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Kostenbewusstsein: Das Kostenverhalten zählt, nicht das "Bewusstsein"!

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Die allgegenwärtige Forderung nach mehr "Kostenbewusstsein" ist ein Paradebeispiel dafür, wie allzu oft eine Veränderung des "Mindset", also der inneren Einstellung, verlangt wird, obwohl das eigentliche Ziel ein anderes Verhalten ist. Dahinter steht natürlich die Annahme, dass sich ein verändertes Bewusstsein automatisch auch in einem anderen Handeln niederschlagen würde – aber was, wenn diese Annahme falsch ist? Und warum steuern wir nicht von vornherein ein anderes Verhalten an, wenn in Wirklichkeit das unser Ziel ist?

  • Was hülfe ein anderes "Bewusstsein"?

Die Annahme, dass unser Bewusstsein unser Verhalten bestimmt und demnach unser Kostenbewusstsein unser Ausgabeverhalten, ist erstens plausibel und zweitens weit verbreitet. Aber das macht sie nicht richtig. Richtig ist vielmehr: Der Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten ist längst nicht so eng wie viele denken. Unser tatsächliches Verhalten ist meist ein ziemlich windiger Kompromiss zwischen dem, was wir eigentlich für richtig halten und dem, was uns unter den gegebenen Umständen pragmatisch machbar erscheint.

  • Bewusstsein und Verhalten

Das ist ein Problem, denn auch das ausgeprägteste Kostenbewusstsein Ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte nützt Ihnen wenig, solange es sich nicht in praktischem Verhalten niederschlägt. Und das tut es keineswegs, und schon gar nicht automatisch. Aber die Sache ist noch schlimmer: Manchmal schlägt sich das Kostenbewusstsein durchaus in praktischem Verhalten nieder – aber im genauen Gegenteil dessen, was Sie sich gewünscht hätten.

  • Letztlich zählt nur das Verhalten

Ausgeprägtes Kostenbewusstsein – mit unerwünschtem Ergebnis

 

Es geht hier nicht um Spitzfindigkeiten und an den Haaren herbeigezogene Sonderfälle. Es geht um den Normalfall. Und der ist, dass zwischen dem "Kostenbewusstsein" und dem tatsächlichen Ausgabeverhalten ziemlich merkwürdiger Zusammenhang besteht. Wenn Manager etwa auf (Dienst-)Reisen gehen, ist ihnen völlig bewusst, dass die besseren Hotels oder Mietwagen auch die teureren sind. Und genau deshalb wählen sie, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, die [nun dürfen Sie raten] – ja, natürlich die teureren. Diese Wahl hat ihre Ursache keineswegs in mangelndem Kostenbewusstsein, sie gründet sich vielmehr auf ein sehr ausgeprägtes Kostenbewusstsein.

  • Ausgeprägtes Kostenbewusstsein

Testen Sie selbst. Einmal angenommen, Sie hätten über zwei Hotels in der gleichen Stadt nur eine einzige Information: In dem einen kostet ein Zimmer 70 Euro pro Nacht, in dem anderen 140 Euro. In welchem Hotel würden Sie lieber übernachten, wenn Sie die freie Wahl hätten? – Gleich wie Sie sich entschieden haben, Sie haben Kostenbewusstsein an den Tag gelegt: Sofern Sie nicht gesagt haben, das ist mir völlig egal, haben Sie sich auf der Basis der Kosten entschieden. Denn eine andere Information hatten Sie nicht.

Und wenn Sie so ähnlich denken wie ich, haben Sie sich vermutlich gesagt: Ein Stadthotel für 70 Euro pro Übernachtung, das kann nichts Brauchbares sein. Vermutlich gibt es Gründe, warum es so billig ist – aber die will ich nicht unbedingt am eigenen Leib erfahren.

  • … führt zu Mehrkosten

Zusatzfrage: Welches Hotel hätten Sie gewählt, wenn Sie privat in der gleichen Stadt eine Unterkunft benötigten? Das gleiche oder das andere? –Auch das ist Kostenbewusstsein. Was insofern bemerkenswert ist, als ein- und dasselbe Kostenbewusstsein je nach den Ausgangsbedingungen unter Umständen zu entgegengesetzten Entscheidungen führt. Und nun nochmal: Was wollen Sie – das Kostenbewusstsein verbessern?! Finden Sie nicht, dass es schon schlimm genug ist?

  • Entgegengesetzte Ergebnisse

Ein weiteres Beispiel: Wenn Manager geschäftliche Flüge buchen, welche Fluggesellschaft wählen sie dann? Immer die, die den günstigsten Preis für die jeweilige Strecke anbietet, sofern sie nur einigermaßen zuverlässig fliegt? Oder bevorzugen sie Gesellschaften, für deren Bonusprogramme sie registriert sind, bei denen sie vielleicht sogar eine Statuskarte besitzen, für die sie dringend noch Meilen benötigen, um ihren Frequent Flyer- oder Senatorstatus zu halten? Und falls ja, tun sie dies tatsächlich in Unkenntnis der Mehrkosten – oder tun sie es vielleicht sogar im Wissen, dass sie damit wohl nicht die kostengünstigste Lösung wählen?

