Die Umsetzungsberatung

Die Rolle der Geschäftsleitung

Kontinuität: Der wirtschaftliche Wert eingespielter Beziehungen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

 

Gute zwischenmenschliche Beziehungen tragen erheblich zur Effizienz eines Unternehmens bei und machen manche Leistungen überhaupt erst möglich. Damit stellen einen erheblichen wirtschaftlichen Wert dar. Trotzdem tauchen sie in keiner Bilanz auf. Nur bei Unternehmensverkäufen – gleich ob Anwaltskanzlei oder Großunternehmen – ist es üblich, den Wert des Kundenstamms wie auch die besonderen Fähigkeiten (Capabilities) eines Unternehmens in barer Münze zu entgelten. Bei organisatorischen Veränderungen hingegen wird der wirtschaftlich Wert eingespielter Beziehungen häufig übersehen, mit der Folge, dass bei Reorganisationen oftmals eine massive Wertvernichtung stattfindet. Besonders dann, wenn mehrere kurz aufeinander folgen.

  • Vermögens-wert
  • Wer es je erlebt hat, dem muss man nicht erklären, um wie viel die Produktivität eines eingespielten Teams höher ist als die Leistung eines zufällig zusammengewürfelten Haufens: Man versteht sich beinahe blind, arbeitet rivalitätsfrei Hand in Hand, kämpft bei Schwierigkeiten nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gegen das Problem – und hat dabei "nebenbei" auch noch eine Menge Spaß bei seiner Arbeit. Ähnliches gilt in den externen Beziehungen: Die Zusammenarbeit mit langjährigen Kunden und bewährten Lieferanten läuft in der Regel nicht nur effizienter und entspannter ab als mit Fremden, sondern sie ist auch profitabler. Und zwar für beide Seiten, denn es muss weniger Zeit für Prüfungen, Absicherungen und andere unproduktive Dinge aufgewendet werden.

  • Der Wert eingespielter Beziehungen
  • Beziehungsnetze – immaterielles Betriebsvermögen

     

    Wer schon einige Jahre in seiner Firma arbeitet, hat sich in aller Regel ein Netzwerk aufgebaut: Er kennt Kollegen in anderen Abteilungen, die er ansprechen kann, wenn er Informationen oder Hilfe braucht. Er weiß, an wen er sich wenden muss, um Auskünfte, Unterstützung oder Genehmigungen zu bekommen – und er weiß auch, wen er gar nicht erst ansprechen braucht, weil von dort eh nur Schwierigkeiten, Einwände und Vorbehalte, Absagen und bürokratische Hemmnisse zu erwarten sind. Selbst bei kontaktfreudigen Menschen dauert es – jedenfalls in größeren Unternehmen – einige Jahre, bis ihr internes und externes Beziehungsnetz so weit ausgebaut ist, dass es für sie und ihre Firma Nutzen abwirft.

  • Netzwerke
  • Solch ein Beziehungsnetz ist nicht bloß praktisch, es hat auch beträchtlichen wirtschaftlichen Nutzen, denn es macht Organisationen leichtgängiger und damit effizienter. Ein erfahrener Mitarbeiter, der ein ausgebautes Netzwerk besitzt, ist für das Unternehmen wesentlich wertvoller als ein Neuling (oder ein notorischer Eigenbrötler), einfach weil er mehr bewegen und bewirken kann. Gerade in Großunternehmen trifft man immer wieder auf Mitarbeiter – oft übrigens aus der viel geschmähten Kaste der mittleren Manager –, die über ihr Beziehungsnetz binnen kürzester Zeit Dinge bewerkstelligen können, die "eigentlich" gar nicht möglich sind oder auf dem offiziellen Dienstweg Monate dauern würden.

