Die Umsetzungsberatung

Projektmanagement der Veränderung






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Projektplanung: Rückwärts zum großen Ziel

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Ein Freund erzählt gerne die Anekdote von einem niederbayerischen Waldarbeiter, der seine Kollegen schon nach der morgendlichen Brotzeit ungeduldig zur Weiterarbeit drängte: "Nacht werd's, Nacht werd's!" Hinter dieser Marotte steckt mehr Einsicht in die Frühentstehung von Zeitnot als bei manchem Manager. Denn das Verfehlen großer Ziele erfolgt fast immer in drei Phasen: Einer ersten, in der man glaubt, genügend Zeit zu haben, und infolgedessen alles in Ruhe und grundsätz­lich diskutiert, einer zweiten, in der man zu ahnen beginnt, dass es nun langsam eng wird, und einer dritten, in der man mit wachsender Hektik einem Ziel hinterher läuft, das in der verbliebenen Zeit kaum mehr zu erreichen ist.

  • Die Illusion,
    Zeit zu haben
  • Gleich ob bei Großprojekten oder im einzelnen Arbeitspaket: Tatsächlich ist es in aller Regel die Frühphase, in der die meiste Zeit vertrödelt wird. Zu Projektbeginn sind es oft die grundsätzlichen Weltbetrachtungen, die den Grundstein zu späterer Zeitnot legen, später im Projektverlauf gönnt man sich den einen oder anderen Durchhänger, um sich von der Hektik vor der letzten Lenkungsausschusssitzung zu erholen; zwischendurch ist es oft die zeitraubende Abstimmung der Lösungsvorschläge mit allen möglichen Beteiligten und Betroffenen sowie das Ringen um Details in der Implementierung.

  • Unterschätzung des Aufwands
  • Abb.: Vom Spätstart mit wachsender Hektik zum Terminverzug

     

    Rückwärts planen – das Geheimnis erfolgreicher Projektplanung

     

    Um zu vermeiden, dass Sie sich aus der Illusion, Zeit zu haben, selbst in eine Falle manövrieren, sollten Sie das ferne Gesamtziel so in Teilaufgaben zerlegen, dass sichtbar wird, wie viele Dinge in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten getan werden müssen, um den Termin tatsächlich zu halten. Ein nützliches Instrument dafür ist die "Rückwärtsplanung": Ausgehend von dem übergeordneten Ziel wird der Weg zur Zielerreichung "von hinten nach vorne" geplant bis zur Gegenwart. Der so entstandene Plan wird neuerdings amerikanisch-modisch "Back-Plan" genannt, aber diese Bezeichnung ist eigentlich überflüssig, denn das Ergebnis dieser Rückwärtsplanung ist ein ganz normaler, "ordentlicher" Projektplan: Wie jeder gute Projektplan umfasst er eine Liste aller Aufgaben, die abgearbeitet werden müssen, samt ihres Zeitbedarfs und ihrer Reihenfolge. Nur sein Zustandekommen ist etwas unorthodox, weil dabei nicht vom Ausgangspunkt, sondern vom Ergebnis her gedacht wird. Was übrigens keine Erfindung unserer Zeit ist: Wie Dietrich Dörner in Die Logik des Misslingens berichtet, ist dies ein altbewährtes militärisches Planungsprinzip, nur dass es offenbar von Generation zu Generation wieder neu entdeckt werden muss.

