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Großveranstaltungen: Die gleiche Message an alle |
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Wichtige Nachrichten müssen persönlich überbracht werden – wenn
einzelne Personen (besonders) betroffen sind, in
Vier-Augen-Gesprächen, wenn es um das
gesamte Unternehmen oder um einzelne Bereiche geht, in Form einer
Informationsveranstaltung
oder Großveranstaltung. Alles andere würde entweder als Missachtung
empfunden, oder es weckte es Zweifel an der Bedeutung und Ernsthaftigkeit
der ganzen Angelegenheit. |
Persönliche Kommunikation |
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Viele Manager und Berater haben vor Großveranstaltungen einen Heidenrespekt:
Urinstinkte warnen uns vor der "Gefahr", uns vor so vielen Menschen
auf einmal zu exponieren. Der Respekt ist berechtigt – die Vermeidung
nicht: Großveranstaltungen sind ein überaus wichtiges und wirksames
Instrument im Change Management. |
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Klar, wenn eine Großveranstaltung aus dem Ruder läuft, wenn die
Stimmung umkippt, hat man ein wirkliches Problem. Das macht eine
sorgfältige Vorbereitung von Inhalten und Dramaturgie
erforderlich, doch darf es kein Grund sein, Großveranstaltungen
zu vermeiden. Denn was sind die Alternativen? Entweder (1) schriftliche
Mitteilungen oder (2) indirekte Kommunikation über die Führungshierarchie
oder (3) die Aufteilung auf mehrere kleinere Veranstaltungen. |
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Aufteilung auf kleinere Veranstaltungen ist problematisch |
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Schriftliche Kommunikation ist für wichtige Botschaften ungeeignet,
weil die Normalität eines Rundschreibens
oder einer Mail die Besonderheit und Ernsthaftigkeit des Inhalts
nicht transportiert. Die Kommunikation über die Führungskaskade
funktioniert in den meisten Unternehmen mehr schlecht als recht,
so dass sie für die Übermittlung zentraler Botschaften ausscheidet, besonders wenn es auf Konsistenz ankommt. |
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Die Aufteilung auf mehrere kleinere Veranstaltungen (zum Beispiel
Bereichs- oder Teilbelegschaftsversammlungen) hat auch ihre Tücken.
Manchmal lässt sie sich aus technischen Gründen nicht vermeiden
– dann muss man es eben so machen. Wo es sich jedoch vermeiden lässt,
sprechen viele Gründe dafür, lieber eine Großveranstaltung zu machen
als mehrere kleine. Erstens müsste man ziemlich viele kleinere Veranstaltungen durchführen,
um einen wirklichen Effekt von der Aufteilung zu haben: Ob man 600
Leute in einem Raum hat oder in drei Veranstaltungen jeweils 200,
ist für Gestaltung und Verlauf kein fundamentaler Unterschied. Damit
der Charakter der Veranstaltung etwas persönlicher wird, müsste
man wohl mindestens auf unter die 100 Teilnehmer pro Veranstaltung
kommen. Ob man aber wirklich 6, 8 oder gar 10 kleinere Veranstaltungen
durchführen will und kann, ist die Frage. |
Aufteilung auf mehrere
kleinere Veranstaltungen |
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Zweitens sprechen die Teilnehmer der ersten Veranstaltungen natürlich
mit ihren Kollegen, sodass man um so mehr vorinformierte Teilnehmer
in einer Veranstaltung sitzen hat, je weiter die Zeit voranschreitet. Das
verändert sowohl den Verlauf als auch die Atmosphäre. Drittens kommen
bei einer Aufteilung niemals identische Veranstaltungen heraus:
Die Tagesform der Redner, Lern- und Wiederholungseffekte, aber auch
Vorinformationen und die jeweils unterschiedliche Atmosphäre führen
immer zu unterschieden Verläufen. Was zur Folge hat, dass die Veranstaltungen
von den Teilnehmern ganz unterschiedlich wahrgenommen und erlebt
werden. |
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Deshalb ist das Resultat solcher Veranstaltungsreihen trotz des
hohen Aufwands oftmals merkwürdig diffus; das angestrebte Ziel,
eine klare und überzeugende Message an die gesamte Belegschaft zu senden,
wird in aller Regel nicht erreicht. Infolgedessen geht von solchem
"Change Management auf Raten" auch keine Aufbruchsstimmung aus.