  • Leichtgängigkeit und Effizienz
  • Obwohl das Entstehen von Netzwerken maßgeblich von der Initiative und Kontaktfreude des Einzelnen abhängt, ist der Netzwerkaufbau zugleich auch eine Investition des Unternehmens, das ja die Zeit für den Beziehungsaufbau zu Verfügung stellt und – etwa über Schulungen, Workshops und Projekte – die Gelegenheiten dafür schafft, dass sich Mitarbeiter über die Abteilungsgrenzen hinweg kennenlernen. Leider sind das Investitionen, die nach geltenden Buchhaltungsregeln nicht aktiviert werden. Sie tauchen in keiner Aufstellung über die Vermögenswerte auf; buchhalterisch betrachtet handelt es sich bestenfalls um eine "immaterielle stille Reserve" – so still, dass sie von vielen Top-Managern schlicht überhört wird, wenn es mal wieder ums Umorganisieren geht.

  • Immaterielles Betriebs-
    vermögen
  • Doch so richtig es ist, dass aus Reorganisationen kein unmittelbarer bilanzieller Schaden entsteht, so falsch wäre es, daraus abzuleiten, dass überhaupt kein Schaden entsteht. Mit jeder größeren Reorganisation verliert ein Unternehmen zumindest für einige Zeit an Handlungsfähigkeit und Effizienz. In der Gewinn- und Verlustrechnung spiegeln sich die Kosten organisatorischer Veränderungen erst mit Verzögerung, doch davon darf man sich nicht täuschen lassen: Aus der Tatsache, dass keine Sonderabschreibungen auf die geleisteten Vernetzungsinvestitionen vorgenommen werden müssen, folgt keineswegs, dass keine Werte zerstört werden. Tatsächlich entstehen nämlich Mehrkosten, wie etwa ein höherer Zeitaufwand für die Erledigung von Aufgaben, höhere Fehlerraten, möglicherweise auch verlorene Kunden und nicht zustande gekommene Verkaufsabschlüssen.

    Das heißt natürlich nicht, dass man keine Umstrukturierungen vornehmen dürfte – aber man sollte sich ihrer Kosten bewusst sein. Nur wenn der Nutzen der Umstrukturierung höher ist als ihre Kosten, bleibt unter dem Strich – und das heißt am Ende auch, in der Gewinn- und Verlustrechnung – ein positiver Saldo.

  • Allzu stille Reserve
  • Quantifizierung am Beispiel Pharma-Außendienst

     

    So einleuchtend diese Argumente sein mögen, sie bleiben auf der Ebene moralischer Appelle, solange es nicht gelingt, den wirtschaftlichen Wert gewachsener Beziehungen zu quantifizieren. Solange die Kosten von Umstrukturierungen nicht gemessen werden können, bleibt ihre Gewichtung eine Glaubensfrage – und die Erfahrung zeigt, dass der Glaube daran im Vorfeld geplanter Umstrukturierungen stark nachlässt, jedenfalls bei denjenigen, die über die Umstrukturierung zu entscheiden haben. (Dass er im Gegenzug bei den Betroffenen zunimmt, bewirkt in der Regel nicht viel.) Also keine falsche Ehrfurcht – stellen wir uns der Herausforderung!

  • Quantifizieren statt Glauben
  • Die besten Voraussetzungen für eine Quantifizierung findet man wohl im Vertrieb, weil dort in der Regel die besten Daten über die Produktivität von Mitarbeitern vorliegen. Deshalb hier ein Beispiel aus dem Pharma-Außendienst, das aus Vertraulichkeitsgründen etwas verfremdet wurde.

    Der Pharma-Vertrieb hat einige Besonderheiten: Der "Verkauf" läuft hier nicht, wie sonst, zwischen Verkäufer und Einkäufer, sondern über ein kompliziertes Dreiecksverhältnis zwischen Arzt, Apotheker und Pharmareferent, in das gelegentlich auch noch der Patient und die Krankenkassen hineinfunken. Aufgabe der Pharmareferenten ist, die Ärzte davon zu überzeugen, den Patienten die Produkte ihres Hauses zu verschreiben. Bei innovativen Medikamenten funktioniert das natürlich anders als bei austauschbaren Standardprodukten und Generika, aber in vielen Fällen macht es für den Arzt (und den Patienten) kaum einen Unterschied, ob er nun dieses oder jenes Medikament einsetzt. Deshalb ist es für die Pharmareferenten sehr wichtig, eine persönliche Beziehung zu den Doktores aufzubauen und sie nach Möglichkeit an sich und ihr Unternehmen zu binden.