  • Persönliche Präferenzen und Interessen

Fluggesellschaften bieten Vielfliegern solche persönlichen Vergünstigungen natürlich nicht aus Großherzigkeit an, sondern weil sie nicht das geringste Interesse daran haben, dass die ihre Buchungen auf der Basis eines Kostenvergleichs vornehmen. Deshalb geben sie ihnen mit ihren "Kundenbindungsprogrammen" persönliche Anreize, bevorzugt (und möglichst ohne Preisvergleich) bei ihnen zu buchen. Wie etwa mit Privilegien verbundene Statuskarten, Bonuspunkte, die sich in (private) Freiflüge und andere attraktive Prämien eintauschen lassen, und manch anderes mehr. An anderen Stellen würde man so etwas wohl "Kickbacks" nennen, und es würde die Compliance auf den Plan rufen – hier offenbar nicht.

  • Kundenbindungs-programme

Doch wenn die Adressaten sich von solchen Verlockungen verführen lassen, dann liegt das keineswegs an ihrem mangelnden Kostenbewusstsein, es liegt an ihrem realen persönlichen Nutzen. Die Betreffenden wissen (!) sehr wohl, dass die Vorteile solcher Buchungen bei ihnen ankommen, während die (selbstverständlich nicht ins Gewicht fallenden) Mehrkosten von ihrer Firma oder von ihren Kunden getragen werden. Und wenn nötig, werden sie sehr ideenreich, um dies vor sich und anderen zu rationalisieren: Selbstverständlich ist diese Fluggesellschaft zuverlässiger und pünktlicher, und außerdem passen die Flugzeiten víel besser zu den eigenen Terminen …

  • Ahnungsvolles Ignorieren

Nicht Haltungen, Ergebnisse zählen

 

Weil "Bewusstsein" sich eben nicht automatisch im gewünschten Verhalten niederschlägt, ist "Kostenbewusstsein" kein sinnvolles Ziel einer Kulturveränderung. Statt auf das "Mindset" zu zielen und wider alle Gegenbeweise zu hoffen, dass ihm das Verhalten folgt, ist es klüger, von vornherein auf das Verhalten zu fokussieren, das für die Zukunft angestrebt wird. Zumal "Bewusstsein" ja kein Selbstzweck ist, es ist nur eine Vorstufe, von der man – wohl vergeblich – hofft, dass sie sich in einem veränderten Verhalten niederschlägt. Warum also nicht direkt das Ziel ansteuern statt einer Vorstufe?

  • Gewünschtes Verhalten statt Bewusstsein

So handhaben wir es im Management ja auch sonst: Wir messen Mitarbeiter, Führungskräfte und Geschäftsbereiche üblicherweise nicht Bekenntnissen, Einstellungen oder Geisteshaltungen, sondern an nachprüfbaren Resultaten. Beispielsweise käme wohl niemand auf die Idee, die variable Vergütung eines Vertriebs daran zu koppeln, dass er "bis in die Haarspitzen motiviert" ist und "die richtige Einstellung hat" – üblicherweist misst man ihn schlicht daran, ob er die erwarteten Verkaufsziele erreicht. Sein Motivationsgrad wäre auch schwierig objektiv zu messen, aber ist Kosten"bewusstsein" leichter zu messen?

  • Gwünschte Resultate als Ziel benennen, nicht Überzeugungen

Auch bei anderen geschäftlichen Zielen wie etwa den Stückkosten in der Fertigung würden wir vernünftigerweise auf messbare Resultate abheben und nicht auf eine "Haltungsnote". Oder käme irgendwer auf die Idee, die Führungskräfte in der Fertigung daran zu messen, wie "stückkostenbewusst" sie sind? Und wenn die Zahlen stimmen, würden wir vermutlich (hoffentlich!) nicht an der Einstellung herummäkeln; wenn sie nicht stimmen, würde uns auch ein angeblich hoch ausgeprägtes "Stückkostenbewusstsein" nicht trösten. Nur beim Thema Kultur verkünstelt man sich gerne an Veränderungszielen, die weder mess- noch nachprüfbar sind, wie Einstellungen und Mindsets.

  • Es geht nicht um "Haltungsnoten"

Wer jedoch auf das Soll-Verhalten statt auf das Bewusstsein fokussiert, erlebt häufig eine Überraschung: Er stellt fest, dass es gar nicht so einfach ist, die so beliebte Forderung nach "Kostenbewusstsein" in ein nachprüfbare Verhaltensziele zu übersetzen. Bitte probieren Sie es selbst: An welchen beobachtbaren Fakten würden Sie erkennen, ob bei einem Mitarbeiter oder einer Führungskraft ein ausreichendes Maß an "Kostenbewusstsein" vorliegt? Welches konkrete Verhalten und welche nachprüfbaren Resultate müssten dann zu beobachten sein, und welche dürften dann auf keinen Fall festzustellen sein?

