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Bahnbrechendes Buch bei der Übersetzung schwer beschädigt

Scott-Morgan, Peter (1994):

Die heimlichen Spielregeln

Die Macht der ungeschriebenen Gesetze im Unternehmen / So überwinden Sie Barrieren gegen notwendige Veränderungen

Campus (Frankfurt); 272 S.; derzeit vergriffen


Nutzen / Lesbarkeit: 5 / 3

Rezensent: Winfried Berner, 08.01.2005

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Ein bahnbrechendes Buch über Unternehmenskultur, nur leider durch die Übersetzung bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Allen Interessierten, selbst wenn sie sich mit Englisch nicht ganz leicht tun, sei empfohlen, besser das Original zu lesen.

Unfreiwilligermaßen ist dies weniger die Rezension eines Buches als die seiner Übersetzung. Das Buch selbst ist, wie ich in der Besprechung von "The Unwritten Rules of the Game" dargelegt habe, einer der besten und innovativsten Texte zum Thema Analyse und Veränderung der Unternehmenskultur, das mir jemals in die Hände gekommen ist. Die Tragödie ist nur, dass man dies in der deutschen Übersetzung nicht merkt. Schon vor längerem hatte ich "Die heimlichen Spielregeln" mit hohen Erwartungen zu lesen begonnen – und sie nach etwa zwei Dritteln verwirrt und ratlos zur Seite gelegt, um mir das Original zu besorgen. Das Problem war: Ich hatte zwar den Eindruck, dass der Autor uns wirklich etwas zu sagen hat, aber ich habe nicht verstanden, was es ist. Über all die 160 Seiten wurde mir nicht klar, was sein Punkt ist, und ich wartete mit wachsender Frustration auf die Auflösung des immer komplizierter werdenden Rätsels. Jetzt, wo ich das Original kenne, weiß ich: Ich hatte die Auflösung längst ge- bzw. überlesen, ich hatte sie bloß nicht erkannt. Da sie mir beim Lesen des Originals sofort klar wurde, ist das Problem offenbar weder beim Leser noch beim Autor zu lokalisieren, sondern bei der Übersetzung. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man nach dem Lesen des Originals noch einmal einen Blick in den deutschen Text wirft. Danach muss ich sagen: Ich hätte zentrale Punkte auch beim zweiten bzw. dritten Lesen wieder nicht begriffen bzw. bemerkt. Kein Wunder, dass die deutsche Übersetzung keine zweite Auflage erlebt hat – aber jammerschade, was die Verbreitung der Gedanken betrifft.

Was ist das Problem dieser Übersetzung? Es scheint mir nicht darin zu liegen, dass der Übersetzer Friedrich Mader von dem Text überfordert war; es liegt eher darin, dass er allzu forsch, allzu selbstbewusst, allzu "souverän" mit ihm umgegangen ist. Mader übersetzt (meistens) sehr frei, und er überträgt Scott-Morgans präzisen und etwas exzentrischen Stil nicht ins Deutsche, sondern in seinen eigenen Stil – nur dass die beiden nicht zusammenpassen. Zuweilen geraten sie sogar in Konkurrenz, wenn Mader Scott-Morgans Pointen und Wortspiele nicht wiederzugeben, sondern zu verbessern und in der Übertragung zu überbieten sucht – aus "The Ruleburster's Guide to the Unwritten Rules" wird dann beispielsweise "Ketzerei ist keine Hexerei". Im direkten Vergleich liegen seine Übersetzungen einzelner Sätze und Passagen nur selten völlig daneben; meistens sind es Nuancen, die man jeweils für sich vertreten kann. Doch in Summe ergeben sie ein schiefes Bild. Es ist, wie wenn beim Farbdruck die verschiedenen Farben nicht präzise übereinander liegen: Minimale Abweichungen zwar nur, doch in der Gesamtwirkung verwischen sie sowohl wichtige Details als auch den Gesamteindruck und lassen in dem Fehldruck nur noch schemenhaft erkennen, worum es eigentlich geht.

Die minimalen Verschiebungen (oder "Verbesserungen"?) beginnen schon beim Titel: "Die heimlichen Spielregeln" heißen im Original "The Unwritten Rules of the Game". Was auf den ersten Blick ähnlich klingt, ist bei genauerem Hinsehen doch nicht das Gleiche: Es ist doch ein erheblicher Unterschied, ob es heimliche Regeln gibt (die bewusst verborgen und der Wahrnehmung entzogen werden) oder ob sie bloß ungeschrieben sind, das heißt informellen Charakter haben. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass Buchtitel um der besseren Marktgängigkeit willen sehr frei übersetzt werden – doch in diesem Fall führt schon der Titel auf die falsche Fährte und weckt Erwartungen, die mit Scott-Morgans Intention und zentraler "Message" wenig zu tun haben. Auch im weiteren Verlauf variiert Mader, wo Scott-Morgan einheitlich und konsistent von "unwritten rules" spricht, nach Gusto zwischen "heimlichen Spielregeln" und "ungeschriebenen Regeln". An einer Stelle differenziert auch Scott-Morgan, was Mader (treffend) so übersetzt: "Dies ist im übrigen auch der Grund, weshalb man diesen Ansatz auch anwenden kann, wenn die wichtigsten Gesetze [Orig.: rules] nicht nur ungeschrieben, sondern auch unausgesprochen sind." (S. 39) Die Heimlichkeit, die Scott-Morgan hier ausdrücklich als Sonderfall kennzeichnet, behandelt Mader durchgängig als den Normalfall.

