Die Umsetzungsberatung

Typologie der Veränderungsprozesse






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"CHANGE!" (Erweit. Neuauflage)

20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

Change! - 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

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Culture Change

Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

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Winfried Berner, Regula Hagenhoff, Th. Vetter, M. Führing
"Ermutigende Führung"

Für eine Kultur des Wachstums

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"Systemische Post-Merger-Integration"

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Vision: Wer keine hat, soll zum Psychotherapeuten gehen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen – dieser Spruch fällt inzwischen vielen zuerst ein, wenn das Stichwort Vision fällt. Doch muss man ihm entgegenhalten: Wer keine Vision hat, sollte zum Psychotherapeuten gehen. Zumindest aber soll er sich von der Führung von Unternehmen fernhalten – und erst recht von der Führung von Non-Profit-Organisationen. Denn ohne eine Vision wird er zum bloßen Infrastruktur-Manager: Er hält den Laden am Laufen, aber er vermittelt ihm keinen Sinn, keine Perspektive und kein Ziel, für das es sich zu engagieren lohnt. Insofern darf man durchaus die Frage stellen, ob die eilfertige Entwertung von Visionen nicht eine Flucht vor der (Führungs-)Verantwortung ist: bloßes Management statt "Leadership".

  • Zum Arzt oder zum Psychotherapeuten?
  • Das heißt, seine Mitarbeiter und Führungskräfte können dort Geld verdienen und sich beschäftigen, damit die Zeit schneller vergeht – aber auf die Frage, wofür das alles gut sein soll und was der Sinn der gemeinsamen Tätigkeit ist, zuckt er die Achseln. Oder er verweist auf die budgetierten Ziele, was letztlich ein quantifiziertes Achselzucken ist. Auf diese Weise kann man sein Leben finanzieren, und man kann seine (Lebens-)Zeit totschlagen, aber man schafft nichts, worauf man später mit Stolz und Zufriedenheit zurückblicken kann. Oder wollen Sie Ihren Enkeln auf die Frage, was wichtig war in Ihrem Leben, einmal sagen: Ich habe meine Budgetziele erreicht?

  • Geld verdienen, (Lebens-)Zeit totschlagen oder mehr?
  • Wer seine Mannschaft nicht nur beschäftigt halten, sondern ihnen auch das Erleben von Sinn, Begeisterung und Nutzen ermöglichen möchte, muss ihnen mehr bieten als Aufgaben, die im gesteckten Zeit- und Kostenrahmen zu erledigen sind. Nämlich Orientierung: eine Vision oder, anders ausgedrückt, ein sinnvolles übergeordnetes Ziel, das besondere Anstrengungen wert ist, weil es ein lohnenswertes Anliegen ist, das über den Einzelnen hinausreicht.

  • Ein sinnvolles übergeordnetes Ziel
  • Wie notwendig ist eine Vision?

     

    Wie das Eingangszitat belegt, haben viele Manager und Politiker ein Problem mit dem Begriff Vision. Das Wort ist ihnen zu groß, zu hochtrabend, zu dick aufgetragen, und sie fragen in ungewohnter Demut: Muss das denn wirklich sein? Können die Leute nicht einfach ihre Arbeit machen, für die sie schließlich anständig bezahlt werden, ohne dass man ihnen eine Vision, eine "Mission" oder sonst ein übergeordnetes Irgendwas bieten muss? Mit diesem Einwand muss man sich auseinandersetzen, ohne sich den Schuh, der einem damit hingehalten wird, freilich gleich anzuziehen.

  • Geht es auch ohne?
  • Eine erste Antwort könnte lauten: Selbstverständlich kann man ohne eine Vision auskommen – das ist erstens nicht verboten und zweitens auch nicht ungewöhnlich. Die Frage ist allerdings, was man damit verliert bzw. was damit zu gewinnen wäre, wenn man den Leuten mehr anbieten könnte als die bloße Arbeit, für die sie bezahlt werden. Trotzdem lässt sich festhalten: Auch ohne Vision sind offenkundig die allermeisten Mitarbeiter bereit, als Gegenleistung für ihr Gehalt die ihnen aufgetragene Arbeit zu machen.