  • Rückwärts­
    planung
  • Der Vorteil der Rückwärtsplanung ist eine höhere logische Stringenz und Vollständigkeit: Bei dieser Vorgehensweise übersieht man nicht so leicht, welche Voraussetzungen in früheren Phasen geschaffen werden müssen, damit die späteren Schritte planmäßig realisiert werden können (dass beispielsweise Kabelkanäle eingebaut werden müssen, wenn später Leitungen verlegt werden sollen). Umgekehrt hilft sie auch, überflüssige Arbeiten zu ersparen, die man bei üblichen schrittweisen (sog. "inkrementellen") Planung vielleicht aus Unsicherheit ausgeführt hätte ("Man weiß ja nie ..."). Der größte Nutzen der Rückwärtsplanung aber liegt darin, dass dabei in aller Regel erschreckend deutlich wird, wie viel noch zu tun ist und welche Zwischenergebnisse unbedingt in allernächster Zeit erreicht werden müssen, um das große Ziel zu schaffen. Auf diese Weise sorgt die Rückwärtsplanung nicht nur für konkrete, handfeste Arbeitspläne, sondern vermittelt auch den gerade am Anfang oft fehlenden "Sense of Urgency".

  • Ein Gefühl der Dringlichkeit
  • Der Unterschied zwischen der inkrementellen Planung und der Rückwärtsplanung ist schön in den folgenden Grafiken veranschaulicht (in Anlehnung an Bolko von Oetinger, ehemaliger Leiter des BCG Strategy Institute):

  • Der Unterschied
  • Abb.: Vergleich inkrementelle Planung und Rückwärtsplanung

     

    Die inkrementelle Planung hangelt sich, wie die Abbildung zeigt, von Zwischenziel zu Zwischenziel voran. Dabei ist sie zwar in aller Regel auf dem richtigen Weg, dennoch hat sie ein hohes Risiko, den gesetzten Termin zu verfehlen, weil vor allem am Anfang zu kleine, zu zögernde und zu langsame Schritte gemacht werden. Die Rückwärtsplanung hingegen beginnt bei dem übergeordneten Ziel und arbeitet sich von dort zurück zu der Ausgangssituation. Das ist zwar mühsam, weil es anscheinend gegen die menschliche Natur oder zumindest gegen unsere Denkgewohnheiten ist, aber es bewirkt, dass man sich, wenn man sich dieser Anstrengung erst einmal unterzogen hat, keine Illusionen mehr macht, wie viel Arbeit noch vor einem liegt und welches Tempo von Anfang an vorgelegt werden muss, um das Ziel termingerecht zu erreichen.

  • Die Mühsal, "verkehrt herum" zu denken
  • Zentrale Elemente der Projektplanung

     

    Fast zwangsläufig ergibt sich bei der zeitlichen Planung eines Projekts auch eine Untergliederung in Phasen, Teilaufgaben und Arbeitspakete. Während die Phasen die zeitliche Struktur eines Projekts darstellen, bilden Teilaufgaben und Arbeitspakete die inhaltliche Struktur. Idealerweise (und im Normalfall) spielen sich beide innerhalb einzelner Projektphasen ab; komplexere Teilaufgaben können sich aber auch mal über mehrere Phasen erstrecken. Aus diesen inhaltlichen Bausteinen setzt sich dann der Projektstrukturplan zusammen:

  • Projektstruktur
  • Abb.: Schema Projektstrukturplan

  • Schema Projekt-strukturplan
  • Die Arbeitspakete sind sozusagen die "Moleküle" der Projektarbeit: Theoretisch wären sie vielleicht noch weiter teilbar, aber eine weitere Aufsplitterung ergibt keinen praktischen Nutzen mehr, sondern würde bloß zusätzliche Arbeit machen und Komplexität erzeugen. Mehrere inhaltlich verwandte oder in der Erarbeitung zusammengehörige Arbeitspakete werden üblicherweise zu Teilaufgaben ("Gewerken") zusammengefasst. Theoretisch könnte man beliebig viele Arbeitspakete zu einer Teilaufgabe bündeln; praktisch ist es eher ratsam, deren Zahl überschaubar zu halten. So hätte man im obigen Beispiel theoretisch auch alle Arbeitspakete direkt unter das Projekt hängen können, aber um den Preis einer geringeren Übersichtlichkeit und der schwierigeren Delegation von "Aufgabenbündeln". So enthält das Projektbeispiel der Grafik drei recht ungleichgewichtige Teilelemente: Die Teilaufgabe 1 besteht nicht nur aus drei Arbeitspaketen, sondern aus einer weiteren Teilaufgabe (1.2) mit ihrerseits drei Arbeitspaketen; auf der anderen Seite hängt direkt unter dem Gesamtprojekt das Arbeitspaket 3.0, das in keine weiteren Teile zerfällt. (Eine scharfe Abgrenzung zwischen Arbeitspaketen und Teilaufgaben gibt es nicht, außer dass die Arbeitspakete die unterste Gliederungsebene darstellen. Sie ist auch nicht erforderlich; sinnvoll ist im Gegenteil, die Definition pragmatisch und nach Zweckmäßigkeit zu wählen.)

