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Zäsuren: Die Kunst, Meilensteine und Schlusspunkte motivierend zu gestalten

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

 

Nur vom Glück wünschen wir, dass es ewig währt. Alles, was mit Arbeit und Anstrengung verbunden ist, soll irgendwann ein Ende finden – nicht, weil Menschen die Anstrengung scheuen, sondern weil sie jede Aufgabe irgendwann einmal als abgeschlossen betrachten und den Erfolg ihrer Mühen sehen wollen. So verständlich es ist, wenn Top-Manager fordern, dass man sich in der heutigen Zeit niemals zurücklehnen dürfe, und deshalb die permanente Veränderung ausrufen: Wenn sie sich weigern, Veränderungsprogramme jemals für abgeschlossen zu erklären, verstoßen sie damit gegen ein menschliches Grundbedürfnis. Denn der Wunsch, irgendwann einmal einen Haken hinter eine Sache zu machen, ist ebenso wenig durch Vorstandsbeschluss aufzuheben wie der natürliche Wechsel von Anspannung und Entspannung.

  • "Permanente Revolution"?
  • In der frühen Wahrnehmungspsychologie sprach man in diesem Zusammenhang von dem "Gesetz der geschlossenen Gestalt". Unser Wahrnehmungsapparat ergänzt unvollständige Daten automatisch, also ohne unser bewusstes Zutun, zu einem vollständigen, schlüssigen Bild. Wenn auf einem weißen Blatt Papier drei Punkte entsprechend angeordnet sind, sehen wir nicht drei einzelne Punkte, sondern wir "erkennen" ein Dreieck. Desgleichen erkennen wir problemlos Menschen und Gegenstände, auch wenn sie zum größten Teil verdeckt sind. Offenbar hat sich die Fähigkeit, aus unvollständigen Daten vollständige "Gestalten" zu machen, im Laufe der Evolution als vorteilhaft erwiesen – auch wenn sie uns zuweilen Streiche spielt, etwa wenn Menschen in Rauchschwaden Teufelsfratzen zu erkennen meinen.

    Das Streben nach einer geschlossenen Gestalt gilt auch für Aktivitäten: Eine einmal begonnene Aufgabe "ruft" nach ihrer Vollendung. Wenn Arbeit zu lange unfertig herumliegt, fängt sie irgendwann einmal an, uns auf die Nerven zu gehen. Und es tut richtig gut, wenn man sich dann mal einen Samstag hinsetzt und rückständige Aufgaben wegarbeitet: Fertig, abgeschlossen, erledigt – das macht zufrieden.

  • Streben nach geschlossener "Gestalt"
  • Die Bedeutung eines klaren Schlusspunkts

     

    Als wir vor vielen Jahren als Psychologiestudenten unsere ersten Schritte in Richtung Therapie machten, schockierte uns Lewis R. Wolberg in seinem Lehrbuch "The Technique of Psychotherapy" mit der Aussage: "Theoretically, psychotherapy is never ending as emotional growth can go on as long as one lives." Zwar macht Wolberg schon in den nächsten Sätzen deutlich, dass eine unendliche Therapie weder wirtschaftlich noch emotional sinnvoll ist – und trotzdem: Schon der Gedanke weckt Unbehagen.

    Zumal Wolberg ja vom Grundsatz her Recht hat: Wenn man seine Prämisse teilt, dass Psychotherapie nicht nur mit "Reparatur" zu tun hat, sondern auch mit persönlichem Wachstum, dann lässt sich seine These kaum in Zweifel ziehen. Und doch wirkt der Gedanke an "lebenslängliche" Therapie eher entmutigend und bedrückend als verheißungsvoll. Wieso eigentlich?

  • Unendliche Aufgaben entmutigen
  • Eine Aufgabe, die niemals fertig wird, die lohnt es auch kaum zu beginnen. Denn wo sollte die Energie dazu herkommen? Wenn ein erfolgreicher Abschluss ohnehin nicht zu erreichen kann, hat es weder Sinn, sich zu beeilen, noch, sich anzustrengen, noch überhaupt zu beginnen. Das Gefühl, mit einer Aufgabe niemals fertig werden zu können, ist demotivierend bis zur Depression. Nicht umsonst lag die Strafe, zu der die Götter der griechischen Sagenwelt den unglücklichen Sisyphos verdammten, nicht in der Schwere des Steins, den er den Berg hinaufrollen musste, sondern in der Unmöglichkeit, seine Aufgabe jemals zu vollenden: Immer kurz vor dem Gipfel kullerte der Felsbrocken wieder zu Tal – ein antikes Programm zur Frustrationsmaximierung. Was die Götter sich als Höchststrafe für besondere Fälle vorbehielten, sollten Vorstände nicht zur regulären Geschäftspolitik machen.