  • Doch, es geht auch ohne
  • Allerdings unterliegt die Begeisterung für die Arbeit und die dabei an den Tag gelegte Sorgfalt ohne Zweifel einer gewissen Schwankungsbreite, insbesondere bei jenen Arten von Arbeit, die langweilig oder unangenehm sind oder aus anderen Gründen wenig Spaß machen.

  • Unterschiedlicher Grad an Engagement
  • Am oberen Ende der Skala des freiwilligen Engagements stehen Menschen, die ihre Arbeit ausgesprochen gern machen – so gern, dass sie sie notfalls auch ohne Bezahlung machen würden, weil es einfach ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Das Paradebeispiel dafür sind Tüftler, Erfinder, aber im weiteren Sinne auch viele Ingenieure, Entwickler, Techniker und andere hochgradig intrinsisch motivierte Menschen. Sie brauchen nicht unbedingt einen Sinn oder ein übergeordnetes Ziel; ihnen genügt es völlig, dass sie ihr Lieblingsspiel spielen dürfen. Viele von ihnen beschäftigen sich damit auch in ihrer Freizeit und am Wochenende.

  • Intrinsische Motivation braucht keine Vision
  • Das untere Ende der Skala bilden Menschen, die wenig oder gar keine Freude an ihrer Arbeit haben und sie im Grunde nur machen, weil sie das Geld brauchen. Dass diese Haltung alles andere selten ist, zeigen die Kämpfe um Arbeitszeitverkürzungen, Pausenregelungen, Fehlzeiten und andere Debatten. Dahinter steht ein Verständnis der Arbeit als Plage oder gar als "Strafe": Bei diesen Auseinandersetzungen geht es letztlich darum, das "Strafmaß" so gering wie möglich zu halten.

  • Wenn die Arbeit keinen Spaß macht
  • Positive statt negativer Motivation

     

    Aber selbst für die hoch und intrinsisch motivierten Menschen gibt es meist Aufgabenteile, zu denen sie deutlich weniger motiviert sind. Ein Klassiker bei Ingenieuren sind Standardisierungen und andere Vorgaben, die nicht in erster Linie der technischen Selbstverwirklichung, sondern der schnöden Effizienz und dem Kostenmanagement dienen. Nicht zufällig drehen sich in Ingenieurkulturen viele Auseinandersetzungen darum, die (Damen und) Herren Ingenieure zu mehr Kostenbewusstsein und/oder zur Einhaltung von Deadlines zu bewegen. Denn Kosten und Termine einzuhalten, ist nicht Bestandteil ihres Lieblingsspiels, es steht einer lustvollen Selbstverwirklichung eher im Wege, also spielen sie dabei auch nicht so gerne mit.

  • Einhaltung von Kosten, Standards und Terminen
  • Aber wie motiviert man auch diejenigen zum effektiven und kontinuierlichen Arbeiten, die wenig Freude daran haben? Und wie bewegt man diejenigen zum kosten- und terminbewussten Arbeiten, die sich lieber ingenieurmäßig verwirklichen würden? Dieses Problem kann man prinzipiell auf zwei Arten lösen: Man kann ihnen die Wichtigkeit und den Nutzen dieser Art des Arbeitens vermitteln, und man kann sie durch eine ebenso aufmerksame wie penetrante operative Führung konsequent dazu anhalten. Die beiden Wege schließen sich natürlich nicht aus; es empfiehlt sich sogar, sie zu kombinieren, denn die operative Führung ist umso weniger konfliktträchtig, je besser die Mitarbeiter verstehen, weshalb deren Forderungen nicht bloß Schikane sind, sondern sachgerecht und sinnvoll.

  • Zwei Möglichkeiten zum Ersatz von Eigenmotivation
  • Dazu muss man nicht gleich eine Vision auffahren: In den meisten Fällen genügt es schon, den Mitarbeitern nachvollziehbar zu erklären, weshalb eine hohe Arbeitsqualität und -produktivität erforderlich ist, um im Wettbewerb mithalten zu können – was wiederum für die Sicherung der Arbeitsplätze unverzichtbar ist. Aber welche Art von Motivation löst man mit dieser impliziten Drohung mit einer Gefährdung ihrer eigenen Arbeitsplätze aus? Sicherlich keine Begeisterung und auch kein wirkliches Engagement, sondern eher ein gequältes, aus der Einsicht in das Unabänderliche resultierendes Mitziehen. Man macht gute Miene zum bösen Spiel, ist aber eher genervt als motiviert.

