Die Umsetzungsberatung

Psychologie der Veränderung






Winfried Berner, Regula Hagenhoff, Th. Vetter, M. Führing
"Ermutigende Führung"

Für eine Kultur des Wachstums

Ermutigende Führung: Für eine Kultur des Wachstums

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"CHANGE!" (Erweit. Neuauflage)

20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

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Culture Change

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Resignation: Weshalb Ohnmacht dumm und apathisch macht

 
Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung  

Wer feststellt, dass er trotz aller Anstrengungen nichts bewirken kann, der wird früher oder später resignieren und aufgeben. Wer von Haus aus davon überzeugt ist, "sowieso nichts machen zu können", wird es gar nicht erst versuchen. Das Grundgefühl, hilflos und ohnmächtig zu sein, hat dramatische Auswirkungen sowohl auf die Befindlichkeit als auch auf das Verhalten: Es lässt jede Initiative erlahmen, macht depressiv und zudem dumm, das heißt, es reduziert drastisch die Lernfähigkeit.

  • Ohnmacht
  • "Gelernte Hilflosigkeit"

     
    Der renommierte amerikanische Sozialpsychologe Martin Seligman hat für dieses Ohnmachtssyndrom 1975 den Begriff "Gelernte Hilflosigkeit" geprägt. Seine Theorie besagt, dass Hilflosigkeit vorhersagbar drei Störungen nach sich zieht:

    • Motivationsverlust: Wer erwartet, dass die Ereignisse unkontrollierbar sind, für den gibt es keinen vernünftigen Grund mehr zu versuchen, sie dennoch zu beeinflussen – damit würde er sich nur zusätzliche Frustration einhandeln. Infolgedessen ist der Handlungsantrieb bei Hilflosen sehr gering; sie neigen zu Passivität und Apathie.
    • Lernbehinderung: Wer davon überzeugt ist, dass die Dinge sich seiner Kontrolle entziehen, ist kaum noch dazu in der Lage, Möglichkeiten zu entdecken, wie er doch Einfluss nehmen kann – seine Lernfähigkeit ist beeinträchtigt. Die Überzeugung, nichts machen zu können, wird zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
    • Erst Furcht, dann Depression: Wer sich als ohnmächtig ansieht, reagiert mit Niedergeschlagenheit; einem Zustand, den Seligman zunächst als Hilflosigkeits- und später als Hoffnungslosigkeitsdepression bezeichnet. Die erste Reaktion auf Kontrollverlust ist jedoch Angst und Reaktanz, das heißt, das angestrengte und meist hektische Bemühen, die Kontrolle wiederherzustellen.
  • Symptome des Ohnmachts-
    syndroms
  • Seligman erklärt diesen Stimmungsumschwung so: Die Angst soll uns dazu motivieren, um die Wiederherstellung der Kontrolle zu kämpfen. Erst wenn sich dies als aussichtslos erwiesen hat, wenn wir also keine Hoffnung mehr haben, kommt es zu Depression und Apathie. Der evolutionäre Nutzen der Apathie ist nach seiner Ansicht, dass nutzloser Energieverbrauch und weitere Frustration vermieden wird.

  • Erst Kampf, dann Aufgabe
  • Seit den siebziger Jahren wurden zur Theorie der gelernten Hilflosigkeit unzählige empirische Untersuchungen durchgeführt, sodass es sich hier um eines der am besten ausgeleuchteten psychologischen Forschungsgebiete handelt. Tier- und Humanexperimente kommen dabei zu übereinstimmenden Resultaten: Sie bestätigen weitgehend Seligmans Vorhersagen, führen aber, wie wir noch sehen werden, zu einigen wichtigen Differenzierungen, die Seligman und Kollegen in späteren Revisionen der Theorie auch berücksichtigt haben.