  • Sisyphos und Nachfahren
  • Offensichtlich hat es große Bedeutung für die Motivation, dass Aufgaben einen Schlusspunkt haben, der erreichbar ist und nicht allzu fern und ungreifbar in der Zukunft liegt. Eine Aufgabe erfolgreich abzuschließen und ihre Ergebnisse zu sehen, ist eine sehr starke und wirksame Belohnung. Genau besehen ist die Vollendung einer Aufgabe einer der wirksamsten "Verstärker", die das Leben zu bieten hat: Es verbindet die Freude an dem erzielten Resultat mit dem Stolz auf die eigene Leistung und der Befriedigung, die Sache nun hinter sich lassen und sich neuen Dingen zuwenden zu können. (Man kann sich also durchaus fragen, wie sinnvoll es ist, ausgerechnet den erfolgreichen Abschluss von Aufgaben zusätzlich zu belohnen.)

  • Abschluss als Motivations- quelle
  • Umgekehrt ist die Unmöglichkeit, eine Aufgabe erfolgreich abzuschließen, zutiefst frustrierend und entmutigend. Von der Motivationswirkung her ist es deshalb kontraproduktiv, Projekte und Programme "für die Ewigkeit anzulegen". Auch wenn der Veränderungsbedarf noch so groß ist und weit über die ersten Ziele des aktuellen Projekts hinausgeht, ist es ratsam, Projekte so zu konzipieren, dass sie zuende gebracht werrden können, bevor sie sich real überlebt haben und zur Quelle wachsender Frustration werden. Wenn nötig, können danach ja neue Projekte gestartet werden, die auf dem erreichten Stand aufbauen.

  • Keine "unendlichen Geschichten" planen
  • Motivation durch bewusste Zäsuren

     

    Das heißt keineswegs, dass man nach jedem Veränderungsprojekt erst einmal eine längere Pause einlegen muss, bevor man das nächste Vorhaben anpacken darf. Dafür ist heute angesichts des immer schärferen globalen Wettbewerbs in der Tat oft nicht mehr die Zeit. Aber das ist auch gar nicht erforderlich, denn entscheidend ist nicht so sehr die Dauer der Pause als die Deutlichkeit der Zäsur, die mit dem Projektabschluss gesetzt wird. Offenbar besteht zwischen den beiden sogar eine gegenläufige Beziehung: Je deutlicher die Zäsur, die mit dem Abschluss eines Projekts gesetzt wird, desto kürzer darf die Pause sein, bevor neue Aufgaben folgen. Das bedeutet: Je weniger Zeit Sie sich und dem Unternehmen gönnen können, desto wichtiger ist eine klare Zäsur, wenn Sie sich und Ihre Mitstreiter nicht in einen veritablen Burnout hetzen wollen.

  • Klare Zäsur statt langer Pause
  • Die motivierende Wirkung von Zäsuren gilt auch für Einschnitte, die wir bewusst oder unbewusst selbst setzen. Genau aus diesem Grund greifen wir bei langen Reisen oft zu dem Trick, die Strecke gedanklich in Abschnitte zu untergliedern. Dann haben wir schon nach einem Viertel der Gesamtstrecke einige Etappen geschafft, auf die wir zufrieden und mit einer gewissen Erleichterung zurückblicken können, und nicht erst dann, wenn wir nach langer Fahrt schließlich am Ziel sind.

  • Mentale Teilziele
  • Aus dem gleichen Grund ist es eine bewährte arbeitstechnische Regel, komplexe Aufgaben mental in Teilschritte zu zerlegen. Dann können wir uns über die erreichten "Meilensteine" freuen und müssen nicht einen so unendlich langen Atem bis zum endgültigen Ziel haben. Und natürlich ist es sinnvoll, den gleichen unschuldigen Trick auch beim Führen von Veränderungsprojekten einzusetzen. Je umfangreicher solche Programme sind und je länger sie sich zeitlich erstrecken, desto wichtiger ist es für das Aufrechterhalten der Motivation, sie bewusst durch Zäsuren zu gliedern.

