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Leistungsträger: Wider die Missachtung derer, die den Laden am Laufen halten

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Auch wenn alle Welt über den "War for Talent" debattiert, die wahren Leistungsträger sind in den allermeisten Firmen (und Behörden) nicht die "High Potentials", es sind ganz normale Beschäftigte jeden Alters, die, oft kaum beachtet, einfach nur zuverlässig ihre Arbeit machen. Sie sind es, die dafür sorgen, dass das Tagesgeschäft läuft und die Kunden beliefert werden, gleich was sonst alles los ist und gleich wie schwierig die Bedingungen wieder einmal sind. Hart, aber realistisch gesagt: Mit "Überfliegern" kann man keine erfolgreiche Firma betreiben, dafür braucht man "Arbeiter".

  • Die wahren Leistungsträger

Zum Glück für die meisten Unternehmen besteht der Großteil ihrer Belegschaft aus Leuten, die sich weder als Stars fühlen noch ständig im Scheinwerferlicht stehen müssen, sondern einfach ihre Arbeit machen wollwn. Zugegeben, die meisten davon sind nicht die großen Innovatoren und Veränderungstreiber, sie lieben die Routine des Tagesgeschäfts. Ihre oft unterschätzte Leistung besteht darin, dass sie den Laden am Laufen halten, während ihre Chefs mit den "Überfliegern" eloquent darüber parlieren, wie man die Firma innovativer und profitabler machen oder ihr gar mit "disruptiven Innovationen" zu einer "strategischen Transformation" verhelfen könnte.

  • Top-Talente vs. Leistungsträger

Weniger Glamour, mehr Arbeit

 

Wer über die wahren Leistungsträger redet, redet daher nicht über die wenigen "Top Talents", er redet über das breite und entsprechend vielfältige Mittelfeld, das weder zu den Überfliegern zählt noch zu den Ausfällen. Also über jene 70 bis 80 Prozent der Belegschaft, die auf der einen Seite von den Hoffnungsträgern umrahmt werden und auf der anderen von den hoffnungslosen Fällen. (Wobei man sich in Bezug auf die "Hoffnungsträger" bewusst sein sollte, dass die sie die in sie gesetzten Hoffnungen erst noch bestätigen müssen und die Wahrscheinlichkeit, dass hochgesteckte Erwartungen nicht in Erfüllung gehen, umso höher ist, je höher man sie gesteckt hat.)

  • Großteil der Belegschaft

Unter diesen 70 bis 80 Prozent des breiten Mittelfeld finden sich völlig unterschiedliche Typen von Menschen, darunter auch jene, die oft etwas verächtlich als "Mittelmaß" bezeichnet werden: Solche, die schon in der Schule nicht zu den Besten zählten (aber, wie man fairerweise hinzufügen muss, auch nicht zu den Schlechtesten) und die auch in der Firma weder die Überflieger sind noch die Minderleister sind, sondern halt diejenigen, die die Arbeit machen – und genau deshalb die wahren Leistungsträger.

Ja, es stimmt schon, viele davon sind weder von ihrem Intellekt noch von ihrer Persönlichkeit her irgendwie herausragend – aber das ist ja auch kein realistischer Anspruch, denn schon rein statistisch muss im Durchschnitt ja der Durchschnitt herauskommen. Viel entscheidender ist: Sie bringen die vertraglich geschuldete Gegenleistung für ihr Gehalt – nichts, was eine Auszeichnung rechtfertigt, aber auch nichts, worüber sich ein fairer Arbeitgeber beschweren kann.

  • Das unterschätzte "Mittelmaß"

Der Beitrag zum Geschäftserfolg, den dieses "Mittelmaß" leistet, wird vom Top-Management in aller Regel unterschätzt, und von Beratern sowieso. Klar, die meisten dieser Leute sind nicht die Innovativsten und auch nicht die faszinierendsten Gesprächspartner. Aber es sind diejenigen, die sich nicht zu schade sind für die alltägliche Routine. Es sind diejenigen, die sich mit den Details auskennen, die wissen, wie das Geschäft funktioniert – und wie man sich dort behilft, wo der Laden nicht so besonders funktioniert. Ohne sie und ihre Leistung hätten das Management und seine Berater ganz andere Sorgen.

  • … hält den Laden am Laufen

Spezialisten und "Unehrgeizige"

 

Zu den Leistungsträgern zählen aber auch andere Typen – zum Beispiel Menschen, die von ihrem Selbstverständnis her lieber Experten für ihr jeweiliges Fachgebiet sein wollen als "Generalisten". Geradezu klassisch sind darunter viele Ingenieurinnen und Techniker, desgleichen stolze Facharbeiter, die sich nicht überhaupt vorstellen können und schon gar nicht anstreben, in einem anderen als dem von ihnen gewählten und erlernten Beruf zu arbeiten.

Spezialisten, denen ihr die Arbeit auf ihrem Fachgebiet mehr Befriedigung gibt als jede Karriere, gibt es aber auch auf jedem anderen Gebiet, vom Außendienst über die Buchhaltung bis zur Personalentwicklung. Etliche von ihnen haben sich bewusst gegen eine Führungskarriere entschieden, andere hat man dafür nie ernstlich in Betracht gezogen, weil offensichtlich ist, woran ihr Herz hängt.

