Massenpsychologie der Fusion: Vorhersagbare Turbulenzen |
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Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung |
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Von dem Moment an, an dem erste Gerüchte über eine bevorstehende
Fusion,
Übernahme oder Umstrukturierung
durch das Haus wehen, ist nichts mehr wie es war. Über allen Planungen,
Entscheidungen und Aktivitäten schwebt ein großes Fragezeichen.
Die Investitionen in die Entwicklung neuer Produkte liegen ebenso
auf Eis wie Nachfolgeplanungen und Karrierezusagen. Was gestern
noch sicher war, ist heute völlig ungewiss; die Planbarkeit der Zukunft geht gegen Null, sowohl im geschäftlichen Bereich als auch in Bezug
auf die eigene Person. |
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Dass vom einen Tag auf den anderen sämtliche Fundamente der eigenen
Tätigkeit in Frage gestellt sind, ist für die Beschäftigten ein
Schock. Es führt zu emotionalen Turbulenzen, die nicht nur die einfachen
Mitarbeiter erfassen, sondern bis hinauf in die obersten Führungsebenen
reichen. Obwohl die Mitarbeiter damit sehr unterschiedlich umgehen,
ist die emotionale Dynamik einer Fusion oder Übernahme – in den
Grenzen sozialwissenschaftlicher Prognosen – vorhersehbar. Zwar
gilt die folgende Phasenfolge nicht mit der Strenge eines naturwissenschaftlichen
Gesetzes, doch sie hilft, sich ein Bild davon zu machen, was sich
emotional bei einem solchen Ereignis abspielt. |
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Erste Phase: Aufregung |
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Aus den beschriebenen Gründen löst die Ankündigung bzw. das Durchsickern
einer bevorstehenden Fusion oder Übernahme große Unruhe aus. Das gilt auch in Unternehmen,
die schon Erfahrung mit Fusionen haben, einfach weil die persönliche
und geschäftliche Ungewissheit von Neuem beginnt. Unter Umständen
kommt hier ein Schuss Überdruss hinzu: "Bitte nicht schon wieder!
Ist dem Vorstand denn nicht klar, dass das Unternehmen die letzte
Fusion noch nicht längst verdaut hat?!" |
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Bei Großfusionen fallen in diese Phase möglicherweise heftige Protestaktionen
des Betriebsrats,
der Gewerkschaften oder anderer Interessengruppen. Auch eine Abwehrschlacht
im Falle einer drohenden feindlichen Übernahme
kann die Situation extrem emotionalisieren. Unter Umständen so sehr,
dass die folgende Phase übersprungen wird, weil ein Verdrängen oder
Verleugnen kaum möglich ist. |
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Die Ausnahme von dieser Regel sind schwer angeschlagene Unternehmen, die um ihr Überleben kämpfen und in denen die Mitarbeiter ahnen, dass es ihre Firma nicht aus eigener Kraft schaffen wird. In solchen Fällen kann die Ankündigung einer Übernahme sogar Erleichterung auslösen, weil sie die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren zu verspricht. Wobei sich die wenigsten Mitarbeiter und Führungskräfte klarmachen, dass es auch der künftige Eigentümer kaum hinnehmen wird, wenn die Kosten die Einnahmen übersteigen. Deshalb wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Sanierung durchführen, die vermutlich nicht nur mit Kostensenkungen, sondern auch mit Personalabbau verbunden ist. |
Ausnahmefall: neue Hoffnung
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Zweite Phase: Verdrängung / Verleugnung |
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Die Unruhe hält eine Weile an, doch wenn weiter nichts
geschieht, flaut sie allmählich ab. Da aber vor allem bei Großfusionen
zwischen deren Ankündigung und den ersten konkreten Umsetzungsschritten oft
viel Zeit vergeht, weil die Zustimmung von Aufsichtsgremien und
Kartellbehörden abgewartet werden muss, tritt nach den Wochen
der Aufregung oftmals eine Ruhephase ein. Sie ist für das Management
immer wieder erstaunlich und irritierend: "Man hört überhaupt nichts,"
wunderte sich eine Personalchefin, "Ich frage mich, ob das ein gutes
oder ein schlechtes Zeichen ist!" |
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Für das Unternehmen ist es insofern eine gute Nachricht, als
das Geschäft so noch für ein paar Wochen oder Monate ohne große
Beeinträchtigungen weiter läuft. Zugleich ist es aber die Ruhe vor
dem Sturm, der dann losbricht, wenn die ersten konkreten Umsetzungsschritte
angekündigt werden.