  • Umstrukturierung im Pharma-Außendienst
  • Dies ist nun deshalb nicht so einfach, weil es alle anderen Pharmaunternehmen auch versuchen: Scharen von Pharmareferenten brechen über die Arztpraxen herein und wollen die gestressten Mediziner beraten. Dabei gilt die ärgerliche Paradoxie, dass es sich für die Außendienste kaum lohnt, jene Praxen zu besuchen, in denen die Ärzte Zeit für sie haben, weil ihre Wartezimmer leer sind. Umgekehrt haben sie in gut gehenden Praxen größte Mühe, ausreichend Gesprächszeit mit den Ärzten zu bekommen. Der Arbeitstag von Pharmareferenten besteht daher zu einem hohen Anteil aus Reisen und Warten und aus erschreckend wenig Gesprächszeit mit Medizinern. Die Besprechungsdauern liegen, wie regelmäßige Erhebungen zeigen, im Schritt bei weniger als 10 Minuten pro Arzt. Doch dieser Durchschnittswert täuscht: Angesehene Pharmareferenten, die eine gute Beziehung zum jeweiligen Arzt haben, liegen weit darüber; neue Vertreter krebsen um die fünf Minuten herum, haben also pro Arbeitstag weniger als eine Stunde Kundenkontakt!

  • Persönliche Beziehung zum Arzt
  • Beziehungsschulden und ihre Löschung

     

    Vor allem beim Vertrieb von Medikamenten, die in den Augen der Mediziner austauschbar sind, steht und fällt der Erfolg der Pharmareferenten damit, dass sie eine gute persönliche Beziehung zu den Ärzten aufbauen und sie durch persönliche Beratung, Gefälligkeiten, kleine Präsente, Einladungen zu Fortbildungen und Tagungen etc. an sich und ihre Firma binden. Sie strengen sich an, bei den Ärzten gewissermaßen eine "Beziehungsschuld" aufzubauen, die es ihnen – auch bei objektiv geringen Produktunterschieden – schwer macht, zu anderen Anbietern zu wechseln.

  • Aufbau von "Beziehungs­
    schulden"
  • Entscheidend ist nun, dass diese Beziehungsschulden eng an die Person des Pharmareferenten gekoppelt sind, und erst in zweiter oder dritter Linie an dessen Firma. Wechselt der Pharmareferent also, sind die durch jahrelanges Bemühen aufgebauten Beziehungsschulden schlagartig auf Null gestellt. Die Ärzte, zu denen gute Beziehungen bestanden, sind einerseits enttäuscht, ihren langjähirgen Ansprechpartner zu verlieren, andererseits oft auch ein bisschen erleichtert, weil sie nun endlich etwas für den Vertreter einer anderen Firma tun können, der sich auch schon seit langer Zeit um sie bemüht.

  • Wechsel löscht Beziehungs­
    schulden
  • Der Nachfolger des in eine andere Region versetzten Pharmareferenten aber muss sich ganz hinten in die Schlange einreihen; zahlreiche "Mitbewerber" sind vor ihnen an der Reihe. Auch eine noch so sorgfältige Übergabe kann nicht verhindern, dass der Neue ziemlich von vorne anfangen muss, eine Beziehung zu "seinen" Ärzten aufzubauen. Denn Beziehungen sind nun einmal etwas Persönliches; sie lassen sich nicht so leicht transferieren wie ein Zuständigkeitsgebiet. Besonders verheerend ist es, wenn die Zuständigkeit innerhalb kurzer Zeit mehrfach wechselt. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ein Arzt den neuen Pharmareferenten fragt: "Lohnt es sich überhaupt, dass ich mir Ihren Namen merke, oder kommt nächsten Monat wieder ein anderer?"

  • Beziehungen sind nicht übertragbar

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  • Buch "Change!"
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    Die Kosten eines Wechsels

     

    Dieses Abreißen der Beziehung ist nicht nur persönlich unangenehm; er hat auch messbare ökonomische Konsequenzen. Es gibt eine deutliche Korrelation zwischen der Besprechungszeit, die einem Vertreter eingeräumt wird, und der Verschreibungshäufigkeit der von ihm "besprochenen" Medikamente. Der Einbruch der Gesprächszeit mit dem Arzt von 20 auf 5 Minuten kann in einer großen Praxis einen Umsatzeinbruch von mehreren 1.000 Euro bedeuten. In vielen Fällen sind die Folgen sogar noch krasser, weil die meisten Ärzte pro Indikationsgebiet nur ein oder zwei Mittel verschreiben; alle übrigen Anbieter gehen völlig leer aus.

