Betriebsverfassungsgesetz-Reform 2001: Geringe Auswirkungen auf das
Change Management
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Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die am 28. Juli
2001 in Kraft getreten ist, hat bei Opposition und Arbeitgebern
einige Aufregung ausgelöst. Die heftig kritisierten Änderungen betreffen
jedoch in erster Linie die Bestimmungen zu "Zusammensetzung und
Wahl des Betriebsrats" (§§ 7 – 20). Für das Change Management
ist jedoch in erster Linie der umfangreiche vierte Teil des Gesetzes "Mitwirkung
und Mitbestimmung der Arbeitnehmer" maßgeblich, und dort ändert
sich, abgesehen von der Umstellung auf die Neue Rechtschreibung,
nichts Grundlegendes.
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Hier eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen im "Vierten
Teil – Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer" (§§ 74 – 113):
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§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen.
Absatz 2 lautete bislang: "Arbeitgeber und Betriebsrat haben die
frei Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb der im Betrieb
beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern." Dies wird
ergänzt um den Satz: "Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative
der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern."
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Förderung von Eigeninitiative
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§ 76 Einigungsstelle.
Absatz 3 beginnt nunmehr mit dem Satz: "Die Einigungsstelle hat
unverzüglich tätig zu werden." Damit soll Verzögerungsspielchen
von Gesetzes wegen vorgebeugt werden.
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§ 80 Allgemeine Aufgaben. Die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats,
die in Absatz 1 aufgeführt sind, werden um vier Punkte ergänzt:
2b. die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
7. ... sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
im Betrieb zu beantragen;
8. die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes
zu fördern.Allesamt Erweiterungen, die kaum Auswirkungen auf betriebliche
Veränderungsprozesse haben sollten.
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Vier neue "allgemeine
Aufgaben"
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§ 80 Absatz 2 bringt zwei Verdeutlichungen in Bezug auf
die Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat.
Sie "erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die
nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen." Also zum
Beispiel auf Leiharbeiter im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung,
aber vermutlich auch auf Unternehmensberater.
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Außerdem führt ein neuer Satz 3 so genannte Auskunftspersonen ein:
"Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats
erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer
als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die
Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche
Notwendigkeiten nicht entgegenstehen." Diese Auskunftspersonen sind
ausdrücklich in das Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot des
§78 einbezogen.
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Völlig neu ist der § 86a, der ein Vorschlagsrecht der
Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat einführt und damit die
Stellung der Mitarbeiter gegenüber dem Betriebsrat (!) stärkt:
"Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, dem Betriebsrat Themen zur Beratung
vorzuschlagen. Wird ein Vorschlag von mindestens 5 vom Hundert der
Arbeitnehmer des Betriebs unterstützt, hat der Betriebsrat diesen
innerhalb von zwei Monaten auf die Tagesordnung einer Betriebsratssitzung
zu setzen."
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Vorschlagsrecht der
Arbeitnehmer
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§ 87 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
in sozialen Angelegenheiten – wahrscheinlich die zentrale Bestimmung
für das Change Management! – wurde um einen Punkt ergänzt; sie beziehen
sich nunmehr ausdrücklich auch auf:
13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit
im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen
Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene
Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
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Auch der Bereich der freiwilligen Betriebsvereinbarungen (§ 88) wurde um zwei Punkte erweitert:
1a. Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes;
4. Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur
Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb.
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Freiwillige Betriebs-
vereinbarungen
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Insgesamt räumt das neue Betriebsverfassungsgesetz dem betrieblichen
Umweltschutz einen neuen und hohen Stellenwert ein. Er wurde auch
in § 89 aufgenommen, der sich bislang nur auf den Arbeitsschutz
bezog. So heißt es in Absatz 1:
Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften
über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie
über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden.
In Absatz 2 wurde neu hinzugefügt:
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang
mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und
Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz,
die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden
Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.
Ganz neu ist der Absatz 3:
Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle
personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen
Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe
und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz
dienen.
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Betrieblicher Umweltschutz
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Auch bei den Aufgaben des Wirtschaftsausschusses (§ 106) wurde
als Punkt 5a der betriebliche Umweltschutz eingefügt.
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Völlig neu ist auch der § 92a, der dem Betriebsrat ein Initiativrecht
in Sachen Beschäftigungssicherung gibt:
(1) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung
und Förderung der Beschäftigung machen. Diese können insbesondere
eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit, die Förderung von Teilzeitarbeit
und Altersteilzeit, neue Formen der Arbeitsorganisation, Änderungen
der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe, die Qualifizierung der
Arbeitnehmer, Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer
Vergabe an andere Unternehmen sowie zum Produktions- und Investitionsprogramm
zum Gegenstand haben.
(2) Der Arbeitgeber hat die Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten.
Hält der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats für ungeeignet,
hat er dies zu begründen; in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern
erfolgt die Begründung schriftlich. Zu den Beratungen kann der Arbeitgeber
oder der Betriebsrat einen Vertreter des Arbeitsamtes oder des Landesarbeitsamtes
hinzuziehen."
Diese Änderung könnte für das Change Management eine gewisse Bedeutung
erlangen – nicht, weil der Betriebsrat dadurch zusätzliche Veto-Möglichkeiten
erhält, sondern weil er selbst die Initiative ergreifen kann und
weil der Arbeitgeber sich mit diesen Vorschlägen auseinandersetzen
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Beschäftigungs- sicherung
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Entsprechend erhielt der Betriebsrat auch in § 97 Absatz
2 bei der Berufsbildung ein neues Initiativrecht: "Hat
der Arbeitgeber Maßnahmen geplant oder durchgeführt, die dazu führen,
dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und
ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer
Aufgaben nicht mehr ausreichen, so hat der Betriebsrat bei der Einführung
von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Kommt
eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle.
Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber
und Betriebsrat."
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Nicht geändert wurden leider die kryptischen, nur über umfangreiches
Studium von Kommentaren und Rechtssprechung interpretierbaren §§
94 und 95 zu Personalfragebögen, Beurteilungsgrundsätzen und Auswahlrichtlinien.
Lediglich die Schwelle, ab der der Betriebsrat die Aufstellung von
Auswahlrichtlinien verlangen kann, wurde von früher 1.000 auf jetzt
500 Arbeitnehmer abgesenkt.
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Der vollständige und aktuelle Gesetzestext, einschließlich nachträglicher
Änderungen, kann von der Gesetzesdatenbank JURIS heruntergeladen werden.
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