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Arbeitsgruppen: Von der Teilnahme zur Beteiligung |
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Arbeitsgruppen sind eine wenig aufregende
Methode, die Teilnehmer eines Workshops
oder Seminars in die Lösungsfindung einzubeziehen, statt sie nur frontal
zu beschallen. Ganz so einfach ist es in der Praxis aber dann doch
nicht: Gruppenarbeit kann auch in die Hose gehen. Hier ein paar
praktische Anregungen und Tipps, damit Ihre Arbeitsgruppen ein Erfolg
werden. |
Was schief gehen kann ...
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Beim Verlassen des Plenums knurrte mich ein älterer Manager an:
"Wie oft, würden Sie schätzen, dass wir diese Frage in den letzten 20
Jahren schon in Arbeitsgruppen bearbeitet haben?" Er hatte nicht richtig
zugehört, die Aufgabenstellung nur halb mitbekommen und sie
einfachkeitshalber in die bekannte Schublade eingeordnet. Sein Fehler?
Unser Fehler? Vom Resultat her ziemlich gleichgültig: Niemand hat Lust, die (beinahe) gleiche Fragestellung zum zweiten oder gar dritten Mal zu bearbeiten, und entsprechend lausig ist in solchen Fällen das Engagement. |
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In einem anderen Fall kam eine Arbeitsgruppe nach anderthalb Stunden voller Stolz auf ihre Ergebnisse ins Plenum zurück und musste bei der Präsentation feststellen, dass sie die Aufgabe komplett missverstanden und mit hohem Engagement das "falsche Problem" gelöst hatte. Auch hier ist letztlich ziemlich gleichgültig, wer "schuld" war. Spannender ist, wo die eigenen Einflussmöglichkeiten liegen, um solchen Pannen vorzubeugen. |
Missverständ-nisse II
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Anforderungen an die Aufgabenstellung |
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Arbeitsgruppen sind keine Erfolgsgarantie.
Im Gegenteil: Gruppenarbeit kann ziemlich frustrierend und
dem Nutzen eines Workshops oder Seminars ausgesprochen abträglich
sein. Zum Beispiel dann, |
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wenn der Verdacht aufkommt (ob zu Recht oder
zu Unrecht, spielt keine Rolle), dass Arbeitsgruppen nur eingesetzt
werden, um Workshop- oder Seminarzeit zu füllen ("Beschäftigungstherapie"), |
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wenn die Aufgabenstellung unklar, diffus oder
schwer verständlich ist, |
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wenn sie aus Sicht der Teilnehmer keinen Sinn
macht, |
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wenn sie die Teilnehmer unterfordert und/oder
als dumme Jungs bzw. Mädels darstellt, |
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wenn die Teilnehmer sich schulmeisterlich
und belehrend behandelt fühlen ("Welche Regeln sollten wir
künftig besser beachten, um ..."), |
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wenn die Aufgabenstellung die Teilnehmer fachlich
oder zeitlich überfordert, weil sie in der vorgegebenen Zeit
oder von den vorhandenen Personen nicht gelöst werden kann, |
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wenn abzusehen ist, dass die Ergebnisse folgenlos in Schubladen
verschwinden werden oder, noch besser, gleich an den Pinnwänden im
Tagungshotel hängen bleiben.
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Wann Arbeitsgruppen
schädlich sind |
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Das soll nicht heißen, dass Gruppenarbeit unbedingt "Spaß machen" muss.
Auch heikle, unangenehme und konfliktträchtige Themen können ergiebige
Aufgabenstellungen hergeben und lohnen für eine Gruppenarbeit
oft besonders. |
Gerade heikle Themen
lohnen |
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Entscheidend ist etwas anderes, nämlich |
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dass die Aufgabenstellung aus Sicht der Teilnehmer sinnvoll und schlüssig ist, |
2. |
dass bei der Bearbeitung in der verfügbaren
Zeit etwas Brauchbares herauskommen kann, und |
3. |
dass dies in der Folge zu etwas führt.