  • Teilschritte und Meilensteine
  • Die volle Motivationswirkung hat das Erreichen von Zielen oder Meilensteinen freilich nur dann, wenn dies wirklich als Zäsur wahrgenommen wird. Ob das der Fall ist, das ergibt sich nicht so sehr aus den objektiven Fakten, sondern vor allem aus deren Interpretation: Ob auf einer langen Fahrt das erreichte Autobahnkreuz ein Meilenstein ist, hängt weniger von dessen objektiven Eigenschaften ab als aus der Be-Deutung, die ihm der Reisende bei seiner Untergliederung der Strecke beimisst.

    In Organisationen und auch in Projekten legt aber nicht jeder Mitwirkende für sich fest, was er als Schlusspunkt oder Meilenstein anzusehen gedenkt; vielmehr entwickeln die Beteiligten eine gemeinsame Sicht der Dinge. Das geschieht zum Teil auf Basis der formalen Projektplanung, zum anderen Teil aufgrund dessen, wie über das Projekt geredet und wie von den jeweiligen "Häuptlingen" damit umgegangen wird. Das heißt aber auch: Die Vorgesetzten – vom Projektleiter bis zu dem verantwortlichen Vorstandsmitglied – haben erheblichen Einfluss darauf, ob, wann und wie stark Zäsuren wahrgenommen werden.

  • Eine Frage der Be-Deutung
  • Die Kunst, Zäsuren zu gestalten

     

    Es gibt Manager, die intuitiv sehr stark und wirkungsvoll von der Möglichkeit Gebrauch machen, die kollektive Wahrnehmung von Zäsuren zu prägen. Sie heben sowohl Meilensteine als auch Schlusspunkte und "Übergabestellen" so deutlich hervor, dass für Beteiligte wie Unbeteiligte klar zu erkennen ist: Eine wichtige Etappe des gemeinsamen Weges ist geschafft; jetzt dürfen alle einen Augenblick innehalten, durchatmen und mit Zufriedenheit und einem gewissen Stolz auf das Geleistete zurückblicken, bevor es wieder auf zu neuen Taten geht.

    Wenn man sich im Nachhinein fragt, wie sie dies gemacht haben, waren es oft Kleinigkeiten: die Einleitung zur Lenkungsausschusssitzung beispielsweise, in der sie die Bedeutung des heutigen Termins und die Menge der in den letzten Wochen geleisteten Arbeit hervorhoben, oder ihr Schlusswort, in dem sie in ihrem Resümee betonten, welch wichtige Pflöcke auf dem Weg zu einer Erneuerung des gesamten Unternehmens in dieser Sitzung eingeschlagen wurden und wie wichtig der Beitrag aller Beteiligten zu diesem bedeutenden Meilenstein gewesen sei. Das ist weit mehr als bloß Bauchpinselei: Es schafft Ruhepunkte, die es ermöglichen, stolz auf das Erreichte zurückzuschauen und dabei die Energie für neue Taten zu schöpfen.

  • Hervorheben
    von Zäsuren
  • Bei Bedarf können solche Zäsuren auch dazu genutzt werden, Veränderungen der Projektstruktur oder ein Wechsel von Rollen und Verantwortlichkeiten vorzunehmen. Im Grunde gibt es keinen besseren Moment für Umstrukturierungen als solch einen natürlichen Einschnitt: Während sie zu anderen Zeitpunkten immer aus der Perspektive beäugt werden, ob und warum da irgendwer von irgendwem "abserviert" wurde, haben Zäsuren eine hohe Plausibilität für strukturelle und personelle Änderungen. Auch für Mitarbeiter, die das Projekt verlassen, ist dies der beste mögliche Zeitpunkt, weil sie ihre (Teil-)Aufgabe dann abgeschlossen haben und nicht mitten aus der laufenden Arbeit herausgerissen werden.