Für die Mitarbeiter und Führungskräfte ist die scheinbare Ruhe eine zweischneidige Sache: Einerseits lebt es sich mit der Verdrängung leichter als mit dem ständigen Bewusstsein eines drohenden Umbruchs, den man letztlich nur tatenlos abwarten kann. Andererseits verlieren die allermeisten Betroffenen hier wertvolle Zeit, de sie eigentlich nutzen könnten, ihren persönlichen "Plan B" zu machen, ihr Netzwerk zu aktivieren und auch ihr privates Leben so zu ordnen, dass sie der "Fall der Fälle" nicht wie der Weltuntergang trifft. Selbst Führungskräfte, von denen man eigentlich einen gewissen Weitblick erwarten würde, kaufen sich in dieser Phase oft noch Häuser oder beginnen zu bauen, ohne sehen zu wollen, dass sie sich damit selbst in eine äußerst verwundbare Position bringen. |
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Auch das Management ist in dieser Phase in der Gefahr, wertvolle
Zeit zu verlieren. Eigentlich müsste es diese Zeit nutzen, um eine Fusionsstrategie
und ein Integrationskonzept
vorzubereiten, damit sie am Tag X zügig mit der Integration loslegen können und nicht erst mit der Konzeptentwicklung beginnen müssen. Das muss zwar im kleinen Kreis geschehen, aber dort
kann und sollte es auch geschehen. Ein guter Teil der Hektik und
der zuweilen überstürzten Entscheidungen der "kritischen Wochen"
(Phase 3 und 4) hat seine Ursache darin, dass in dieser Phase die Chance zu einer besseren Vorbereitung
vertan wurde. |
Verlorene Zeit für Vorbereitung
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Dritte Phase: Angst und Auseinandersetzung |
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Die trügerische Ruhe der Verdrängung wird jäh durchbrochen durch
den Start der Umsetzung. Die perplexen Mitarbeiter werden in kurzer
Folge mit Informationen und Fakten zum weiteren Vorgehen und den
ersten Umsetzungsschritten überrascht. Manchmal beruft der
Betriebsrat
dann eilends eine Versammlung
ein, in der er mit beißender Polemik und gewagten Forderungen seine
eigene Ratlosigkeit und Angst zu verbergen sucht. Er fordert Beschäftigungsgarantien und eine Kündigungsschutz-Betriebsvereinbarung, und weiß oder ahnt doch bereits, dass seine Rechtsposition in dieser Situation nicht sehr stark ist und sein Einfluss sich weitgehend auf das Aushandeln eines Interessenausgleichs und Sozialplans beschränkt, also letztlich auf die Höhe der Abfindungszahlungen. |
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Jetzt wachen auch diejenigen Mitarbeiter und Führungskräfte auf,
die sich an die Hoffnung geklammert hatten, dass alles vielleicht
doch nur ein böser Traum war. Vielen wird mit Entsetzen klar, dass
sie auf die bevorstehenden Veränderungen ausgesprochen schlecht vorbereitet
sind. Ihnen wird bewusst, dass sie trotz aller Warnsignale gehandelt
haben, als sei ihr Gehalt langfristig gesichert, und weder nennenswerte
Rücklagen aufgebaut haben noch einen "Plan B". Damit sind
sie der Situation auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Nachvollziehbar,
dass nun bei vielen die blanke Panik aufsteigt. |
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Je nach Naturell reagieren darauf die einen mit hektischer Betriebsamkeit,
als könnten sie in ein paar Wochen das jahrelang Vernachlässigte
gut machen. Andere verfallen in völlige Lethargie und hoffen, dass
das Schicksal sie vielleicht übersieht, wenn sie sich nur tief genug
ducken. Wieder andere beginnen schon einmal, sich auszurechnen, wie viel Abfindung sie im Falle einer betriebsbedingten Kündigung erwarten könnten und wie weit sie im Falle des Falles damit kämen. All das sind vom Grundsatz her nachvollziehbare Reaktionen, aber dennoch nicht die optimale Strategie, mit einer bevorstehenden Fusion oder Übernahme umzugehen. |
Zwischen Aktionismus
und Lethargie |
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Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem neuen Buch "Systemische Post-Merger-Integration – Dem Culture Clash zuvorkommen und Unternehmenskulturen wirklich integrieren" (Schäffer-Poeschel 2017). Es gibt Ihnen eine systematische, leicht verständliche Einführung in das Gesamtthema und zeigt, wo die Fallstricke bei der Integration von Unternehmen liegen und worauf Sie Ihr Augenmerk richten sollten, um Ihre Integration zum Erfolg zu führen.
