Die Umsetzungsberatung

Turnaround, Sanierung, Personalabbau






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Personalabbau: Das letzte Mittel professionell handhaben

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Mitarbeiter zu entlassen, ist keine angenehme Aufgabe. Es ist auch keine, mit der man zum "Manager des Jahres" wird, denn Sparmaßnahmen sind keine geeignete Strategie, um ein Unternehmen in eine glanzvolle Zukunft zu führen. Nicht selten ist Personalabbau ein Instrument kurzsichtiger Technokraten, um ertragsschwache Unternehmen kurzfristig – und meist vorübergehend – profitabler zu machen. Empirische Untersuchungen belegen indes, dass Unternehmen, die Personal abbauen, zwar mit einer kurzfristigen Steigerung ihres Aktienkurses rechnen können, mittel- bis langfristig aber häufig an Boden verlieren. Trotzdem gibt es leider Fälle, in denen personelle Einschnitte unumgänglich sind als letztes Mittel, um ein schwere Verluste einfahrendes Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren.

  • Äußerste Notlösung
  • Hartnäckig hält sich die Legende, dass es Top-Managern ein geradezu sadistisches Vergnügen bereite, Leute herauszuschmeißen. Das ist blanker Unsinn. Einen solchen Fall habe ich jedenfalls in mehr als 30 Beratungsjahren nie erlebt und nur ein einziges Mal dem Hörensagen nach mitbekommen. In einem zweiten Fall diente die Drohung mit Entlassungen als verqueres Mittel der "Motivation" – und entsprang letztlich der blanken Verzweiflung darüber, über kein geeignetes Mittel zu verfügen, die Mitarbeiter eines saturierten Unternehmens zu stärkerem Engagement zu veranlassen.

  • Sadistisches Vergnügen?
  • Der Normalfall sieht völlig anders aus: Da stellt die Geschäftsleitung mit wachsendem Unbehagen fest, dass sich der Absatz und die Ertragslage so verschlechtert haben, dass sie um den Abbau von Personal nicht mehr herumkommt. Und dann setzt sie diese Entscheidung, oft nach (viel zu) langem Zögern, mehr schlecht als recht um. Der Eindruck einer "eiskalten Exekution" entsteht meist deshalb, weil sich das Management – oft aus einem uneingestandenen schlechten Gewissen heraus – hinter der sachlichen Unabweisbarkeit zurückzieht und nach der Devise "Augen zu und durch" handelt, statt auch den Personalabbau als Veränderungsprozess zu verstehen und ihn mit der nötigen Sorgfalt und Verantwortung zu führen.

  • Ungeschick und schlechtes Gewissen
  • Letztes Mittel oder ganz normales Management-Instrument?

     

    Gerade in Europa entschließen sich Unternehmen oft eher zu spät als zu früh dazu, Personal abzubauen – anders als in den USA, wo "Downsizing", "Delayering", "Rightsizing" und ähnliche Euphemismen geradezu zum Patentrezept der Unternehmensführung geworden zu sein scheinen. Zwar sind Schönfärbereien wie "Verschlankung" auch bei uns in den Sprachgebrauch eingezogen; dennoch zögern vor allem im Mittelstand viele Manager eher zu lange, bevor sie dieses unangenehme und schmerzliche Thema anfassen.

    Das ist menschlich anerkennenswert, führt aber im Ernstfall dennoch dazu, dass die Sparzwänge immer größer und die Gestaltungsmöglichkeiten immer geringer werden. Denn wenn erst einmal die Hausbank massiv auf eine Kostensenkung und Sanierung drängt und mit einer Streichung der Kreditlinie droht, hat das Management kaum noch Spielraum, um etwa über die Verlagerung der Mitarbeiter in dem Aufbau neuer Geschäftsfelder nachzudenken.

  • Verschleppte Probleme
  • Ein ausgesprochen kluger Gedanke kommt in diesem Zusammenhang von Wayne Cascio, einem amerikanischen Professor für Managementpsychologie. In seinem Buch Responsible Restructuring unterscheidet er zwischen Managern und Unternehmen, die ihre Mitarbeiter als Kosten ansehen, und solchen, die sie als "Assets", also als Betriebsvermögen betrachten. Das ist weit mehr als eine intellektuelle Haarspalterei: Bei "Kosten" denkt jeder Manager fast reflektorisch darüber nach, wie er sie senken kann – bei "Vermögen" stellt man sich eher die Frage, mit welcher Strategie man erreichen kann, es möglichst gewinnbringend "arbeiten zu lassen".

    Man beachte, dass dies durchaus keine "soziale" oder "humanistische" Betrachtungsweise ist, sondern eine mindestens ebenso unternehmerische Perspektive wie Kostensenkung – nur mit einer völlig anderen Blickrichtung. In zwei aufwendigen Studien haben Cascio und Kollegen nachgewiesen, dass Unternehmen, die Personal abgebaut haben, in den beiden Folgejahren eine deutlich schlechtere Eigenkapitalrendite erzielten als Firmen, die die Beschäftigung stabil hielten.

  • Mitarbeiter als "Betriebs- vermögen"
  • Dennoch gibt es Situationen, in denen Personalabbau die einzige verbleibende Möglichkeit ist, ein angeschlagenes Unternehmen aus einer Krise zu führen, die existenzbedrohend ist oder es bei längerem Zuwarten werden könnte. Das gilt leider auch für die wachsende Zahl der Fälle, in denen bestimmte Teile der Wertschöpfungskette in Deutschland bzw. Westeuropa nicht mehr zu halten sind, weil die Kostennachteile dieser Standorten größer sind als die Wettbewerbsvorteile, die sich aus höherer Qualität und Produktivität oder aus größerer Nähe zu den Absatzmärkten ergeben.

