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Auftragsklärung: Prävention des Projektmanagement-GAU |
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"Größter Anzunehmender Unfall" heißt im Change Management: Im
Laufe des Projekts tritt ein Problem auf, das sich nicht heilen
lässt – oder nur so unzureichend, dass das Projekt angeschlagen bleibt und nur mit Mühe und Not über die Zeit gerettet werden kann.
Die wichtigste Methode der Prävention ist eine saubere Auftragsklärung. Das stößt zwar an Grenzen, weil es uns Irdischen nicht gegeben ist, in die Zukunft zu sehen, und Projekte ja definitionsgemäß mit dem Vorstoßen auf Neuland zu tun haben, aber das darf kein Grund sein, eine sorgfältige Auftragsklärung wegen mangelnder Erfolgsaussichten zu unterlassen. Im Gegenteil: Es muss der Auslöser sein, sich der Auftragsklärung mit besonderer Sorgfalt zu widmen, vor allem aber auch, sie im Bewusstsein ihrer Unvollkommenheit nicht als einen einmaligen Akt zu Projektbeginn zu betrachten, sondern als einen fortlaufenden Prozess, der die Auftragsdefinition immer wieder an neue Erkenntnisse und die veränderte Sachlage anpasst. |
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Mögliche GAUs in Change Management-Projekten sind zum Beispiel: |
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Der Auftraggeber
verliert Interesse an dem Projekt, vielleicht weil es sich in eine andere Richtung entwickelt hat als er sich vorgestellt hatte, und überlässt es seinem
Schicksal; |
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der Auftraggeber
ändert Ziele und Rahmenbedingungen des Projekts grundlegend
(u.U. mehrfach), sodass die bereits geleistete Arbeit nutzlos
ist und das Projektteam mehr oder weniger von vorne beginnen
muss; |
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der Auftraggeber
erklärt das gewählte Vorgehen für blödsinnig und überhäuft
Projektleiter und/oder Team mit Kritik, ohne konkrete Alternativen
zu nennen; |
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das Projektteam zerstreitet sich über Ziele und Vorgehen, bis es schließlich die Weiterarbeit
verweigert oder ganz auseinanderfällt; |
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das Projekt gerät unter massiven Beschuss
durch die "Linie" oder den Betriebsrat,
und es entsteht ein nicht auflösbarer Konflikt; |
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die gewählte Vorgehensweise erweist sich als
unpraktikabel, und dem Projektleiter und seinem Team fällt
keine geeignete Alternative ein; |
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Nicht alle denkbaren Krisen
lassen sich durch vorausschauendes Handeln verhindern, doch das
beste Krisenmanagement heißt immer noch Prävention. Und ein ganz
wesentliches Element der Krisenprävention ist die sorgfältige Klärung
der Ziele und Erwartungen mit dem Auftraggeber. |
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Erforderliche Absprachen mit dem Auftraggeber |
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Klar, dass der Projektauftrag konkrete Aussagen zu den Erwartungen
an das Projekt und zu seinen konkreten Zielen formuliert werden
sollten. In der Praxis sind Zielformulierungen jedoch meist lückenhaft,
weil in aller Regel nur sogenannte "Erreichungsziele" formuliert
werden. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass es für ein Veränderungsprojekt
drei Arten von Zielen gibt: |
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Veränderungsziele: Was soll an konkreten
Veränderungen bewirkt werden? Was soll "hinten heraus kommen"? |
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Bewahrungsziele: Welche vorhandenen
Stärken, Vorteile, Besonderheiten dürfen nicht in Gefahr gebracht werden? |
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Vermeidungsziele: Welche unerwünschten
Veränderungen sollen nicht eintreten? Welche bestehenden "Risiken
und Nebenwirkungen" sind zu vermeiden?