  • Empirische Untermauerung
  • Obwohl sie bislang kaum auf wirtschaftliche Zusammenhänge angewandt wurde, sind Seligmans Erkenntnisse von größter praktischer Bedeutung sowohl für das Change Management als auch für Unternehmensführung und Personal-Management insgesamt. Denn eine "Hoffnungslosigkeitsdepression" kann nicht nur einzelne Menschen befallen, sondern – bei entsprechenden Vorerfahrungen – auch ganze Unternehmen. Wie es dazu kommen kann? Zum Beispiel durch mehrere Wellen von Personalabbau, die jeweils als letztmalige Einschnitte und Voraussetzung für einen Neubeginn angekündigt werden. Oder durch immer neue Projekte, von denen die meisten nicht sauber abgeschlossen werden, sondern irgendwie im Sande verlaufen.

  • Hilflosigkeit in Unternehmen
  • Experimentelle Befunde

     

    Wie viele bahnbrechende Erkenntnisse, entstand auch die Theorie der gelernten Hilflosigkeit nicht aus einer theoretischen Ableitung, sondern aus einer zufälligen Beobachtung bei einer ganz anderen Versuchsanordnung – und aus dem Mut, diese Beobachtung als bedeutsames Phänomen ernst zu nehmen, statt nur zu versuchen, sie als lästige Störvariable auszuschalten.

  • Zufällige Beobachtung
  • In seinem Buch "Learned Optimism" (1990, deutsch 1993) berichtet Seligman, wie er als Student zufällig in ein Labor kam, in dem gerade große Aufregung herrschte, weil ein Tierversuch einen völlig unerwarteten Verlauf genommen hatte. Dort hatte man im Zuge eines Lernexperiments Hunde einer Pawlowschen Konditionierung ausgesetzt: Man hatte ihnen jeweils einen hohen Ton vorgespielt und ihnen kurz danach einen leichten elektrischen Schlag versetzt, dem sie sich nicht entziehen konnten. (In der Literatur ist hier infolge eines systematischen Übersetzungsfehlers immer von "Elektroschocks" die Rede; in Wirklichkeit handelt es sich um leichte Stromschläge, die laut Seligman etwa den statischen Entladungen entsprechen, wie wir sie gelegentlich beim Berühren von Türklinken, Metallteilen oder auch anderen Menschen verpasst bekommen.)

  • Ein fehlge-
    schlagener Lernversuch
  • Der Lerneffekt war erwartungsgemäß, dass nach einigen Durchgängen schon der Signalton Angst auslöste. In einem zweiten Teil sollte ein Experiment stattfinden, dass zeigen sollte, dass die Konditionierung – also die Koppelung der Reaktion an den Signalton – auch in anderen Situationen wirksam war. Doch dies erwies sich als undurchführbar, wie ein Student dem hereinkommenden Seligman erklärte: "Die Hunde rühren sich nicht mehr. Irgend etwas stimmt mit ihnen nicht." Seligman erkannte die volle Tragweite dieses vermeintlichen Missgeschicks: "Die Hunde mussten während des ersten Teils des Experiments erkannt haben, dass sie hilflos waren. Deshalb hatten sie aufgegeben. (...) Sie hatten gemerkt bzw. 'gelernt', dass nichts, was sie taten, etwas bewirkte. Warum sollten sie es dann weiter versuchen?"

  • Unerwartete Passivität
  • Genau diese Ausgangssituation wurde zum "Urexperiment" der Gelernten Hilflosigkeit. In einem ersten Teil wurden Hunde einem so genannten "Hilflosigkeitstraining" nach obigem Muster ausgesetzt, das heißt, sie hörten mehrfach erst einen Signalton und erhielten einige Sekunden später einen leichten elektrischen Schlag. Am nächsten Tag folgte der zweite Teil: Die Hunde befanden sich in einem Käfig, der durch eine niedrige Barriere in zwei Teile geteilt war. Es ertönte wieder der Signalton, doch diesmal konnten sich die Hunde dem elektrischen Schlag durch einen Sprung über die Barriere leicht entziehen. Normale Hunde, die keinem Hilflosigkeitstraining ausgesetzt worden waren, lernten dies binnen weniger Durchgänge und sprangen dann, sobald der Signalton ertönte, leichtfüßig über die Barriere. Anders die "trainierten" Hunde: "Sie hatten sich einfach winselnd hingelegt," berichtet Seligman (1993), und "nicht einmal versucht, den Stromschlägen zu entkommen."