  • Teilaufgaben und Arbeits-pakete
  • Arbeitspakete sind in sich geschlossene Unteraufträge, die an einzelne Teammitglieder delegiert werden können und die zu einem definierten Ergebnis (Output) führen, der für die Weiterarbeit des Projekts benötigt wird. Gehen Sie bei der Definition von Arbeitspaketen nicht wissenschaftlich-deduktiv, sondern pragmatisch vor: Entscheidend ist nicht, dass die Struktur einer strengen formalen Logik genügt, sondern dass sie einleuchtend ist und vor allem, dass man das Paket sinnvoll bearbeiten kann. Wichtig ist, die Arbeitspakete und ihren erwarteten Output genau genug zu beschreiben, damit es bei der Ablieferung keine bösen Überraschungen gibt. Zumindest die folgenden Angaben sollten vorliegen, wenn die Aufgabe delegiert wird:

    1.

    Spezifikation, das heißt Benennung der Anforderungen, denen das Ergebnis genügen soll / Kriterien der Qualitätssicherung;

    2.

    zu beachtende Restriktionen / Rahmenbedingungen;

    3.

    Grundzüge der Vorgehensweise;

    4.

    Abliefertermin (Deadline) und ggf. Zeitbudget;

    5.

    eventuelle Zwischenchecks / Meilensteine;

    6.

    verantwortliches Teammitglied.

  • Output klar definieren
  • Wer Freude daran hat, kann auf dieser Basis wunderbare Formulare gestalten. (Bezeichnung der Aufgabe und Kennnummer nicht vergessen!)

     

    Bei Veränderungsvorhaben ist wichtig, bei der Planung von Teilaufgaben und Arbeitspaketen nicht nur an die Sachaufgaben zu denken, sondern auch an die Gestaltung des sozialen Prozesses. Schon in der Vorbereitungsphase sollte ja eine "Stakeholder-Analyse" gemacht worden sein, also eine Zusammenstellung der Betroffenen, Beteiligten und sonstwie Interessierten samt einer Untersuchung von deren mutmaßlichen Interessen, und vielleicht auch eine Kraftfeldanalyse. Wenn das noch nicht geschehen ist, muss dies spätestens hier nachgeholt werden. Darauf aufbauend kann und sollte eine Kommunikationsstrategie entwickelt werden, aus der sich ergibt, welche Teilaufgaben und Arbeitspakete in Sachen Kommunikation vorgesehen werden müssen – von der regelmäßigen Abstimmung mit dem Auftraggeber über die Betreuung des Betriebsrats bis hin zur regelmäßigen Information der Belegschaft über wesentliche Arbeitsergebnisse des Projekts und die Entscheidungen, die das Management hierzu getroffen hat. Empfehlenswert ist auch, schon bei der Projektplanung darüber nachzudenken, wo unter Umständen Quick Hits realisiert werden können. Denn schnelle Erfolge sind nun einmal die beste Ermutigung – und damit ein wichtiges Instrument der Überzeugungsarbeit.