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Natürlich geht es bei einem Veränderungsprojekt in erster Linie
darum, dass bestimmte Dinge verändert werden sollen. Dennoch haben
die Bewahrungs- und die Vermeidungsziele große Bedeutung. So ist
es zum Beispiel bei einem Kostensenkungsprogramm ausgesprochen wichtig
zu wissen, welche Bewahrungs- und Vermeidungsziele etwa in Bezug
auf Qualität und Kundenzufriedenheit gelten. Denn sonst besteht die Gefahr, dass man unbeabsichtigt Veränderungen vornimmt, die vorhandene Stärken zunichte machen oder unerwünschte Nebenwirkungen haben. Beispielsweise haben vermutlich etliche Firmen, die ihren telefonischen Kunden-Support auf Call-Center verlagert haben, nicht damit gerechnet, dass sie damit ein wesentliches Element ihrer Kundenbindung in Gefahr bringen. Vielleicht wären sie aus Kostengründen trotzdem dazu gezwungen gewesen, aber es ist ein Unterschied, ob man die Beschädigung einer wesentlichen Stärke bewusst und (miss)billigend in Kauf nimmt, weil einem nichts anderes übrig bleibt, oder ob sie aus Versehen zustande kommt. |
Festlegung von Vermeidungs-
und Bewahrungszielen
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Die klare Formulierung von Bewahrungs- und Vermeidungszielen hat
einen doppelten Nutzen: Zum einen ersparen sie unerfreuliche Nachbesserungen
der Projektziele von der Art: "Aber Sie hätten doch wissen müssen
..." Zum anderen tragen sie erheblich dazu bei, bei den Betroffenen
Ängste und Befürchtungen
zu reduzieren. Denn wenn explizit benannt wird, was vermieden und
was erhalten werden soll, dann verschwinden viele unausgesprochene
Sorgen, dass wertvolle Stärken des Unternehmens leichtfertig über
Bord geworfen oder wesentliche Verschlechterungen in Kauf genommen werden sollen. |
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Weitere wichtige Themen der Auftragsklärung sind: |
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Vorgehensweise und Methoden (soweit nicht
schon im Vorfeld geklärt); |
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Erforderliche Vorarbeiten (und wer sie macht); |
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Rolle des Auftraggebers im Projekt (sowohl
Einbindung als auch "Mitwirkungspflichten"); |
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Information und Einbeziehung des Betriebsrats. |
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Sofern ein solches Papier nicht ohnehin existiert – in manchen Unternehmen
gibt es die gute Tradition, Projektaufträge
prinzipiell schriftlich zu formulieren –, sollten Sie sich als
Projektverantwortlicher auf den Hosenboden setzen und ein solches "Lastenheft" zu Papier
bringen. Dabei geht es weniger um "Beweissicherung" für den Fall
späterer Meinungsverschiedenheiten als um die verbindliche Dokumentation
wesentlicher Eckdaten und um die Vermeidung von Missverständnissen.