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Aufgaben- stellung
muss Sinn machen |
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Das ist zum einen eine Frage der Vorbereitung, zum anderen eine
der Kommunikation (in dieser Reihenfolge!). Aus dem Ärmel schütteln
lässt sich eine gute Aufgabenstellung nicht, denn um zu beantworten,
welche Fragen an dieser Stelle Sinn machen und in der verfügbaren
Zeit so weit bearbeitet werden können, dass sinnvolle (Zwischen-)Ergebnisse
herauskommen, die nach dem Workshop realistischerweise fortgeführt werden
können, muss man sich sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der
atmosphärischen Seite in drei Frage hinein denken: (1) Wo wird der
Workshop zu diesem Zeitpunkt stehen, (2) zu welchem Ziel oder welcher
Art von Resultaten soll er hinführen und (3) was ist hierfür der
nächste logische Schritt? |
Vorbereitung erforderlich |
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Unterschiedliche Arten von Aufgaben |
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Grundsätzlich kann man zwei Arten von Aufgabenstellungen unterscheiden.
Zum einen solche, die eher bilanzierenden Charakter haben ("Wo stehen
wir? Wie geht es uns? Was haben wir erreicht und was nicht? Vor welchen Chancen und Bedrohungen stehen wir?"), zum
anderen solche, die weiter führen ("Was wollen wir erreichen? Wie
kommen wir dort hin? Was heißt das für die nächsten Monate?"). Beide
Arten von Aufgaben können sich sowohl auf sachliche Inhalte als
auch die klimatische Seite (Gefühle, Stimmungen, Sorgen
etc.) beziehen. |
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Alle vier Arten von Aufgabenstellungen haben prinzipiell ihre Berechtigung.
Das heißt aber nicht, dass sie beliebig austauschbar wären. Jede
lenkt die Aufmerksamkeit in eine ganz bestimmte Richtung, deshalb
sollte man vorher entscheiden, ob man die Aufmerksamkeit dort wirklich haben will. Zudem wecken sie Erwartungen in Bezug auf die Fortführung der Themen nach dem Workshop und auch hier sollte man sich unbedingt vorher die Frage stellen, ob man diese Erwartungen wirklich wecken möchte oder ob man damit bereits die nächste Enttäuschung vorbereitet. |
Lenkung der Aufmerksamkeit |
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Was die Abfolge von Aufgaben betrifft, liegt es nahe, den Bogen von der Bilanzierung
über die Fokussierung zur Fortführung zu spannen. Ob man sich hingegen eher den Sachfragen
oder den Stimmungen zuwenden sollte, dafür gibt es keine feste Regel
das hängt davon ab, wo in der konkreten Situation das Kernproblem
liegt. Wenn das Unternehmen rote Zahlen schreibt und in seinem Fortbestand
gefährdet ist, kann man zwar auch ergiebig darüber diskutieren,
welche Gefühle das bei den Betroffenen auslöst. Die Frage ist aber,
ob dies hilft, das derzeit dringendste Problem der Firma zu lösen. Wenn das Unternehmen umgekehrt von einer "Überlebenden-Depression"
nach einem harten Personalabbau und/oder tiefem Misstrauen gegenüber dem Management gelähmt ist,
hätte es wenig Sinn, die Diskussion auf die Sachprobleme
einzugrenzen damit würde man das eigentliche Problem
ausklammern und deshalb allenfalls sehr zähe Diskussion bekommen, die eher die vorhandene Demotivation verstärken als neue Energie liefern.
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Je mehr die Probleme auf der emotionalen Ebene liegen, desto mehr
ist es ratsam, mit der Moderation einschlägig erfahrene Berater
zu beauftragen nicht nur, weil sie mit der Steuerung solcher
Diskussionen mehr Erfahrung haben, sondern auch, weil sie als Externe
nicht Partei und damit nicht Teil des bestehenden Problems sind.