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Vierte Phase: Entscheidungen |
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In diesem hektischen Klima fallen Entscheidungen, sowohl von Seiten
des Unternehmens wie von Seiten der Mitarbeiter. Das Unternehmen
trifft Schritt für Schritt seine Festlegungen; die Mitarbeiter entscheiden
jeweils einzeln über ihr eigenes Leben. (Wobei auch Abwarten und
Hoffen eine Entscheidung ist, wenn auch keine sehr dynamische.) |
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Von Unternehmensseite werden üblicherweise zunächst die oberen Führungspositionen
besetzt, dann die nachgeordneten Ebenen. Je nach Größe des Unternehmens
und festgelegter Fusionsstrategie kann die Stellenbesetzung in
ein paar Tagen erledigt sein, sich aber auch über mehrere Monate
erstrecken. |
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Sofern die Fusion mit Personalabbau
verbunden ist, ist hier – wenigstens bei Unternehmen oder Unternehmensteilen, für die deutsches
Recht gilt – der Abschluss eines Interessenausgleichs und
Sozialplans
mit dem Betriebsrat
(bzw. den Betriebsräten beider beteiligter Unternehmen) erforderlich. Das hat erheblichen Einfluss sowohl auf die Dauer des
Verfahrens als auch auf dessen Ergebnisse. Denn mit konkreten Umsetzungsschritten darf erst begonnen werden, wenn zumindest der Interessenausgleich unter Dach und Fach ist. Und im Falle von Personalabbau entscheidet
nicht das Unternehmen, welche Mitarbeiter entlassen werden; vielmehr
bestimmen die Kriterien der Sozialauswahl,
wer bleiben darf und wer gehen muss. Sie benachteiligen jüngere und alleinstehende Mitarbeiter mit relativ kurzer
Unternehmenszugehörigkeit. |
Sozialplan und Personalabbau |
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Während auf diese Weise die Zeit verstreicht, sitzen die potenziell
Betroffenen wie auf Kohlen. Das Gefühl, den Entscheidungen anderer
ausgeliefert und nicht mehr Herr des eigenen Schicksals zu sein,
ist schwer zu ertragen (
Kontrollverlust).