  • Operationalisierung ist nicht trivial

Sparsamkeit, koste es, was es wolle

 

Als erstes könnte einem vielleicht in den Sinn kommen, ganz einfach "geringere Kosten" zu fordern oder, was auf den ersten Blick dynamischer klingt, "minimale", also geringstmögliche Kosten. Aber das ist kein brauchbares Ziel, denn weder ist klar, was es konkret bedeutet, noch gibt es ein Verfahren zu bestimmen, wann Kosten "minimal" sind. Sicher ist nur: Die absolut "minimalsten" Kosten hat, wer seinen Laden zusperrt oder, noch schlauer, verkauft. Aber das ist in den seltensten Fällen die angestrebte Lösung – und liegt meist auch nicht im Ermessen einzelner Mitarbeiter.

  • Geringstmögliche Kosten sind kein sinnvolles Ziel

"Sparsamkeit" wäre ebenfalls eine problematische Vorgabe, denn je rigider sie verfolgt wird, desto mehr wird sie zu einer "Sparsamkeit um jeden Preis". Zwar ist es nicht mehr wie in den fünfziger Jahren, als Führungskräfte ihre Mitarbeiter anwiesen, aus Kostengründen lieber Briefe zu schreiben als teure Ferngespräche zu führen. Wie viel zusätzliche Arbeitszeit dies verschlang und welche Verzögerungen in der Geschäftsabwicklung (und damit letztlich im Zahlungseingang) es mit sich brachte, interessierte damals niemanden. Denn die Telefonkosten wurden streng kontrolliert, der zusätzliche Aufwand nicht. Und die Verlangsamung der Geschäftsabwicklung hielt ebenfalls niemand nach – das war halt so und ging nicht anders.

  • Kostensparen um jeden Preis

Bevor wir uns über so viel Borniertheit lustig machen, sollten wir erkennen: Sparmaßnahmen, deren Kostensenkungseffekt negativ ist, sprich, die unter dem Strich zu Mehrkosten führen, gibt es auch heute noch in Hülle und Fülle. Mein Lieblingsbeispiel aus dem privaten Bereich ist eine formschöne Tonschale mit einem dicken Docht in der Mitte, die man für knapp 50 Euro erwerben kann, um darin Kerzenreste zu verbrennen. Das spricht sparsame Menschen wie mich an, die sich immer darüber ärgern, wie viel ungenutzte Wachs- bzw. Stearinreste von heruntergebrannten Kerzen übrig bleiben und ungenutzt in den Müll geworfen werden müssen. Welche Verschwendung!

Die Schale verspricht eine sinnvolle Verwertung für diese Wachsreste. Erst wenn man einmal überschlagsweise ausrechnet, wie viele Wachsreste man sammeln und verbrennen müsste, damit sich die 50 Euro rechnen (wenn eine Kerze 2 Euro kostet, wie viel ist dann ihr letzter Stummel wert?), stellt sich heraus, dass der Kauf einer solchen Schale eine Amortisationszeit hat, die möglicherweise die eigene Lebenserwartung übersteigt. So viel Sparsamkeit muss man sich buchstäblich leisten können.

  • Beispiel 1: Schale zum Verbrennen von Kerzenstummeln

Ähnliches gilt für ein Werkzeug zum restlosen Ausdrücken von Tuben, das ich einmal für vorteilhafte 5 Euro erstanden habe. Irgendwann habe ich dann ausgerechnet, dass ich wohl sehr, sehr alt werden müsste, wenn ich den Breakeven zu meinen Lebzeiten noch erreichen will. (Ich habe es trotzdem nicht weggeworfen, sondern bewahre es auf, als Erinnerung, dass Sparsamkeit zuweilen ein teures Hobby ist. Zudem stellt die Ausgabe betriebswirtschaftlich ja "sunk costs" dar: Die 5 Euro sind so oder so weg, ich kann den Schaden nur begrenzen, indem ich in meiner verbleibenden Lebenszeit noch möglichst viele Tuben bis zum letzten Rest ausquetsche …)

  • Beispiel 2: Werkzeug zum Ausdrücken von Tuben

Einsparungen mit erheblichen Mehrkosten

 

Nun gut, werden Sie sagen, solche Dummheiten passieren Privatleuten halt, wenn sie nicht aufpassen und/oder einen übertriebenen Sparfimmel haben. Aber in der rationalen Welt der Wirtschaft kann so etwas kaum vorkommen. Warten Sie einen Moment. Auch in Wirtschaftsunternehmen und Konzernen, so kann ich aus langer Erfahrung sagen, gibt es ungezählte solche Beispiele.

  • In der vermeintlich rationalen Welt der Wirtschaft

So habe ich selbst am Aufbau eines Shared-Service Centers mitgearbeitet, in dem ein Großkonzern bestimmte administrative Funktionen bündeln und dadurch effizienter abwickeln wollte. Später hatte ich dann einen Auftrag bei einem der betroffenen Tochterunternehmen, erzählte dort leichtsinnigerweise von meiner Mitwirkung an dem Konzernprojekt – und musste mir sogleich anhören, dass man dort zwei der drei Mitarbeiter, die man an das SSC abgegeben hatte, anschließend wieder aufbauen musste, um die Schnittstelle zu dem SSC zu managen.