  • Das Argument der Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplatz-sicherung
  • Deutlich anders ist die Motivationslage, wenn die Mitarbeiter sehen, dass ihr Einsatz für die gemeinsame Sache wichtig ist, und voll hinter dieser Sache stehen. Auch dann macht die konkrete Arbeit (bzw. diese Art von Arbeiten) nicht unbedingt Spaß, aber sie wird dennoch bereitwillig und mit Engagement getan, weil die Mitarbeiter wissen und davon überzeugt sind, damit einen Beitrag zu der Sache zu leisten, die ihnen am Herzen liegt.

  • Engagement für die Sache
  • Das ist natürlich trotzdem keine intrinsische Motivation, aber es kommt nahe an sie heran. Warum? Weil Menschen, wenn sie voll hinter einem Ziel stehen, auch die dafür erforderliche Arbeit so gut wie möglich machen wollen. Der Unterschied zur bloßen Arbeitsplatzsicherung ist, dass das eine eine negative und das andere eine positive Motivation ist: Man strengt sich nicht an, um kein Problem zu bekommen, sondern um einen Beitrag zu der Sache zu leisten, an der einem liegt.

    Zwar kann eine positive Motivation natürlich auch darin bestehen, dass man sich Lob und Anerkennung von seinem Chef erhofft. Aber es ist nicht ganz das Gleiche, ob man, um gelobt zu werden, tut, worauf der Chef besonderen Wert legt, oder ob man tut, was die Sache nach eigener Überzeugung erfordert.
  • Positive statt negativer Motivation
  • Weder Mondflug noch Banal-Visionen

     

    Aber wie kommt man zu einer Vision, die motivierend, idealerweise sogar begeisternd ist und dennoch Hand und Fuß hat, also nicht bloß eine verblasene Kopfgeburt? Ein guter Anfang ist, sich von der vielzitierten John F. Kennedy-Vision zu lösen, "bis zum Ende dieses Jahres einen Mann auf den Mond und sicher wieder zurück auf die Erde zu bringen". Vermutlich ist es nicht nur Bequemlichkeit, sondern auch der Mangel an Beispielen, dass ausgerechnet dieses Beispiel seit Jahren immer wieder zitiert wird.

  • Weg von John F. Kennedy und dem Mann auf dem Mond
  • Dabei ist das Beispiel von Kennedys Mondfahrt eigentlich irreführend, denn genau genommen ist das eine Projektvision, die mit dem erfolgreichen Abschluss des jeweiligen Projekts erfüllt ist, und keine Unternehmensvision, die auf Dauer gültig sein sollte. Was macht die NASA am Ende des von Kennedy ausgerufenen Jahrzehnts, wenn sie ihr Ziel erreicht hat? Sich auflösen?

  • Projektvision vs. Unternehmensvision
  • Lassen Sie zweitens die Finger von einfältigen "Banal-Visionen" à la: "Wir wollen unseren Umsatz verdoppeln", "Wir wollen eine Milliarde erreichen" oder "Wir wollen die Nummer 1 in unserem Markt werden". Das sind Wunschvorstellungen, die eher dem Ego des Top-Managements schmeicheln, als dass sie den Mitarbeitern etwas sagen, geschweige denn, sie begeistern oder ihnen eine Identifikation ermöglichen. (Zumindest aber sollte man, wenn man eine solche Schmalspurvision vertritt, eine klare strategische Antwort auf die Frage haben, auf welche Weise man diese Ziele zu erreichen gedenkt. Denn in der Regel ist, von lobenswerten Ausnahmen abgesehen, nicht damit zu rechnen, dass die bisherige Nummer 1 ihre Position freiwillig räumt.)

  • Keine einfältigen Banal-Visionen
  • Ebenfalls nicht als Vision geeignet sind Ertragsziele wie "25 Prozent Eigenkapitalrendite" oder "Wir wollen das profitabelste Automobilunternehmen weltweit werden". Aus guten Gründen spricht man von "Geschäftsergebnis": Ein gutes Ergebnis ist kein Ziel, das man für sich selbst optimieren kann, es ist das Resultat von etwas anderem, nämlich von guter, effizienter Arbeit. Was "hinten herauskommt", ist das Resultat davon, was man vorne hineingetan und was man innen drin damit gemacht hat. Wer Ergebnisse per se optimieren will, landet unweigerlich bei der Frage, wie er aus Kunden und Mitarbeitern "mehr herausholen" kann – und ist damit auf bestem Weg zu einem ausbeuterischen Geschäftsgebaren. Kein Wunder, wenn sich die Begeisterung von Mitarbeitern und Kunden für solche egoistischen Visionen in Grenzen hält.