  • Fachleute und Spezialisten

Wie Thomas J. DeLong und Vineeta Vijayaraghavan schon vor Jahren herausgearbeitet haben, sind unter den Leistungsträgern einer Organisation nicht zuletzt auch Menschen, die sich von den "Überfliegern" weniger durch ihre Fähigkeiten unterscheiden als durch ihre Einstellungen zum Leben: Sie sind nicht gewillt, alles andere ihrer Karriere unterzuordnen, und legen Wert auf eine Ausgewogenheit der Lebensbereiche ("Work-Life-Balance") – was damit beginnt, dass sie genügend Zeit für ihre Familie und/oder ihre Hobbies haben wollen und daher nicht in beliebigem Umfang für Spätschichten und Wochenendarbeit zu Verfügung stehen.

  • Unehrgeizige: Lebensbalance statt Blitzkarriere

Dafür nehmen sie in Kauf, nicht zu den "Top-Talenten" oder "High Potentials" gezählt zu werden – und dass man ihnen offen oder hinter vorgehaltener Hand "mangelnden Ehrgeiz" vorwirft. Die Selbstbewussteren unter ihnen würden darauf antworten: "Stimmt, ich habe keinen großen Ehrgeiz. Aber was genau ist daran der Vorwurf?" Genau genommen mangelt es nicht ihnen an Ehrgeiz, sondern ihrer Firma mangelt es an ihrem Ehrgeiz. Und zwar weil die Betreffenden entsprechend weniger "opferbereit" sind: Wer keine großartige Karriere anstrebt, für den ergibt es auch keinen Sinn, dafür in Vorleistung zu gehen und Opfer zu bringen.

  • Wem fehlt hier der Ehrgeiz?

Geringschätzung der "Arbeitspferde"

 

Wie gleichgültig dem Top-Management trotz aller gegenteiligen Bekenntnisse gegenüber diejenigen ist, die den Laden am Laufen halten, sieht man am deutlichsten an den Führungsspannen in den "direkt produktiven" Einheiten. ("Direkt produktiv" nennt man alle direkt wertschöpfenden Tätigkeiten, also all jene, bei denen jede ausfallende Stunde einen entsprechenden Verlust an "Produktion" bedeutet.)

Im sogenannten "gewerblichen" Bereich ist ein Meister oft für 30, 50 oder gar 80 Mitarbeiter verantwortlich – nicht selten im Mehrschichtbetrieb. Da ist es kein Wunder, wenn sich Mitarbeiter beklagen (oder auch nur achselzuckend konstatieren), sie hätten ihre Chefin schon seit Monaten nicht mehr gesehen, geschweige denn, ein Gespräch mit ihr geführt.

  • Gigantische Führungsspannen

Wer für 30, 50 oder noch mehr Beschäftigte verantwortlich ist und zudem an allen möglichen Routinebesprechungen teilzunehmen hat, kann allenfalls noch Dienstpläne schreiben, urlaubsbedingte Abwesenheiten koordinieren und die unvermeidlichen Feuer löschen. Meist hat sie schon alle Hände voll damit zu tun, Lösungen für unvorhergesehene Fehlzeiten zu finden, bei Produktionsstörungen rasch einzuschreiten und adäquat auf Fehlverhalten zu reagieren. Doch sie ist kaum noch dazu in der Lage, neue Mitarbeiter einzuarbeiten, geschweige denn, in nennenswertem Umfang Tätigkeiten auszuüben, welche ernstlich die Bezeichnung "Führung" verdienen.

  • Keine Zeit für Führung

"Eingearbeitet" werden neue Mitarbeiter in solchen Bereichen von den Kolleginnen – nicht, weil die mehr Zeit dafür haben, sondern notgedrungen und ohne ein systematisches Konzept. Denn damit sie von den Neuen eine Entlastung erfahren und brauchbare Ergebnisse bekommen, müssen sie ihnen erst einmal beibringen, was sie zu tun haben und worauf es dabei ankommt – gleich ob sie dafür Zeit haben oder nicht. Mit etwas Glück schaut irgendwann einmal der Meister vorbei und erkundigt sich, wie es läuft – und zieht erleichtert weiter, wenn er hört: "Geht schon irgendwie."

  • Einarbeitung durch Kolleginnen

Viele langjährige Beschäftigte in der Fabrik, in der Montage oder Logistik, haben noch nie in ihrem Leben ein Personalgespräch gehabt, das diese Bezeichnung verdient. Sie haben auch noch nie erlebt, dass sich irgendwer aus dem Management ernsthaft bei ihnen erkundigt, wie es ihnen denn so geht im Unternehmen, ob sie sich wohlfühlen, Beschwerden haben oder was ihre Bedürfnisse sind. Kein Wunder, dass diese Mitarbeiter das Gefühl haben, sie würden vom Management nur als Zahnrädchen im großen Getriebe wahrgenommen, für das sich niemand interessiert, solange es rund läuft. Und das man halt austauscht, wenn es schadhaft oder abgenutzt ist.