  • Beispiel Shared-Service Center

Selbst wenn man annimmt, dass von den drei abgegebenen Mitarbeitern in dem SSC wegen dessen höherer Effizienz nur noch zwei für die bisherigen Aufgaben benötigt werden, kommt man an einer unangenehmen Erkenntnis nicht vorbei – und die ist zu allem Übel auch noch quantifizierbar: 3 minus 1 plus 2 ist gleich 4. Mit anderen Worten: Die Bündelung der administrativen Funktionen hatte, den ganzen Umstrukturierungsaufwand sowie die Beratungskosten nicht gerechnet, unter dem Strich Mehrkosten von einem Drittel gebracht. Nicht schlecht, könnte man sarkastisch sagen, nur das falsche Vorzeichen.

  • Erhebliche Mehrkosten der Einsparung

Aber das Verrückteste daran: Die Konzernzentrale und vor allem der Vorstand sind weiterhin fest davon überzeugt, dass die Entscheidung, alle betreffenden Funktionen der Töchter in einem SSC zu bündeln, goldrichtig war und dessen Umsetzung ein durchschlagender Erfolg. Und die Tochterunternehmen werden sich hüten, der Zentrale die Wahrheit sagen. Denn das könnte Folgen haben, die noch weit ärgerlicher und "disruptiver" sind als die beiden zusätzlichen Mitarbeiter, die man halt irgendwo verstecken muss, damit das zentrale Controlling sie nicht findet.

  • … perfekt vor ihrer Entdeckung geschützt

Die Mehrkosten der "Einsparung" sind in diesem wie in vielen anderen Fällen perfekt vor ihrer Entdeckung geschützt, und zwar durch ein leicht pathologisches Zusammenspiel von Zentrale (die die Wahrheit nicht wissen will) und Tochter (die sie unter dem Teppich halten will). Die Folge: Der Konzern überlegt bereits, weitere Funktionen in ein SSC auszulagern. Denn die Verwaltungskosten in den Töchtern steigen ständig weiter. Was natürlich überhaupt nichts mit den versteckten Folgekosten der zentralen Projekte zu tun hat, sondern einzig und allein daran liegt, dass die Töchter ihre Kosten nicht im Griff haben. Weshalb es unausweichlich ist, ihnen strengere Kostenziele vorzugeben und weitere Funktionen zu zentralisieren.

  • Lerneffekte im Keim erstickt

Ich würde gerne glauben, dass dies ein untypischer und nicht repräsentativer Einzelfall ist, aber kenne noch andere SSCs. Noch schlimmer: Ähnliches gilt auch für die vielen Fälle, in denen Geschäftsbereiche zum Beispiel IT-Anwendungen, die ihnen von der zentralen IT nicht genehmigt oder ins nächste Jahrhundert herunterpriorisiert worden waren, auf eigene Faust im eigenen Bereich erstellen lassen. Genau wie die Nachbarbereiche auch. (Natürlich gibt es solche Undercover-Projekte keineswegs nur in der IT. Viele Geschäftsbereiche haben zum Beispiel auch ein Bereichscontrolling, weil ihnen das zentrale Controlling die benötigten Zahlen nicht liefert, und eigene Schulungsangebote, weil ihnen die zentrale Personalentwicklung nicht die aus ihrer Sicht richtigen Angebote macht.)

  • Ist die Ausnahme die Regel?

Hierarchisierung ist keine Lösung

 

Der so entstandene "Wildwuchs" wird natürlich irgendwann entdeckt. Nach dem unvermeidlichen Donnerwetter, das an den entstandenen Kosten selbstverständlich nichts ändert, wird entschieden, diese Auswüchse mit einem teuren Beratungsprojekt "zurückzuschneiden". Es soll die diversen Insellösungen vereinheitlichen, sie dabei "streamlinen" und in die vorhandene Systemlandschaft integrieren. Dieses Projekt wiederum wird – wollen wir wetten? – deutlich länger dauern, mehr kosten und wesentlich weniger "Synergieeffekte" heben als von McRoland errechnet. Zugleich wird es die zentrale IT stark belasten – sodass neue Bedarfe nicht gedeckt können, was alsbald neue Guerrilla-Projekten nach sich zieht.

  • … und ist die Lösung das Problem?

Ein traditionsreicher Ansatz, solchen Wildwuchs im Keim zu ersticken, ist Zentralisierung bzw. Hierarchisierung: Die Entscheidungsbefugnisse der dezentralen bzw. nachgeordneten Führungsebenen werden stark eingeschränkt; alle wichtigen Entscheidungen dürfen nur noch vom Eigentümer, dem Vorstand oder anderen höheren Wesen getroffen werden. Häufig wird das an bestimmten Summen festgemacht, ab denen vor einer Auftragsvergabe die Zustimmung des Top-Managements einzuholen ist. Die betreffenden Anträge werden streng geprüft und müssen gut begründet sein, wenn sie eine Chance auf Genehmigung haben sollen.

  • Lösungsversuch Zentralisierung

Doch auch hier wird, ehe man es sich versieht, die Lösung zum Problem: Abgesehen davon, dass es für Mitarbeiter und erst recht für Manager nicht sehr motivierend ist, wenn sie wegen jeder mittleren Entscheidung einen Antrag an ihre obersten Chefs stellen und dann wochen- oder monatelang auf eine Entscheidung warten müssen, entsteht auf diese Weise schnell ein Entscheidungsstau vor dem Vorstandsbüro, weil der Vorstand einfach nicht so schnell entscheiden kann wie Anträge dort einlaufen.