    Ähnliches gilt für Unternehmen, die angesichts wachsenden Konkurrenzdrucks und sinkender Margen feststellen müssen, dass sie sich ihr heutiges Kostenniveau im administrativen Bereich schlicht nicht mehr leisten können – auch wenn sie manchmal noch gar nicht wissen, wo die Einsparungen denn herkommen sollen, welche heute erbrachten Leistungen also gestrichen oder reduziert werden können. Unter solchen Umständen ist der Abbau zusätzlich belastend, weil diejenigen, die bleiben dürfen, ahnen, dass der "Preis" für den Arbeitsplatzerhalt in einer erheblichen Mehrbelastung bestehen wird.

  • Wachsender Wettbewerbs- und Kostendruck
  • Kein Durchsetzungs-, sondern ein Motivationsproblem

     

    Sowohl von der juristischen als auch von der psychologischen Seite her ist es leichter, einen ganzen Standort zu schließen, als Personal an einem Standort abzubauen, der erhalten bleibt. Rechtlich deshalb, weil zwar ebenfalls ein Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt und eine Massenentlassungsanzeige beim Arbeitsamt gemacht werden muss, aber das ganze komplizierte und nervenaufreibende Verfahren der Sozialauswahl entfällt.

    Die rechtliche Seite ist, dass sich, wenn alle Mitarbeiter entlassen werden, die vom Kündigungsschutzgesetz vorgeschriebene "Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten" erübrigt. Aber auch menschlich ist es leichter, mit einem gemeinsamen Schicksal umzugehen als sich von einem Teil der Mannschaft zu trennen, zumal der Sozialauswahl ja nicht diejenigen zum Opfer fallen, die einen unterdurchschnittlichen Beitrag zum Gesamterfolg leisten, sondern diejenigen, die aufgrund ihres Alters, ihrer Betriebszugehörigkeit und ihrer Lebenssituation zu wenig "Sozialpunkte" haben.

  • Sozialauswahl
  • Es gibt aber noch einen weiteren ganz entscheidenden Grund, weshalb Personalabbau bei fortlaufendem Betrieb besonders anspruchsvoll ist: In diesem Fall hilft er dem angeschlagenen Unternehmen ja nur dann, wenn es sich relativ schnell von den "Einschnitten" erholt. Es reicht nicht, dass die Produktivität nicht abfällt: Mittelfristig muss sie sogar steigen, ohne negative Folgen für die Qualität oder andere wichtige Leistungsdimensionen. Wenn zwar die Kostensenkungsziele erreicht wurden, aber die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter zusammenbrechen und in deren Folge auch Produktivität und Qualität, dann ist die Situation nach dem Personalabbau unter Umständen schlimmer als davor – nicht nur emotional, auch wirtschaftlich.

    Mit anderen Worten, es genügt nicht, die "Abbauziele" zu erreichen – ebenso wichtig ist, dass der Weg dorthin nicht in einem emotionalen bzw. kulturellen Debakel endet, sondern trotz aller Schmerzen und Belastungen auf anständige Weise gemeinsam bewältigt wird.

  • Belastung von Vertrauen und Loyalität
  • Viele spätere Probleme haben ihre Wurzel darin, dass die verantwortlichen Manager zu kurzfristig denken und sich ausschließlich darauf konzentrieren, den Abbau möglichst schnell hinter sich zu bringen. Sie handeln so, als ginge es in der Abbauphase nur darum, die Entlassungen ohne größere Verwerfungen über die Bühne zu bringen und die Kostensenkungsziele zu erreichen.

    Was viele nicht ausreichend im Blick haben, ist, dass sie daneben wenigstens zwei weitere Ziele erreichen müssen. Erstens müssen sie mit den verbleibenden Mitarbeitern eine Produktivitätssteigerung bei gleichbleibender Qualität erreichen, und zweitens müssen sie den Abbau so bewältigen, dass trotz der Krise kein dauerhafter Bruch in der Loyalität und Motivation der verbleibenden Mitarbeiter entsteht. Wenn man darüber erst nachzudenken beginnt, wenn man den Abbau durchgezogen hat und nun plötzlich die Leere in den Augen der verbliebenen Mitarbeiter bemerkt, ist es zu spät. Dann haben sich viele Mitarbeiter innerlich von ihrem Unternehmen verabschiedet – nicht als Reaktion auf den Abbau an sich, sondern auf die Art, wie man dabei mit ihnen umgegangen ist.

  • Vorsicht vor verengter Zielsetzung
  • Personalabbau ist weniger ein Durchsetzungs- als ein Motivationsproblem: Die Zustimmung der Arbeitsagentur ist nur eine formale Hürde, und auch der Betriebsrat kann eine entsprechende Entscheidung des Arbeitgebers nicht verhindern, sondern allenfalls (erheblich) verzögern. Das zentrale Problem liegt in der Art, wie der Abbau verarbeitet wird, und in den Folgen, die dies für Motivation und Loyalität hat.

    Entscheidend ist dabei, als wie nachvollziehbar, transparent und fair das Vorgehen empfunden wird. Das beginnt damit, dass die Entscheidung zum Personalabbau überzeugend begründet werden muss; es geht weiter mit offener und ehrlicher Kommunikation, und es endet noch nicht mit einer "menschlich anständigen" Umsetzung des Abbaus, sondern erst mit der gemeinsamen Verarbeitung der Erfahrungen und der Entscheidung zu einem Neubeginn. Das heißt in Summe: Die Art und Weise, wie die Krise bewältigt wird, bestimmt sowohl deren emotionale als auch deren betriebswirtschaftliche Nachwirkungen.

  • Voraussetzungen für einen Neubeginn
  • Frühzeitige und offene Information

     

    Eine schlechte Nachricht ist eine schlechte Nachricht – das ist auch noch so durch gute Kommunikation nicht zu ändern. Worauf es ankommt, ist, die schlechte Nachricht nicht noch durch die Art ihrer (Nicht-)Kommunikation noch schlimmer zu machen. Gerade bei einem so sensiblen Thema lässt sich nicht immer verhindern, dass erste Gerüchte und misstrauische Spekulationen schon zu einem Zeitpunkt durch das Haus geistern, wo das Management noch keine Entscheidung getroffen hat und sie infolgedessen auch noch nicht mitteilen kann. Denn die Mitarbeiter bekommen ja mit, wie die Geschäftslage ist; sie haben miterlebt, wie die Sparanstrengungen in letzter Zeit immer heftiger und brachialer geworden sind, und sie zählen 1 und 1 zusammen.