  • Hilflosigkeit ist lernbar
  • Ähnliche Hilflosigkeitsreaktionen wurden auch bei Katzen, Ratten und selbst bei Goldfischen nachgewiesen. Humanexperimente führen zu vergleichbaren Resultaten.

  • Human-
    experimente
  • Beispielsweise setzte Seligmans Kollegen Hiroto (1974) seine Versuchspersonen unangenehm lauten Tönen aus. Zuvor hatte er ihnen gesagt, dass es eine Möglichkeit gab, den Lärm zu beenden. Tatsächlich konnte jedoch nur eine Versuchsgruppe die Töne durch Drücken eines Knopfes beenden; bei der anderen hatte der Knopf keinen Einfluss auf das Geräusch. Eine dritte Gruppe nahm an dieser Trainingsphase nicht teil. "In der anschließenden Testphase wurden alle drei Gruppen erneut mit aversiven Tönen konfrontiert, die diesmal durch ein Lichtsignal angekündigt wurden. Die Töne waren in dieser Phase durch eine bestimmte Hebelbewegung kontrollierbar." (Meyer 2000) Auch Hiroto fand markante Verhaltensunterschiede in Abhängigkeit von den Erfahrungen aus der Trainingsphase. Die "untrainierte" Kontrollgruppe sowie die Gruppe, die die Töne hatte kontrollieren können, lernten rasch, den neuen Mechanismus zu bedienen, und vermieden die unangenehmen Töne in 89% bzw. 87% der Durchgänge. Diejenige Gruppe, die in der Trainingsphase hilflos war, brachte dies in weniger als 50% der Fälle zustande – eine dramatisch beeinträchtigte Lernleistung.

  • Schlechtere Lernleistung
  • Interessant und zugleich erschreckend ist, dass die "gelernte Hilflosigkeit" generalisiert, also auf andere Situationen und Aufgaben übertragen wird. Beispielsweise zeigten Versuchspersonen alle Symptome von gelernter Hilflosigkeit beim Abstellen der unangenehmen Töne, auch wenn sie mit einer ganz anderen Aufgabenstellung, nämlich dem Lösen von Denksportaufgaben, "auf Hilflosigkeit trainiert" worden waren. Allerdings hat die Generalisierung Grenzen. Entscheidend ist offenbar, ob die Betroffenen die beiden Situationen als ähnlich ansehen: Auf ähnlich gelagerte Situationen wird Hilflosigkeit generalisiert, auf anders gelagerte tendenziell nicht (oder jedenfalls sehr viel weniger).

  • Generalisierung der Hilflosigkeit
  • "Positive" Hilflosigkeit

     

    Übrigens gibt es gelernte Hilflosigkeit nicht nur in Bezug auf unangenehme Dinge (auch wenn es hierzu mit Abstand die meisten Untersuchungen gibt). Auch in Bezug auf positive Konsequenzen kann Hilflosigkeit entstehen, und zwar immer dann, wenn Belohnungen völlig unabhängig vom eigenen Verhalten eintreten. Erhalten Versuchstiere zum Beispiel nach einem Zufallsplan – und damit völlig unabhängig von ihrem Verhalten – Futter, sind sie ebenfalls hilflos. Ähnlich geht es Kindern, die weitgehend unabhängig von ihrem eigenen Handeln mit Zuwendung oder Geschenken "belohnt" werden, oder Mitarbeitern, die von ihren Chefs erratisch gelobt werden.