  • Erlebbares Desinteresse

Betriebsrat und Vertrauensleute füllen die Beachtungslücke

 

In diese "Beachtungslücke" stoßen andere, insbesondere der Betriebsrat und die Vertrauensleute der Gewerkschaft. Sie geben den einfachen Mitarbeitern das, was ihnen das Management verweigert, nämlich Beachtung, Aufmerksamkeit und Zuwendung. Doch verstehen die meisten Beschäftigten schnell, dass diese Beachtung und Zuwendung an eine Bedingung geknüpft ist, nämlich an "Solidarität", sprich daran, ihrerseits den Betriebsrat und die Gewerkschaft zu unterstützen und sich ihnen stärker verbunden zu fühlen als dem Unternehmen bzw. dessen jeweiligem Management.

  • Betriebsrat und Vertrauensleute füllen die Beachtungslücke

Letztlich erzeugt und sichert das Desinteresse des Managements an den "Arbeitsbienen" die Machtbasis des Betriebsrats und der Gewerkschaft(en): Je weniger Zeit und Aufmerksamkeit eine Firma über ihre Führungsstruktur jeder einzelnen Beschäftigten zukommen lässt, desto mehr binden sich diese Beschäftigten an diejenigen, die ihnen jene Aufmerksamkeit und jenes Interesse entgegenbringen, das jeder Mensch braucht, um sich wohlfühlen und ein Gefühl von Zugehörigkeit entwickeln zu können.

  • Machtbasis des Betriebsrats und der Gewerkschaft

Die logische Konsequenz: Da der Betriebsrat der natürliche bzw. gesetzliche Gegenpol zum "Arbeitgeber" bzw. zum Management ist, stehen "die Gewerblichen" bei innerbetrieblichen Konflikten in aller Regel auf der Gegenseite – und nehmen gegenüber allem, was vom Management kommt, eine skeptische bis ablehnende Haltung ein. Jedenfalls so lange, wie das Vorhaben nicht vom Betriebsrat ausdrücklich gutgeheißen oder zumindest für hinnehmbar erklärt wird.

Das färbt unweigerlich auch auf ihre Haltung zu Veränderungsvorhaben des Managements ab: Viele Beschäftigte schauen da erst einmal in Richtung Betriebsrat und warten auf seine Signale. Wobei man sich einig ist, dass man dem, was von "denen da oben" kommt, nicht so ohne Weiteres trauen kann. Die Macht des Betriebsrats, die gerade in vielen Großunternehmen weit über das vom Gesetz Vorgesehene hinausgeht, erwächst so letztlich aus der mangelnden Beachtung der "direkt Produktiven" durch das Management.

  • Grundskepsis gegenüber Veränderungen

Operative Führungskräfte zwischen den Stühlen

 

Diese Nähe zum Betriebsrat gilt in den direkt produktiven Bereichen nicht nur für "einfache Mitarbeiter", sondern meist auch für die unteren und mittleren Führungskräfte, insbesondere für die Meisterebene. Sie merken in der Regel schnell, dass sie auf verlorenem Posten stehen, wenn sie versuchen, ihre Rolle als die Stellvertreter des Managements auf Erden bzw. in der Fabrik zu verstehen. Und dass sie weitaus besser fahren, wenn sie sich mit den Mitarbeitern und vor allem dem Betriebsrat gut stellen – und eben tun, was sie unter diesen Bedingungen durchsetzen können.

  • Auch Meister und viele mittlere Führungskräfte

Deshalb kommt die Meisterebene – und oft auch die Gruppenleiterinnen in der Verwaltung – auch in höchste Verlegenheit, wenn das Management bei Change-Vorhaben von ihnen erwartet, die erforderlichen Veränderungen in ihrem Bereich durchzusetzen – auch gegen den Widerstand ihrer gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter. Weil sie genau wissen, dass sie damit den Betriebsrat auf den Plan rufen und sich letzten Endes eine blutige Nase holen würden, lavieren sie in solchen Fällen herum und bemühen sich, es beiden Seiten recht zu machen, es sich aber zumindest mit keiner zu verderben. Und wenn es hart auf hart geht, riskieren sie lieber Ärger mit ihren Chefs als mit dem Betriebsrat und den Vertrauensleuten.

  • Zwischen allen Stühlen

Was im Management wiederum regelmäßig zu Zornesausbrüchen über die "Feigheit" und mangelnde Konfliktbereitschaft der Meisterebene weckt, wenn es nicht gar einen weitergehenden Verdacht weckt: "Auf wessen Seite stehen die eigentlich?!" Weil die Meisterinnen jedoch wissen, dass sie bei einem Konflikt mit dem Betriebsrat letztlich im Regen stünden und dabei zumindest langfristig nur verlieren könnten, hüten sich die allermeisten von ihnen, die geforderte harte Haltung tatsächlich an den Tag zu legen. Was im Ergebnis zu der gefürchteten Verwässerung der Vorgaben führt – und sie zugleich erklärt.

  • Vorhersehbare Verwässerung der neuen Vorgaben

Distanziertes Verhältnis zu Veränderungsinitiativen

 

Weil sie ihren Job in allererster Linie in der Bewältigung des Tagesgeschäfts und seiner Herausforderungen sehen, haben die meisten Leistungsträger auch ein anderes Verhältnis zu Veränderungsvorhaben jedweder Art. Wer alle Hände voll damit zu tun hat, den Laden am Laufen zu halten, und dabei mit den verschiedensten Widrigkeiten zu kämpfen hat, von IT-Problemen über enge Terminvorgaben bis hin zu ständig neuen Überraschungen, braucht nichts weniger als zusätzliche Change-Projekte, die mit oft ungewissen Erfolgsaussichten eine Menge an Ressourcen verschlingen, von der Wertschöpfung für den Kunden ablenken und "Unruhe" in die Mannschaft tragen.