  • Schlechte Nachrichten nicht noch verschlimmern
  • Doch sobald eine Entscheidung getroffen wurde, muss sie auch in angemessener Weise kommuniziert werden – schon um sicherzustellen, dass sie nicht auf informellem Weg durchsickert oder gar an die Presse gelangt. Es ist immer eine Katastrophe für das Vertrauensverhältnis, wenn die Mitarbeiter solche Entscheidungen aus der Presse oder vom Betriebsrat erfahren. Wer sich erst dann zu einer Stellungnahme durchringt, wenn die Spatzen die Nachricht schon von den Dächern pfeifen, beschädigt damit sein Vertrauen und seine Glaubwürdigkeit.

  • Umgehende Information
  • Das Gleiche gilt, wenn die Aussagen unnötig vage und unkonkret bleiben. Im Management gibt es oft eine merkwürdige Scheu davor, die Dinge beim Namen zu nennen: "Also gut, dann teilen wir eben mit, dass wir voraussichtlich (!) Personal abbauen müssen, aber lasst uns keine konkrete Zahlen nennen!" Die Gründe für dieses Zaudern sind vielfältig: Zum einen steht dahinter die Angst, Unruhe auszulösen – als ob das angesichts der brodelnden Gerüchteküche überhaupt noch möglich wäre –, zum anderen spielt oft das Gefühl mit, sich selbst noch nicht hundertprozentig sicher zu sein und möglicherweise etwas Falsches zu sagen.

  • Klartext reden
  • Während das erste eine ziemlich wirklichkeitsfremde Befürchtung ist, verdient der zweite Punkt eine genauere Betrachtung: Es wäre in der Tat fatal, wenn man die genannten Zahlen später nach oben korrigieren müsste – und ebenfalls sehr unglücklich, falls sie sich als deutlich zu hoch erwiesen. Denn dann wären Mitarbeiter und Betriebsrat zurecht verärgert, dass man sie mit einem falschen Alarm aufgeschreckt hätte. Und es würden möglicherweise wilde Spekulationen angestellt, was damit bezweckt war. Kaum jemand würde einem abnehmen, dass das schlicht ein Irrtum war.

  • Falsche Zahlen wären fatal
  • Die Lösung für dieses Dilemma liegt allerdings nicht in der Verweigerung konkreter Aussagen, sondern in Transparenz im Bezug auf die bestehenden Ungenauigkeiten: Nichts hindert einen ja daran, klar zu sagen, dass es sich bei diesen ersten Zahlen nur um Größenordnungen handelt, die im weiteren Verlauf genauer ausgearbeitet werden müssen. Nur sollte man dann auch einen Termin nennen, bis wann dies geschehen wird und wann weitere Informationen folgen.

  • Transparenz auch in Bezug auf Ungenauigkeit
  • Verschweigen ist keine Option

     

    Nicht zuletzt kommt hier häufig auch ein taktischer Aspekt ins Spiel: Viele Manager haben die Sorge, dass die Produktivität leiden könnte, wenn die Mitarbeiter "zu früh" von konkreten Abbauplänen erfahren. So verständlich solche Überlegungen sind, gerade in Unternehmen, die mit dem Rücken zur Wand stehen, so sehr sind sie ein Beispiel für jenes kurzsichtige Denken, das nicht über den Tag des Abbaus hinausreicht.

    Selbst wenn es gelingt, die Mitarbeiter noch eine Weile im Unklaren (und damit "motiviert") zu halten, tut sich das Management damit mittelfristig keinen Gefallen. Spätestens wenn die bittere Wahrheit doch ans Licht kommen, fühlen sich die übertölpelten Mitarbeiter betrogen – und wissen nun, dass sie bei dieser Führung darauf gefasst sein müssen, hinters Licht geführt oder zumindest über wichtige Weichenstellungen gezielt nicht informiert zu werden. Also werden künftig erstens sehr viel misstrauischer reagieren, zweitens werden sie sich dem Unternehmen weniger verbunden fühlen.

    Zudem sind solche taktischen Spielchen nach meiner Erfahrung völlig überflüssig: Selbst bei vollständigen Werksschließungen habe ich keinen Fall erlebt, wo die Produktivität dauerhaft weggebrochen ist, bloß weil das Management "zu ehrlich" war.

  • Keine taktischen Spielchen
  • Aber warum kann man nicht einfach darauf verzichten, konkrete Zahlen oder zumindest Größenordnungen zu nennen? Weil das natürlich die Information ist, die für die Mitarbeiter und Führungskräfte die wichtigste und interessanteste ist. Sie hätte zwei Folgen, die Sie sich beide kaum wünschen können: Erstens würde Ihnen kaum jemand glauben, dass Sie tatsächlich noch keine konkreten Zahlen kennen und nicht zumindest eine Größenordnung im Kopf haben. Also würde man Ihnen unterstellen, mit der bitteren Wahrheit hinter dem Berg zu halten.

    Zweitens würde die fast unweigerlich zusätzliche Spekulationen auslösen: Wie fürchterlich müssen diese Zahlen aussehen, wenn sie das Management nicht öffentlich auszusprechen wagt? Dies könnte Emotionen wecken, die Sie sich nicht wünschen können: Zum einen Wut, weil das Management die Belegschaft durch ihr Verschweigen der Zahlen unnötig auf die Folter spannt und so zusätzlich quält, zum anderen Verachtung über dessen unterstellte Feigheit. Dies würde die ohnehin schon schwierige Situation noch schwieriger machen. Deshalb ist es besser, die Karten auf den Tisch zu legen und dabei die vorhandenen Unschärfen klar zu benennen.