Wenn es also darum geht, die gesamte Organisation mit einer einheitlichen
Message zu erreichen und zu bewegen, gibt es zu Großveranstaltungen
keine wirkliche Alternative. |
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Außerdem haben Großveranstaltungen noch einen zusätzlichen Nutzeffekt:
Danach weiß jeder Teilnehmer, dass alle seine Kollegen exakt die gleichen
Informationen bekommen und die selbe Stimmung miterlebt haben. Dies
schafft eine neue gemeinsame Realität, auf der man in der Folge
aufbauen kann (
Synchronisierung).
Jeder Mitarbeiter kann sich in der weiteren Zusammenarbeit darauf
verlassen, dass die anderen – einschließlich des eigenen Chefs und
der Kollegen aus anderen Abteilungen – auf dem gleichen Stand sind,
und sich darauf nötigenfalls auch berufen. |
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"Massenpsychologie": Positive Rückkopplung nutzen |
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Wegen der hohen Teilnehmerzahl sind Großveranstaltungen zwangsläufig
von Ein-Weg-Kommunikation geprägt; interaktive Elemente beschränken
sich auf Handzeichen, kollektive "Ja"- bzw. "Nein"-Antworten und
gegebenenfalls auf Beifall oder Buh-Rufe. Zwar wird von Ruth Cohn,
der Begründerin der "Themenzentrierten Interaktion" (TZI) berichtet,
dass sie auch mit 2 – 3.000 Teilnehmern interaktive Arbeitsformen
erfolgreich praktiziert habe, doch das ist wohl eher eine Sache
für Spezialisten. |
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Wichtiger als krampfhaftes Bemühen um Interaktivität ist, das suggestive
Potenzial einer Großveranstaltung voll zu nutzen. Soll heißen, die
wertvolle Zeit nicht mit langweiliger Sachinformation zu vertrödeln,
sondern die Gefühle und das Wollen der Mitarbeiter anzusprechen.
Eine Großveranstaltung ist zu schade, um Details zu vermitteln,
die man genauso gut mit einem Handout oder einem Rundschreiben
weitergeben könnte; ihr großes Potenzial liegt darin, nicht nur
die Köpfe, sondern die Herzen der Teilnehmer zu erreichen. |
Suggestives Potenzial
nutzen |
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Damit dies gelingt, sollte eine Großveranstaltung nicht von Präsentationen
geprägt sein, sondern vor allem von Reden,
in denen das Top-Management und eventuell der Leiter des Gesamtprojekts den Handlungsbedarf
deutlich macht, seine Veränderungsziele
und seine Veränderungsstrategie
vorstellt – und dafür kämpft, dass ihm die Mitarbeiter auf diesem
Weg folgen. |
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Wer das geschickt und mutig anpackt, dem kommt dabei die "Massenpsychologie"
zu Hilfe. Hinter diesem geheimnisvollen Schlagwort (das von der
modernen Psychologie weitgehend vernachlässigt wird) verbirgt sich
die Sozialpsychologie großer Menschenmengen. Solche Großgruppen
entwickeln ihre eigene Emotionalität, die über die Emotionen einzelner Personen oder kleinerer
Gruppen hinausgeht. |
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Der Grund dafür ist, dass jeder einzelne Teilnehmer einer Großveranstaltung
nicht nur seine eigenen Gedanken und Gefühle wahrnimmt, sondern
auch die Reaktionen und Verhaltensweisen der anderen Teilnehmer.