Denn bei mündlichen Absprachen glauben oder hoffen zwar auch immer alle darauf, sich
richtig verstanden zu haben, aber erst die Schriftform macht den
entscheidenden Schritt vom Hoffen zum Sicherstellen. |
Schriftlicher Projektauftrag
("Lastenheft") |
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Der Auftraggeber wird diesen schriftlichen
Projektauftrag mit
großer Wahrscheinlichkeit sorgfältig lesen. Wenn er ihm zustimmt,
haben Sie ein verlässliches Fundament. Wenn er noch Korrekturen
anzubringen hat, ist das auch kein Beinbruch, es ist im Gegenteil der beste Zeitpunkt dafür, divergierende Erwartungen zu klären, und damit zugleich aktive Konfliktprävention. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich der Auftraggeber trotz mehrfacher Nachfragen gar nicht äußert, kann er Ihnen später kaum einen Vorwurf machen: Sie haben Ihr Möglichstes getan, um für Zielklarheit zu sorgen. |
Bestmöglicher Zeitpunkt für Korrekturen
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Wenn der Auftraggeber kneift |
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In seltenen Fällen werden Sie feststellen, dass dem Auftraggeber
diese Klärung gar nicht so recht ist. Möglicherweise reagiert
er genervt auf Ihr "Sicherheitsbedürfnis" im Detail oder gibt sich gar ungehalten über diese "unnötige Verzögerung", die das Erstellen
des Projektauftrags
mit sich bringt; möglicherweise wird er auf unterschiedliche Weise
versuchen, sich einer Klärung zu entziehen. |
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Falls dies der Fall sein sollte, ist das ein Warnsignal – und zugleich eine sehr wichtige Information
für Sie als Projektverantwortlicher. Es kann entweder bedeuten,
dass sich der Auftraggeber selbst
noch recht unsicher über die genaue Stoßrichtung des Projekts ist
und sich deshalb noch nicht zu stark festlegen möchte. Das kann
vorkommen und ist manchmal sogar ausgesprochen sinnvoll; es sollte
aber unbedingt Konsequenzen für die Projektsteuerung haben. In diesem
Fall ist wichtig, ein gemeinsames "Lernen im Prozess" zu vereinbaren
und sich im Projektverlauf sehr eng mit dem Auftraggeber abstimmen. |
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Oder es bedeutet, dass sich Ihr Auftraggeber prinzipiell nicht
gerne festlegt, weil er damit ja auch eine gewisse Verantwortung
übernehmen würde. Je klarer der Auftrag, desto weniger könnte er
sich bei späteren Problemen darauf herausreden, dass das Projekt
vom Auftrag abgewichen oder sonst wie aus dem Ruder gelaufen sei.
So viel "Tapferkeit" würde man auf höheren Führungsebenen vielleicht
nicht erwarten, und so jemand gehört dort eigentlich auch nicht
hin – aber es kommt dennoch vor. |
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In diesem Fall sind Sie gewarnt und müssen sich entsprechend wappnen.
(Ab jetzt reden wir über die Folgekosten von Führungsdefiziten.)
Um am Ende nicht den Schwarzen Peter in Händen zu haben, müssen
Sie sich bei der Projektarbeit doppelt und dreifach absichern. Das
bedeutet zwar Mehraufwand und damit Mehrkosten, aber es bleibt Ihnen kaum
eine andere Wahl, wenn Ihnen
Ihre eigenen Interessen nicht völlig gleichgültig sind. |
Absicherung ("CYA
– Cover Your Ass") |
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Bestehen Sie in diesem Fall trotz der Ausweichmanöver – bzw. genau wegen ihnen – auf einem klaren Projektauftrag.
Falls Sie keine Antwort erhalten, teilen Sie schriftlich mit, dass
Sie, solange Sie keine abweichenden Instruktionen erhalten, auf
der Basis des von Ihnen formulierten Lastenhefts
arbeiten werden. Und treiben Sie eher einen etwas erhöhten Aufwand,
um Vorgehensweise, Zeit- und Arbeitspläne sowie Zwischenergebnisse
transparent zu machen. Je nach Konstellation kann es außerdem sinnvoll
sein, sich zusätzliche Verbündete im Top-Management zu suchen. Denn wenn
andere starke Personen mit der Vorgehensweise und den Ergebnissen
einverstanden sind, wird es Ihr ängstlicher Auftraggeber auch sein. Denn am Ende geht es ja nicht darum, nicht "schuld" zu sein, sondern, ein erfolgreiches Projekt durchzuführen, das seine Ziele erreicht. |
Auf klarem Auftrag bestehen
