schulden zu vermeiden und diversifizierte Reserven aufzubauen. Noch wichtiger ist wohl, sich jetzt, in guten Zeiten, schon mit der lokalen Gemeinschaft zu vernetzen, denn wenn es hart auf hart geht, nützt einem ein quer über Europa oder die Welt verstreuter Freundeskreis nur begrenzt.

Natürlich kann man das auch alles für Panikmache halten – und in der Tat kann niemand den Beweis dafür liefern, dass derartige Sorgen berechtigt und der entsprechende Vorsorgeaufwand sinnvoll ist. Aber angesichts dieser unaufhebbaren Ungewissheit kann man sich zum einen die Frage stellen, welcher Fehler einem lieber wäre: Im Falle einer nicht eintretenden großen Krise unnötigen Aufwand getrieben zu haben oder im Falle einer eintretenden Krise auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.

Mir persönlich ist der erste Fehler eindeutig lieber angesichts eines fortdauernden Unbehagens an der scheinbaren Stabilität unseres Systems. Zumal zum anderen das "Opfer", das eine gewisse innere und äußere Vorbereitung erfordert, weit geringer ist als es auf den ersten Blick aussieht und der mögliche Nutzen wesentlich höher. Gleich ob die (Zeit-)Investitionen in ein belastbares soziales Netzwerk oder eine Orientierung auf Lebensqualität statt auf Konsum, ob lokales Einkaufen oder das Streben nach (relativer) materieller Sicherheit, ob der Aufbau von Wissen und praktischer Erfahrung oder persönliche Weiterentwicklung – das sind ja alles keine Verluste, es sind Gewinne, gleich was kommt.

Ergänzend zu diesem Buch gibt es unter www.peakprosperity.com/WSID ein elektronisches "Workbook", in dem man zusätzliche Materialien, Übungen, Anregungen etc. abrufen kann (WSID steht für "What Should I Do"). Es ist frei zugänglich, sodass Leser dieser Rezension problemlos einen Blick hineinwerfen können. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie viel man, ohne dieses Buch zu kennen, damit anfangen kann.

Schlagworte:
Lebensstil, Resilienzentwicklung, Lebensgestaltung, Finanzielle Sicherheit, Soziale Netzwerke, Krisenfestigkeit

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