  • Gewinn ist das Ergebnis, nicht ein optimierbares Ziel
  • Den eigenen Beitrag auf den Punkt bringen

     

    Eine sehr anregende Leitfrage für die Visionsentwicklung haben die amerikanischen Forscher James C. Collins und Jerry I. Porras vorgeschlagen, nämlich: Was würde auf der Welt fehlen, wenn es unsere Firma nicht gäbe? Das hat natürlich wieder jenes sehr amerikanische Grandiose, Hochfliegende, Überambitionierte, das uns Mitteleuropäern nicht so sehr liegt. Aber gemäß dem Grundsatz "Hätten Sie es vielleicht etwas kleiner?" kann man die Frage, ohne dass etwas Wesentliches verlorengeht, umformulieren in: Was würde in unserem Markt fehlen, wenn es uns nicht gäbe? Was würde unseren Adressaten (Kunden und potenziellen Kunden) fehlen?

  • Was würde ohne uns fehlen?
  • Die modifizierten Fragen sind immer noch "groß" genug, aber die jetzt gefragte Art von Größe ist etwas pragmatischer: Sie verlangt nicht mehr nach Weltgeltung, sondern danach, die eigene Einzigartigkeit auf den Punkt zu bringen. Und zwar nicht aus einer Innensicht, sondern aus Sicht des Marktes bzw. der Kunden. Daran lohnt es sich in der Tat zu feilen.

  • Die eigene Einzigartigkeit auf den Punkt bringen
  • Allerdings ist das besonders in fragmentierten Märkten schwierig: Dort hebt sich zwar jeder irgendwie von den anderen Anbietern abhebt, einfach weil jeder Mensch und jedes Unternehmen seine Besonderheiten hat – aber man hebt sich nicht unbedingt von jedem anderen Anbieter in der gleichen Weise ab. Daher ist es in solchen Fällen oft schwierig, klar anzugeben, was im eigenen Markt fehlen würde, wenn es die eigene Firma nicht gäbe.

  • Schwierig in fragmentierten Märkten
  • Falls einem hier kein klarer Punkt einfällt und leise die Befürchtung hochkommt, die ehrliche Antwort könnte "Nichts" lauten, lassen Sie sich nicht entmutigen. Stattdessen hilft es Ihnen vielleicht, die Frage nach dem eigenen Beitrag zu stellen: Welchen besonderen Beitrag leisten wir zum Erfolg oder Wohlergehen unserer Kunden? Aus welchem Grund sollten Kunden bei uns einkaufen und bei uns bleiben, statt zu einem der Wettbewerber zu wechseln? Welchen besonderen Nutzen bieten wir ihnen?

  • Unser besonderer Beitrag und Nutzen für den Kunden
  • Wer auch hier Schwierigkeiten hat, seinen besonderen Beitrag bzw. Nutzen für den Kunden auf den Punkt zu bringen, der hat möglicherweise ein echtes Problem. Denn entweder – das ist der günstigere, aber unwahrscheinlichere Fall – er hat einen Wettbewerbsvorteil, der seinen Kunden klarer ist als ihm selbst, oder aber er hat keinen klaren Wettbewerbsvorteil. Dann aber hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Schwierigkeiten, Kunden für seine Firma zu finden und sie bei der Stange zu halten, außer dadurch, dass er besonders günstige Preise anbietet – und entsprechend schlecht verdient.

  • Schwierigkeiten deuten auf unklaren Wettbewerbsvorteil
  • In solchen Fällen ist es umso wichtiger, den eigenen Wettbewerbsvorteil, sprich, den besonderen Kundennutzen markanter herauszuarbeiten. Nur dass es in diesem Fall möglicherweise nicht damit getan ist, ihn klarer zu formulieren, sondern ihn überhaupt erst entwickeln bzw. ihn so weiterzuentwickeln, dass er für die Kunden eine ausreichend klare Abgrenzung zu den Wettbewerbern schafft. Denn in einer Wettbewerbswirtschaft haben die Kunden die Wahl – und sie wählen den Anbieter, von dem sie sich den größten Nutzen versprechen. Das heißt, in diesem Fall geht es nicht primär darum, eine Vision zu formulieren, sondern ein strategisches Fundament für das Überleben der eigenen Firma zu schaffen.