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Fortschreibung der Auftragsklärung im laufenden Prozess |
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Allzu häufig wird über die Auftragsklärung so geredet und geschrieben als handele es sich dabei um einen einmaligen Akt, den man zu Projektbeginn mit der gebührenden Akribie vollzieht; dann hätte man, so die Theorie, ein verbindliches Dokument, in dem alles Wesentliche festgelegt ist und auf das man sich fortan in allen Wechselfällen des (Projekt-)Lebens beziehen kann. Das ist ein schönes, geradezu romantisches Idealbild, das nur den kleinen Nachteil hat, dass es dazu keine passende Realität gibt. Zumindest habe ich in 30 Beratungsjahren bei keinem größeren Projekt einen Projektauftrag erlebt, der, rückblickend betrachtet, einigermaßen vollständig war und, so wie er formuliert war, eins zu eins umgesetzt wurde. |
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Auch für Projektaufträge gilt die alte Planungsregel: "Ein Plan ist keine Beschreibung künftiger Realität, sondern ein Instrument zur Beschleunigung eines Prozesses." Es gibt daher auch keinen Grund, unglücklich zu sein oder ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn die eigenen Projektaufträge oft nicht dem Idealbild entsprechen, das in Seminaren und Lehrbüchern oft gezeichnet wird. Natürlich sollten Sie die Auftragsklärung so sorgfältig wie möglich machen, aber sie sollten sie auch mit dem Mut zur Unvollkommenheit machen, denn sonst werden Sie entweder mit der Projektarbeit niemals anfangen, weil immer noch etwas zu klären ist, oder sich ebenso permanent wie nutzlos mit einem schlechten Gewissen quälen. |
Mut zur Unvollkommenheit – und Nachbesserung
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Viel klüger und praktischer ist es, den Projektauftrag als ein "Work in Progress" zu betrachten, das genau wie der Projektplan immer wieder überprüft und fortgeschrieben werden muss. Der größte Fehler, den man bei der Auftragsklärung begehen kann, ist wahrscheinlich nicht, sie nicht sorgfältig genug zu machen, sondern, sie, nachdem man sie gemacht hat, als erledigt und abgeschlossen zu betrachten. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen, weil es, gleich wie sorgfältig wir waren, immer einige wichtige Punkte gibt, an die wir nicht gedacht oder die wir nicht genau genug besprochen haben. Zum anderen, weil Projekte ja gerade angesichts ihrer Neuartigkeit immer auch ein Lernprozess sind. |
Regelmäßige Überprüfung und Fortschreibung
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Deshalb ist es nicht bloß sinnvoll, sondern zumindest in größeren Projekten dringend anzuraten, von Zeit zu Zeit einen Schritt zurückzutreten, eine Zwischenbilanz zu ziehen und sich zu fragen: Macht das, was wir zu Projektbeginn als Auftrag formuliert haben, vor dem Hintergrund des erreichten Stands und der gewonnenen Erkenntnisse eigentlich noch Sinn? Oder sollten wir den Auftrag angesichts dessen, was wir unterwegs gelernt haben, ändern, anpassen oder korrigieren? Wenn nicht, wunderbar; wenn doch, sollte es geschehen. Natürlich sollte diese Zwischenbilanz nicht dazu genutzt werden, das gesamte Paket wieder aufzuschnüren, und erst recht sollte sie nur in begründeten Ausnahmefällen dazu dienen, das Projekt insgesamt zur Disposition zu stellen. Aber wäre auch nicht sinnvoll, aus Angst vor solchen Diskussionen unerbittlich an dem ursprünglichen Projektauftrag festzuhalten. Nicht selten eröffnen die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse die Chance zu Kurskorrekturen, die den Nutzen des Projektes deutlich verbessern, ohne seine Kosten nennenswert zu erhöhen. Diese Chancen sollten unbedingt genutzt werden. |
Anpassung an neue Erkenntnisse
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Sie planen gerade ein Change-Projekt, bei dem es um derartige Themen geht? Oder haben eine verwandte Fragestellung, zu der Sie fachkundige Unterstützung oder eine kompetente Hintergrund-Beratung suchen? Dann sprechen Sie uns gerne an!
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© 2001, 2015 Winfried Berner – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
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