  • Kommunikation einplanen!
  • Zeit- und Ressourcenplanung

     

    Wenn tatsächlich sämtliche Teilaufgaben und Arbeitspakete einschließlich ihres Zeitbedarfs zusammengestellt wurden, ist es eigentlich nur noch eine Fleißaufgabe, daraus auch die Zeitplanung des Projekts und seinen Ressourcenbedarf zu errechnen. In der Praxis ist dies meistens nicht ganz so einfach, weil man meistens nur die bevorstehende Projektphase einigermaßen sauber planen kann. Denn wie soll man den Aufwand für die Implementierung der Lösung ermitteln, wenn man noch nicht weiß, worin die Lösung besteht, weil dies in der nächsten Phase erst erarbeitet wird? Wie bestimmt man den Zeitbedarf für die Lösungsfindung, wenn man mangels abgeschlossener Bestandsaufnahme noch nicht weiß, wo die Probleme liegen?

  • Eine einfache Aufgabe – für Hellseher
  • Da die Auftraggeber in aller Regel trotzdem wenigstens eine grobe Zeit- und Kostenplanung sehen wollen, behilft man sich für die späteren Projektphasen üblicherweise mit einer Mischung aus Erfahrungswerten, plausiblen Annahmen und – schlichten Setzungen. Statt mühselig aus mutmaßlichen Einzelaktivitäten hochzurechnen (oder besser: hochzuraten), wie viel Zeit und Ressourcen für die Implementierung einer noch unbekannten Lösung erforderlich sein wird, setzt man einfach einen einigermaßen realistischen Wert an – und liegt mit mit dessen Verdoppelung oder Verdreifachung meistens gar nicht so schlecht. In der Praxis ist es dabei am einfachsten, sich an einem sinnvollen Rhythmus von Lenkungsausschuss-Sitzungen zu orientieren – und darauf zu achten, dass die Abstände zwischen diesen Terminen nicht zu groß werden, weil das oft nur den eingangs angesprochenen "Durchhänger" verlängert.

  • Grobschätzung und Vorgaben
  • Dieses "Top-Down-Verfahren" der Planung ist zwar nicht ganz lehrbuchkonform, hat aber seine positiven Seiten. Es ähnelt dem "Target Costing", bei dem für ein Projekt (oder Produkt) bestimmte Zielkosten festgelegt werden und die Aufgabe des Projektleiters auch darin besteht, den betriebenen Aufwand an diesen Vorgaben auszurichten. Natürlich funktioniert das nur dann, wenn die Vorgaben einigermaßen vernünftig sind. Und natürlich kann es auch schief gehen, wenn sich in der zweiten Hälfte der Projektphase herausstellt, dass noch viel mehr Arbeit erforderlich ist als Geld und Zeit dafür vorhanden ist. Aber solche Fehler kommen ja bekanntermaßen auch bei induktiven Aufwandsschätzungen gelegentlich vor; sie sind also kein entscheidender Einwand gegen deduktive Vorgaben von Aufwand und Terminen.

  • Zielkosten und -termine

  • Change! - 20 Fallstudien Zahlreiche Fallbeispiele zu den unterschiedlichsten Typen von Change-Projekten finden Sie in meinem Buch "Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung" (Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage 2015). Es vermittelt Ihnen einen breiten Überblick über die unterschiedlichsten Arten von Veränderungsprozessen und zeigt Ihnen, worauf es jeweils ankommt, um Ihre Change-Vorhaben zum Erfolg zu führen.

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  • Buch "Change!"
  • "Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum"

     

    Diese und ähnliche Spötteleien sind ein beliebter Einwand gegen Planung. Ähnlich wie Bertolt Brechts Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens ("Ja mach nur einen Plan ...") suggeriert er, dass alle Planung ohnehin für die Katz ist. Doch bei genauerer Betrachtung ist der Tausch von Zufall gegen Irrtum gar kein so schlechtes Geschäft, selbst um den Aufpreis der Planung. Denn erstens kann man aus Irrtümern lernen, aus dem Zufall nicht. Und zweitens liefert selbst eine fehlerhafte Planung eine Zielorientierung – was etwas grundlegend anderes ist als die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen. Wenn man weiß, wo man hin will, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man irgendwann dort ankommt. Und vor allem, dass man schneller und kostengünstiger dort ankommt als ohne Plan und Ziel.