  • Warum Verschweigen keine Option ist
  • So wichtig es ist, die Mitarbeiter frühzeitig und ehrlich über einen geplanten Personalabbau zu informieren, so ist doch unbedingt anzuraten, zuvor die mittleren Führungsebenen und den Betriebsrat ins Bild zu setzen. Das kann mit geringem zeitlichem Abstand geschehen – und sollte es in aller Regel auch, um nicht das Risiko einzugehen, von den informellen Informationskanälen überholt zu werden. Doch bewirkt es nur Verstimmung und zusätzliche Komplikationen, wenn die Führungskräfte und der Betriebsrat auf einer Betriebsversammlung von der Nachricht überrascht und auf dem falschen Fuß erwischt werden.

    Für die Führungskräfte ist es demütigend, wenn sie das Gefühl haben, vor ihren Mitarbeitern "wie Deppen dazustehen"; entsprechend beeinträchtigt es ihre Loyalität. Und im Verhältnis zu dem Betriebsrat ist es überdies hochgradig riskant, weil der sich dann binnen Minuten auf offener Bühne entscheiden muss, wie er auf die Ankündigung reagiert. Unter dem stummen Druck der erwartungsvoll auf ihn blickenden Kolleginnen wird er dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Konfrontationskurs gehen, schon um gegenüber den eigenen Schutzbefohlenen nicht ratlos und ohnmächtig zu erscheinen.

  • Information von Management und Betriebsrat
  • Das Top-Management selbst muss in die Bütt

     

    Bei der Kommunikation des Personalabbaus hat das Top-Management die Schlüsselrolle: Die Übermittlung schlechter Nachrichten ist eine nicht delegierbare Führungsaufgabe. Wer diese undankbare Aufgabe an niedrige Chargen oder gar an externe Berater delegiert, beweist "Feigheit vor dem Freund": Eine kaum wieder gutzumachende Katastrophe für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Managements.

  • Kommunikation durch das Top-Management
  • Ähnlich verheerend ist, wenn die Mitarbeiter die schlechte Nachricht aus den Medien erfahren. Selbst wenn dies real andere Hintergründe hat, wie zum Beispiel die strikte Verpflichtung börsennotierter Kapitalgesellschaften zur unverzüglichen Veröffentlichung kursrelevanter Informationen, wird es in aller Regel als kränkendes Signal von Missachtung empfunden. Daraus folgt zweierlei: Erstens die Notwendigkeit, frühzeitig zu informieren, denn je länger man wartet, desto höher ist das Risiko, dass etwas durchsickert. Zweitens die Notwendigkeit eines sorgfältigen Timings – etwa, die Information der Öffentlichkeit exakt zu der gleichen Zeit wie die der Führungskräfte und damit ein oder zwei Stunden vor den zeitgleichen, per Livestream überrtragenen Mitarbeiterversammlungen an sämtlichen Standorten.

  • Mindestens zeitgleich zur Öffentlichkeit
  • Für Nachrichten von dieser Bedeutung und Tragweite ist direkte Kommunikation – etwa eine Großveranstaltung – im Grunde die einzige angemessene Form. Die Mitteilung von Entlassungen auf schriftlichem oder elektronischem Weg wird leicht als Stillosigkeit und Arroganz empfunden: "Wir sind ihnen nicht einmal so wichtig, dass sie es uns ins Gesicht sagen. Sie teilen das mit wie eine Änderung der Reisekostenabrechnung!"

  • In einer Groß­
    veranstaltung offen informieren
  • Der Auftritt bei solch einer Veranstaltung wiederum erfordert von den Verantwortlichen erstens Mut und zweitens eine Vorbereitung, die sich nicht auf das Erstellen der Präsentationsfolien beschränkt. Die menschliche Seite ist erfahrungsgemäß belastender als es sich viele Top-Manager im Voraus vorstellen. Aus Angst vor dem eigenen Mitgefühl flüchten sich da viele in eine "kalte Technokratenmaske" – was in der Wirkung auf die Mitarbeiter verheerend ist. Umgekehrt sind ein larmoyanter Auftritt und das ständige Beteuern der eigenen tiefen Betroffenheit auch keine Lösung. Im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit ist es schließlich ratsam, (nicht nur) bei solchen Gelegenheiten auf schönfärberische Begriffe wie "Freisetzungen" zu verzichten.

  • Mut und gute Vorbereitung
  • Abb.: Weder Weinerlichkeit noch kaltes Technokratentum helfen weiter

     

    Gerade in einer solchen Belastungssituation zeigt sich gute Führung in Festigkeit, Ehrlichkeit und einer klare Linie: Die Mitarbeiter sollen und dürfen ruhig merken, dass die Entlassungen das Management nicht kalt lassen; genauso wichtig ist aber, dass für sie eine unternehmerische Zukunftsperspektive jenseits des bloßen Abbaus sichtbar wird. Denn wenn es daran mangelt, ist das für die Mitarbeiter fast noch beängstigender als der Abbau selbst, denn dann droht ein "Schrecken ohne Ende". Falls der Personalabbau im Zusammenhang mit einer Sanierung erfolgt und es keinen Wechsel im Management gegeben hat, steht schließlich unausgesprochen auch die Frage im Raum, weshalb diejenigen Manager, die die Krise nicht verhindern konnten, nun dazu in der Lage sein sollen, das Unternehmen in eine bessere Zukunft zu führen. Dieser Frage kann nicht ausweichen, indem man sie ignoriert.

  • Festigkeit, Ehrlichkeit und klare Linie
  • Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Fairness

     

    Wichtig ist, die Entscheidung über den Personalabbau nicht bloß mitzuteilen, sondern auch zu begründen. Das ist relativ einfach, wenn ein Unternehmen mit dem Rücken zur Wand steht und Entlassungen erforderlich sind, um einen drohenden Konkurs abzuwenden oder die weitere Finanzierung durch die Banken zu sichern. Dagegen ist es umso schwieriger, je besser die Ertragslage ist, aber auch je intransparenter sie ist.

