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Arbeitsrecht und Mitbestimmung






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Interessenausgleich / Sozialplan: Kompliziertes Verfahren zur Minderung sozialer Ungerechtigkeit

 

Beim Personalabbau im Zuge von Restrukturierung, Turnaround oder Fusion ist relativ schnell die Schwelle zu einer "Massenentlassung" erreicht – nämlich dann, wenn innerhalb von 30 Kalendertagen 30 oder mehr Beschäftigte abgebaut werden sollen. (Für Betriebe unter 500 Mitarbeitern gelten niedrigere Obergrenzen.) In diesem Fall setzt ein relativ kompliziertes rechtliches Verfahren ein, das unbedingt eingehalten werden muss, weil die Kündigungen sonst unwirksam sind.

  • Massen-entlassung
  • Falls eine Firma oder Organisation die Entlassung von mehr als 30 Beschäftigten plant, ist der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz verpflichtet, dem Arbeitsamt diese Absicht vorher (!) mitzuteilen. Außerdem muss er den Betriebsrat umfassend informieren und mit ihm "die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken oder ihre Folgen zu mindern." (§ 17 Abs. 2 KSchG) Dabei zählen nicht nur Kündigungen, sondern auch für Aufhebungsverträge, heißt es doch in Absatz 1 ausdrücklich: "Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden." Lediglich fristlose Kündigungen (die nur bei schweren persönlichen Verfehlungen ausgesprochen werden können) sind nach § 17 Abs. 4 von dieser Regelung ausgenommen.

  • Anzeigepflicht
  • Unterrichtung von Betriebsrat und Arbeitsamt vorgeschrieben

     
    Nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz hat der Arbeitgeber "dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu informieren über
    (1)
    die Gründe für die geplanten Entlassungen,
    (2)
    die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
    (3)
    die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
    (4)
    den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
    (5)
    die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
    (6)

    die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.

  • Auskunft gegenüber Betriebsrat
  • Eine Kopie dieser Mitteilung an den Betriebsrat muss der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 3 seinem Schreiben an das Arbeitsamt beifügen; "sie muss mindestens die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten." Falls die Stellungnahme des Betriebsrats noch nicht vorliegt, muss der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass er ihn mindestens zwei Wochen vor Erstattung dieser Anzeige informiert hat, und über den Stand der Beratungen berichten.

  • Stellungnahme des BR
  • § 18 Abs. 1 KSchG verfügt eine zeitweilige Entlassungssperre: "Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt nur mit dessen Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden." Als Kriterien für die Entscheidung des Arbeitsamts gibt § 20 (4) KSchG vor, "sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch das der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarkts unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehört, zu berücksichtigen."

  • Zeitweilige Entlassungs-sperre
  • Nachteilsausgleich bei "Betriebsänderungen"

     
    Nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz muss das Unternehmen "den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend (...) unterrichten" und sie mit ihm beraten. Als Betriebsänderungen werden dabei in § 111 Abs. 1 ausdrücklich genannt:
    (1)
    Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
    (2)
    Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
    (3)
    Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
    (4)
    grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
    (5)

    Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

  • Fünf Fälle
  • Allerdings ist das keine abschließende Aufzählung; vielmehr unterliegen auch andere Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft nach sich ziehen können, wie etwa eine Reduzierung der Arbeitszeit, der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dabei muss nicht der Betriebsrat den Nachweis erbringen, dass die geplante Betriebsänderung Nachteile für die Beschäftigten bringt, und es nützt dem Arbeitgeber auch nichts, wenn er dies bestreitet. Vielmehr unterstellt der Gesetzgeber als „Fiktion“, dass Betriebsänderungen Nachteile bringen können – mit der Folge, dass bei Vorliegen einer Betriebsänderung automatisch und in jedem Fall eine Mitbestimmungspflicht eintritt.

  • Keine abschließende Aufzählung
  • In all diesen Fällen muss das Unternehmen mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan abschließen, das heißt "eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen" (§ 112 Abs. 1).

  • Konsequenz Sozialplan
  • Etwas verwirrend ist, dass der Gesetzgeber im Betriebsverfassungsgesetz andere Schwellenwerte für Massenentlassungen festgelegt hat als im Kündigungsschutzgesetz. Nach § 112a Abs. 1 BetrVG gibt es einen erzwingbare Sozialplan bei Personalabbau nur, wenn "in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 60 Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden sollen". Auch hier gelten für kleinere Betriebe niedrigere Schwellenwerte. Von diesen Regelungen völlig ausgenommen sind Unternehmen in den ersten vier Jahren nach der Betriebsaufnahme (nicht jedoch Änderungen der Rechtsform und Portfolio-Management von Konzernen).

  • Unterschiedli-
    che Schwellen
  • Notfalls entscheidet die Einigungsstelle

     

    Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet nach § 112 Abs. 4 die Einigungsstelle. Das ist ein Gremium, das sich paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern sowie einem unparteiischen Vorsitzenden, in der Regel einem pensionierten Arbeitsrichter, zusammensetzt. "Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat." (§ 112 Abs. 4) Das Betriebsverfassungsgesetz gibt der Einigungsstelle in § 112 Abs. 5 drei Grundsätze mit auf den Weg, von denen sie sich leiten lassen soll:

    1.

    Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen (...)