  • Planung und Wirklichkeit
  • Allerdings machen diese beliebten Sprüche auf einen fundamentalen Irrtum über Planung aufmerksam: den Irrglauben nämlich, einen guten Plan erkenne man daran, dass er sich 1:1 in die Wirklichkeit umsetzen lasse. Was zu dem fatalen Umkehrschluss führt, dass es ein Beweis für die "Unzulänglichkeit menschlichen Strebens" war, wenn dies bei einem Plan nicht gelingt. Klüger ist, die Projektplanung nicht als Test für seine hellseherischen Fähigkeiten zu verstehen, sondern als Hilfsmittel, um zügiger und zielstrebiger voranzukommen:

  • Abweichungen sind normal
  • Ein Projektplan ist keine Beschreibung künftiger Realität, sondern ein Instrument zur Beschleunigung einer Entwicklung.

  • Merksatz
  • Das heißt zugleich auch: Eine vernünftige Planung muss offen sein für sinnvolle Veränderungen – nicht als Hintertür für Verschiebungen und Verschleppungen, sondern weil es keinen Sinn hat, wider in der Zwischenzeit gewonnene bessere Erkenntnisse hirnlos die ursprüngliche Planung umzusetzen. Um sich selbst den Druck zu nehmen, dass ein Projektplan möglichst genau den Ort der künftigen Punktlandung vorbezeichnen müsse, ist es sinnvoll, sich klarzumachen, dass jede Planung eine Entscheidung unter Unsicherheit ist. Das heißt, hinter der Schätzung eines exakten Fertigstellungstermins (oder Geldbetrags) steckt in Wirklichkeit eine Zeitspanne bzw., noch genauer, eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Wenn wir eine Arbeit auf 10 Tage veranschlagen, heißt das in aller Regel nicht, dass es exakt 10 Tage sein werden, sondern vielleicht 8 – 12 Tage, oder auch 7 – 15. Je mehr Erfahrung wir mit einer Materie haben und je einfacher die Aufgabe ist, desto genauer ist die Vorhersage – je weniger Erfahrung wir haben und je komplexer die Aufgabe ist, desto höher ist unvermeidlich die Ungenauigkeit, und desto weiter wird kann das tatsächliche Ergebnis um den vorhergesagten Termin bzw. Betrag streuen. Und es ist, wie wir sehen werden, ein sicherer Weg ins Desaster, wenn man bei der Planung aus Leichtsinn, Ehrgeiz oder unter Druck, immer vom günstigsten Fall ausgeht.

  • Vorhersage unter Unsicherheit
  • So kann wahrscheinlich jeder die Fahrtdauer zu einem nahegelegenen Ziel ziemlich präzise vorhersagen, wenn er die Strecke kennt und wenig Verkehr ist. Deutlich schwieriger ist, die Fahrtzeit auf einer "schwierigen" Strecke – etwa von Starnberg zum Münchner Flughafen – vorherzusagen, selbst wenn man die Strecke kennt. Denn dafür müsste man zusätzlich wissen, wie viel Verkehr ist und wie zäh er fließt, was wiederum von unzähligen Variablen abhängt, die sich zu allem Überfluss noch gegenseitig beeinflussen: von der Tageszeit, dem Wetter, von Baustellen und Unfällen auf benachbarten Strecken, von Messen und Ausstellungen, von Ferien und Fernreiseverkehr – und zu allem Überfluss auch noch vom Föhn.