Viele stellen sich die Frage: "Bleiben
oder Gehen". Um wieder Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen,
werden manche von sich aus aktiv; andere greifen kurz entschlossen
zu, wenn sie Angebote von Headhuntern, privaten Arbeitsvermittlern,
Zeitarbeitsfirmen oder sonst jemand erhalten – selbst wenn sie sich
dabei unter Wert verkaufen oder nur ein Risiko gegen ein anderes
tauschen (
Abwanderung). |
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Es liegt auf der Hand, dass Unternehmensentscheidungen
und individuelle Entscheidungen nicht immer zusammen passen. Manche Mitarbeiter und Führungskräfte
würden gerne bleiben, fallen aber durch das Sieb der Sozialauswahl
oder werden bei der Stellenbesetzung
nicht für eine obere Führungsposition nominiert. Andere entschließen
sich zu gehen, obwohl das Unternehmen sie gerne gehalten hätte. Dann ist plötzlich eine Stelle wieder vakant, die vermeintlich schon vergeben war, und andere Kandidaten erhalten eine zweite Chance. Manchmal braucht es auf diese Weise mehrere Runden, bis sich alles
"zurechtgeruckelt" hat. |
Wenn die Entscheidungen nicht zusammenpassen
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Dabei kommt es immer wieder zu Situationen, bei denen die Betroffenen
nicht wissen, ob sie lachen oder weinen sollen – etwa, wenn eine
bereits ausgesprochene Kündigung vom Unternehmen wieder zurückgenommen
wird, weil jemand den Platz eines Kollegen, der von sich aus gekündigt
hat, übernehmen kann und soll. Solche Erfahrungen sind oftmals ein
bleibender Schockfür die Betroffenen, der ihre Einstellung zum
Unternehmen dauerhaft prägt. So erzählte mir ein Teammitglied bei einem Integrationsprojekt, er sei schon einmal gekündigt gewesen, und die Kündigung sei erst im letzten Moment zurückgenommen worden. Deshalb habe er sich diesmal aktiv beworben, in den Projekten mitzuarbeiten, um nicht wieder zum Spielball der Ereignisse zu werden. |
Rücknahme von Kündigungen |
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Fünfte Phase: Neue Normalität |
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Aber irgendwann sind dann doch alle Entscheidungen getroffen und
(fast) alle Positionen besetzt. Nun könnte das neue Unternehmen
endlich zu arbeiten beginnen. Könnte – wenn nicht erstens den Mitarbeitern
die frischen Erfahrungen noch in den Knochen steckten und wenn nicht
zweitens zwei mehr oder weniger
unterschiedliche Kulturen aufeinander
träfen. Manchmal gelingt dieses Zusammenwachsen – teils mit, teils
ohne professionelle Unterstützung – erstaunlich reibungslos. In
anderen Fällen sind noch Jahre nach der Fusion oder Übernahme tiefe
Gräben zwischen den beiden Ursprungsunternehmen spürbar. |
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So in einer Großbank, in der ich fünf Jahre nach einer Fusion
Interviews führte. Dort teilte mir jeder Gesprächspartner in der
ersten Viertelstunde unaufgefordert mit, aus welcher der beiden
Ursprungsbanken er stammte. Unter der Oberfläche des neuen
Corporate Design bestand eine tiefe Spaltung in "Wir" und "Die".
Vor allem in den zahlreichen Abteilungen und Zweigstellen, die "unvermischt" geblieben
waren, hatten sich die Altkulturen erhalten bzw. durch eine deutliche
Abgrenzung gegenüber "den anderen" sogar verschärft. Auch beim Reden
über andere Personen war deren "Herkunft" ein wichtiges
Bewertungskriterium. Es hatte sich eine "nostalgische Vision" entwickelt: Die Mitarbeiter beider Lager träumten davon,
wie schön es doch in der Zeit vor der Fusion gewesen war. |
Subkulturen und Kontrast-
verstärkung
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Lange Nachwirkungen hat in der Regel auch, wie fair und menschlich Stellenbesetzungen und Personalabbau realisiert
wurden. Je mehr es dort zu Enttäuschungen und persönlichen Verletzungen
kam, beispielsweise durch einen aus Sicht der Betroffenen unfairen
Prozess der Stellenbesetzung oder auch nur durch nachlässige Kommunikation oder durch ein ungeschicktes Vorgehen, das von den
betroffenen Mitarbeitern als menschenverachtend empfunden wurde, desto ramponierter
ist meist auch das Vertrauen
in die Geschäftsleitung und die Loyalität
zum Unternehmen. Was oft eine Serie von Abwanderungen
in den folgenden Monaten und Jahren nach sich zieht. |
Altlasten und Verletzungen
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Trotz alledem all dieser Einflüsse entsteht im Unternehmen so etwas
wie eine "neue Normalität". Innerhalb einiger Monate stabilisieren
sich die Verhältnisse und werden – mit allen Licht- und Schattenseiten
– zur Grundlage der neuen Kultur des fusionierten Unternehmens. |
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Sechste Phase: Nachbeben |
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Bei größeren Fusionen gelingt es selten im ersten Anlauf, alle
Strukturen und Stellenzahlen genau richtig zuzuschneiden. Fast immer
kommt es daher in den Monaten und Jahren nach der Fusion zu vereinzelten
"Nachbeben", bei denen Fehler korrigiert und Anpassungen vorgenommen
werden. Diese Nachbeben fallen um so heftiger aus, je mehr bei der
Fusionsstrategíe auf Harmonie
bzw. Konfliktvermeidung gesetzt wurde. Zur Belastungsprobe wird dies, wenn in größerem Umfang der Abbau
weiterer Stellen und die Auflösung bzw. Zusammenlegung von Abteilungen erforderlich wird. |
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Dabei ist es zwar unangenehm, aber vergleichsweise harmlos,
wenn bei der Stellenberechnung zu knapp kalkuliert wurde. Wenn am
grünen Tisch mehr Synergien beschlossen wurden als die Realität
einzuräumen bereit war, wird die Arbeit für eine Weile ziemlich
stressig, weil die Kapazitäten hinten und vorne nicht ausreichen.