  • Mit dem Tagesgeschäft voll ausgelastet

Was dem Top-Management und externen Beratern oft als mangelnde Veränderungsbereitschaft der mittleren Ebenen erscheint, wird verständlich, wenn man sich bewusst macht, dass diese Leute in der Regel mit dem Tagesgeschäft alle Hände voll zu tun haben. Und dass sie auch von ihrer Mentalität und Denkweise ein positiveres Verhältnis zu funktionierender Routine haben als der Vorstand und seine Berater. Insofern ist es nicht überraschend, dass sie auf die Ankündigung von Veränderungsvorhaben spontan erst einmal mit Abwehr reagieren: "Die da oben glauben wohl, wir hätten sonst nichts zu tun, als säßen wir nur herum und warteten, bis sie uns endlich wieder mit einer ihrer genialen Ideen beglücken!"

  • Geringe Begeisterung für Veränderungen

Diese Abwehrreaktionen zu verstehen, heißt nicht, sie sich zu eigen zu machen oder gar, ihnen nachzugeben. Es heißt erst einmal nur, auf sie gefasst zu sein und weder erschrocken noch beleidigt zu sein, wenn die ersten Reaktionen so oder so ähnlich ausfallen. Es ist völlig normal, dass Menschen nicht mit spontaner Begeisterung reagieren, wenn jemand von außen mit Veränderungsforderungen auf sie zukommt.

Und es ist auch kein Indiz mangelnder Veränderungsbereitschaft, dass sie erst einmal wissen wollen, was eigentlich das Problem ist, bevor sie sich für dessen Lösung begeistern. Es ist im Grunde sogar ein gutes Zeichen, weil es ja zum Ausdruck bringt, dass sie sich Sorgen um die Erledigung des Tagesgeschäfts machen – denn das ist das ja, wovon die Firma letztlich lebt. Letztlich ist dies ja eine Sorge, die von Loyalität, Identifikation und Verantwortungsbewusstsein zeugt.

  • Auf Abwehr gefasst sein

Da sie ja an der reibungslosen Abwicklung des Tagesgeschäfts gemessen werden, ist auch verständlich, wenn operative Führungskräfte unruhig werden, wenn ihre Mitarbeiter zu viel Zeit und Energie auf Change-Projekte der Geschäftsleitung verwenden. Gerade jüngere und ambitionierte Mitarbeiter sind dafür gern zu haben, denn diese Change-Projekte versprechen mehr Sichtbarkeit und mehr Abwechslung als das langweilige Tagesgeschäft. Weshalb sie dessen Erledigung bereitwillig ihren Kolleginnen überlassen und sich mit wichtiger Miene zu "ihrem Projekt" verabschieden.

Wenn das überhand nimmt, löst es verständlicherweise Unmut entweder bei den Kolleginnen aus, an denen die Mehrarbeit hängen bleibt, oder bei den internen oder externen Kunden, die vergeblich auf die Erledigung ihrer Aufträge warten. Also sehen sich die mittleren Führungskräfte früher oder später gezwungen, ihre "Nestflüchtlinge" zurückzupfeifen und ihnen deutlich zu machen, dass ihre operativen Aufgaben immer noch Vorrang vor der "Kür" der Projektarbeit haben. Auch wenn das der Projektleiterin und den Beratern noch so sehr missfällt.

  • Disziplinierung übereifriger Projekt-Mitarbeiter

Das bringt ihnen prompt den Vorwurf ein, dem Change-Vorhaben feindlich gegenüberzustehen und es "auszubremsen" – obwohl es im Grunde nur ihrer Verantwortung als Führungskraft entspricht. Denn in aller Regel sind die Kapazitäten heute nicht mehr so reichlich bemessen, dass man einen oder mehrere Mitarbeiter mühelos für längere Zeit entbehren kann. Wobei freilich auch zur Wahrheit gehört, dass manche operativen Führungskräfte dabei durchaus lustvoll auf die Bremse treten, weil ihnen die ständigen hochfliegenden Veränderungsinitiativen auf die Nerven gehen.

  • Auf die Bremse treten

Dennoch: Wenn man sich ein bisschen in diese operativen Leistungsträger hineinversetzt, versteht man auf einmal, weshalb manches, was im Change Management oftmals etwas voreilig als "Veränderungswiderstand" eingestuft wird, durchaus nachvollziehbare Reaktionen sind, die auf Zielkonflikte zwischen Change-Vorhaben und Tagesgeschäft zurückgehen – und im Grunde sogar im besten Interesse des Unternehmens liegen. Es ist daher völlig unangebracht, ja geradezu beleidigend, diese Zurückhaltung pauschal als "Massenträgheit" oder "Verharren in der Komfortzone" zu diffamieren oder die Betreffenden gar als "ewige Bremser und Blockierer" zu beschimpfen.

  • Nachvollziehbare Reaktionen

Für wirkliche Veränderungsnotwendigkeiten durchaus erreichbar

 

Wer ungeduldig, ärgerlich oder genervt auf die Vorbehalte der direkt produktiven Bereiche – und ihrer Chefinnen – reagiert und ihn einfach vom Tisch zu wischen versucht, läuft Gefahr, den Widerstand erst hochzupuschen, den er hinterher mehr oder weniger erfolgreich zu überwinden sucht. Das kann man natürlich machen, wenn einem das Leben sonst zu langweilig ist, aber wirklich effizient ist es nicht.