  • Schwierige Vorhersagen
  • Planung unter Ungewissheit und die Bedeutung von Puffern

     

    Erfahrene Starnberger Vielflieger würden sich hüten, für das Mini-Projekt "Fahrt zum Flughafen" eine präzise Dauer anzugeben; sie würden eher eine weite Spanne nennen: "Zwischen ein und zwei Stunden, wenn es schlecht geht, auch mehr!" Vor allem aber würden sie, wenn sie ihren Flieger mit einiger Sicherheit erreichen wollen, für die Fahrt einen deutlichen Puffer einplanen – nicht aus Ängstlichkeit, Bequemlichkeit oder mangelnder Risikobereitschaft, sondern aus dem klaren Bewusstsein, dass die tatsächliche Fahrzeit von Faktoren abhängt, die sie weder vollständig vorhersehen noch in großem Umfang beeinflussen können. Und kaum jemand würde ihnen deswegen vorwerfen, dass sie "zu viel Luft" eingeplant haben. Aber weiter: Falls sie mit einer Fluglinie fliegen, die für ihre Verspätungen bekannt ist, würden sie sich ebenfalls hüten, unmittelbar nach der planmäßigen Ankunft einen wichtigen Termin zu planen. Selbst für Taxifahrt ins Zentrum von London oder Paris würden sie vermutlich einen weiteren Puffer einplanen – und niemand würde ihnen aus diesen vielen Puffern einen Vorwurf machen. Im Gegenteil: Wohl jeder würde diese risikobewusste Planung als ausgesprochen professionell ansehen.

  • Ungewissheit und Puffer
  • Bei Projekten geschieht oft das genaue Gegenteil: Wir beäugen jede Planung misstrauisch darauf, wo der Projektleiter möglicherweise Puffer "gebunkert" hat, und versuchen, den Ausführungsverantwortlichen einen möglichst schlanken Plan "ohne unnötige Reserven" abzuringen: "Die sollen sich gefälligst ein bisschen ranhalten und nicht so viel Kaffee trinken!" Auf obiges Beispiel übertragen, würde ein strenger Projekt-Controller dem Starnberger Vielflieger also nahelegen, für seine Anreise zu seinem Vortrag in London nicht acht Stunden vorzusehen, sondern maximal 4,5: Eine für die Fahrt zum Flughafen, zwei für den Flug, eine Dreiviertelstunde für die Taxifahrt und eine "großzügige" weitere Dreiviertelstunde als Puffer – weil er ja einsieht, dass ein bisschen Puffer die Nerven beruhigt (womit er das Problem erfolgreich "psychologisiert" hätte, also von einem realen Problem in ein vermeintlich emotionales umgedeutet).

  • Der Unsinn, Puffer zu streichen
  • Was sich hier ein bisschen unsinnig anfühlt, ist auch mathematisch ziemlicher Unfug. Erinnern wir uns, dass Schätzungen unter Ungewissheit in Wirklichkeit Intervalle sind, über denen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung liegt. Sie besagt zum Beispiel, dass es sehr unwahrscheinlich ist, für die Fahrt von Starnberg zum Flughafen mit einer Stunde auszukommen, dass es aber auch ungewöhnlich ist, zwei Stunden oder mehr zu brauchen. Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit, nach exakt einer Stunde am Flughafen zu sein, sei 5 Prozent, die Wahrscheinlichkeit, dass der Flieger exakt plangemäß landet, sei 10 Prozent, und die Chance, mit dem Taxi in einer Dreiviertelstunde im Londoner Zentrum zu sein, sei tagsüber ebenfalls 5 Prozent. Um die kumulierte Wahrscheinlichkeit zu berechnen, also die Wahrscheinlichkeit, dass in allen drei Fällen der günstigste Zeitraum genügt, müssen wir die drei Wahrscheinlichkeiten multiplizieren: 0,05 x 0,1 x 0,05. Man ahnt, auch ohne studiert zu haben, dass dabei eine ziemlich kleine Zahl herauskommen wird: exakt 0,025 Prozent oder 0,25 Promille.