  • Den eigenen Kundennutzen schärfen
  • Den Nutzen für andere prägnant angeben

     

    Ein anderer Blickwinkel, an die Visionsfrage heranzugehen, ist die allgegenwärtige Partyfrage: "Was macht Ihre Firma eigentlich?" Darauf kann man natürlich ultratrocken antworten: "Wir verkaufen und verteilen elektrischen Strom." Man kann die Frage aber auch wunderbar nutzen, um auf den Punkt bringen, welchen Nutzen man seinen Kunden bzw. seiner Region bringt: "Wir halten unsere Stadt (bzw. unsere Region) am Funktionieren." Das führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer interessierten Nachfrage – auf die man genauer erklären kann, was alles nicht funktionieren würde, wenn nicht buchstäblich in jeder Sekunde Strom aus der Steckdose käme.

  • "Und was macht Ihre Firma eigentlich?"
  • Diese Partyfrage nutzenorientiert zu beantworten, ist eine ausgesprochen nützliche Übung (nicht nur) für die Visionsentwicklung. Auch wenn sie natürlich nicht immer so einfach und plakativ zu beantworten ist wie, wenn die eigene Firma in dem Bereich tätig ist, den man altmodisch "Daseinsfürsorge" nennt. Möglich sollte es aber für fast jedes Geschäft sein, denn irgendeinen Nutzen für irgendjemanden schafft (fast) jede Firma.

  • Was haben Sie davon, dass es uns gibt?
  • Etwas anspruchsvoller ist es, den eigenen Beitrag auf den Punkt zu bringen, wenn man nicht Endkunden beliefert, sondern irgendwelche Vorprodukte herstellen, die in komplexe Geräte oder Anlagen einfließen. Aber auch da sollte es möglich sein, wenn man sich konsequent die Frage stellt: Was würde fehlen, wenn es uns und unsere Produkte oder Dienstleistungen nicht gäbe?

  • Was würde fehlen?
  • Nehmen wir als Beispiel Kugellager oder, wie sie fachmännisch heißen, Wälzlager. Was hat das mit dem Leben des Partybekannten zu tun? "Ohne uns wären Sie nicht hierher gekommen, und ohne uns würden Sie nicht nach Hause kommen." Wieso nicht? "Weil sich ohne uns kein Rad drehen würde. Oder zumindest nicht sehr lange – und es würde quietschen wie jene alten Wagenräder, die auf einer starren Achse sitzen und sich nur drehen, solange sie gut geschmiert sind."

  • Übersetzen in die Welt der Adressaten
  • Vision und Wettbewerbsvorteil

     

    Natürlich ist damit noch nicht die Frage nach dem Wettbewerbsvorteil beantwortet – und vielleicht gibt es den für den konkreten Partygast auch nicht. Möglicherweise wären, wenn es diese Firma nicht gäbe, in dessen Auto oder Straßenbahneinfach einfach andere Wälzlager eingebaut worden. Womöglich wäre es der Geduld des Partygasts auch zuviel zugemutet, ihm die eigenen Wettbewerbsvorteile zu erklären. Nützlich ist die Frage trotzdem, denn sie hilft beim Denken.

  • Zusammenhang mit dem Wettbewerbsvorteil
  • Ist die Frage nach der Vision dann letzten Endes das Gleiche wie die nach dem eigenen Wettbewerbsvorteil? Nicht ganz, obwohl beide zusammenhängen. Aber die Frage nach dem Wettbewerbsvorteil ist eine nüchterne strategische Frage, die bei den meisten Mitarbeitern und Führungskräften nicht allzu viele Emotionen wecken wird. Trotzdem ist sie keineswegs unwichtig. Deshalb sollten nicht nur ein paar Spezialisten, sondern idealerweise alle Mitarbeiter diesen Wettbewerbsvorteil kennen und verstehen, weil ihnen das hilft, ihre Arbeit zu fokussieren: Wenn das Ziel ist, den Kunden einen ganz spezifischen Nutzen zu bieten, muss im gesamten Unternehmen anders gearbeitet werden als wenn das Ziel ist, zu besonders günstigen Preisen anzubieten.