  • Risiken und Nebenwirkungen

Auch das verzögerte Treffen von Entscheidungen hat seinen Preis. Denn gleich welche Spielzüge man im Wettbewerb macht, meist ist es von Vorteil, sie schnell zu machen und nicht erst nach langer Entscheidungdauer. Ein verspäteter Spielzug bringt oft nur noch einen Bruchteil seines möglichen Ertrags.

Mit etwas Pech sind die Folgen noch gravierender. So wurden in einer Firma teure Maschinen zerstört, weil es in einer neu erworbenen Halle einer Auslandstochter durch das Dach regnete. Unglücklicherweise überstiegen die Kosten der erforderlichen Dachreparatur den Dispositionsrahmen des lokalen Managements, sodass erst ein Antrag an die Zentrale gestellt werden musste. Doch der Monsun kam schneller als die Entscheidung des Vorstands.

  • Entscheidungsstaus und kostspielige Verzögerungen

Nun kann man natürlich fordern, das lokale Management hätte sich in solch einem Fall, wo offensichtlich Gefahr im Verzug war, eben über die Regeln hinwegsetzen müssen, um den drohenden Schaden abzuwenden. Aber dann wird es endgültig unlogisch: Damit verlagert man die Verantwortung – und das Risiko – für die Abwendung der Nachteile der festgelegten Regelung auf diejenigen, deren mangelndes Verantwortungsbewusstsein Grund für die Schaffung der Regelung war. Wenn man ihnen diese Verantwortung aber zutraut, wozu bedarf es dann der Regelungen?

  • Verantwortung für die, denen man sie nicht zutraut?


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Zur Abwägung von Kosten und Nutzen erziehen

 

Wenn die Entmündigung der Mitarbeiter und der mittleren Führungskräfte also nicht als Lösung taugt, worin könnte sie dann bestehen? Dann müsste man die Adressaten wohl irgendwie dazu veranlassen, selbst Entscheidungen zu treffen, bei denen Kosten und Nutzen sorgfältig gegeneinander abgewogen sind. Dabei sollte der aufgewendete Grad an Sorgfalt der Tragweite der Entscheidung entsprechen, damit nicht wegen Bagatellausgaben zeitraubende Analysen angefertigt werden oder umgekehrt folgenschwere Entscheidungen übers Knie gebrochen werden. Aber wie kann man das erreichen?

  • "Kostenbewusste" Entscheidungen herbeiführen

Ganz einfach, indem man genau dies als Erwartung formuliert – und diese Erwartung konsequent nachhält. Aber an welchen beobachtbaren Fakten würde man erkennen, ob eine solche Abwägung stattgefunden hat, ohne jede einzelne Entscheidung zu überprüfen? Und was könnten nachprüfbare Kriterien dafür sein?

Eine Einzelfall-Überprüfung wäre genau der falsche Weg: Das wäre nur eine Variante der oben beschriebenen Hierarchisierung – nicht nur unglaublich zeitaufwendig, sondern zugleich unglaublich demotivierend, weil die Mitarbeiter und Führungskräfte dann ständig mit dem Damoklesschwert leben müssten, dass die "Revisoren" möglicherweise zu einer anderen Abwägung kommen als sie.

  • Nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen wäre fatal

Nicht die Überprüfung der Entscheidungen selbst ist die Lösung, sondern die Überprüfung, ob die geforderte Abwägung von Kosten und Nutzen tatsächlich stattgefunden hat. Und wie erkennt man das? Indem man sie sich erläutern lässt. Wenn jemand eine solche Abwägung durchgeführt hat, sollte er sie darlegen und erläutern können. Deshalb könnte und sollte die wiederkehrende Frage der Vorgesetzten im Vorfeld von Entscheidungen lauten: "Was ist hier Ihre Abwägung von Kosten und Nutzen?" Und im Nachgang: "Was war in diesem Fall Ihre Abwägung von Kosten und Nutzen?"

  • Sicherstellen, dass Abwägung stattfindet

Entscheidend ist: Der oder die Vorgesetzte überprüft in all diesen Fällen nicht, ob die Entscheidung aus seiner oder ihrer Sicht richtig war, sondern nur, ob eine Abwägung von Kosten und Nutzen stattgefunden hat. Dahinter steht der Gedanke: Wenn die Mitarbeiter und Führungskräfte solch eine Abwägung überhaupt vornehmen, werden sie sie in aller Regel auch so gut wie möglich vornehmen, das heißt nach bestem Wissen und Gewissen. Natürlich kann es dabei zu Fehleinschätzungen kommen – aber davor sind auch höhere Hierarchieebenen nicht gefeit. Der kritische Punkt ist nicht so sehr, zu verhindern, dass eine falsche Abwägung getroffen wird, sondern dass gar keine erfolgt.