    Je schlechter die Mitarbeiter über die Geschäftslage informiert sind, desto mehr besteht die Gefahr von misstrauischen Reaktionen: "Stimmt das denn überhaupt, was die uns da erzählen? Warum haben sie dann für andere Dinge Geld?" Das ist kaum zu widerlegen, wenn sich das Management nicht in die Karten schauen lässt. Bei guter Ertragslage muss die Geschäftsleitung auf das wütende Argument gefasst sein: "Diese Schweine fahren Millionengewinne ein und schmeißen gleichzeitig die Leute raus!" Hier rächt es sich, wenn man sich in der Vergangenheit nie die Mühe gemacht hat, der Belegschaft zu erklären, weshalb jedes Unternehmen eine Eigenkapitalrendite erwirtschaften muss, die deutlich oberhalb der von risikofreien Anlageformen liegt.

  • Überzeugende Begründung
  • Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Betriebsrat in solchen Fällen darauf drängen, den Personalabbau so "sozialverträglich" wie möglich zu gestalten – heißt auf deutsch: ohne betriebsbedingte Kündigungen. Das ist kein unanständiges Ansinnen, aber in der Praxis oftmals schwer zu realisieren, weil genau die Mitarbeiter, für die man keine Beschäftigung mehr hat, meistens auch außerhalb die wenigsten Beschäftigungsalternativen haben. Das gilt besonders für gering qualifizierte Tätigkeiten, für die es in den klassischen Industriestaaten eine seit Jahrzehnten sinkende Nachfrage gibt. Trotzdem ist es, wenn der Zweck des Personalabbaus primär in einer (legitimen und betriebswirtschaftlich vielleicht sogar zwingend erforderlichen) Verbesserung der Eigenkapitalrendite besteht, nur fair, den Interessenausgleich zwischen den betroffenen Arbeitnehmern und dem Unternehmen in einer großzügigeren und geduldigeren Weise anzugehen, als wenn es darum geht, eine akut existenzbedrohende Krise abzuwenden.

  • Echter "Interessen- ausgleich"
  • Sinnvoll ist in jedem Fall, sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen möglichst großen Teil des Personalabbaus auf anderen Wegen als über betriebsbedingte Kündigungen zu realisieren. Das beginnt mit dem Nutzen der "natürlichen Fluktuation": Selbst in Zeiten eines schwierigen Arbeitsmarktes sind es je nach Branche und Unternehmen zwischen 3 und 10 Prozent der Belegschaft, die jährlich teils aus Altersgründen, teils aus persönlichen Motiven ausscheiden. Zusätzlicher Spielraum lässt sich oft durch die Nutzung von Vorruhestandsregelungen bzw. Altersteilzeit gewinnen. Zwar passen die Anforderungen der frei werdenden Stellen nicht immer mit den Qualifikationen der Mitarbeiter zusammen, doch oft lässt sich hier mit einiger Anstrengung von beiden Seiten eine Brücke bauen.

  • Alternativen zu Kündigungen
  • Kurzarbeit ist (nur) dann eine Lösung, wenn das Auslastungsloch aller Voraussicht nach nur vorübergehend ist. Immerhin lassen sich damit Auslastungslücken von einem halben bis einem vollen Jahr überbrücken. Das Angebot von "Fluktuationsanreizen" – also von Prämien für ein freiwilliges Ausscheiden – und Aufhebungsverträgen kann ebenfalls eine sinnvolle Sache sein, trotz mancher Komplikationen, die es mit sich bringt, weil sich nicht selten "die Falschen" zum Ausscheiden bereit erklären. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass das freiwillige (!) Unterschreiben eines Aufhebungsvertrags für die Betroffenen deutlich weniger belastend ist als eine Kündigung, einfach weil sie ihrer Situation dann nicht ohnmächtig ausgeliefert sind, sondern bis zu einem gewissen Grade Herren ihres eigenen Schicksals bleiben.

  • Kurzarbeit und Fluktuationsanreize
  • Dieses Bemühen um einen fairen Ausgleich (samt der daraus entstehenden Mehrkosten) erscheint manchen Managern, die sich selbst für "knallhart" halten, diese Härte aber hauptsächlich den Brettern vor ihrem Kopf verdanken, als nerviges Sozialgedusel, das "typische Gelaber harmoniesüchtiger Warmduscher". Wenn es nach ihnen ginge, würde das Unternehmen "eiskalt" sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen – und mithilfe cleverer Anwälte am liebsten noch mehr –, um die "redundanten Köpfe" möglichst rasch und billig loszuwerden, gerne auch zu Lasten der Sozialkassen.

    Klar kann man, um nur einen beliebten Trick zu nennen, sämtliche Spesenabrechnungen der letzten Jahre überprüfen und diejenigen, bei denen sich Ungereimtheiten nachweisen lassen, fristlos kündigen. Das spart eine Menge an Abfindungen – oder erhöht zumindest die Kompromissbereitschaft beim Gespräch über einen Auflösungsvertrag. Aber: Wer so vorgeht, wird einen hohen Preis dafür bezahlen. Denn die verbleibenden Mitarbeiter, aber oft auch Kunden, Händler und Lieferanten, bekommen ja mit, mit welchen Mitteln hier gearbeitet wird, und ziehen ihre Lehren daraus. Das verändert fundamental die Geschäftsgrundlage für die weitere Zusammenarbeit. Appelle an Loyalität, "unternehmerisches Denken" und "Commitment" kann man sich ab diesem Tag sparen – sie lösen nur noch Zynismus und höhnische Bemerkungen aus.