  • Wettbewerbs-vorteile – ein nüchternes strategisches Thema
  • Trotzdem gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Kenntnis des eigenen Wettbewerbsvorteils vermittelt zwar Orientierung (was bereits eine Menge ist – und mehr, als in vielen Firmen der Fall), aber sie ist nicht unbedingt eine Quelle von Motivation, geschweige denn, von Begeisterung. Um Engagement und idealerweise Begeisterung auszulösen, muss die Vision zwar auch auf das Besondere abheben, aber sie soll darüber hinaus Emotionen mobilisieren – genauer, sie soll den starken Wunsch wecken, an dem beschriebenen Ziel mitzuwirken: Sie muss ein Angebot zur Identifikation mit den Zielen machen.

  • Ein Angebot zur Identifikation machen
  • Zwei wesentliche Energiequellen

     

    Dieser Wunsch, mitzumachen und dadurch selbst zu einem Vorhaben beizutragen, kann im Wesentlichen auf zwei Arten mobilisiert werden: zum einen durch die Inhalte selbst, zum anderen durch deren Nutzen für ein größeres Ganzes.

  • Zwei wichtige Motivationsquellen
  • Wer gerne Fußball spielt, den juckt es in den Füßen, wenn er irgendwo Leute mit einem Ball sieht. In diesem Fall resultiert der Wunsch mitzuspielen nicht aus irgendeinem übergeordneten Nutzen, sondern einfach aus seiner Begeistung für das Spiel selbst. Das reicht als Energiequelle völlig aus; die Frage, wofür das gut sein soll, stellt sich in diesem Fall überhaupt nicht – bzw. die Antwort lautete ganz platt und banal: Weil es Spaß macht.

  • Der Wunsch, bei einem spannenden Spiel mitzuspielen
  • Von dieser Motivationsquelle leben viele Unternehmen, die technische Entwicklungen vorantreiben, und natürlich Pionierunternehmen, die alles daran setzen, ein neuartiges Produkt zu realisieren und im Markt zu etablieren. Wenn man die Ingenieure in einer Entwicklungsabteilung oder auch die Strategieberater in renommierten Beratungsfirmen fragt, was sie antreibt, werden sie weniger auf den gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit abheben als auf die Arbeit selbst: Sie wollen zeigen, was in ihnen steckt, und Ideen und Konzepte realisieren, die noch nie realisiert worden sind. (Welche Spielverderberei, von ihnen Standardisierung zu verlangen!)

  • Motivation aus der Sache selbst
  • Die andere wichtige Energiequelle, die den Wunsch mitzumachen weckt, ist die Gelegenheit, auf diese Weise an einer großen und wichtigen Aufgabe mitwirken zu können. Diese Energiequelle halte ich sowohl für unterschätzt als auch für völlig unter-nutzt: Sehr viele Menschen sind auf der Suche nach einer Aufgabe, die über sie hinausreicht und ihrer Arbeit Sinn und Bedeutung gibt – und möglicherweise auch ihrem Leben.

  • Mitwirken an einer großen und wichtigen Aufgabe
  • Das ist einer der Gründe, weshalb sich viele in ihrer Freizeit in Non-Profit-Organisationen engagieren, aber es ist auch der Grund, weshalb längst nicht alle Menschen in die Berufe und Unternehmen streben, in denen sie am meisten verdienen könnten. Stattdessen arbeiten viele in Firmen und Organisationen, die ihnen die Möglichkeit geben, etwas Sinnvolles zu tun. Aber natürlich spricht das Sinnmotiv auch viele an, die in "ganz normalen Wirtschaftsunternehmen" arbeiten: Wenn sie vor der Wahl stünden, entweder etwas aus ihrer Sicht Sinnvolles zu tun oder etwas mehr oder weniger Sinnloses, wie etwa, den Marktanteil von Dash gegenüber Omo zu erhöhen, würden vermutlich die wenigsten sagen: "Ist mir egal, ich nehme, was besser bezahlt ist."