  • … denn dann wird sie in aller Regel vernünftig gemacht

Natürlich kann und darf man über die Abwägungen auch diskutieren, ja man sollte das sogar, weil dies bei allen Beteiligten (einschließlich der Vorgesetzten) einen Lernprozess fördert. Aber diese Diskussion darf nie den Charakter einer nachträglichen Besserwisserei oder eines "Second-Guessing" annehmen: Die Vorgesetzte hat vielleicht eine andere Sichtweise und wäre zu einer anderen Abwägung gekommen, aber der Mitarbeiter muss wissen und sich darauf verlassen können: Sofern ich eine solche Abwägung überhaupt vorgenommen habe, wird mir niemand einen Strick daraus drehen, dass ich zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als meine Chefin.

  • Diskussion und Hinterfragung, aber keine Besserwisserei

Kulturveränderung konkret: Ein Lernprozess

 

Die eiserne Regel muss daher lauten: Wenn eine Mitarbeiterin bzw. eine Führungskraft überhaupt eine Abwägung von Kosten und Nutzen vorgenommen hat, sprich, angeben kann, aus welchen Gründen sie die Entscheidung so getroffen hat, hat sie der Erwartungen genug getan. Und zwar auch dann, wenn ihre oder seine Chefs die Abwägung nicht teilen. Nur wenn sie überhaupt keine Abwägung vorgenommen hat bzw. die Gründe für ihre Entscheidung nicht benennen kann (was ein starkes Indiz für eine fehlende Abwägung ist), hätte sie gegen die gesetzten Regeln verstoßen.

  • Erwartungen klar benennen

Die Sorgfalt der Abwägung muss dabei in einem vernünftigen Verhältnis zu der Bedeutung der Entscheidung stehen. Wenn es um eine mittlere oder größere Investition geht, kann man zum Beispiel verlangen, dass die zur Wahl stehenden Alternativen, die angelegten Kriterien sowie deren Bewertung schriftlich dokumentiert werden. (Was dann freilich auch explizit als Erwartung formuliert werden sollte.) Wenn es nur um die Abwägung zwischen Taxi und U-Bahn bei einer Geschäftsreise geht, wird dies vernünftigerweise niemand erwarten – aber die abgewogenen Alternativen und Gründe für ihre Entscheidung sollten die Betreffenden auch hier benennen können.

  • Fähigkeit zur Benennung der Gründe

Das ist ein Lernprozess, vor allem für Organisationen, die Entscheidungen bislang eher aus dem Bauch heraus zu treffen gewohnt sind. Und da er mit (ein bisschen) zusätzlichem Aufwand und geistiger Anstrengung verbunden ist, werden dies viele der Adressaten auf die Dauer nur dann durchhalten, wenn es von deren Vorgesetzten mit einiger Beharrlichkeit nachgehalten wird.

Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, die Mitarbeiter immer wieder explizit nach diesen Abwägungen zu fragen und sie sich erläutern zu lassen. Inhaltlich diskutiert müssen die Abwägungen nur dann werden, wenn die Vorgesetzte den Eindruck hat, dass wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen wurden. Ansonsten genügt die Kenntnisnahme der Abwägung und die Bestätigung, dass die Erwartungen damit erfüllt sind.

  • Nachhalten zwingend erforderlich

Damit die Abwägungen von Kosten und Nutzen in Fleisch und Blut übergeht, ist sinnvoll, sie regelmäßig bei der Diskussion von Entscheidungen zu trainieren, die in der eigenen Abteilung oder Organisationseinheit anstehen. Dabei übt man gemeinsam die Abfolge folgender sechs Schritte ein:
(1) Abschätzung der Tragweite der Entscheidung,
(2) Handlungsalternativen,
(3) Kriterien,
(4) Bewertung (der Handlungsalternativen nach den festgelegten Kriterien),
(5) Abwägung,
(6) Entscheidung.

Wenn dieses Vorgehen nach einer Weile von allen beherrscht wird, kann man die Häufigkeit der Nachfragen reduzieren, sollte aber niemals ganz auf sie verzichten, weil sich die zuweilen lästige Gewohnheit sonst allmählich wieder verliert. (Vor allem bei Entscheidungen, bei denen der "Bauch" andere Präferenzen signalisiert als der Verstand.)

  • Im Team gemeinsam einüben

Warum übrigens braucht man überhaupt noch eine Abwägung, wenn man die Handlungsalternativen sorgfältig nach den wesentlichen Kriterien bewertet hat? Weil die Kriterien nicht immer gleich wichtig sind: Bei manchen wäre es vielleicht nur angenehm, wenn sie erfüllt wären, aber nicht lebenswichtig, andere sind K.o.-Kriterien, auf die unter keinen Umständen verzichtet werden kann. Dies ließe sich theoretisch auch algorithmisieren, indem man die Kriterien unterschiedlich gewichtet und manche unabdingbar macht, aber für Entscheidungen, die nicht oft und immer wieder nach dem gleichen Schema abgearbeitet werden müssen, ist es einfacher und schneller, die Abwägung in Gedanken bzw. im Gespräch vorzunehmen.