  • Zufällige Belohnungen
  • Noch wirksamer zur Förderung von Hilflosigkeit sollte demnach ein Wechselbad der Gefühle sein, also eine unberechenbare Mischung von positiven und negativen Reaktionen. In der Pädagogik inzwischen gefürchtet ist der verbreitete "inkonsistente Erziehungsstil", bei dem Lob und Tadel weniger eine Reaktion auf das Verhalten des Kindes sind als Ausdruck der momentanen Befindlichkeit der Eltern oder Erzieher. Ähnlich ergeht es Mitarbeitern, die einen hochgradig launenhaften Chef haben. (Feldexperimente hierzu finden ständig statt, in aller Regel aber ohne ausreichende wissenschaftliche Kontrolle.)

  • Inkonsistenz
  • Eine nette Besonderheit gilt für die "positive" Hilflosigkeit: Wie bereits die frühe Lernforschung herausgefunden hat, sind zufällige (und damit unkontrollierbare) Belohnungen geeignet, abergläubisches Verhalten zu erzeugen. Werden zum Beispiel Tauben nach einem Zufallsmuster belohnt, tendieren sie dazu, die Verhaltensweisen, die sie kurz vor der Belohnung ausgeübt haben, zu wiederholen – also beispielsweise einen Flügel abzuspreizen. Da aufgrund des Zufallsplans aber nicht jede Wiederholung belohnt wird, sondern nur manche, "lernen" die Tauben, immer kompliziertere Bewegungen auszuführen. Je komplizierter und damit zeitaufwändiger (!) diese Übungen aber sind, desto wahrscheinlicher wird es, dass während der Ausführung zufällig eine erneute Belohnung folgt – für die Tauben vermutlich der klare Beweis dafür, dass ihr Verhalten in keiner Weise abergläubisch, sondern genau das Richtige war. Praktische Beobachtungen wecken den Verdacht, dass das Verhalten mancher Mitarbeiter manchen Vorgesetzten gegenüber ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt.

  • Aberglauben

  • Ermutigende Führung: Für eine Kultur des WachstumsWer es schafft, einem Menschen Mut zu machen, hilft ihm, über seine bisherigen Grenzen hinauszuwachsen. Wer es schafft, ein Unternehmen zu ermutigen, eröffnet ihm neue Perspektiven. Wem es gelingt, eine ermutigende Führungskultur aufzubauen, der verschafft seiner Firma einen kaum einholbaren Wettbewerbsvorteil. Das sind die Leitgedanken unseres Buches "Ermutigende Führung – Für eine Kultur des Wachstums" (Schäffer-Poeschel 2015). Damit der geschäftliche Erfolg wächst, müssen die Menschen wachsen, die das Geschäft betreiben. Dieses Buch zeigt, wie Sie dies aktiv fördern und herbei-führen können.

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  • Buch "Ermutigende Führung"
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    Entscheidend ist, was im Kopf passiert

     

    Manche Menschen (und Tiere) sind offenbar besonders anfällig für Hilflosigkeit, während andere dagegen beinahe immun sind. So entdeckten Seligman und Kollegen bei einer Zusatzauswertung ihrer Experimente, dass manche Versuchspersonen auch nach einem intensiven Hilflosigkeitstraining relativ schnell lernten, dass eine neue Testsituation für sie beeinflussbar war. "Auch bei den Tierversuchen war jeweils eines von drei Tieren (...) nicht hilflos geworden," berichtet Seligman. Umgekehrt zeigten sich manche Versuchsteilnehmer von vornherein als hilflos: "In der Kontrollgruppe, die in der ersten Testphase nicht mit Lärm konfrontiert worden war, saß in der zweiten Phase ungefähr eine von zehn Personen von Anfang an still vor dem Apparat und unternahm nichts gegen den unangenehmen Lärm. Auch das war eine auffällige Parallele zu den Tierversuchen, bei denen ebenfalls eines von zehn Tieren von Anfang an hilflos war."