  • Einfluss auf die Berufs- und Arbeitgeberwahl
  • Beide Energiequellen ansprechen

     

    Beide Motivationsquellen sind hoch wirksam – für diejenigen, die auf sie ansprechen. Trotzdem gibt es wichtige Unterschiede, nicht nur, was die Motivationsstruktur der Adressaten betrifft. Die Spielfreude oder, sagen wir besser, "Funktionslust", die ein Technologie-Unternehmen zu bieten hat, begeistert in erster Linie dessen Forscher und Entwicklungsingenieure, vielleicht noch Teile der Produktion, aber weder dessen Vertrieb noch die Verwaltung. Denn die können nicht mitspielen – und wollen es als Nicht-Ingenieure vielleicht auch gar nicht. Sie spricht diese Quelle der Motivation also nicht an.

  • Grenzen der "Spielfreude"
  • Umgekehrt könnten sie vielleicht der gesellschaftliche Nutzen ihrer innovativen Produkte begeistern. Denn auch sie sind ja Teil einer Firma, die solche Produkte herstellt, und können daher mit berechtigtem Stolz sagen: "Wir machen das." Andererseits motiviert die Möglichkeit, zu einer größeren Sache beizutragen, nicht alle Menschen gleichermaßen: Wer mit den Inhalten der jeweiligen Vision nichts anfangen kann, den wird sie auch nicht zu besonderem Engagement veranlassen – er würde vielleicht lieber "Fußball spielen". Und es gibt wohl auch Personen, die generell wenig Interesse daran haben, einen Beitrag zu etwas Größerem zu leisten: Wer sich selber zu kurz gekommen und vom Leben ungerecht behandelt fühlt, hat vielleicht auch keine Lust, einen Beitrag für andere zu leisten.

  • Auch das Beitragen zu etwas Größerem motiviert nicht alle
  • Unter dem Strich spricht das dafür, nach Möglichkeit beide Energiequellen für seine Vision zu nutzen, zumal sie sich ja nicht gegenseitig ausschließen: Man kann ja sowohl faszinierende Produkte entwickeln als auch damit einen gesellschaftlichen Nutzen stiften, und dementsprechend kann man auch beides in einer Vision ansprechen.

  • Möglichst beide Motivationsquellen nutzen
  • Die Gelegenheit, zu etwas Größerem beizutragen

     

    Klassische Felder, die die Motivation, einen Beitrag zum übergeordneten Ganzen zu leisten, ansprechen bzw. ansprechen könnten, sind Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Aber im Grunde gilt dies auch für fast alle anderen menschen- und gesellschaftsbezogenen Dienstleistungen, wie etwa für Tourismus, Gastronomie, Handel – aber auch Schlüsseldienste und selbst für Bestattungen. Ähnliches gilt für Ämter und Behörden, von denen ja auch viele Dienstleistungen für Bürger erbringen (auch wenn das nicht allen bewusst zu sein scheint) sowie für die meisten Non-Profit-Organisationen.

  • Dienstleistungen für Menschen bzw. die Gesellschaft
  • Eine Variante dieser Art von Motivation ist der Begriff "Auftrag". Allerdings passt dieser Begriff eher für Behörden als auf Unternehmen: Da man sich ja nicht selbst einen Auftrag erteilen kann, muss es zu jedem Auftrag einen legitimen Auftraggeber geben. Bei Ämtern und Behörden ist dieser Auftraggeber der Staat bzw. der Gesetzgeber: Er hat ihnen einen gesetzlichen Auftrag erteilt, der in aller Regel auf irgendeinen Nutzen für die Gesellschaft zielt.

  • Gesetzlicher Auftrag als Motivation
  • Aus diesem Auftrag ergibt sich auch die Antwort auf die Frage: Was würde in unserem Land fehlen, wenn es uns nicht gäbe? Diese Antwort kann und sollte für Ämter und Behörden der Dreh- und Angelpunkt ihrer Vision sein, aber auch für öffentliche Zweckbetriebe wie die U-Bahn oder die Müllabfuhr. Auch ein solcher Auftrag ist letztlich ein Beitrag zu etwas Größerem, etwa zum Schutz, zur Versorgung oder zum Funktionieren der Gemeinschaft, der man angehört.