    2.

    Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis (...) weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; (...)

    3.

    Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden."

  • Einigungsstelle
  • Der Betriebsrat wird es der Geschäftsleitung in der Regel nicht leicht machen. Er wird sie öffentlich mit scharfen Angriffen und schwersten Vorwürfen überhäufen, die ärgerlich, kränkend und möglicherweise ehrverletzend sind – schon um seinen Wählern zu beweisen, dass er den Abbau nicht tatenlos hinnimmt. In jedem Fall aber wird er versuchen, die Zahl der zu Entlassenden so weit wie möglich zu drücken und für die Betroffenen eine möglichst hohe Abfindung herauszuschlagen – insbesondere dann, wenn es für das Unternehmen nicht ums nackte Überleben geht (Turnaround), sondern "lediglich" um eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit oder der Eigenkapitalrendite durch Sparmaßnahmen und Personalabbau.

  • Harte Ausein-
    andersetzung
  • Einigung unbedingt ratsam

     

    Trotz des aufgeheizten Klimas sollte die Geschäftsleitung anstreben, mit dem Betriebsrat nach Möglichkeit zu einer Einigung zu kommen. Denn bis zur Unterschrift des Betriebsrats unter den Interessenausgleich (oder deren Ersetzung durch Spruch der Einigungsstelle) ist das Unternehmen komplett handlungsunfähig: Bis dahin dürfen keinerlei Maßnahmen umgesetzt werden, die irgendeinen Bezug zu dem Personalabbau haben. Genau genommen dürfen nicht einmal Aufhebungsverträge mit Mitarbeitern und Führungskräften abgeschlossen oder Beschäftigte zur externen Bewerbung ermutigt werden.

  • Gefahr der Handlungs-unfähigkeit
  • An dieser Stelle ist die Unterscheidung von Interessenausgleich und Sozialplan wichtig, auch wenn die beiden sonst fast immer in einem Atemzug genannt werden. Denn die Verhandlungen über den Interessenausgleich haben aufschiebende Wirkung, die über den Sozialplan dagegen nicht. Daher darf der Arbeitgeber nicht mit der Umsetzung der beabsichtigten (Personal-)Maßnahmen beginnen, solange es keinen unterschirebenen Interessenausgleich gibt. Dagegen kann mit der Umsetzung begonnen werden, bevor der Sozialplan unter Dach und Fach ist. Der Gesetzgeber hält den Einigungsdruck auf den Arbeitgeber also bis zu einer grundsätzlichen Einigung hoch, lässt ihm aber für das Aushandeln der Einzelheiten mehr Raum.

  • Aufschiebende Wirkung
  • Der Betriebsrat kann das in gewissen Grenzen nutzen, um den Arbeitgeber durch die Verweigerung seiner Unterschrift unter den Interessenausgleich unter Druck zu setzen. Im Prinzip könnte er das ausreizen, bis der Arbeitgeber schließlich die Einigungsstelle anruft – und dann noch weiter, bis nach einigen ergebnislosen Verhandlungsrunden der Vorsitzende der Einigungsstelle schließlich (bei Stimmenpatt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern) seinen Spruch fällt. Auf diese Weise könnte er bis zu etwa einem halben Jahr "quälen", in Ausnahmefällen – wenn er es schafft, damit über einen wichtigen Kündigungstermin hinaus zu kommen – sogar noch länger. Das wäre für das Unternehmen eine ziemliche Katastrophe, denn es würde nicht nur der Motivation der Belegschaft erhebliche Schäden zufügen, sondern könnte auch etliche Leistungsträger zum Absprung veranlassen und die Handlungsfähigkeit des Unternehmens nach innen und außen lahm legen.

  • Zeitspiel möglich
  • Doch so weit wird er es meistens nicht treiben, weil das eigentliches Ziel des Betriebsrats ja in der Regel nicht die Verschleppung und das Quälen des Arbeitgebers ist, sondern ein vorteilhafter Interessenausgleich. Dennoch hat der Arbeitgeber angesichts dieser Handlungsoptionen kein wirkliches Interesse daran, hart zu verhandeln, um auf der finanziellen Seite das Letzte herauszuholen: Er muss abwägen zwischen einer schnellen Einigung zu einem (relativ) hohen Preis und erheblichen zeitlichen Verzögerungen und einem etwas günstigeren Preis, der vom Vorsitzenden der Einigungsstelle festgelegt wird (und damit letztlich schwer kalkulierbar ist). Eine gewisse Großzügigkeit empfiehlt sich daher nicht nur aus menschlichem Anstand gegenüber den Betroffenen, sondern auch, um mit der Umsetzung voranzukommen und einer viertel- bis halbjährige Lähmung zu entgehen.

  • Besser eine zügige Einigung
  • Bei der Umsetzung des Personalabbaus bringt ein Sozialplan jedoch eine wesentliche Erleichterung: Sofern er festlegt, welche sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter zu berücksichtigen sind und wie sie im Verhältnis zueinander zu gewichten sind (und damit eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 BetrVG darstellt), kann die getroffene Auswahl vom Arbeitsgericht nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 4 KSchG). Falls dagegen kein Sozialplan vorliegt, prüft das Gericht die Auswahl im Einzelfall im Detail nach.

  • Vorteile eines Sozialplans
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