Unternehmensverkauf / Outsourcing: Wechsel der unternehmerischen Führung |
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Bei kaum einem anderen Thema ist die Bandbreite möglicher
Reaktionen so groß wie beim Verkauf eines Unternehmens oder
von Unternehmensteilen: von heller
Aufregung bis zu weitgehendem Desinteresse. Dies erklärt sich nur zum Teil aus objektiven Merkmalen
der Situation; mindestens ebenso wichtig ist, wie die Betroffenen die Situation wahrnehmen, was wiederum von der Vorgeschichte des Unternehmens abhängig ist, aber auch davon, wie derartige Themen derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert werden. |
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Auch Zufälligkeiten spielen eine Rolle
insbesondere die Frage, ob es innerhalb oder außerhalb des
Unternehmens Personen oder Gruppierungen gibt, die ein Interesse
daran haben, die Situation anzuheizen und zu emotionalisieren. Das können Journalisten und Politiker sein, die ein heißes
Thema wittern. Meist geht der entscheidende Anstoß aber von
Internen aus insbesondere von oberen Führungskräften
und Betriebsräten , deren Ziel es ist, den Verkauf zu hintertreiben. |
Störfeuer von
außen oder
innen |
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Was die Stimmung beeinflusst |
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Zu den vorhersehbaren Einflussfaktoren gehören: |
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- Wenn im eigenen Haus oder der Umgebung schon positive
bzw. neutrale Vorerfahrungen mit Unternehmensverkäufen vorliegen,
wird die Tendenz eher zur Gelassenheit gehen; bei schlechten Erfahrungen kann die aufkommende Angst zu heftigen Reaktionen führen.
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- Ein angesehenes einheimisches Unternehmen löst
als Käufer weniger Ängste aus als ein unbekanntes ausländisches
insbesondere wenn es aus einer Weltregion kommt, die diffuse
Ängste auslöst (z.B. Osteuropa, Asien).
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- Wenn der mutmaßliche Zweck der Akquisition,
des Outsourcing oder Übernahme für die Mitarbeiter bedrohlich
ist, sind Angst und Misstrauen besonders groß.
Wobei nicht nur aggressive Synergie- und Kostensenkungsziele bedrohlich
wirken, sondern auch die Ungewissheit, was kommen wird. Da Outsourcing häufig das Ziel verfolgt, in einen anderen Tarifvertrag oder sogar in ein Billiglohnland zu wechseln, wird es von Mitarbeitern und Betriebsräten verständlicherweise als Bedrohung angesehen.
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Bei alledem reagieren die Mitarbeiter nicht auf Realität (die
sie ja aufgrund der Vertraulichkeit der Verhandlungen nicht kennen),
sondern auf die vorherrschenden Annahmen über Realität. Wenn
ein Defizit an glaubwürdiger Information besteht, bestimmen
zwangsläufig misstrauische Spekulationen und Gerüchte das
Bild, möglicherweise noch angeheizt durch die eine oder andere
gezielte Indiskretion. |
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Um Gerüchte und Spekulationen einzudämmen, muss
man daher Information bieten nicht Einzelheiten, sondern das Gesamtbild:
Die Gründe des Verkaufs und wenigstens eine grobe Orientierung,
wie es weitergehen wird. Dieser hohe Informationsbedarf der Mitarbeiter
trifft jedoch auf ein Management, das aus taktischen und juristischen
Gründen nicht "über ungelegte Eier gackern will"
das typische Konfliktpotenzial von Unternehmensverkäufen. |
... durch Information ersetzen
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Kränkung und Entfremdung |
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Diese Zurückhaltung trifft die Mitarbeiter an einem wunden
Punkt: ihrer unterschwelligen Verletztheit über die Verkaufsabsichten.
Trotz aller vorgeblichen Rationalität der Geschäftswelt
wird es letztlich doch von vielen als Kränkung bzw. als Verstoßung
empfunden, verkauft zu werden: "Sie wollen uns nicht mehr haben,
wir sind ihnen nicht (mehr) gut genug!" |
Verkauft-Werden als Kränkung
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Eine Zeit lang haben die oberen Ebenen noch die Möglichkeit, diese Kränkung
durch Einsicht in die ökonomische Logik der Entscheidung zu
relativieren. Die mittleren und unteren Ebenen reagieren, je nach
Naturell, mit Rückzug, Zorn und Trotz. Das läuft nicht
offen ab, sondern verdeckt und scheinbar völlig
kühl: "Nein, der Verkauf macht uns gar nichts aus. Uns
Mitarbeitern kann es doch völlig egal sein, zu wem diese Firma gehört; uns gehört sie ja ohnehin nicht!" |
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Aus rein ökonomischer Perspektive könnten
diese Abläufe dem verkaufenden Konzern gleichgültig sein. Zumindest dann (und nur dann!), wenn die unternehmerische
Führung rasch an den neuen Eigentümer übergeht. Oft
liegen aber noch mehrere Monate oder gar Jahre zwischen Bekanntwerden
der Verkaufsabsichten und dem tatsächlichen Übergang
sei es weil überhaupt erst das Feld möglicher Käufer
sondiert werden muss, sei es, weil konkrete Verkaufsverhandlungen in einem
fortgeschrittenen Stadium doch noch geplatzt sind oder weil die
Genehmigung durch Kartellbehörden auf sich warten lässt. Dann wird
die Erosion von Identifikation und Motivation auch betriebswirtschaftlich