(Wichtig ist in diesem Fall eine sorgfältige
Auftragsklärung zwischen Beratern und ihrem Auftraggeber.) |
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Verständnissicherung |
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Eine nützliche Variante der bilanzierenden Aufgabenstellungen sind
Fragen, die dazu dienen, das Verständnis der bis dato bearbeiteten
Inhalte zu überprüfen. Diese Verwendung empfiehlt sich immer dann,
wenn den Teilnehmern ein komplexes Thema vorgestellt wurde, über
das sie nicht nur grob informiert sein sollen, sondern das sie voll verstanden
und durchdrungen haben müssen, weil es die Grundlage ihres künftigen Handelns werden
soll, wie etwa eine neue Strategie, neue Leitlinien für den Umgang
mit bestimmten Problemstellungen (von Arbeitssicherheit bis zu Kundenreklamationen)
usw. |
Wenn es auf volle
Durchdringung ankommt
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Wo immer es darauf ankommt, dass komplexe Inhalte verstanden sind,
ist es sinnvoll, vor einer Weiterarbeit zu prüfen, was bei den Teilnehmern
eigentlich als Kernbotschaft angekommen ist. Das mag ungeduldigen Referenten
als nutzlose Zeitverschwendung erscheinen, weil ihnen die Sache
klar ist und sie glauben, sie auch klar kommuniziert zu haben. Doch
ist immer wieder verblüffend und zum Teil schockierend, was bei
den Teilnehmer selbst nach ausgezeichneten Vorträgen hängen geblieben
ist und was für Missverständnisse entstanden sind. ("Schau dir nie die Mitschriften deiner Teilnehmer an", warnte mich einer meiner Lehrer: "Du wirst unweigerlich verzweifeln.") |
Klärender Zwischenschritt |
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In der Regel
ist es zeitsparender, einen klärenden Zwischenschritt machen, statt
auf der Basis aller möglicher unerkannter Missverständnisse weiter
zu arbeiten. Allerdings muss man aufpassen, damit die Fragestellungen nicht
schulmeisternd wirken ("Habt ihr auch gut aufgepasst?"). Nützliche
Leitfragen können in solchen Fällen etwa sein: Was waren für mich
die Kernaussagen der gerade gehörten Vorträge? Welche Punkte sind
noch unklar und bedürfen der weiteren Erläuterung? |
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Gefühlsmäßige Reaktionen |
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Von da aus kann man zu den gefühlsmäßigen Reaktionen weiter gehen:
Wie verhalten sich diese Neuerungen zu unserer bisherigen Arbeitsweise
was ändert sich, was bleibt? Was findet meine Zustimmung,
womit habe ich Probleme, was macht mir Sorgen? Was wird leicht umzusetzen
sein? Welche Schwierigkeiten erwarten wir? Welche Unterstützung
wünschen wir uns für eine erfolgreiche Umsetzung von der Geschäftsleitung? |
Was bewegt die Mitarbeiter? |
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Oftmals machen sich Führungskräfte Sorgen, mit solchen Fragen Geister
zu rufen, die sie dann nicht mehr los werden. Sie fürchten,
in eine Zwickmühle zu geraten zwischen den Gefühlen, Wünschen und
Erwartungen ihrer Mitarbeiter auf der einen Seite und den geschäftlichen
Notwendigkeiten auf der anderen. Wie sollen sie denn die Strategie umsetzen,
wie ihre Ziele erreichen, wenn sie sich auf die Ängste, Sorgen und Vorbehalte der Mitarbeiter
einlassen? Aus Angst vor diesem Spagat schieben sie diese heiklen
Themen weg und möchten sich am liebsten ausschließlich auf die Sachthemen
konzentrieren. |
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Aber erstens rufen sie mit solchen Fragen keine Geister
die Geister sind längst da. Die Vorgehensweise entscheidet lediglich
darüber, ob Sorgen, Ängste und Vorbehalte ausgesprochen werden dürfen
oder ob sie zum Tabu werden. Beziehungsweise ob sie offizielles Thema im Workshop sein dürfen oder ob sie erst abends an der Bar diskutiert werden. Denn diskutiert werden die kritischen
Punkte natürlich trotzdem aber nicht mehr in der Öffentlichkeit.
Dadurch jedoch entziehen sie sich jeder Beeinflussung. |
Ängste nicht in den
Untergrund drängen! |
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Zweitens heißt Eingehen auf die Sorgen der Mitarbeiter durchaus
nicht, ihnen nachzugeben. Die richtige Linie ist
vielmehr, zwei Dinge deutlich zu machen: Zum einen, dass bestimmte Eckpunkte
nicht verhandelbar sind, sondern dass nur über
den besten Weg zur Umsetzung gestritten werden kann. Zum anderen, dass
Sie als Vorgesetzter offen sind für jeden sinnvollen Vorschlag zur
Umsetzung und dass Sie die Mitarbeiter mit ihren Sorgen nicht alleine
lassen, sondern ihnen jede mögliche Unterstützung geben. |
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© 2001 Winfried Berner / letzte Aktualisierung 23.7.2015 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
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