Ich habe noch nie einen Fall erlebt, wo die Übersetzung ein Buch derartig beschädigt hat wie hier. Einmal misstrauisch geworden, hatte ich beim Lesen der deutschen Ausgabe immer wieder das Bedürfnis nach dem Originaltext: Meint Scott-Morgan das wirklich, oder ist es nur eine fahrige Übersetzung? Ein Beispiel, in dem es um die Erfassung der "motivators" (was Mader unglücklich mit "motivierende Kräfte" übersetzt): "Man trägt also eine Liste mit den Dingen zusammen, bei denen die Gesprächspartner auf Touren kommen. Und zwar wirklich und nicht nur, weil man es von ihnen erwartet. Beispiele wären spannende Arbeit, Geld, Aufstiegschancen, Respekt oder einfach ein sicherer Arbeitsplatz." (S. 38) Was um Himmels willen hat man sich vorzustellen unter einer "Liste mit den Dingen, bei denen die Gesprächspartner auf Touren kommen"? Im Original liest sich das so: "In other words, you cluster together a list of the carrots and sticks that the interviewees respond to. Not what they're supposed to, but what they actually are for. For example, exciting work, money, career advancements, respect, or, (very common after a downsizing) being allowed to keep your job so you can continue paying the mortgage." (S. 30)

Immer wieder lässt Mader auch Dinge weg – mal nur Halbsätze wie gerade eben mit dem Downsizing und der Fähigkeit, die Hypothek weiter abzubezahlen, wo durch die Streichung nur Bildhaftigkeit verloren geht, mal auch ganze Absätze. Mag sein, dass sie ihm zu wortreich und redundant erschienen sind – doch wenigstens in zwei Fällen waren das genau die Stellen, wo ich beim Lesen der deutschen Übersetzung den Zusammenhang verloren hatte.

Einzelne Sätze bleiben in der deutschen Übersetzung völlig unverständlich: "Motivierende Kräfte entsprechen den Bedürfnissen der Mitarbeiter und finden heute immer stärkeren Niederschlag in der Strategie eines Unternehmens." (S.92) Was bitte heißt das auf Deutsch? Nach der Grammatik könnte das entweder bedeuten, dass die Mitarbeiter ein Bedürfnis nach motivierenden Kräften haben (usw.) – aber das ergibt keinen Sinn. Die menschlichen Bedürfnisse sind zwar vielfältig, aber von einem Bedürfnis nach "motivierenden Kräften" (nebenbei, was ist das überhaupt?) ist bislang nichts bekannt. Oder das "entsprechen" ist im Sinne einer Parallele gemeint: "Die Flossen der Fische entsprechen den Beinen der Säugetiere." Aber das ergibt eigentlich auch keinen Sinn, jedenfalls keinen, der sich mir erschließt. Die einfache Auflösung bringt auch hier der O-Text: "Triggers are those measures, objectives, or goals that individuals perceive as critical. Vision statements and strategies can act as triggers. Process definitions are full of triggers. Human resources tend to be managed using triggers." (S. 84)

Ich will wirklich nicht pingelig sein. Wohl jeder Text und jede Übersetzung enthält Sätze, deren Sinn unerforschlich bleibt – sei es, weil er gar nicht existiert, sei es, weil er sich unauffindbar hinter einer verkorksten Formulierung versteckt hält. Aber in diesem Text sind es einfach zu viele. Mit der Folge, dass man entweder die betreffenden Sätze erst einmal überliest und das Buch dann nach einer Weile resigniert zur Seite legt oder gezwungen ist, sich anhand der Bruchstücke seinen Sinn selbst zu konstruieren. Natürlich gibt es auch Passagen, die die Übersetzung relativ unbeschadet haben. Aber das ist wie bei einem Auto¬unfall: Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt auch dann vor, wenn der Kofferraum noch einwandfrei zu benutzen ist. Wirklich schade darum: Dieses bahnbrechende Buch hätte eine bessere Übersetzung verdient gehabt. Dem deutschsprachigen Raum ist so ein sehr gescheiter und praktikabler Ansatz zur Analyse und Veränderung der Unternehmenskultur verloren gegangen. Außer man besorgt sich das (mittlerweile ebenfalls vergriffene) Original.

Schlagworte:
Unternehmenskultur

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