Doch auf die Dauer bleibt der Geschäftsleitung, wenn sie das Geschäft
nicht vor die Wand fahren will, kaum eine andere Wahl als zusätzliche
Stellen zu genehmigen. |
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Brisanter ist die Situation, wenn bei der Integration faule Kompromisse gemacht wurden und zu sehr
versucht wurde, Einschnitte und Konflikte zu vermeiden. Dann zeigt sich
nach kurzer Zeit der Pferdefuß der anfänglichen Erleichterung: Die Synergieeffekte, um derentwillen die Fusion veranstaltet wurde,
bleiben aus. Also ist absehbar, dass früher oder später weitere
Einschnitte folgen werden. Die Furcht vor einem großen "Nachbeben"
wirkt auf die Betroffenen natürlich alles andere als beruhigend.
Sie vergiftet das Klima und lähmt die Sacharbeit, weil im eigenen Interesse jeder daran interessiert ist, sich in eine günstige Position für
die bevorstehenden Umstrukturierungen zu bringen, und die anderen
belauert, die das Gleiche tun. |
Der Preis
der Konflikt-
vermeidung
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Ähnlich unschön ist es, wenn der Integrationsprozess nahtlos in ein Kostensenkungsprogramm übergeht, weil infolge der "Fusionswirren" in größerem Umfang Kunden und Aufträge verloren wurden. Dazu kommt es besonders leicht dann, wenn sich die Implementierung der neuen Strukturen und die Stellenbesetzungen sehr lange hinziehen. Denn solange die Mitarbeiter und Führungskräfte keine Klarheit über ihre Zukunft haben, sind sie zwangsläufig mehr mit sich selbst und ihrer persönlichen Zukunft beschäftigt als mit Markt und Wettbewerb. Das öffnet ein "Fenster der Verwundbarkeit", in das aggressive Wettbewerber stoßen können, indem sie Kunden, Händler und Leistungsträger abwerben. |
Gleitender Übergang in Kostensenkung
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Letztlich gibt es nur eine Möglichkeit, gravierende Nachbeben zu verhindern, nämlich die Strukturen von Anfang an so weit wie möglich in Ordnung zu bringen. Das erfordert, dass man erstens faule Kompromisse vermeidet und sich zweitens um ein möglichst schnelles Vorgehen bemüht. Dass bei einem so komplexen Vorhaben Fehler im Detail gemacht werden, die später korrigiert werden müssen, ist kaum zu vermeiden; umso wichtiger ist, die Menge und das Gewicht dieser Fehler nicht zusätzlich dadurch zu vergrößern, dass man Kompromisse macht, von denen von vornherein klar ist, dass sie nicht die endgültige Lösung sein werden.
Eine möglichst zügige Klärung der Stellenbesetzungen wiederum ist deshalb wichtig, weil es schlicht unrealistisch ist, von Führungskräften und Mitarbeitern zu erwarten, dass sie sich mit voller Energie auf ihre Aufgaben konzentrieren, so lange sie Angst um ihren Job und um ihre Zukunft haben. Ein Verfahren, das hier schnell für klare Verhältnisse sorgt, ist deshalb wichtiger als eines, das möglicherweise etwas genauer und/oder gerechter ist, aber gigantische indirekte Kosten dadurch verursacht, dass in der Zwischenzeit das Geschäft wegbricht. |
Schnell und ohne faule Kompromisse
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© 2002, 2009 Winfried Berner / letzte Revision 29.11.2017 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
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