  • Bedeutung einer bewussten Abwägung

Das Schöne ist: Wenn es Ihnen gelingt, Ihre Mannschaft darauf zu trainieren, dass sie Entscheidungen in einer bewussten Kosten-Nutzen-Abwägung trifft, werden diese Entscheidungen kaum schlechter – und vielleicht in einzelnen Fällen sogar besser – sein als wenn Sie sie selbst getroffen hätten. Vor allem aber werden Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte dann voll hinter diesen Entscheidungen stehen, statt offen oder im Stillen mit den Entscheidungen, die ihr(e) Vorgesetzte(r) getroffen hat, zu hadern.

  • Hohe Qualität und Akzeptanz

Wenn Eigeninteressen im Spiel sind

 

Ein spezielles Kapitel sind Kosten-Nutzen-Abwägungen, bei denen (auch) Eigeninteressen im Spiel sind. Was immer dann der Fall ist, wenn, so wie bei den Hotelkosten, wenigstens ein Teil des Nutzens nicht der Firma zugute kommt, sondern demjenigen, der die Entscheidung trifft, während die Kosten alleine von der Firma getragen werden. Dazu zählt zum Beispiel die Wahl von Verkehrsmitteln, Bewirtung, die Beschaffung von Büroeinrichtung und -ausstattung oder von technischen Geräte zum persönlichen Gebrauch. (Achtung: Es geht hier nicht um einen privaten Nutzen, sondern um einen persönlichen, wie etwa den Komfort auf Geschäftsreisen oder (geschäftliche) Statussymbole.)

  • Persönlicher Nutzen

Viele Firmen behelfen sich damit, dass sie für solche Zwecke detaillierte Regelungen erlassen: Reisekostenordnungen, Car Policies etc. Das kann man machen, und ab einer gewissen Firmengröße muss man es vielleicht auch machen, um eine einigermaßen faire und gleichmäßige Behandlung aller Mitarbeiter und Führungskräfte sicherzustellen und die ewigen "Wen der das darf, warum dann ich nicht?"-Diskussionen einzudämmen. Oder um den Forderungen des Betriebsrats nach Gleichbehandlung gerecht zu werden.

  • Oft detaillierte Regelungen

Solch detaillierten Regelungen haben Vorteile, aber auch Nachteile. Wenn die Hotelkosten auf maximal 100 Euro pro Übernachtung gedeckelt sind, wissen alle, woran sie sind – und kommen in größte Not, wenn sie zum Beispiel zur Messezeit in einer Messestadt oder in der Hauptsaison einer Tourismusmetropole übernachten müssen. Dann beginnen oft komplizierte Verhandlungen um Ausnahme- und Sonderregelungen. Dies wirft zwei Fragen auf: Erstens, sollten sich hoch bezahlte Führungskräfte ihre Arbeitszeit wirklich für Ausnahmeregelungen bei den Hotelkosten einsetzen? Und zweitens, was sagen wir den Betroffenen damit, dass wir sie diese Entscheidung nicht selbst treffen lassen?

  • Mitschwingendes Misstrauen

Eine überlegenswerte Alternative ist nach meiner Auffassung, auch diese Abwägung den Einzelnen zu übertragen – sie freilich in ihr Ermessen zu stellen und nicht in ihr Belieben: Die Betreffenden sollten und müssen wissen, dass auch diese Abwägungen stichprobenweise überprüft und hinterfragt werden. Denn Übertreibungen – in beide Richtungen – werden vorkommen, und sie müssen besprochen und kalibriert werden. Doch auch in solchen Fällen geht es bei der Hinterfragung nur darum, ob eine nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Abwägung vorgenommen wurde, und nicht darum, ob die Vorgesetzte die gleiche Entscheidung getroffen hätte.

  • Verantwortung auch bei Eigeninteressen

Rückschlüsse auf Persönlichkeit und Wertesystem

 

Solche Abwägungen den betroffenen Mitarbeitern bzw. Führungskräften zu überlassen, ist aber noch aus einem ganz anderen Grund überlegenswert: Es ist eine hervorragende Gelegenheit, ihre Persönlichkeit und ihr Wertesystem besser kennenzulernen. Wenn jemand in seinen Ausgaben beharrlich weit über dem Durchschnitt liegt, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gäbe, liefert uns das wertvolle Informationen über sein Wertesystem. Es kann zumindest ein Hinweis darauf sein, dass er dazu neigt, sich mehr zu gönnen als andere, wenn es auf Kosten der Firma geht. Was wiederum heißen könnte, dass er solche Tendenzen möglicherweise auch an anderer Stelle an den Tag legt, wo es schlechter zu beobachten ist.

  • Unbeabsichtigte Selbstauskünfte

Wenn man Menschen besser kennenlernen möchte, ist es immer spannend, sie in Situationen zu erleben, in denen sie authentisch agieren. Sehr aufschlussreich ist zum Beispiel, wie Führungskräfte mit dem Personal in Hotels, Restaurants oder in der Bahn umgehen. Ausgesprochen informativ ist auch, sie als Autofahrer zu erleben. Als aufmerksamer Beifahrer erfährt man etwa, wie vorausschauend jemand unterwegs ist, wie gelassen oder hektisch er agiert, aber auch, wie sie oder er mit anderen Verkehrsteilnehmern umgeht. Ungeduld und Rücksichtslosigkeit treten hier oft deutlicher zutage als im geschäftlichen Kontext, in denen der Charakter eines Menschen wenigstens teilweise von den Konventionen professioneller Höflichkeit verdeckt ist.