  • Widerstand nicht unnötig hochpushen

Wer es lieber etwas weniger dramatisch hätte, für den wäre ein guter Einstieg, sich in die operativen Führungskräfte hineinzudenken und einzufühlen – und zu erkennen, dass man in ihrer Lage wohl ganz ähnlich reagieren würde. Denn für jemanden, der ohnehin schon eine Menge Arbeit vor der Brust hat, steht bei allen zusätzlichen Wünschen, Vorschlägen und Forderungen erst einmal der Aspekt der Störung im Vordergrund – und zugleich die Angst, mit seinem Verantwortungsbereich unter noch einer zusätzlichen Belastung abzusaufen. Daher ist für ihn oder sie die absolut naheliegende Frage: "Muss das jetzt wirklich auch noch sein?!"

  • "Muss das jetzt wirklich auch noch sein?!"

Aber das heißt keineswegs, dass man die operativen Leistungsträger nicht für Veränderungsvorhaben gewinnen kann. Die Betreffenden wissen ja selbst am besten, wie viel Veränderungsbedarf es im Unternehmen gibt, und zwar ganz einfach, weil es bei der Abwicklung des Geschäfts stellenweise hakt und weil es immer wieder an den gleichen Stellen zu Fehlern oder Störungen kommt. Im Stress des Alltags kommt man häufig nicht dazu, dauerhafte Lösungen für solche Schwachstellen zu entwickeln und behilft sich – oft mit schlechtem Gewissen – mit Feuerlöschen, Improvisation bzw. mit Ad-hoc-Lösungen.

  • Veränderungsbedarf im Prinzip oft bekannt

Allerdings müssen Veränderungsvorhaben, um bei den operativen Leistungsträgern Anklang zu finden, wie sie es typischerweise nennen, "Hand und Fuß haben: Sie müssen an real bestehenden Problemen ansetzen und einen plausiblen, nachvollziehbaren Ansatz zu Lösungen bieten. Weit weniger als Top Manager, Berater und "Überflieger" können sie sich für Buzzwords, hochfliegende Konzepte, disruptive Ziele und ähnliches Geschwätz begeistern – schon gar nicht, wenn im Unklaren bleibt, mit welcher Methodik und welcher nachvollziehbaren Vorgehensweise diese Konzepte zum Laufen gebracht werden und was sie konkret bringen sollen.

  • Skepsis gegenüber Buzzwords und hochfliegenden Konzepten


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Ehrlich über Ziel- und Ressourcenkonflikte reden

 

Vor allem aber müssen die Projektziele und das Vorgehen mit den Betroffenen ausreichend besprochen und diskutiert werden, bevor man sie offiziell ausruft – und dabei muss auch ehrlich über Zielkonflikte und absehbare Ressourcenengpässe gesprochen werden. Das heißt gar nicht unbedingt, dass man mit dem Füllhorn zusätzliche Ressourcen verteilen müsste: Oft geht mindestens genauso sehr darum, entstehende Engpässe zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen, wie darum, sie zu lösen.

Schon aus Kostengründen wird die Conclusio am Ende häufig lauten: "Ja, das wird eng werden, aber irgendwie müssen wir es halt hinbekommen!" Doch auch wenn sich die Ressourcenkonflikte letztlich nicht beheben lassen, ist es den betroffenen operativen Führungskräften oft sehr wichtig, dass sie nicht mit Worten übertüncht, sondern ehrlich anerkannt werden.

  • Ziel- und Ressourcenkonflikte anerkennen

In der Praxis geschieht häufig das genaue Gegenteil: Wenn derartige Konflikte gegenüber dem Top Management angesprochen werden, werden sie oft in einer Mischung aus Ungeduld und Ratlosigkeit vom Tisch gewischt: "Dann müssen Sie halt mal für ein paar Monate Prioritäten setzen – das geht nicht anders!" Was im Grunde eine Beleidigung ist, weil es implizit behauptet, dass die Angesprochenen normalerweise keine Prioritäten setzten.

Das ist schon paradox: Eigentlich würde es das Management nichts kosten, das Problem anzuerkennen und es vielleicht mit ein paar freundlichen Worten zu würdigen: "Mir ist völlig klar, dass das für einige Monate zu einer Mehrbelastung für Sie und Ihr Team führen wird, und bin sehr froh, dass Sie dies im Interesse der Firma auf sich nehmen. Ich weiß das sehr zu schätzen!" Stattdessen stößt man die Leute vor den Kopf, indem man den offenkundigen Ressourcenkonflikt bestreitet und ihnen überdies den kränkenden Ratschlag gibt, (im Gegensatz zu sonst) "Prioritäten zu setzen".

  • Mehrbelastung würdigen, statt sie zu wegzuschwätzen

Wenn man seine Leute so behandelt, muss man sich nicht wundern, wenn sie zu Gegnern werden und das Change-Vorhaben am liebsten scheitern sehen würden. Von da ist es dann auch nicht mehr weit zu der dümmlichen Verschwörungstheorie, die einfachen Mitarbeiter wären ja zu Veränderungen bereit, genau wie das obere Management – das eigentliche Problem sei die "Lehmschicht" (oder "Lähmschicht") in der Mitte.