  • Marktanteils­
    verlust
  • Allerdings tritt dieser Effekt mit einer gewissen Zeitverzögerung ein, weil sich ein Wechsel in der Regel weniger auf die bereits eingeführten Präparate auswirkt: Wenn Ärzte mit einem Mittel gute Erfahrungen haben, wechseln sie ungern. Massiv betroffen von Personalwechseln ist vor allem die Einführung neuer Medikamente, die kein klares "Alleinstellungsmerkmal" haben, also keinen außergewöhnlichen Vorteil, mit dem sie sich von den bislang im Handel befindlichen Mitteln abheben. Bezogen auf ein ganzes Vertriebsgebiet und die Dauer, bis das ursprüngliche Niveau wieder erreicht ist, kann ein Wechsel schon mal das Jahresgehalt eines Außendienst-Mitarbeiters oder auch mehrere kosten. Multipliziert mit der Anzahl der von der Umstrukturierung betroffenen Vertriebsgebiete kommen da leicht Größenordnungen heraus, über die sich nachzudenken lohnen würde.

  • Zeitliche Verzögerung
  • Diese Überschlagsrechnung liefert natürlich nur eine grobe Abschätzung, die je nach Produkt, Fachgebiet und Firma präzisiert werden muss – und erst recht je nach Branche. Auf der Basis unternehmensspezifischer Daten und vorhandener Erfahrungswerte lässt sich aber meistens eine brauchbare Quantifizierung erstellen. Gute Rohdaten über die Kosten eines Wechsels stehen oftmals in indirekter Form zu Verfügung – in aller Regel weiß man zum Beispiel, wie lange ein neu eingestellter Außendienst-Mitarbeiter normalerweise braucht, bis er seine volle Leistung erreicht. Also braucht man nur die Differenz zwischen dem Umsatz eines neuen und dem eines erfahrenen Mitarbeiters in Zahlen fassen, dann hat man eine erste erste Schätzung. Denn für die Kosten des Neuaufbaus der Beziehungen macht es ja keinen großen Unterschied, ob sie wegen eines personellen Wechsels anfallen oder aufgrund einer Umstrukturierung des Unternehmens. Mit ein paar vernünftigen Annahmen und dem Durchrechnen einiger Szenarien kann man die Kosten einer Umstrukturierung mit hinreichender Genauigkeit vorherbestimmen.

  • Genauere Berechnung
  • Nur dass es die Entscheider oftmals gar nicht so genau wissen wollen. Zuweilen kommt an dieser Stelle das Argument: "In unserer Branche ist das anders. Da spielen persönliche Beziehungen keine so große Rolle, da geht es primär um das Produkt." Wenn das stimmt, dann stellt sich eigentlich die Frage, ob in diesem Geschäftsfeld überhaupt ein Außendienst erforderlich ist oder ob der Vertrieb genauso gut über das Internet oder über ein Call-Center laufen könnte. Denn diese Aussage bedeutet ja, dass die persönliche Beziehung zum Außendienst-Mitarbeiter für den Kunden keinen Nutzen hat – jedenfalls keinen, für den er einen Mehrpreis zu bezahlen bzw. seine Präferenzen zu ändern bereit ist. Solche Fälle gibt es: Etwa dann, wenn in erster Linie der Preis entscheidet, aber auch dann, wenn ein Produkt so einzigartig ist, dass die Kunden jede halbwegs brauchbare vertriebliche oder technische Betreuung akzeptieren. Doch überall dort, wo sich die Produkte aus Kundensicht kaum unterscheiden, macht die persönliche Betreuung den Unterschied. Mit anderen Worten, wo es sich überhaupt lohnt, einen Außendienst zu haben, lohnt es sich auch, behutsam mit gewachsenen Beziehungen umzugehen.