  • Der Preis eines "knallharten" Vorgehens
  • Das gesamte Unternehmen und sein Umfeld sind betroffen

     

    Wer einen Personalabbau ohne bleibende Schäden realisieren möchte, muss sich zunächst klarmachen, dass die Zahl der Betroffenen weit über diejenigen hinausgeht, die ihren Job verlieren. Zwar ist das Umfeld nicht in gleicher Härte betroffen wie die Gekündigten selbst, aber das ändert nichts daran, dass die Entlassungen zumindest indirekt auch sie (be)treffen. Das beginnt mit den Vorgesetzten, die die Kündigung aussprechen und die veränderte Situation sowohl operativ als auch menschlich bewältigen müssen; es geht weiter mit den Kollegen, die nach langen Jahren der Zusammenarbeit nun plötzlich zu Konkurrenten um die Sozialauswahlpunkte geworden sind. Möglicherweise standen sie selbst auf der Kippe, oder sie fühlen sich als Ältere schuldig, weil sie Jüngeren die Plätze wegnehmen. Und plötzlich wissen viele nicht mehr, wie sie mit den gekündigten, aber immer noch anwesenden Kollegen umgehen sollen, und vermeiden aus Befangenheit den Kontakt – was von den Betroffenen oft als Ausgrenzung und damit als zusätzliche Härte empfunden wird.

  • Vorgesetzte und Kollegen


  • Abb.: Mehr Betroffene als auf den ersten Blick ersichtlich

     

    Weiter betrifft der Abbau natürlich auch den Betriebsrat. Er steckt in dem Dilemma, einerseits möglichst viel für die entlassenen Kollegen herauszuholen, andererseits die Sanierung des Unternehmens nicht in Gefahr zu bringen. Oft hat er aber auch Angst, Fehler zu machen und sich bei einem zu "weichen" Verhalten dem Vorwurf der Kollegen auszusetzen, sich nicht genügend für sie eingesetzt zu haben.

    Weiter betrifft der Abbau zahlreiche betriebliche Funktionen – wie zum Beispiel die Qualitätssicherung, die unvermittelt mit der Frage konfrontiert wird, wie denn unter solchen Rahmenbedingungen "Qualität" erzeugt werden soll. Aber er betrifft auch Kunden, Händler und Lieferanten: Manche verlieren vielleicht ihre Ansprechpartner, andere sehen sich möglicherweise mit Ansprechpartnern konfrontiert, die zutiefst verunsichert (oder auch aufs Äußerste empört) sind, und unter den gegebenen Umständen vielleicht nicht in der Lage, vielleicht auch nicht mehr bereit sind, die gewohnten Leistungen des Unternehmens zu gewährleisten: "Ich habe schon dreimal in der Produktion nachgefragt, aber immer noch keine Antwort bekommen ..."

  • Innen- und Außenwirkungen
  • Auch im sozialen Umfeld der Betroffenen lösen die Entlassungen Turbulenzen aus, vor allem natürlich in den Familien und deren engerer Umgebung. In ländlichen Regionen strahlen sie rasch auch auf Vereine, den Einzelhandel, das Handwerk und die Gastronomie ab. Das wiederum ruft unter Umständen Medien und Politik auf den Plan, mit der Folge, dass die Geschäftsleitung auf einmal Journalisten, Bürgermeister und Landtagsabgeordnete am Telefon hat. Wie sie damit umgeht, wirkt wiederum nicht nur auf das Image des Unternehmens zurück, sondern unmittelbar auch auf das Klima im Hause.

    In Familienunternehmen sieht sich dadurch möglicherweise auch die Eigentümer zu Interventionen veranlasst: Sie können sich einerseits dem ökonomischen Handlungsdruck nicht entziehen, sind andererseits oft noch von einem Gefühl patriarchalischer Verantwortung für die "Betriebsfamilie" geprägt und empfinden die Entlassungen möglicherweise eingestandener- oder uneingestandenermaßen schmerzlich als Ausdruck eigenen Versagens als Unternehmer. Wer diese Komplexität übersieht und sich primär auf die möglichst geräuschlose "Entsorgung" der "freizusetzenden" Mitarbeiter konzentriert, wird zwar mit etwas Glück die Kostensenkungsziele erreichen, könnte aber größte Schwierigkeiten bekommen, das Unternehmen nach dem Abbau wieder "in Schwung zu bekommen".

  • Öffentlichkeit und Politik

  • Change! - 20 Fallstudien Zahlreiche Fallbeispiele zu den unterschiedlichsten Typen von Change-Projekten finden Sie in meinem Buch "Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung" (Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage 2015). Es vermittelt Ihnen einen breiten Überblick über die unterschiedlichsten Arten von Veränderungsprozessen und zeigt Ihnen, worauf es jeweils ankommt, um Ihre Change-Vorhaben zum Erfolg zu führen.

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  • Buch "Change!"
  • Ein Trauerprozess und seine Bewältigung

     

    Der emotionale Verlauf einer Massenentlassung hat deutliche Parallelen zu einem Trauerprozess, wie er etwa bei einem Todesfall oder bei einer privaten Trennung stattfindet und wie er von der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross beschrieben wurde. (Etwas makaber ist, dass auch die vielzitierte Veränderungskurve dieser Sterbekurve nachempfunden ist.) Auf den ersten Schock (Phase 1) folgt dabei oft eine Phase der Verdrängung und des Nicht-Wahrhaben-Wollens, in denen die Betroffenen sehr gefasst und scheinbar emotionslos "funktionieren". Dieses Verdrängen eines bevorstehenden Einschnitts scheint im Kollektiv noch besser zu gelingen als allein: Offenbar vermitteln die Mitarbeiter, wenn der erste Schock abgeklungen ist, sich gegenseitig ein durchaus trügerisches Gefühl von Normalität – jedenfalls dann, wenn der bevorstehende Personalabau nicht durch aktuelle Informationen, durch die Intervention von Interessenverbänden oder durch eine anhaltende Diskussion in den Medien aktiv im Bewusstsein gehalten wird.

  • Schock und Verdrängung
  • Die Phase der Verdrängung endet abrupt spätestens dann, wenn die Geschäftsleitung und der Betriebsrat den ausgehandelten Sozialplan vorstellen oder, oft noch schockierender, wenn die Mitarbeiter den Erfassungsbogen für die Sozialauswahl erhalten. Eine solche Datenerfassung ist meist erforderlich, weil die Betriebe in der Regel nicht alle erforderlichen Daten zu Verfügung haben, um die vom Gesetz vorgegebenen Kriterien der Sozialauswahl bewerten zu können: Sie wissen natürlich das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sind aber nicht bei allen Mitarbeitern über bestehende Unterhaltsverpflichtungen und auch nicht zwangsläufig über ihren Grad der Schwerbehinderung informiert.