Dadurch ergibt sich eine "positive Rückkopplung", also eine wechselseitige
Selbstverstärkung der vorhandenen Emotionalität – ein Effekt, den
sich nicht nur politische Demagogen, sondern auch Erfolgstrainer,
Entertainer und andere Rattenfänger zu allen Zeiten zunutze gemacht
haben. Doch lassen sich diese Mechanismen natürlich auch konstruktiv
und verantwortlich einsetzen, denn nicht die Instrumente als solche
sind gut oder schlecht, sondern die Zwecke, für die sie genutzt
werden. |
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Zahlreiche Fallbeispiele zu den unterschiedlichsten Typen von Change-Projekten finden Sie in meinem Buch "Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung" (Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage 2015). Es vermittelt Ihnen einen breiten Überblick über die unterschiedlichsten Arten von Veränderungsprozessen und zeigt Ihnen, worauf es jeweils ankommt, um Ihre Change-Vorhaben zum Erfolg zu führen.
Mehr Informationen über das Buch "Change! – 20 Fallstudien"
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Die wichtigsten Gestaltungsformen |
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Für Großveranstaltungen gibt es, soweit ich sehe, sechs Grundformen
oder Grundtypen, und dazu zahlreiche Misch- und Abwandlungsformen:
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Die einfachste, aber durchaus nicht schlechteste Form der Großveranstaltung
ist eine ein- bis maximal zweistündige Versammlung, auf der nur
ein einziger Hauptredner spricht. Dieses schlichte Format genügt
für viele Zwecke, und genau genommen übertrifft es, einen guten
Hauptredner vorausgesetzt, viele weitaus aufwändigere Gestaltungsformen
an Wirksamkeit und Überzeugungskraft. Erweiterungen dieses Grundformats
erhöhen den Nutzen kaum, sondern laufen eher Gefahr, ihn zu verwässern.
Der Einsatz mehrerer Hauptredner ist nur dort ratsam, wo dies von
der Sache her notwendig (!) ist. Von der kubanischen Variante,
die Hauptrede auf mehrere Stunden auszudehnen, ist selbst bei südamerikanischer
Beredsamkeit eher abzuraten. |
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In manchen Branchen – vor allem wohl bei Konsumgütern – ist es
gebräuchlich, größere Ereignisse auch unternehmensintern in Form
einer "Show" bzw. eines "Events" zu zelebrieren. Meistens werden dafür externe Agenturen
und erhebliche Budgets in Anspruch genommen, um sicherzustellen,
dass der neue Mittelklassewagen oder Softdrink auch mit der nötigen
– und dringend benötigten – Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen
wird. Im Grunde ist das nichts anderes als ein (teures) Ritual,
um die Wichtigkeit der Message zu unterstreichen. (Wobei man
die Frage stellen kann, ob die Höhe des Aufwands mit der Größe des
Zweifels zusammenhängt.) Doch soweit es um Veränderungsprozesse
geht, bleibt trotz aller Inszenierung
die große Rede des Vorstands das wirksame
Element. |
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Der Info-Markt ist ein Veranstaltungsform,
die eine programmatische Rede mit einer
cleveren Form verbindet, Sachinformationen an einen mittelgroßen
Teilnehmerkreis (ca. 60 – 140 Personen) zu vermitteln. Die Methode ist erstaunlicherweise wenig bekannt, aber ausgesprochen gut geeignet, wenn es darum geht, viel Sachinformation in Gruppengrößen zu vermitteln, die noch diskussionsfähig sind. Denn mit 60, 80 oder 120 Leuten in einem Raum kann man kaum noch Rückfragen beantworten, geschweige denn, kritische Themen kontrovers diskutieren oder Missverständnisse ausräumen. |
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Seit den achtziger Jahren haben sich, vor allem aus den USA kommend,
eine ganze Reihe von Methoden entwickelt, Zielbildungs- und Verständigungsprozesse