  • Intervalle und Wahrschein-lichkeiten
  • Die kumulierte Wahrscheinlichkeit ist umso niedriger, je mehr Stufen mit jeweils geringer Wahrscheinlichkeit aufeinander folgen. Doch man sieht am Beispiel unseres Vielfliegers, dass schon drei Stufen genügen, um mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können, dass er ohne Puffer pünktlich zu seinem Vortrag kommt. Sehen wir also mal, was ihm die Dreiviertelstunde Puffer bringt. Unser Vielflieger entschließt sich, zwei Drittel seines Puffers in die Anfahrt zum Flughafen zu investieren – aus der Überlegung: "Wenn ich den Flieger nicht kriege, kann ich mir den Rest des Puffers auch an den Hut stecken." Und nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit, die Anfahrt in anderthalb Stunden zu schaffen, sei 70 Prozent. Er schafft es sogar eine Viertelstunde früher, aber dafür kann es sich nichts kaufen, außer einem Cappuccino, denn der Flieger fliegt seinetwegen ja nicht früher. Nun hat er noch eine Viertelstunde Puffer übrig. Angenommen, die Wahrscheinlichkeit, dass seine berüchtigte Fluglinie nicht mehr als 15 Minuten Verspätung hat, beträgt 60 Prozent – dann haben wir 0,6 x 0,05 für das Taxi: exakt 3,0 Prozent, dass er pünktlich bei seinem Vortrag ankommt. Sollte man Projekte wirklich so planen?

  • Kumulierte (Un)Wahr-scheinlichkeit
  • Halten wir fest: Die kumulierte Wahrscheinlichkeit, bei einem Projekt Termine und Kosten einzuhalten, ist das Produkt der Erfolgswahrscheinlichkeiten seiner einzelnen Phasen bzw. Module. Je optimistischer jedes einzelne Modul geplant ist und je weniger Pufferzeit vorgesehen ist, desto sicher lässt sich ausschließen, dass das Projekt in Summe plangerecht abgeschlossen wird.

  • Sichere Überschreitung
  • Eingriffe in die Planung

     

    Die fertiggestellte Projektplanung kann unter Umständen zu Konflikten mit dem Auftraggeber führen – vor allem dann, wenn der mit dem kalkulierten Kosten- und/oder Zeitaufwand nicht gerechnet hat. In diesem Fall muss man sich zusammensetzen und verhandeln – und zwar so direkt und so ehrlich wie möglich. Dabei geht es weniger um ein Feilschen als um eine gemeinsame Überprüfung der gemachten Annahmen und der gewählten Vorgehensweise. Das kann damit enden, dass sich die Planung als realistisch und kaum weiter "eindampfbar" herausstellt – dann kann und muss der Auftraggeber entscheiden, ob ihm das erwartete Ergebnis diesen Aufwand wert ist oder nicht. Es kann sich aber auch herausstellen, dass es doch möglich ist, den Zeit- und Kostenaufwand deutlich zu reduzieren, etwa indem weniger aufwändige Methoden zur Bestandsaufnahme eingesetzt werden. Oder – in der Praxis wohl am häufigsten – man landet irgendwo in der Mitte. Ausdrücklich ist aber davor zu warnen, "Kompromisse" auszuhandeln. Denn die Realität ist an diese Kompromisse nicht gebunden. Das bloße Versprechen des Projektleiters, er wolle "irgendwie" versuchen, mit weniger Aufwand auszukommen, lässt die entscheidende Frage offen, nämlich die nach dem "Wie". Wunschdenken aber ändert an der Realität in aller Regel wenig.

  • Gemeinsame Überprüfung
  • Noch mehr zu warnen ist vor jenen heroischen Managemententscheidungen, mit denen zuweilen ganze Projektplanungen, die mit Sorgfalt und Engagement erarbeitet wurden, mit einem Federstrich über den Haufen geworfen werden: "Das dauert mir alles zu lange!" – "Das ist mir einfach zu teuer!" – "Aus dieser Planung musste einfach mal die Luft rausgelassen werden! Da ist doch jede Menge Puffer drin!" Solche selbstherrlichen Managementeingriffe sind vermutlich für weitaus mehr Terminverzögerungen und Kostenüberschreitungen verantwortlich als sämtliche Planungsfehler zusammen.