    Da diese Daten aber die gesetzliche Grundlage der Sozialauswahl bilden – und damit Anfechtungsgründe für die Rechtmäßigkeit der Kündigungen liefern –, müssen in die Erfassung deutlich mehr Personen einbezogen werden als hinterher von der Kündigung betroffen sind. Das führt aber fast zwangsläufig dazu, dass jeder Mitarbeiter, der diesen Bogen zum Ausfüllen oder Überprüfen erhält, hautnah und persönlich mit den bevorstehenden Entlassungen konfrontiert wird und beinahe unweigerlich darüber zu grübeln beginnt, was denn wäre, wenn es sie oder ihn träfe.

  • Vorbereitung Sozialauswahl
  • Bald danach folgen in aller Regel auch die Trennungsgespräche und/oder der Versand der "blauen Briefe". Immer wieder berichten Mitarbeiter, dass sie in dieser Zeit kaum noch in den Briefkasten zu schauen wagten – ein Indiz dafür, wie belastend die Ungewissheit, aber auch die Angst vor der Gewissheit sein kann. Auch wenn die meisten es bereits geahnt haben oder darauf vorbereitet sind, ist die Kündigung für manche der Betroffenen ein Schock. Zwar sind die Kriterien der Sozialauswahl ja bekannt, sodass man sich im Grunde ziemlich genau ausrechnen kann, wie weit oben oder unten man auf der Liste steht. Trotzdem schließt sich hier bei vielen eine Phase der starken Emotionen – Schmerz, Angst, Wut, Auflehnung, Zorn – an, die erst nach einigen Wochen allmählich in ein Akzeptieren der Realität und in eine persönliche Neuorientierung übergeht. Je nach Persönlichkeit gehen die Betroffenen sehr unterschiedlich mit dieser Situation um: Viele wirken (fast) wie immer, manche, als ob sie unter einer Dosis Valium stehen würden; bei einigen ist das vielleicht auch tatsächlich der Fall.

  • Kündigungen und Emotionen
  • Auch für die Vorgesetzten ist das eine schwierige Zeit. Sie sollten auf Stimmungsschwankungen und eine erhöhte Reizbarkeit vorbereitet sein, unter Umständen auch auf persönliche Vorwürfe und Schuldzuweisungen – einfach weil viele Mitarbeiter die Vorgesetzten mit dem Unternehmen identifizieren und ihren Ärger und ihre Enttäuschung "personalisieren". Wichtig ist, eventuelle Vorhaltungen und Angriffe nicht persönlich zu nehmen, sondern aus Ausdruck des inneren Aufruhrs zu verstehen. Entsprechend bringt es nichts, darauf mit Rechtfertigungen oder langen Erklärungen zu reagieren – und erst recht nicht mit Gegenangriffen oder Vorwürfen. Noch verwirrender ist, dass die gleichen Personen, die noch vor ein paar Stunden ausgesprochen schroff und abweisend aufgetreten sind, nun plötzlich nach Zuwendung und emotionaler Unterstützung suchen.

  • Stimmungs- schwankungen
  • Auch der alltägliche Umgang bekommt seine Tücken, zumal jedes harmlose "Wie geht's?" leicht einen Beiklang von "Tut es noch weh?" bekommt und deshalb möglicherweise als taktlos empfunden wird und unerwartet heftige Reaktionen auslösen kann. Was bei manchen Mitarbeitern wiederum die Unsicherheit im Umgang mit den Betroffenen verstärkt und in eine ungewollte Ausgrenzung münden kann: Man geht ihnen aus dem Weg, weil man nicht weiß, wie man sich ihnen gegenüber verhalten soll.

    Die Vorgesetzten tun hier gut daran, für größtmögliche "Normalität in der Unnormalität" zu sorgen und die betreffenden Mitarbeiter genau wie alle anderen einzusetzen und zu behandeln – schließlich besteht ja auch ihr Arbeitsverhältnis noch fort. Trotz all dieser Schwierigkeiten und Belastungen halte ich jedoch eine sofortige Arbeitsfreistellung der gekündigten Mitarbeiter, wie sie zuweilen empfohlen wird, bei betriebsbedingten Kündigungen in aller Regel weder für sinnvoll noch für notwendig – ganz abgesehen davon, dass sie oft auch aus betrieblichen Gründen gar nicht möglich ist.

  • Möglichst "normaler" Umgang
  • Kleine Gesten können das Klima verbessern

     

    Die Frage, wie das Unternehmen mit den gekündigten Mitarbeitern umgeht, ist auch deshalb so wichtig, weil sie eine zentrale Rolle für die künftige Motivation und Loyalität der verbleibenden Mitarbeiter spielt. Viele von ihnen beobachten aus den Augenwinkeln sehr aufmerksam, wie sich das Management verhält – nicht bloß aus Mitgefühl, sondern auch weil sie wissen wollen, worauf sie selbst im "Ernstfall" gefasst sein müssten. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, dass alles perfekt und fehlerfrei gemacht wird, sondern welcher "Geist", welche Einstellung zu den Mitarbeitern, hinter dem Verhalten spürbar wird. Auch aus diesem Grund ist es ratsam, den Mitarbeitern durch Taten zu beweisen, dass dem Management das Schicksal der Betroffenen nicht gleichgültig ist, auch wenn sie ihnen in der Regel weder einen neuen Job beschaffen können noch eine andere Finanzierung ihres Lebensunterhalts.