in Form von Großgruppenkonferenzen zu organisieren. Dazu zählen zum Beispiel Methoden
wie
Open Space, Real-Time Strategic Change (RTSC), und Zukunftskonferenz. Sie fallen in unserem Zusammenhang insofern
etwas aus dem Rahmen, als sie keine Methode der Führung von
Veränderung sind, sondern wesentliche Aspekte der Führung an die
Teilnehmer delegieren – mit Chancen, aber auch mit erheblichen Risiken. Wie wir aus eigener Erfahrung bestätigen können, ist das RTSC-Format für betriebliche Change-Prozesse am besten geeignet, vor allem wenn es um Kulturveränderung geht. |
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Ein Betriebsfest ist eine scheinbar konventionelle, aber äußerst
wirksame Methode, das Vermitteln von Orientierung mit Anerkennung
der gebrachten Leistungen, dem Stolz auf das Unternehmen und dem
Fördern eines "Wir-Gefühls" zu verbinden. Es kann
aus einem "ernsten Teil", in dem geschäftliche Dinge kommuniziert
werden, und einem "geselligen Teil" bestehen, in dem man es sich gut gehen
lässt (was nicht daran hindern muss, auch weiter über geschäftliche
Dinge zu sprechen). Es bietet sich an, bei dieser Gelegenheit Informationen
aus den Projekten in Form von Ausstellungen,
Info-Ständen oder in anderer Weise zu
präsentieren. |
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Eine interessante Option ist, dieses Betriebsfest mit einem "Tag
der offenen Tür" für die Familienangehörigen der Mitarbeiter zu
verbinden. Die Rede des Vorstandsvorsitzenden
muss dann den Handlungsdruck
eben auf eine Weise erläutern, die ihn auch für Außenstehende nachvollziehbar
macht. Das hat zwar den Nachteil, dass mehr erklärt werden muss,
aber den großen Vorteil, dass, wenn es gelingt, das Veränderungsvorhaben
auch Verständnis und Unterstützung durch die Familien findet. Was
ein nicht zu unterschätzender Rückhalt sein kann. |
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Ein Intensiv-Workshop ist dann die richtige Veranstaltungsform,
wenn es wichtig ist, bei den Teilnehmern ein tieferes Verständnis
für die jeweiligen Inhalte zu erreichen, um sie zu voll überzeugen
und selbst handlungsfähig zu machen. Das ist etwa dann der Fall,
wenn notwendig ist, dass die Teilnehmer die getroffenen Weichenstellungen
nicht nur akzeptieren und mittragen, sondern dass sie dazu in der
Lage sind, sie aktiv zu vertreten und in ihrem Verantwortungsbereich
eigenständig umzusetzen, wie etwa die Geschäftsführer, Werksleiter
oder Sales Manager ausländischer Tochterunternehmen. Allerdings setzt sie engere Grenzen bei der Teilnehmerzahl: Oberhalb von 30 Personen muss man sich schon eine ziemlich gute Dramaturgie einfallen lassen, damit der Arbeitscharakter des Workshops nicht verlorengeht. |
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Wenn ein solcher Intensiv-Workshop länger als einen halben Tag dauert,
ist es dringend zu empfehlen, interaktive Elemente wie Arbeitsgruppen, Besichtigungen
oder einen Info-Markt einzubauen. Denn
mit einer ganz- oder gar mehrtägigen "Dauerbeschallung" ist nichts
gewonnen: Sie ist nicht nur ermüdend, sondern führt dazu, dass die
Teilnehmer weniger (!) in Erinnerung behalten als von einer einstündigen
Rede, und noch schlimmer, dass das, woran sie sich erinnern, nicht
etwa die wesentlichen Kernaussagen sind, sondern ziemlich zufällige
Fragmente. Generell gilt: Eine Informationsüberflutung bewirkt,
dass man weniger behält als bei einer vernünftig dosierten Informationsmenge.
Deshalb ist es extrem wichtig, den Teilnehmer Zeit und Foren zur
Auseinandersetzung mit den Inhalten zu geben. |
Keine "Dauer-beschallung" |
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© 2002 Winfried Berner / letzte Revision 30.11.2017 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
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