Nein, das eigentliche Problem ist in aller Regel nicht die "Lähmschicht", das Problem ist in der Regel verweigerte ehrliche Dialog und die völlig unzulängliche Change-Kommunikation, der die Erfordernisse des Tagesgeschäfts ebenso ignoriert wie die Ziele und Bedürfnisse derer, die dafür verantwortlich sind. So erzeugt man selbst den Widerstand, über den man sich hinterher beklagt.

  • Die angebliche "Lähmschicht"

Mitnehmen statt vor den Kopf stoßen

 

Aber wie könnte denn eine Vorgehensweise aussehen, die diese ebenso große wie wichtige Gruppe der Leistungsträger – immerhin 70 bis 80 Prozent der Belegschaft – mitnimmt, statt sie vor den Kopf zu stoßen? Am Anfang der Change-Kommunikation steht zwingend der "Klassiker": Man muss den Leuten das Problem verkaufen, bevor man ihnen die Lösung verkauft. Wobei sich das Verkaufen nicht darauf beschränken darf, eine von Beratern erstellte PowerPoint-Präsentation vorzutragen, dann vielleicht noch einige zögernde Fragen zu beantworten und dann allgemeine Begeisterung für das Vorhaben zu erwarten.

  • Erst das Problem verkaufen, dann die Lösung

Da die Leistungsträger den Laden kennen – oder wenigstens ihren Teil davon –, sind sie ein kritisches Publikum. Mit Pauschalaussagen braucht man ihnen ebenso wenig kommen wie mit undifferenzierter Kritik am Status quo oder generalisierend-negativen Aussagen à la "Unbeweglichkeit", "Schwerfälligkeit" oder "Bürokratismus". Wer sie erreichen will, muss ihnen erst einmal beweisen, dass er genug von der Sache versteht, um ernstlich mitreden zu können – auch als Vorstandsvorsitzende/r.

  • Sachkundiges und kritisches Publikum

Dieser Beweis kann durchaus erbracht werden, aber man muss ihn bringen. Am besten gelingt durch eine differenzierte Analyse, die Stärken ebenso wenig ausspart wie Schwachpunkte. Wenn das gelungen ist, schlägt die Stimmung um: Dann wird man ernstgenommen, ab dann kann man vernünftig miteinander reden. Trotzdem kostet es oft noch einige Anstrengungen, bis der Veränderungsbedarf nicht nur vom Grundsatz her akzeptiert wird, sondern auch von seiner Dringlichkeit und in der vorgeschlagenen Vorgehensweise.

  • Heiße Diskussionen um die Dringlichkeit

Die Debatte um die Dringlichkeit muss man richtig verstehen, damit sie nicht fälschlich als Widerstand oder mangelnde Veränderungsbereitschaft interpretiert: Die operativen Führungskräfte sehen klarer als manche auf höheren Etagen, zu welchen Ressourcenkonflikten ein zusätzliches Change-Projekt führen wird, und es macht ihnen Angst. Zumal ihnen glasklar ist, dass sie und ihre Mitarbeiter es sein werden, die heroische Entschlüsse à la "Das muss eben irgendwie gehen" ausbaden werden. Diese Angst äußert sich häufig in dem Bestreben, das drohende Projekt, wenn es sich schon nicht abwenden lässt, wenigstens noch eine Weile hinauszuschieben.

  • Angst vor Überlastung

Die Sorgen hinter den Einwänden erkennen und auf sie eingehen

 

Diese Versuche, das Vorhaben in eine möglichst ferne Zukunft zu schieben, muss man richtig einordnen: Das heißt ausdrücklich nicht, dass sie den Handlungsbedarf nicht sehen und/oder mit dem Status quo rundherum zufrieden wären. Vielmehr ähnelt das den Motiven, aus denen man eine notwendig werdende Operation gern noch um ein paar Monate oder Jahre hinausschieben würde.

Dabei ist die Stimmung ambivalent: Einerseits sehen oder akzeptieren sie die Notwendigkeit, andererseits wird ihnen angst und bange bei der Vorstellung, wie sie ein solches Projekt angesichts der knappen Personaldecke und etlicher anderer laufender Projekte bewältigen sollen. Deshalb – und nicht, weil sie veränderungsunwillig sind! – relativieren sie den Handlungsbedarf und vor allem die Dringlichkeit und möchten sie am liebsten nicht sehen.

  • Ambivalenz, nicht Resistenz

Allzu oft nehmen das Top Management und seine Berater nur die Abwehr wahr – und deuten sie fehl, nämlich als mangelnde Bereitschaft zur Veränderung oder sogar als Ignorieren des Handlungsbedarfs. Daher reagieren sie zunehmend verärgert auf den vermeintlich mangelnden Veränderungswillen – und ordnen das entsprechende Projekt schließlich einfach an. Was wiederum die operativ Verantwortlichen verärgert – nicht, weil sie dessen Sinn nicht sehen, sondern weil über ihre Einwände und Vorbehalte "wie mit der Dampfwalze" hinweggegangen wurde.