  • Persönliche Anfälligkeit
  • Genau besehen, ist das eigentlich nicht so überraschend, denn sowohl Menschen als auch ihre Tiere bringen ja ihren Charakter und ihre persönliche Lerngeschichte mit ins Labor. Von größtem Interesse ist aber, wodurch diese Unterschiede zustande kommen und wie sie sich erklären – und möglicherweise beeinflussen lassen. Angesichts unseres Schulsystems wäre es zum Beispiel hochinteressant, ob es Möglichkeiten gibt, Kinder gegen Entmutigung zu "immunisieren" – und vermutlich gäbe es hierfür auch die eine oder andere betriebliche Anwendung. (Hinweise für die Arbeit mit Kindern finden sich in beiden unten genannten Büchern.)

  • Suche nach den Ursachen
  • Was im Kopf von Tauben, Hunden und Goldfischen vor sich geht, wird wohl bis auf Weiteres deren Geheimnis bleiben. Bei Menschen hingegen können wir hinter die Kulissen schauen, indem wir sie zum Beispiel bitten, in der Testsituation laut zu denken. Tut man dies, stellt sich heraus, dass es entscheidend darauf ankommt, womit sie sich die Ursachen für Erfolg und Misserfolg erklären. Offensichtlich ist keine Frage der objektiven Realität, ob sich ein Mensch als hilflos ansieht oder nicht, sondern eine Frage seiner Wahrnehmung und Interpretation der Situation. Objektiv hätten ja im zweiten Teil der beschriebenen Versuche sowohl die Menschen als auch die Tiere sehr wohl die Möglichkeit gehabt, die Situation zu beeinflussen. Doch nachdem sie resigniert hatten, waren sie subjektiv nicht mehr imstande, dies herauszufinden. Das heißt in Summe:

  • Subjektive Realitäten
  • Hilflosigkeit entsteht im Kopf – wer sich als hilflos ansieht, ist hilflos.

     

    Dagegen ist der Umkehrschluss nicht zulässig: Wer glaubt, Einfluss zu haben, hat zwar deswegen nicht unbedingt Einfluss. Aber er hat die Chance, es herauszufinden. Und genau das ist der entscheidende Punkt: "Optimistische" Sichtweisen ermöglichen neue Erfahrungen, "pessimistische" verhindern sie. Entscheidend ist demnach, worauf Menschen ihre Erfolge und Misserfolge zurückführen: Wer sich seinen Misserfolg mit veränderbaren Ursachen erklärt – zum Beispiel hohe Schwierigkeit der Aufgabe, schlechte Tagesform, Pech –, wird sehr viel schwerer zu entmutigen sein als jemand, der sie auf stabile Faktoren – wie zum Beispiel mangelnde Fähigkeit oder Begabung – zurückführt. Mit anderen Worten, Optimisten haben zwar mehr Misserfolge, aber auch mehr Erfolge.

  • Optimismus und Pessimismus
  • Sind Apathie und Resignation heilbar?

     

    Wie man gelernte Hilflosigkeit lehrt, das wissen wir nun also. Aber kann man sie auch "zurückbauen"? Kann man Mitarbeiter, die aufgrund ihrer eigenen Biographie und/oder der Vorgeschichte des Unternehmens dumm, mutlos und apathisch geworden sind, dazu bekommen, wieder mit Selbstvertrauen und Optimismus an die Dinge heranzugehen? Kann man ein deprimiertes und resigniertes Unternehmen wieder beleben?

  • Gibt es eine Therapie?
  • Eine New Yorker Forschungsgruppe um Carol Dweck hat hierzu in Untersuchungen mit Schulkindern einige bemerkenswerte Dinge herausgefunden (nach Meyer 2000, s.u.). In einem ihrer Experimente führten 52% der hilflosen Kinder, aber kein einziges der beharrlichen Kinder ihre Misserfolge auf mangelnde eigene Fähigkeiten zurück. Umgekehrt erklärten sich 70% der beharrlichen Kinder ihr Problem entweder mit mangelnder Anstrengung, Pech oder der Versuchsleiterin – Erklärungen, die nur 15% der hilflosen Kinder nannten. Fast die Hälfte der hilflosen Kinder benutzten ineffiziente Lösungsstrategien, was nur sehr wenige der beharrlichen Kinder taten. Selbstinstruktionen (wie "Ich muss langsamer vorgehen") und eine Selbstüberwachung kamen bei 40% bzw. 83% der beharrlichen Kinder vor, aber bei keinem der hilflosen. Letztere äußerten überwiegend negative Gefühle ("Das macht keinen Spaß!"), während zwei Drittel der Beharrlichen (und keines der Hilflosen!) eine positive Prognose abgaben.

