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Fusion / Übernahme / Post-Merger-Integration: Die Kunst der Zusammenführung |
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Aus gutem Grund sind Fusion, Übernahme und Integrationsprozesse in unserer Typologie der Veränderungsprozesse in unmittelbarer Nachbarschaft von Turnaround und Kostensenkung angesiedelt. Auch hier ist der Angstpegel in den Belegschaften hoch,
wobei vier Besonderheiten der Situation brisant machen: |
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- Erstens die Frage, wer Gewinner und wer Verlierer
der Fusion ist (wobei das übernommene Unternehmen bei der Verliererrolle
normalerweise den Vortritt hat). Deshalb werden Übernahmen
auch häufig als "Merger of Equals" (Fusion von Gleichen) getarnt , bei der es angeblich darum geht, "the best of both worlds" in das neue fusionierte Unternehmen mizunehmen. Was gut klingt, das Misstrauen indes allenfalls vorübergehend
dämpft.
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- Zweitens die Tatsache, dass in der ersten Zeit nach
der Fusion in der Regel noch nicht alle Führungspositionen besetzt
sind. Dies führt zu erheblicher Verunsicherung sowohl bei den
in Frage kommenden Führungskräften als auch bei deren
Mitarbeitern. Und während einige versuchen, "Business
as usual" zu machen, versuchen andere, sich durch die unterschiedlichsten
Manöver in eine möglichst vorteilhafte Position für
die Stellenbesetzung zu bringen.
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Laufende Stellenbesetzungen
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- Drittens, dass es bei der Umsetzung einer Fusion
keine "unpolitischen Entscheidungen" gibt: In den Augen
der internen Beobachter wird jede Position entweder mit "einem
von unseren Leuten" oder mit "einem von den anderen"
besetzt. Und das ganze Unternehmen zählt mit. Das gleiche gilt
für Standorte, IT-Systeme und alles andere, wo "die"
anders sind als "wir".
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- Viertens der Umstand, dass der "Autopilot" der sozialen Dynamik auf einen Kultur-Clash hinsteuert. Das heißt, wenn das Top-Management nicht aktiv auf eine faire Zusammenarbeit und eine kulturelle Integration hinarbeitet, werden sich die "zwangsverheirateten" Unternehmen nicht zusammenraufen, sondern sich in feindseliger Weise gegeneinander abgrenzen und so wenig wie möglich zusammenarbeiten. Diese Eigendynamik hin zu einer Lagerbildung ist nur durch ein aktives Integration Management zu verhindern.
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Autopilot auf Kultur-Clash
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Belastende Ungewissheit |
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Das Problem des Top-Managements ist, dass es in den ersten Wochen
auf viele Fragen der Mitarbeiter selbst noch keine Antwort hat.
Dies offen zu sagen und dann noch einen Termin zu nennen, wann die
Antwort gegeben werden kann, ist freilich schon ein wichtiger erster
Schritt, um etwas Ruhe in den Laden zu bringen. Denn eine bewährte Regel lautet: "Prozesskommunikation, wo (noch) keine inhaltliche Kommunikation möglich ist". Zu deutsch: Wenn du die drängenden inhaltlichen Fragen (noch) nicht beantworten kannst (= Inhalte=), erkläre wenigstens, wann und wie sie beantwortet werden (= Prozess). |
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Das Wichtigste bei einer Fusion sind neben einem klaren
strategischen Konzept schnelle Entscheidungen und entschlossenes
Handeln. Nirgendwo ist die Regel richtiger als hier, dass, wer schnell
entscheidet, zwar mehr Fehler macht, aber auch mehr Zeit hat, seine
Fehler zu korrigieren. Insbesondere Organisations- und Personalentscheidungen müssen, wenn sie nicht schon im Vorfeld der Fusion vorbereitet
wurden, schnellstmöglich getroffen werden, notfalls auch nachts und
am Wochenende. Dabei muss immer auch darauf geachtet werden, dass
keines der beiden Unternehmen zum Verlierer wird. Denn sonst packen die besten Mitarbeiter des Verlierers unverzüglich die Koffer. |
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Ebenso wichtig wie rasche Entscheidungen ist deren rasche und überzeugende Kommunikation. Denn nicht allein die Fakten zählen, sondern
vor allem, wie sie von den Belegschaften wahrgenommen werden. Direkte,
offene und zugleich deutliche Kommunikation ist hier besonders wichtig,
weil starker "Gegenwind" zu erwarten ist. Denn bei einer
Fusion oder Übernahme gibt unvermeidlich auch Verlierer, weil zum Beispiel in den Führungspositionen mehr Kandidaten zur Wahl stehen als verfügbare Stellen. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit werden einige der Verlierer versuchen, ihre persönliche
Niederlage durch die Behauptung einer "objektiven" Benachteiligung
zu begründen, um ihr Gesicht zu wahren oder auch um sich zu rächen.
Sie finden ein aufmerksames Publikum in den zahlreichen verunsicherten
Mitarbeitern aus dem gleichen Ursprungsunternehmen, die nur allzu
bereit sind, jede schlechte Nachricht für bare Münze zu
nehmen. |
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Deshalb gilt es, hier auf eine spezielle Paradoxie vorbereitet zu
sein: Auch wenn Sie sich bei den Entscheidungen um größtmögliche
Sachgerechtigkeit und Fairness bemühen, wird das nicht unbedingt
anerkannt oder honoriert werden. Wenigstens ein Teil der Betroffenen
wird Ihnen trotzdem direkt oder indirekt den Vorwurf von Einseitigkeit
und mangelnder Fairness machen. So werden Ihnen möglicherweise
Mitarbeiter aus Ihrem Ursprungsunternehmen mitteilen, dass die "andere
Seite" an die Stellenbesetzungen leider nicht mit der gleichen
Fairness heranginge wie Sie, sondern dass sie ihre Leute gezielt
bevorzugen würden; der unausgesprochene Vorwurf lautet also,
dass Sie mit Ihrer Fairness de facto die "eigenen Leute" benachteiligen
würden. Verstehen Sie diese Vorwürfe als das, was sie sind: Als einen Versuch, Druck auf Sie auszuüben, um Ihre Entscheidungen
im eigenen Sinne zu beeinflussen. Lassen Sie sich davon also weder
beirren noch gar erpressen! |
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Mehr über das Management von Fusionen und Übernahmen finden Sie in unserem
Special: Post-Merger-Integration |
Ausführliche Informationen
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© 2002 Winfried Berner / letzte Aktualisierung 29.7.2015 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen.
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