  • Beitrag zum Funktionieren der Gemeinschaft
  • Ähnliches ist auch mit dem amerikanischen Begriff "Mission" gemeint. Er löst auf unserer Seite des Atlantik oft Befremden aus, weil er in unseren Ohren religiös geprägt ist und nach Bekehrung klingt. Dadurch wirkt er im Unternehmenskontext eher deplatziert. Wie er wirklich zu verstehen ist, hört man am ehesten aus der Meldung "mission accomplished" heraus: Dieser Satz kommt nicht aus einem religiösen, sondern aus einem militärischen Kontaxt. Hier geht es nicht um den Abschluss der Heidenbekehrung, sondern um die erfolgreiche Fertigstellung eines Auftrags: "Sache erledigt!"

  • Das Missverständnis um die "Mission"
  • Abgrenzungen und Zusammenhänge

     

    Aber wie genau hängen nun Vision, Strategie und Kultur zusammen bzw. in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Wie erwähnt, gibt es einen Zusammenhang zwischen der Vision und den Wettbewerbsvorteilen eines Unternehmens, aber sie sind nicht dasselbe. Die Wettbewerbsvorteile zählen zum Feld der Strategie; dabei geht es um die Frage, auf welche besonderen Stärken (bzw. auf welche kritischen Engpässe ihrer Kunden) sich ein Unternehmen konzentrieren will, um in seinem Geschäft erfolgreich zu sein.

  • Vision, Strategie und Kultur
  • Die Strategie beantwortet also die Frage, WAS ein Unternehmen tun will. Die Vision hingegen beantwortet die Frage nach dem Sinn und Zweck, also nach dem WOFÜR oder WOZU. Das muss natürlich mit der Strategie und den angestrebten Wettbewerbsvorteilen zusammenpassen, sonst erzeugen Vision und Strategie Konfusion statt Orientierung. Trotzdem sind es zwei verschiedene Perspektiven.

  • Strategie und Vision: WAS vs. WOZU
  • Dabei ist, wenigstens vom Prinzip her, die Vision übergeordnet: Wenn und solange die Unternehmensleitung von ihrer Vision überzeugt ist, steckt diese Vision einen Rahmen für die Strategie, und das heißt auch, es schließt Strategien aus, die nicht mit der Vision zusammenpassen. In der Praxis sind die Vorfahrtsregeln weniger eindeutig: Wer eine Strategie überzeugend oder gar zwingend findet, kann natürlich auch die Vision anpassen. Nur einen Widerspruch bestehen lassen sollte man nicht.

  • Im Prinzip ist die Vision übergeordnet
  • Vision und Kultur

     

    In ähnlicher Weise gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Vision und Unternehmenskultur, gleich ob die angestrebte Kultur irgendwie zu Papier gebracht und zum Beispiel in einem Leitbild oder in Führungsgrundsätzen dokumentiert ist oder nicht. Doch die Vision ist auch keine Beschreibung der Kultur – vielmehr beantwortet die Sollkultur die Frage nach dem WIE: Wie müssen wir arbeiten, um in unserem Geschäft erfolgreich zu sein? Wie wollen wir mit Kunden und Lieferanten umgehen, wie müssen wir zusammenarbeiten, um möglichst erfolgreich zu sein und möglichst wenig Motivation und Kraft mit internen Reibungsverlusten zu verlieren?

  • Die (Soll-)Kultur beantwortet die Frage nach dem WIE
  • Auch hier ist Kompatibilität wichtig, aber in der Praxis weniger kritisch. Die Sollkultur muss sich an den Erfordernissen der Strategie ausrichten, und die Vision kann und soll dabei helfen, die angestrebte Ausrichtung der Kultur zu erklären und zu vermitteln. Die Vision ist dabei in aller Regel unkritisch; dagegen kann es unter Umständen Widerstände geben, wenn den Mitarbeitern im Zuge einer Kulturveränderung konkrete Verhaltensänderungen abverlangt werden.

  • Visionen lösen kaum Widerstände aus
  • Das heißt, in Summe ist die Entwicklung einer Vision ein wichtiges, aber unkritisches Change-Projekt: Sie liefert Orientierung und im besten Falle Motivation, aber eine Vision ist weder bedrohlich noch löst sie nennenswerte Widerstände aus. Im besten Falle kann sie sogar Widerstände reduzieren, weil sie strategische Entscheidungen des Managements nachvollziehbarer und damit auch annehmbarer macht.

  • Unkritisches, aber wichtiges Change-Projekt

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