relevant, weil sie den Wert des zum Verkauf stehenden Unternehmens
mindert. |
Schleichender
Wertverlust |
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Allerdings verliert das alte Top-Management relativ schnell an Einfluss: Von denen, die einen verkaufen, lässt man sich auch nicht mehr viel sagen. Außerdem zeichnet sich ja ab, dass sich die Wege trennen, deshalb wendet sich der Blick ab von denen, mit denen man bald nichts mehr zu tun haben wird, und richtet sich auf die neuen Herren. Insofern polarisiert sich der Blick auf die Führungsmannschaft: Bald wird klar unterschieden zwischen "denen, die mitgehen" und "denen, die bleiben". |
Rapide nachlassender Einflusss
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Die Gunst der Stunde Null nutzen |
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Nach dem Verkauf schlägt eine neue Stunde Null. Der neue Eigentümer
bzw. das neue Management haben die Chance, durch offene und mutige
Kommunikation die Herzen und das Engagement der Mitarbeiter für
sich zu gewinnen auch dann, wenn es massive
Vorbehalte gegen den Verkauf gab. Sie haben aber auch die Chance,
innerhalb weniger Wochen ein Desaster anzurichten, wenn sie sich
nicht in die Karten schauen lassen, in ihren Entscheidungen nicht
nachvollziehbar sind und in ihrem Handeln als unfair und bedrohlich
erlebt werden. |
Neuanfang nachder Übernahme
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Besondere Unfallgefahr droht hier bei internationalen Akquisitionen,
in deren Folge einer oder mehrere ausländische Top-Manager im Auftrag des Käufers in
die Geschäftsleitung einziehen. Denn das Zusammenspiel zwischen oberem und
mittlerem Management ist von zahlreichen "Kulturstandards"
geprägt, d.h. von unausgesprochenen und meist auch unbewussten
Erwartungen, wie man sich angemessen verhält. Selbst bei beiderseitiger Gutwilligkeit
und besten Absichten ist daher die Gefahr von Missverständnissen
besonders groß.
Sie können rasch zu üblen Konflikten
eskalieren, weil keine der beiden Seiten verstehen kann, weshalb
sich die jeweils andere Seite aus ihrer Sicht das heißt,
gemessen an ihren kulturellen Selbstverständlichkeiten
so "inakzeptabel" verhält. Dadurch steigert sich
nicht nur die gegenseitige Verstimmung, sondern auf beiden Seiten
wächst auch die Angst: Die einen stehen unter Druck, das gekaufte
Unternehmen endlich "in den Griff zu bekommen", die anderen
packt das Grauen angesichts der vermeintlichen Willkür und
Brutalität der neuen Herren. Aus dieser Angst heraus wird das
Klima zunehmend aggressiver und feindseliger. (Für deutsche
Akquisitionen im Ausland gilt genau das Gleiche.) |
Besondere
Gefahr bei
internationalen
Akquisitionen |
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Es ist immer wieder frappierend, wie gestaltbar die Situation in
den ersten Wochen ist und wie verfestigt und kaum noch korrigierbar
wenige Wochen später. Es ist deshalb extrem wichtig, die Chance
der ersten Wochen zu nutzen. |
Die Chance der ersten Wochen
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So war es auch, als nach einer Übernahme ein neuer Geschäftsführer die Leitung eines Tochterunternehmens übernahm. Auf einer Belegschaftsversammlung stellte er sich vor. Was er sagte, kam gut an besonders seine Ankündigung,
dass er sich von der Muttergesellschaft keine Budgets diktieren
lassen und zur Not auch mal auf den Tisch hauen werde. Denn genau
daran hatte es in der Vergangenheit gefehlt. Auch seine Aufforderung,
eine eigene Meinung zu haben, Kritik offen zu äußern
und dabei auch ihn selbst nicht auszusparen, brachte ihm vor allem
bei jüngeren Mitarbeitern und Führungskräften viel
Sympathie ein. Doch nach der ersten Budgetrunde machte sich Enttäuschung breit; hinter vorgehaltener Hand war von "Umfaller" die Rede. "Aber das schlimmste ist", meinte ein Manager, "dass er fuchsteufelswild wird, wenn man diesen Punkt auch nur andeutet. Von wegen Offenheit und Kritikbereitschaft!" Vertrauen und Respekt waren verspielt, die Loyalität und Motivation der Führungskräfte und Mitarbeiter angeknackst. |
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Der Geschäftsführer hatte gegen die Grundregel der Konfliktprävention verstoßen, unter keinen Umständen falsche Erwartungen
zu wecken. Das mag menschlich verständlich sein: Wahrscheinlich
wollte er seine neuen Mitarbeitern beeindrucken
und sie für sich gewinnen. Allzu menschlich also, dass er dabei
den Mund ein bisschen zu voll nahm. |
Unrealistische Erwartungen geweckt
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Das Pech für Führungskräfte und insbesondere für
Top-Manager ist, dass sie an solchen Aussagen gemessen werden. Deshalb
muss vor verbalen Kraftmeiereien dringend gewarnt werden: Je höher
die Erwartungen, die durch solche Aussagen geschaffen werden, desto
bitterer ist bei Nichterfüllung die Enttäuschung. Mit
fatalen Folgen für Achtung und Glaubwürdigkeit:
"Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet," heißt
es dann in den Fluren und Treppenhäusern. |
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© 2001 Winfried Berner / letzte Aktualisierung 15.10.2017 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
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