  • Selbstherrliche Eingriffe
  • So zeigt eine sorgfältige Analyse des sogenannten "Maut-Debakels" (Spiegel 10/2004), dass die erste Zeitplanung, die später grandios scheiterte, von vornherein nur durch massiven politischen Druck zustande gekomen war, und zwar gegen allen Rat der Experten und unter weitestgehendem Verzicht auf eine Haftung des Auftragnehmers. Der spektakuläre Flop war keineswegs "ein Debakel des deutschen Overengineering", als das er in der Öffentlichkeit hingestellt wurde; vielmehr war es ein Führungsdesaster: ein Beleg dafür, dass es zwar in der Macht von Top-Managern und Spitzenpolitikern liegt, die Machbarkeit eines Vorhabens bzw. eines Termins gegen die Realität zu beschließen, nicht aber, diese Machbarkeit auch gegen die Realität durchzusetzen. Und so ist es sicher kein Zufall, dass die Einführung der Lkw-Maut im zweiten Anlauf zum 1.1.2005 – entgegen den Hoffnungen einer sensationsgierig lauernden Presse – völlig reibungslos gelang. (Ähnliche Lehren lassen sich auch aus vielen Großprojekten ziehen, wie der in Oxford lehrende Bent Flyvbjerg in Megaprojects and Risks gezeigt hat.)

  • Beispiel TollCollect
  • Welchen Schaden solche anmaßenden Managementinterventionen anrichten können, ist den "Entscheidern" offenbar oft selbst nicht klar. Sie glauben ernstlich, dass sie im ungünstigsten Fall nutzlos wären, aber keinen negativen Effekt haben könnten: "Wenn die Planung tatsächlich realistisch war, dann ändert sich ja nichts – dann habe ich zwar keine Verkürzung erreicht, aber auch nichts verschlechtert!" Doch das ist blanker Unsinn: Nicht nur, dass sie mit solch einem Eingriff diejenigen zutiefst demütigen und als hasenherzige Trottel darstellen, die mit viel Sorgfalt, langen Überlegungen und intensiven Diskussionen die Kleinarbeit der Planung gemacht haben. Womit sie nicht selten Verletzungen auslösen, die bei nächster (un)passender Gelegenheit "mit Mehrwertsteuer" beglichen werden. Was strafverschärfend hinzukommt, dass solche Interventionen genau das bewirken, was sie vermeintlich keinesfalls bewirken können: sie verzögern und verteuern Projekte, und zwar erheblich.

  • Verzögerung durch Management­
    eingriff
  • Machen Sie, um diese Behauptung zu überprüfen, ein einfaches Gedankenexperiment. Angenommen, Sie wollten einen Flieger noch erwischen, der in Kürze geht: Wie sehr würden Sie sich beeilen, wenn Sie wüssten, dass Sie es mit ein bisschen Glück und Spurtkraft gerade noch schaffen können? Und zum Vergleich: Wie sehr würden Sie sich beeilen, wenn Sie wüssten, dass sie auch bei einem Streckenrekord keine Chance mehr haben, das Flugzeug zu erreichen? Die meisten Menschen machen im zweiten Fall (vernünftigerweise!!) gar keine Anstrengungen mehr, sondern stattdessen einen Stadtbummel oder einen Cafébesuch, "weil es ja eh keinen Zweck mehr hat". Mit anderen Worten, eine Terminvorgabe (oder Kostenvorgabe), die den Ausführenden unrealistisch erscheint, lässt jedes Engagement erlahmen: Man geht die Sache langsam (wenn auch nicht unbedingt in Ruhe) an, plant den "großen Knall" fest ein und spart sich seine Kräfte für die Zeit danach, wenn die Arbeit richtig losgeht. Geschätzter Effekt auf Zeit und Kosten: das 1,2- bis 1,5-fache der ursprünglichen Planung. Teures Lehrgeld also – und dennoch wäre es gut angelegt, wenn nur endlich einmal irgendwer etwas daraus lernen würde.

  • Unrealistische Vorgaben killen jede Energie

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