  • "Bei uns ist alles anders"
  • Natürlich fallen die Kosten für den Aufbau neuer Beziehungsnetze auch dort an, wo sie sich nicht so sichtbar in Umsatz- und Ertragseinbußen niederschlagen, etwa in vielen internen Funktionen. Im Prinzip kann man zur Kostenabschätzung die gleiche Faustformel verwenden wie oben: Wie lange braucht ein neuer Mitarbeiter, der fachlich kompetent ist und einschlägige Erfahrung mitbringt, bis er nach einem Eintritt in das Unternehmen den vollen Nutzen bringt? In vielen Funktionen ist dies ein halbes Jahr oder mehr; in manchen mag es auch weniger sein. Das Integral zwischen der tatsächlichen Leistung und der vollen Leistung eines eingearbeiteten Mitarbeiters muss man dann nur noch zu multiplizieren mit der Zahl der von der Umstrukturierung betroffenen Personen, dann hat man die Kosten, die sich aus dem Zerreißen sozialer Beziehungen ergeben.

  • Interne Funktionen
  • Keine "Reorganisation auf Raten"!

     

    All dies bedeutet nicht, dass Sie organisatorische Veränderungen meiden sollten wie der Teufel das Weihwasser. Es heißt lediglich, dass Sie dabei nicht bloß an die erhofften Vorteile denken, sondern sich auch der Kosten bewusst sein sollten. Selbstverständlich kann es trotzdem gute Gründe geben, organisatorische Veränderungen vorzunehmen. Analytisch betrachtet, ist die Entscheidung darüber eine Abwägung zwischen den Kosten, die eine Umstrukturierung nach sich zieht, und dem Nutzen, den sie zu bringen verspricht. Worauf es ankommt, ist nur, das immaterielle Vermögen, das in den gewachsenen Beziehungsnetzen liegt, nicht unbedacht zu zerstören, sondern nur dann, wenn dem ein überzeugender wirtschaftlicher Vorteil gegenüber steht.

  • Sich des Preises bewusst sein
  • Wenn Sie sich aber entschieden haben, organisatorische Veränderungen vorzunehmen, dann ziehen Sie sie in einem Stück durch und vermeiden Sie "Reorganisationen auf Raten"! Wenn ein- und derselbe Bereich binnen weniger Jahre mehrfach umstrukturiert wird, hat dies einen hochgradig demoralisierenden, zersetzenden Effekt auf die Moral der Mannschaft: Wer zweimal hintereinander erlebt, dass seine Bemühungen um den Aufbau guter Beziehungen mit einem Federstrich des Managements zerstört werden, bringt beim dritten Mal kaum noch die Energie auf, sich erneut mit Entschlossenheit und Kreativität an den Aufbau eines Beziehungsnetzwerks zu machen.

    Hier droht der klassische Teufelskreis der "Gelernten Hilflosigkeit": Wer immer wieder ohnmächtig miterleben muss, dass alle seine Anstrengungen vergeblich waren, der gibt irgendwann innerlich auf. Er strengt sich nicht mehr im gleichen Maße an wie früher, weil er im Stillen – und vielleicht zu Recht – damit rechnet, dass die derzeitige Umstrukturierung eh nicht die letzte gewesen sein wird.

  • Zermürbung ohne Taktik
  • Das hat zur Folge, dass die "Erholungskurven", bis wieder die volle Produktivität erreicht ist, nach wiederholten Umstrukturierungen flacher werden. Im Beispiel des Pharma-Außendiensts dauerte es von Mal zu Mal länger, bis seine durchschnittlichen Besprechungszeiten sich allmählich wieder dem Branchendurchschnitt annäherten. Und es bestand Grund zu dem Verdacht, dass die Erholung hauptsächlich den neu eingestellten Mitarbeitern zu verdanken war, während etliche der "alten Hasen" innerlich aufgegeben hatten: Sie strampelten zwar weiter pflichtgemäß ihre Routen und "büßten ihre Termine ab", wie einer es nannte, doch sie hofften und kämpften nicht mehr. Und einige sagten unter vier Augen sogar ganz offen, dass sie nur noch auf eine günstige Vorruhestandsregelung warteten.