  • Unterschiedliche Erklärungen
  • Wulf-Uwe Meyer, Ordinarius für Psychologie in Bielefeld, fasst die Erkenntnisse von Dweck und ihren Mitstreiterinnen so zusammen: "Die hilflosen Kinder betrachten die Rückmeldung 'falsch' als Misserfolg, den sie überwiegend auf 'mangelnde eigene Fähigkeit' zurückführen. Da diese Ursache als stabil und unkontrollierbar erscheint, erwarten diese Kinder, bei den Aufgaben auch in Zukunft Misserfolg zu haben, und geben auf. Im Gegensatz dazu betrachten die beharrlichen Kinder die Rückmeldung 'falsch' nicht als Misserfolg, sondern als eine Information, die für die Lösung des Problems von Nutzen ist. Sie strengten sich daher weiter an (...) Ein Teil der beharrlichen Kinder reagiert auf die Misserfolgsrückmeldung sogar mit verstärkter Anstrengung (... und einer) Verbesserung der Lösungsstrategien."

  • Unterschiedliche Reaktionen
  • Daraus ergeben sich drei Ansatzpunkte für Prävention und Therapie: Erstens könnte man an den niedrigen Erfolgserwartungen der hilflosen Kinder ansetzen und versuchen, sie zu erhöhen. Zweitens könnte man versuchen, ihre handlungsirrelevanten Gedanken und negativen Emotionen zugunsten eines konstruktiveren Denkens zurückzudrängen. Und drittens könnte man daran denken, ihnen einfach mehr positive Rückmeldung zu geben, um ihnen mehr Selbstvertrauen zu geben.

  • Ansatzpunkte
  • Eine frühe Versuchsanordnung von Carol Dweck sah dann auch vor, einer Gruppe von hilflosen Kindern kontinuierlich Erfolgsrückmeldungen zu geben. An jedem Trainingstag standen 15 leichte Rechenaufgaben auf dem Programm; nach jeder Aufgabe bestätigte die Versuchsleiterin den Erfolg und gab dem Kind eine Belohnung. Eine zweite Gruppe bearbeitete ebenfalls 15 Aufgaben, doch darunter waren auch einige schwierige. Bei Erfolg erhielten auch diese Kinder eine positive Rückmeldung und eine Belohnung. Nach jedem Fehler erklärte die Versuchsleiterin dem Kind, dass der Misserfolg auf unzureichender Anstrengung beruhte. Insgesamt erhielt diese zweite Gruppe so mehr als 50 mal diese anstregungsbezogene Rückmeldung.

  • Ein Versuch
  • In der Mitte sowie am Ende des Trainings wurde gemessen, wie sich die Kinder beider Gruppen bei Aufgaben unterschiedlicher Schwierigkeit schlugen. In der ersten Gruppe, die nur Erfolge – allerdings bei leichten Aufgaben – erlebt hatte, zeigte sich keine nennenswerte Veränderung: Von Misserfolgen ließen sie sich ebenso leicht entmutigen wie zu Beginn des Trainings. Anders die Gruppe, bei denen die Versuchsleiterin Misserfolge immer wieder auf unzureichende Anstrengung zurückgeführt hatte. Bei ihnen hatte sich die demoralisierende Wirkung von Misserfolgen schon zur Mitte des Trainings deutlich abgeschwächt, und unmittelbar danach führten sie sogar zu einer Leistungsverbesserung! Es zeigte sich, dass diese Kinder ihr ursprüngliches Erklärungsmuster "mangelnde Fähigkeit" aufgegeben und die Ursachenzuschreibung "mangelnde Anstrengung" übernommen hatten.