  • Wechselseitige Verärgerung

Dabei könnte es so einfach sein, eine – wenn auch ächzende – Akzeptanz für das Vorhaben zu gewinnen. Um sie zu erreichen, muss man eine Weile diskutieren – zumindest so lange, bis die skeptischen "Operativen" merken, dass sie die Dringlichkeit der Veränderungen nicht wegdiskutieren können.

Dass sie den Handlungsbedarf prinzipiell eingesehen haben, erkennt man daran, dass sie nun verstärkt auf die Schwierigkeiten und Ressourcenkonflikte hinweisen. Die sollten Sie auf keinen Fall bestreiten oder bagatellisieren, auch wenn Ihnen das möglicherweise auf der Zunge liegt. Denn damit gerieten Sie nur in eine völlig unfruchtbare Debatte: Sie werden die operativ Verantwortlichen kaum überzeugen, geschweige denn, ihnen beweisen können, dass sie genügend Ressourcen für beides haben.

  • Sowohl die Dringlichkeit als auch die Konflikte sehen

Akzeptieren Sie stattdessen die Engpässe, Ressourcenkonflikte etc. wenigstens vom Grundsatz her – ohne aber die suggerierte Schlussfolgerung zu akzeptieren, dass das Veränderungsvorhaben deshalb derzeit nicht angegangen werden kann: "Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass das an einigen Stellen eng wird und dass es für Sie im Augenblick so aussieht, als wäre das nicht zu schaffen. Andererseits haben wir ja auch festgestellt, dass die Veränderung keinen Aufschub verträgt. Also lassen Sie uns ab sofort nicht mehr über das Ob reden, sondern allein über das Wie."

  • Engpässe und Ressourcenkonflikte anerkennen

Einen gangbaren Mittelweg er-ringen

 

Damit stehen beide Feststellungen gleichberechtigt nebeneinander: "Ja, das wird eng" und "Es bleibt uns trotzdem nichts anderes übrig". Letztlich ein klassischer Zielkonflikt, wie er im Management und auch sonst im Leben so häufig ist. Keines der beiden Ziele kann man vollständig ignorieren oder fallen lassen, man muss beide "irgendwie" unter einen Hut bringen. Das ist nicht einfach, und es wird absehbar zu Friktionen führen, aber so ist nun mal das Leben – nicht nur im Geschäft.

  • Gleichberechtigte Perspektiven

Einen Zielkonflikt zu managen, beginnt damit, ihn als solchen zu erkennen – und damit auch zu erkennen, dass es unmöglich ist, unter diesen Umständen alle Ziele zu 100 Prozent zu erreichen. Nein, es werden Kompromisse notwendig werden, möglicherweise auch faule: Man muss sich irgendwie durchwursteln, mit Abstrichen sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite, und man wird an vielen Stellen mit dem Erreichten nicht restlos zufrieden sein – sowohl aus der Warte des Top-Managements als auch aus der der operativ Verantwortlichen.

  • Kompromisse und teilweise Unzufriedenheit

Die Kunst beim Umgang mit Zielkonflikten liegt darin, die widersprüchlichen Ziele so unter einen Hut zu bringen, dass keines dabei völlig unter die Räder kommt und idealerweise alle bestmöglich erfüllt werden. Wobei "bestmöglich" ausdrücklich nicht hundertprozentig oder perfekt heißt, sondern, so gut, wie unter den gegebenen Umständen möglich. Das heißt, die Verantwortlichen müssen in Zielkonflikten einen Mittelweg finden – nach Möglichkeit den goldenen, zumindest aber einen gangbaren. Und "gangbar" heißt wiederum: einen, bei dem keines der konkurrierenden Ziele "abstürzt".

  • Widersprüchliche Ziele bestmöglich unter einen Hut bringen

Die Suche nach einem gangbaren oder gar dem goldenen Mittelweg ist unweigerlich mit Konflikten verbunden. Falls eine Person für all diese Ziele verantwortlich ist, sind das innere Konflikte; wenn unterschiedliche Personen für unterschiedliche Ziele stehen, sind es zwischenmenschliche.

Beispielsweise kämpft dann die Projektleiterin mit den operativen Führungskräften um Ressourcen – und der Vorstand, der sowohl das Projekt und seine Ziele als auch für das operative Geschäft verantwortlich ist, erlebt das in einem inneren Zwiespalt: Er sieht, dass beide Seiten aus ihrer Sicht recht haben – und dass er zugleich keine Seite gewinnen lassen darf, weil sonst das gegenläufige Ziel unter die Räder käme, und dass er daher auf einem gangbaren Kompromiss bestehen muss.

  • Unvermeidliche Konflikte

Natürlich kann man, wenn es die Lage des Unternehmens zulässt, zusätzliche Ressourcen zu Verfügung stellen, um den Konflikt zu entspannen. Das Problem ist nur in vielen Fällen, dass dies eher eine theoretische Entlastung ist als eine praktische, denn bis zusätzliche Kräfte eingearbeitet und voll leistungsfähig sind, vergeht erst einmal Zeit, in der sie einem unter Umständen mehr Zeit kosten als ersparen. Unter Umständen ist eine bessere Idee, andere laufende Vorhaben zurückzustellen, bis das Vorhaben aus dem Gröbsten heraus ist. Und vielleicht ist es auch möglich, das Vorgehen so umzuorganisieren, dass die härtesten Ressourcenkonflikte umschifft werden. Kompromissfindung heißt in aller Regel, dass beide Seiten Abstriche an ihren Idealvorstellungen machen müssen.