  • Verlangsamte Erholung
  • Konsequenzen für organisatorische Veränderungen

     

    Angesprochen auf solche Zusammenhänge, reagieren Manager oftmals recht ungnädig. "Es gibt in der heutigen Zeit keine Kontinuität mehr", blaffte ein Vertriebsvorstand – und schob die deutliche Warnung nach, gerade Berater sollten sich hüten, bei den Mitarbeitern diesbezüglich Illusionen zu nähren. Einer seiner Vertriebsdirektoren assistierte: "Die Leute sollen sich nicht so anstellen. Wenn sie selber aus privaten Gründen das Vertriebsgebiet wechseln wollen, dann ist alles kein Problem. Aber wenn das Unternehmen eine Änderung vornimmt, ist das gleich der Untergang des Abendlands!"

  • Unverständnis
  • Diese Argumentation übersieht, dass dies tatsächlich ein Unterschied ist: In dem einen Fall hat sich der Mitarbeiter – aus welchen Gründen auch immer – dafür entschieden, sich für ein anderes Vertriebsgebiet zu bewerben, und er weiß, dass er damit die ganze Aufbauarbeit neu auf sich nimmt. Im anderen Fall wird er von seinem Arbeitgeber ungefragt und gegen seinen Willen mit dieser Notwendigkeit konfrontiert. Das heißt, im einen Fall ist er Herr seines Schicksals, im anderen ist er Spielball der Entscheidungen seiner Chefs. Dieser Kontrollverlust wirkt sich sowohl auf seine Akzeptanz der Veränderung aus als auch auf die Wahrscheinlichkeit, mit der er die neue Aufgabe annimmt bzw. mit der er resigniert. Unter dem Strich haben fremdbestimmte Veränderungen also tatsächlich andere Auswirkungen als selbstgewählte!

  • Kontrollverlust
  • Dieses Problem lässt sich auch nicht mit dem Hinweis vom Tisch wischen, dass es heutzutage keine Kontinuität mehr gebe. Die Kosten abgerissener Beziehungen entfallen ja nicht, bloß weil das Management sich weigert, sie zur Kenntnis zu nehmen. Unwirsche Reaktionen bringen allenfalls lästige Mahner zum Schweigen. Gerade weil das Business heute stärkeren Veränderungen unterliegt als jemals zuvor und weil damit auch Beziehungsstrukturen häufigen Änderungen unterworfen sind, haben diejenigen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die pfleglich mit ihrem "Beziehungsvermögen" umgehen und die unvermeidlichen "Diskontinuitäten" nicht durch hektisches Hin- und Herorganisieren vervielfachen. Wie das Pharmabeispiel zeigt, ist im Zweifelsfall diejenige Firma profitabler, die es schafft, trotz aller internen und externen Veränderungen stabilere Beziehungsstrukturen zu erhalten als die Konkurrenz.

  • Wettbewerbs­ vorteil Beziehungs­
    kontinuität
  • Allerdings gilt das nur so lange, wie notwendige Anpassungen nicht verschleppt werden. Denn Beziehungskontinuität ist zwar ein hoher wirtschaftlicher (und menschlicher) Wert, aber nicht der höchste oder gar einzige aller Werte. Wo immer über organisatorische Veränderungen nachgedacht wird, kommt es daher auf zwei Dinge an: Zum einen darauf, zwischen den Kosten und dem Nutzen der Veränderung abzuwägen. Zum anderen darauf, organisatorische Veränderungen, wenn sie denn sinnvoll sind, so umzusetzen, dass ihre negativen Effekte so gering wie möglich sind. Dafür ist wichtig, dass sie gut durchdacht sind und auf Anhieb sitzen – was kleinere Nachkorrekturen nicht ausschließt, die bei Umstrukturierungen fast immer notwendig sind. Für die Akzeptanz ist aber auch ein guter Kommunikationsprozess wichtig: Dass die Veränderungen den Mitarbeitern nicht einfach übergestülpt werden, sondern ihnen sorgfältig vermittelt und nachvollziehbar gemacht werden.

  • Leitlinien für Umstrukturie­
    rungen

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