  • Der richtige Zeitpunkt für Veränderungen
  • Manager, denen die Gestaltung von Zäsuren nicht in die Wiege gelegt ist, tun gut daran, diese Fähigkeit bewusst zu entwickeln und zu kultivieren. Das beginnt damit, sich die emotionale Bedeutung solcher Einschnitte bewusst zu machen – und sich darüber klar zu werden, dass Sie selber es sind, der die Chance, aber auch die Aufgabe hat, solche Zäsuren zu setzen und sie durch ihre Kommunikation ins allgemeine Bewusstsein zu heben. Wenn Manager dies vom Prinzip her verstanden und akzeptiert haben, ist der "Rest" vor allem eine Frage der Dramaturgie. Was zugegebenermaßen ein ungewohntes Thema ist in einer Zeit, der die hergebrachten Rituale weitgehend abhanden gekommen sind, aber durchaus eines, das man zu beherrschen lernen kann.

  • Zäsuren gestalten lernen

  • Change! - 20 Fallstudien Zahlreiche Fallbeispiele zu den unterschiedlichsten Typen von Change-Projekten finden Sie in meinem Buch "Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung" (Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage 2015). Es vermittelt Ihnen einen breiten Überblick über die unterschiedlichsten Arten von Veränderungsprozessen und zeigt Ihnen, worauf es jeweils ankommt, um Ihre Change-Vorhaben zum Erfolg zu führen.

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  • Buch "Change!"
  • Die Dramaturgie von Zäsuren

     

    In Bezug auf die Dramaturgie von Zäsuren kann man viel von der katholischen Kirche lernen. Sie hat den dramaturgischen Einsatz von Ritualen sicher nicht erfunden, ist aber eine Institution, die damit auch heute noch besonders gekonnt und wirkungsvoll umgeht. Auch wer keinerlei Bindung zur Amtskirche hat, muss ihr zugestehen, dass es auch in unserer heutigen säkularisierten Zeit die Hochfeste des Kirchenjahres sind, die unseren Jahresablauf gliedern: Die "Meilensteine" in unserem scheinbar religionslosen Kalender heißen Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Eine vergleichbar klare Zäsur setzen nur noch die Sommerferien und in einigen Ländern der Nationalfeiertag. Allenfalls könnte man an Karneval denken – aber der ist von seiner Herkunft her ebenfalls kirchlich geprägt: Das sind (oder waren) die letzten wilden Tage vor Beginn der vorösterlichen Fastenzeit.

  • Lehrbeispiel katholische Kirche
  • Auch in sich folgen die kirchlichen Hochfeste einer einheitlichen Dramaturgie: Es beginnt mit einer Vorbereitungsphase, die durch Entsagung, Fasten und Beichte geprägt ist und die je nach Bedeutung des Festes unterschiedlich lange dauert. Die Fastenzeit vor Ostern währt 40 Tage, die Adventszeit je nach Kalender drei bis vier Wochen. Die Festlichkeiten selbst sind (bzw. waren) alle mindestens zweitägig. Den Höhepunkt bildet das mit großem Aufwand vorbereitete feierliche Hochamt, an das ein großes Festmahl im erweiterten Familienkreis anschließt. Den Tagesabschluss bildete eine Vesper; am zweiten Tag folgte ein weiterer Festgottesdienst sowie ein weiteres, aber weniger feierliches Mahl.

    Die gleiche Basis-Dramaturgie findet sich auch in den Ritualen vieler anderer Kulturen. So beginnen auch die Initiationsriten von Naturvölkern mit einer langen Phase der Vorbereitung, der als Höhepunkt die Prüfungen folgen. Sie enden mit der Aufnahme der Kandidaten in den Kreis der Erwachsenen, die mit einem großen Fest gefeiert wird. (Ähnlichkeiten mit akademischen Ritualen sind vermutlich nicht rein zufällig.) Anscheinend entspricht die einheitliche Grundstruktur all dieser Rituale einem menschlichen Bedürfnis.

  • Dramaturgie kirchlicher Hochfeste
  • Deshalb lohnt es sich zu überlegen, ob man nicht auch Zäsuren im Geschäftsjahr bzw. im Projektverlauf in ähnlicher Weise gestalten und sie auch bis zu einem gewissen Grade – ja, wagen wir es zu sagen – zelebrieren sollte. Die wichtigsten Zutaten wären ja bereits vorhanden: Die stressreiche Phase der Vorbereitung auf den Lenkungsausschuss und die Lenkungsausschusssitzung selbst, die gewissermaßen, ohne den Beteiligten zu nahe treten zu wollen, die Rolle des feierlichen Hochamts bzw. der "Reifeprüfung" übernimmt.