  • Zusätzliche Ressourcen und andere Entlastungen

Den Kampf der "Guten" gegen "die Guten" gewinnen – mit gangbaren Kompromissen

 

Unvermeidlich werden solche Konflikte nicht nur mit viel Herzblut ausgefochten, sondern manchmal auch "hässlich". Früher oder später beginnen die Beteiligten, sich über diejenigen zu ärgern, die durch ihre Sturheit und Borniertheit die eigenen Ziele in Gefahr bringen. Auch wenn man dem aufkommenden Ärger kaum entgehen kann, kann man zumindest vermeiden, die Konflikte noch zu verschlimmern, indem man die eine Seite zu den "Guten" und die andere zu den "Bösen" erklärt.

  • Gefahr der Polarisierung

Zwar mobilisiert es zusätzliche Kampfesenergie, wenn man die eigene Seite als "die Guten" sieht, die gegen "die Bösen" kämpfen – aber es verschärft zugleich den Konflikt und legitimiert unsaubere Methoden. Denn in aller Regel sieht sich die andere Seite sich ebenfalls als "die Guten". Auch bei ihnen mobilisiert das zusätzliche Energie – aber auch die Bereitschaft, in der Wahl der Mittel nicht zimperlich zu sein.

  • "Die Guten" gegen "die Bösen"

Natürlich ist es für interne Projektleiterinnen ernüchternd, wenn sie bei ihrem wichtigen und verantwortungsvollen Vorhaben von den operativen Führungskräften nicht unterstützt, sondern – aus ihrer subjektiven Sicht – ausgebremst und behindert werden. Erst recht ist es für junge Berater oft völlig unverständlich, wenn sie bei ihrem hehren, vom Vorstand selbst in Auftrag gegebenen Projekt zur Zukunftssicherung des Unternehmens kaum Unterstützung von den operativen Ebenen erhalten. Sie sind dann schnell geneigt, dies als den Widerstand der uneinsichtigen "Bösen" gegen das in ihrem Projekt verkörperte "Gute" zu interpretieren. Am liebsten würden sie diesen Widerstand daher mit heiligem Zorn und mit entsprechender Gewalt "brechen".

  • Heimtückisch ausgebremst und behindert

Dennoch, in Wirklichkeit kämpfen nicht "die Guten" gegen "die Bösen" – es kämpfen "die Guten" gegen "die Guten": Die einen kämpfen für die Funktionsfähigkeit des Tagesgeschäfts, was ja bei objektiver Betrachtung nicht verwerflich ist, und die anderen für das Vorankommen des Change-Projekts. Welches dieser Ziele kann, darf und sollte das Unternehmen bzw. der Vorstand eher aufgeben? Weil keines geopfert werden darf, kann und darf das Ziel dieses Kampfes kein Sieg, es kann nur ein Kompromiss sein.

Deshalb würde es auch niemandem helfen, wenn der Vorstand sich auf die Seite der Veränderung schlüge und die operativen "Bremser und Blockierer" zur Ordnung riefe: Damit würde er nicht nur diejenigen vor den Kopf stoßen, die den Laden am Laufen halten wollen, und bei ihnen den Eindruck hinterlassen oder verstärken, dass der Vorstand ihre Leistungen und ihren Einsatz geringschätzt: Kein guter Umgang mit den eigenen Leistungsträgern. Im schlimmsten Fall würde er einen "Absturz" des Tagesgeschäfts mit den entsprechenden Folgen für das operative Ergebnis riskieren.

  • Nein, "die Guten" kämpfen gegen "die Guten"

Wie die notwendigen Kompromisse ausgestaltet werden, ist Gegenstand des Kampfes bzw. der Verhandlungen: Wie viel die eine Seite von ihren Idealvorstellungen abrücken und wie viel die andere an Kompromissen akzeptieren muss. Dabei spielt unweigerlich auf beiden Seiten Angst mit: Auf der einen Seite die Angst, es mit den Ressourcen, die man bekommt bzw. die einem verbleiben kann, nicht schaffen wird – und auf der anderen auch. Denn niemand weiß exakt, wo der Punkt liegt, an dem es bricht – also möchten alle, einen gewissen Sicherheitsabstand von dieser Schwelle zu halten. Und je höher das eigene Sicherheitsbedürfnis, desto höher der Abstand.

  • Ängste auf beiden Seiten

Man kann sich das Leben gegenseitig leichter machen, wenn man das legitime Interesse der jeweils anderen Seite versteht und akzeptiert. Das Top-Management kann hier einige Spannung herausnehmen, indem es klar sagt, dass beide Interessenlagen legitim sind. Aber zugleich darf keine der Parteien vor lauter Verständnis für die anderen Seite die eigenen Ziele und Interessen opfern, denn sonst würde er seinen Job schlecht machen – und damit dem übergeordneten Unternehmensinteresse schaden. Das heißt, bei allem gegenseitigen Verständnis: Der Kampf bleibt, und das Ringen um einen halbwegs akzeptablen Kompromiss auch.

  • Ringen um einen halbwegs akzeptablen Kompromiss

Literatur:

DeLong, Thomas J.; Vijayaraghavan, Vineeta (2003): Let's Hear It for B Players. Harvard Business Review, June 2003

 


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