  • Menschen in authentischen Situationen beobachten

In ähnlicher Weise ist es lehrreich zu beobachten, welche Werte und welches Menschenbild hinter alltäglichen Kosten-Nutzen-Abwägungen zutage treten – nicht nur, wenn Eigeninteressen im Spiel sind, aber ganz besonders dann. "Sparsamkeit um jeden Preis" wird hier ebenso sichtbar wie überzogenes Statusdenken. Das kann sogar Hinweise für Karriereentscheidungen liefern: Jemanden, der ohne Rücksicht auf die Kosten entscheidet, möchte man vermutlich ebenso wenig in einer oberen Führungsposition haben wie jemanden, der stundenlang daran herumknobelt, was bei einer Geschäftsreise die kostengünstigste Lösung ist.

  • Anhaltspunkte für Karriere-entscheidungen

Das darf natürlich keine heimlichen, "verdeckten" Observierungen sein. Im Gegenteil: Mitarbeiter und Führungskräfte dürfen und sollten wissen, dass sie mit jeder Entscheidung, Empfehlung und mit ihrem täglichen Verhalten eine Auskunft über ihre Präferenzen und damit über ihr Wertesystem geben – auch wenn dies erstaunlicherweise den wenigsten Menschen bewusst ist. Und natürlich fließen diese permanenten "Selbstauskünfte" unweigerlich in das Bild ein, das wir uns von anderen Menschen machen – genau wie unsere impliziten Selbstauskünfte in deren Bild von uns einfließen: Wir haben gar nicht die Möglichkeit, diese Informationen nicht zu nutzen – unser einzige Wahl ist, wie aufmerksam und bewusst wir dies tun.

  • Implizite Selbstauskünfte beeinflussen die Fremdwahrnehmung

Besser reflektiert und transparent als unflektiert und verdeckt

 

Deshalb ist die Nutzung und Auswertung dieser Informationen auch kein unzulässiges Ausspähen oder Ausforschen. Da diese Beobachtungen und Eindrücke ohnehin in unser Bild einfließen, ist es im Gegenteil redlicher und verantwortungsbewusster, wenn dies nicht unbewusst oder halbbewusst geschieht – und dabei unbewusst durch unsere eigenen Einstellungen und Werte gefärbt wird –, sondern wenn es bewusst und reflektiert gemacht wird. Am besten geschieht dies im Dialog, denn nur dann können wir unsere eigenen zumindest teilweise unbewussten Wertungen, Filterungen und Verzerrungen besser relativieren.

  • Bewusst und reflektiert

In diesen Dialog können und sollten auch die Adressaten einbezogen werden. Sie fallen oft aus allen Wolken, wenn man sie fragt: "Was denken Sie, welches Bild über Ihre Werte und Präferenzen Sie uns mit Ihrem Verhalten vorhin vermittelt haben?" Nicht selten setzt, wenn man die eigenen Eindrücke und Interpretationen in Worte fasst, ein erschrockenes Dementieren, Erklären und Rechtfertigen ein – was aber im Grunde nur zeigt, wie wenig den Betreffenden bewusst war, welche Rückschlüsse andere aus ihrem Entscheidungsverhalten über ihre Persönlichkeit, ihre Werte und ihre Präferenzen ziehen oder zumindest ziehen können.

  • Rückkopplung mit den Adressaten

Je besser Mitarbeiter und Führungskräfte diesen Zusammenhang erkennen, desto mehr wirkt dieses Bewusstsein auch als Korrektiv: Wenn ich erstens weiß oder ahne, dass meine Vorgesetzten und Kollegen mein Handeln und meine Entscheidungen wahrnehmen und daraus bewusst oder unbewusst Rückschlüsse auf meine Persönlichkeit und meine Werte ziehen, und wenn mir zweitens der Eindruck, den ich bei ihnen hinterlasse, nicht gleichgültig ist, dann werde ich meine Entscheidungen im eigenen Interesse so treffen, dass ich ihnen kein unerwünschtes Bild vermittle.

  • Bewusstsein als Korrektiv

Die Möglichkeit, auf solche Beobachtungen und Bewertungen zu verzichten, gibt es nicht. Denn noch einmal: Wir entscheiden hier nicht darüber, ob ein solcher Bewertungsprozess stattfindet, sondern nur darüber, wie reflektiert und wie offen und transparent er verläuft. Deshalb ist es auch kein Ausweg zu sagen: Dann hätte ich aber doch lieber detaillierte Regelungen und Vorgaben, als dass alle meine Entscheidungen beobachtet und interpretiert werden. Selbst wenn man für einzelne Felder wie etwa die Reisekosten solche Vorgaben machte: Es gibt heute kaum noch eine Tätigkeit, in der keine Kosten-Nutzen-Abwägungen mehr erforderlich sind. Deshalb lieber Transparenz, Offenheit und Reflexion als ein Spiel mit verdeckten Karten!

  • Lieber Transparenz, Offenheit und Dialog


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