  • Der "Testfall" auch für die Verbleibenden
  • Manche dieser Maßnahmen werden vielleicht schon Bestandteil des Sozialplans sein, wie zum Beispiel das Angebot des Wechsels in eine Transfergesellschaft. Andere können zusätzlich vom Unternehmen oder auch gemeinsam von Arbeitgeber und Betriebsrat angeboten werden:
    Umfassende Information und Beratung zu Sozialauswahl und Aufhebungsverträgen;
    Fluktuationsanreize;
    Anreize für Wechsel auf Teilzeitarbeit oder befristete Arbeitspausen ("Sabbaticals");
    Flexibilität bei betrieblichen Darlehen;
    Seminare / Workshops zur Sondierung beruflicher Alternativen (von der Überprüfung des eigenen "Marktwerts" bis zum Härtetest von Ideen für eine eventuelle Selbständigkeit);
    "Jobbörse" mit internen Stellenausschreibungen benachbarter oder befreundeter Unternehmen;

    Gruppen-Outplacement auch für einfache Mitarbeiter und mittlere Führungskräfte.

  • Zusätzliche Angebote
  • Gerade wenn der Personalabbau nicht in einer wirtschaftlich bedrängten Situation stattfindet, sondern zur Verbesserung der Profitabilität, kommt es sehr schlecht an, wenn sich das Unternehmen gegenüber den Ausscheidenden als knauserig erweist. Bei aller Großzügigkeit im Detail muss aber "gleiches Recht für alle" gelten, denn wenn die Ausstattung des Abfindungspakets von der Hartnäckigkeit der Betroffenen abhängt, setzt man nicht nur gegenüber den weniger penetranten Verhandlern, sondern auch gegenüber den verbleibenden Mitarbeitern ein falsches Signal. Bei allen Härten und Schmerzen, die eine Entlassungswelle immer mit sich bringt, ist eine gute Leitfrage für das Vorgehen: Wie müssten wir die Betroffenen behandeln, damit das Unternehmen bei einer verbesserten Geschäftslage mit dem Angebot eines neuen Arbeitsvertrags auf die Entlassenen zugehen könnte und viele von ihnen bereitwillig und ohne negativen Beigeschmack in "ihre Firma" zurückkehren würden.

  • Trennung
    im Guten
  • Neuanfang nach der Krise

     

    Die Art, wie die Krise bewältigt wurde, ist die Basis für den "Neuanfang". Schließlich haben soziale Systeme keine "Reset-Taste", mit der man das System, wenn man die Sache verkorkst hat und nicht mehr weiter weiß, einfach neu starten kann. Ein Neubeginn kann daher nicht auf der Basis "Lasst uns vergessen, was geschehen ist!" erfolgen, sondern nur über eine Verarbeitung der gemeinsamen Geschichte. Vor allem wenn der Abbau holprig gelaufen ist und von vielen Mitarbeitern als wenig professionell und wenig fair empfunden wurde, zeigen die "Überlebenden" oft die klassischen Symptome einer Depression: Antriebsarmut, Pessimismus, Schuldgefühle, mangelnde Initiative, Resignation.

    In den USA spricht man hier explizit von einer "Überlebenden-Depression" (survivors' depression). Ein Personalchef sagte mir einmal: "Die Entlassenen haben den Personalabbau besser verkraftet als die Übriggebliebenen." Die Sozialpsychologie kennt hierfür das Syndrom der "gelernten Hilflosigkeit", das von Passivität, eingeschränkter Lernfähigkeit und Niedergeschlagenheit gekennzeichnet ist. Dazu kommt oft auch eine Portion versteckter, oft unbewusster Aggression: Manche Mitarbeiter laufen dann gewissermaßen als "lebender Vorwurf" durch die Gegend.

  • "Überlebenden- Depression"
  • Doch auch wenn der Abbau auf anständige Weise über die Bühne gebracht wurde und die Symptome von Hilflosigkeit und Depression weniger ausgeprägt sind, bedarf es unter Umständen einer "Revitalisierung". Sie besteht letztlich in "Trauerarbeit", aber nicht zuletzt auch aus der gemeinsamen Entscheidung, die Trauerarbeit abzuschließen und wieder zu den Herausforderungen des Lebens zurückzukehren.

    Man kann darauf hoffen, dass sich diese "Vergangenheitsbewältigung" im Laufe der Zeit von alleine ergibt, und mit etwas Glück wird sie das auch tun, zumindest wenn der Abbau nicht allzu "grausam" verlaufen ist. Man kann aber auch versuchen, diesen Prozess zu unterstützen, indem man den Mitarbeitern und Führungskräften die Gelegenheit zu einer gemeinsamen emotionalen Verarbeitung und, darauf aufbauend, zu einer Neuorientierung gibt. Das kann deshalb sehr sinnvoll sein, weil es nicht bloß nach dem "Prinzip Hoffnung" darauf baut, dass jeder Einzelne sinnvolle Schlussfolgerungen aus den gemachten Erfahrungen zieht, sondern Impulse dazu gibt, als Unternehmen insgesamt aus den Erfahrungen zu lernen und auf diese Weise "dem Leiden einen Sinn zu geben".

  • Revitalisierung
  • Da es hierbei aber nicht nur um individuelle, sondern vor allem um eine kollektive Verarbeitung geht, sind weder klassische Workshops noch Einzelcoachings der optimale Weg: Dort kann immer nur eine individuelle, aber keine "soziale Wahrheit" entstehen, also keine gemeinsame Entscheidung, wie man die Vergangenheit bewerten und welche Schlussfolgerungen man aus ihr ziehen will.

    Solch eine gemeinsame Bewertung ist wohl am ehesten in Form einer Großgruppenkonferenz zu erreichen, die von der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation über deren gemeinsamer Bewältigung und "Verabschiedung" bis hin zu einer gemeinsamen Zukunftsorientierung und einem gemeinsamen Commitment reicht. Solch eine Veranstaltung kann schon relativ früh im Gesamtprozess angesetzt werden; Voraussetzung ist im Grunde nur, dass bereits feststeht, wer gehen muss und bis zu welchem Termin. Schon dann wird es sinnvoll, sich gemeinsam mit der Frage auseinanderzusetzen: "Wie gehen wir jetzt mit der veränderten Lage um?"

  • Großgruppen- Veranstaltung erwägenswert

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