  • Optimistisches Erklärungs-
    muster gelernt
  • Von großer praktischer Bedeutung für Führung, Erziehung und Coaching ist dabei die Erkenntnis, dass auch eine große Zahl von Erfolgserlebnissen bei einfachen Aufgaben nicht geeignet ist, Selbstvertrauen und Beharrlichkeit zu fördern. Platt gesagt: Die Kinder sind ja nicht doof – sie merken auch, dass die Erfolge nicht auf ihre gewachsenen Fähigkeiten zurückzuführen sind, sondern allein darauf, dass die Aufgaben sehr leicht waren. Möglicherweise sind sie über das allzu heftige Lob sogar mehr verunsichert als beglückt. Es bringt also gar nichts, einfach nur "mehr zu loben". Offenbar kann nur die Auseinandersetzung mit Misserfolgen und der eigenen Art, sie zu verarbeiten, eine echte Ermutigung bewirken.

  • Nur positives Feedback reicht nicht
  • Auch zahlreiche nachfolgende Untersuchungen bestätigten Dwecks zentrale Befunde, nämlich dass es erstens möglich ist, pessimistische Erklärungsmuster von Kindern in Richtung auf optimistische, also auf beeinflussbare Erklärungen zu verändern, und dass dies zweitens motivations- und leistungsfördernd wirkt. So entwickelten Seligman und seine Mitarbeiterinnen ein Trainingsprogramm für Kinder, für das auch 12, 18 und 24 Monate nach seiner Durchführung noch messbare Unterschiede im Denkstil und Depressionanfälligkeit nachgewiesen werden konnten.

  • Optimismus trainierbar
  • Die eigenen Bewertungen erkennen und disputieren

     

    So wirksam sich dieses Training bei Kindern erwiesen hat, es bleibt dennoch fraglich, ob die Vorgehensweise auf Erwachsene übertragbar ist. Ganz abgesehen davon, dass zweifelhaft ist, ob Erwachsene ein so hierarchisches Setting akzeptieren würden: Vor allem aber sind Kinder in ihren Denkgewohnheiten noch formbarer; Erwachsene dürften in ihren Erklärungsmustern für Erfolg und Misserfolg sehr viel gefestigter – und damit auch weniger leicht beeinflussbar – sein.

  • Übertragbarkeit
  • Martin Seligman empfiehlt hier das Disputieren, das heißt die kritische Reflexion der pessimistischen Überzeugungen – ein Konzept, das er aus der "Rational-Emotiven Therapie" von Albert Ellis übernommen hat. Ellis' Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass Gefühle (wie Niedergeschlagenheit und Resignation) nicht direkt aus äußeren Ereignissen entstehen, sondern aus den Gedanken, die wir uns zu diesen Ereignissen machen ("ganz furchtbar!"), und den Bewertungen, die wir vornehmen ("Es hat sowieso alles keinen Zweck!"). Wenn es also gelingt, so der zentrale Gedanke von Ellis, jemanden zu einer anderen Bewertung der Ereignisse zu veranlassen, würde zwangsläufig auch eine andere Gefühlslage entstehen. Was empirisch in der Tat gut belegt ist.

  • Bewertungen in Frage stellen
  • Wie funktioniert dieses Disputieren? Nehmen wir zum Beispiel den oftmals recht mutlosen Umgang von alten Menschen mit der modernen Technik. Auf die Frage, ob sie sich nicht mit dem Internet vertraut machen möchte, meinte eine ältere Frau: "Da bin ich doch schon viel zu alt und dumm dazu, das verstehe ich alles nicht mehr." Seligman würde ihr eine Disputation ihrer Gedanken anhand von vier Leitfragen vorschlagen:
    1. Beweise: "Welche Belege gibt es für Ihre Auffassung?"
    2. Alternativen: "Welche anderen Gründe könnte es geben, dass Sie das bislang nicht gelernt haben?"
    3. Implikationen: "Falls es wirklich stimmen sollte, dass Sie es nicht mehr lernen, welcher Schaden könnte bei einem Versuch schlimmstenfalls entstehen?"
    4. Nutzen: "Helfen Ihnen diese pessimistischen Gedanken, bringen sie Sie weiter?"
  • Leitfragen für den Disput
  • Nach seiner Erfahrung führt eine erfolgreiche Disputation zu einem "Energieschub" – etwa zu der Entscheidung: "Also gut, dann probiere ich es einfach mal!"

  • Neue Energie
  • So eine Disputation kann man mit ein bisschen Übung sowohl mit sich selbst führen als auch mit anderen – zum Beispiel mit Mitarbeitern, Kollegen oder Kunden. In vielen Fällen wird sie tatsächlich eine Veränderung der disputierten pessimistischen Einstellung bewirken – und damit auch eine des resignativen Verhaltens. Natürlich wird eine einmalige Intervention keinen dauerhaften Wechsel von pessimistischen zu optimistischen Erklärungsmustern auslösen, aber wenigstens für die aktuelle Fragestellung kann sie durchaus etwas bewirken. Und "steter Tropfen höhlt den Stein" – auch bei Erwachsenen.

  • Veränderung pessimistischer Einstellungen
  • Ein resigniertes Unternehmen revitalisieren

     

    Noch bedeutend schwieriger ist es, Pessimismus, Resignation und Depression in einem ganzen Unternehmen zu überwinden. Die folgt demnächst "Wiederbelebung" eines depressiv und apathisch gewordenen Unternehmens ist eine der schwierigsten Aufgaben im Change Management überhaupt. Hier stößt Kommunikation an ihre Grenzen. In solch einem Fall hat wenig Sinn, auf die Leute einzureden – sie würden sich alles anhören, und man könnte ihnen förmlich dabei zuschauen, wie sie dabei traurig denken: "Es kommt ja doch wieder nichts dabei heraus!" Infolgedessen ist es in solchen Fällen auch nicht möglich, die nötige Begeisterung für einen Neuanfang zu mobilisieren – die Mitarbeiter verhalten sich passiv wie die Hunde in Seligmans Experimenten. Und schleichen nach Ihrer Rede wie Schwerkranke aus dem Saal.

  • Resignierte Unternehmen
  • Das heißt nicht, dass man in solch einer Situation auf Kommunikation verzichten kann – sie ist erforderlich, damit die Leute überhaupt mitbekommen, was vor sich geht. Doch muss man sich darüber klar sein, dass Kommunikation hier keine Aufbruchsstimmung mobilisieren wird.

  • Kommunikation
  • Der wahrscheinlich beste Weg zu einer folgt demnächst Revitalisierung ist, ein oder mehrere Teams mit den besten (und "unverdorbensten") Leuten zusammenzustellen und sie mit einer für die Zukunft des Unternehmens entscheidenden Aufgabenstellung zu betrauen. Diese Teams müssen im engen Kontakt mit der Geschäftsleitung arbeiten, und ihnen muss größtmögliche Freiheit im Denken und Handeln eingeräumt werden; unter Umständen müssen sie sogar völlig aus der Linie herausgelöst werden. Sie sollen einerseits alles in Frage stellen dürfen, sich andererseits aber darum bemühen, schnellstmöglich erste Erfolge zu erzielen, denn in einem solch pessimistischen Umfeld überzeugen nur greifbare Resultate. Wenn diese Teams ihre Projekte trotz aller absehbaren Widerstände zu einem erfolgreichen Abschluss führen, bewirkt dies zugleich eine erste Trendwende im internen Klima – wenn auch noch lange nicht die endgültige "Heilung" ( folgt demnächst Revitalisierung).

  • Revitalisierung
  • Literatur:

    Seligman, Martin (2001): Pessimisten küsst man nicht – Optimismus kann man lernen; 381 S.; Droemer Knaur 1993, 2001

    Meyer, Wulf-Uwe (2000): Gelernte Hilflosigkeit – Grundlagen und Anwendungen in Schule und Unterricht; 184 S.; Hans Huber Verlag

  • Literatur

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