    Nur an der Dramaturgie hapert es in der Regel, weil vielen Menschen auch in obersten Führungspositionen die Fähigkeit abhanden gekommen ist, wichtigen Ereignissen durch die Art ihrer Gestaltung eine gewisse Würde, Herausgehobenheit und Besonderheit zu verleihen. Was vermutlich zum einen daran liegt, dass vielen Managern gar nicht bewusst ist, wie wichtig solche Termine für die Beteiligten sind, zum anderen vielleicht auch daran, dass es ihnen selbst an positiven Vorbildern fehlt und/oder dass sie sich scheuen, selbst eine zeremonielle, quasi "priesterliche" Rolle – das heißt die des "Ritusführers" – zu übernehmen.

  • Mangel an Würde und Würdigung
  • Hervorhebung und Würdigung

     

    Dabei ist es eigentlich kein Hexenwerk, Lenkungsausschusssitzungen und andere wichtige Ereignisse so zu gestalten, dass sie als eine deutliche Zäsur wahrgenommen werden, mit der einerseits das bereits Erreichte gewürdigt wird und die andererseits eine Orientierung für die nähere Zukunft vermittelt. Fünf "Interventionen" sind dafür besonders wichtig:

    Eröffnung und Einführung. Der hierarchiehöchste Teilnehmer eröffnet die Sitzung mit einer kurzen Einführung, in der er noch einmal die Ziele und die Bedeutung des Projekts hervorhebt, positiv auf die heutige Sitzung einstimmt und stellvertretend für die Teilnehmer seine Erwartungen formuliert. Das muss nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, aber es sollte deutlich über eine Eröffnung von der Art hinausgehen: "Meine Damen und Herren, wir wissen ja alle, weshalb wir hier sind. Und wir haben alle viel zu tun und keine Zeit verlieren. Also lassen Sie uns ohne lange Vorrede anfangen. Projektleiter, Sie haben das Wort!" Solch eine allzu geschäftige Eröffnung entwertet die gesamte Veranstaltung, verbreitet Hektik und vermittelt das Gefühl, dass das Top-Management der Sitzung nur notgedrungen beiwohnt: "Wenn es sich schon nicht umgehen lässt, so lasst es uns so schnell wie möglich hinter uns bringen!"

    Positive Moderation. Der Sitzungsleiter muss nicht alles kommentieren, aber er sollte wohlwollend mit den vorgestellten Präsentationen umgehen und sicherstellen, dass die Diskussion in einem konstruktiven Geist geführt wird. Das schließt ein kritisches Hinterfragen keineswegs aus – im Gegenteil: Es schafft die Basis dafür, dass ein kritisches Hinterfragen ohne Entwertungen einerseits und Rechtfertigungen andererseits möglich ist. Am Ende jeder Präsentation dankt der Leiter dem berichtenden Teilprojekt, würdigt die geleistete Arbeit und leitet dann zum nächsten Thema über.

    Orientierung zum weiteren Vorgehen. Nicht über jeden Vorschlag kann sofort im Lenkungsausschuss entschieden werden. Manche Themen bedürfen einer ausführlicheren Diskussion, zu anderen soll vielleicht noch die Meinung von Kollegen eingeholt werden, und für wieder andere Entscheidungen ist vielleicht auch ein Beschluss des Gesamtvorstands erforderlich. Das ist auch nicht problematisch; in manchen Fällen enthält es sogar mehr Würdigung, wenn das Thema für eine ausführlichere Diskussion vertagt wird als wenn sofort und aus der Hüfte eine Entscheidung getroffen wird. Wichtig ist nur, dass der Vorsitzende deutlich vermittelt, wie es weiter geht: nicht nur, wann entschieden wird, sondern auch, wann die getroffenen Entscheidungen in welcher Form an wen kommuniziert werden.

    Schlusswort. Es ist nicht einfach, nach einer anstrengenden Sitzung noch ein gutes Schlusswort zu sprechen, aber es ist das, was das Top-Management den Projektmitgliedern erstens angesichts ihrer Bemühungen, das Unternehmen voranzubringen, schuldig ist, und was es zweitens im eigenen Interesse tun sollte, um die Motivation und Energie aufrechtzuerhalten. Das gilt vom Grundsatz her auch dann, wenn der Lenkungsausschuss mit der geleisteten Arbeit nicht voll zufrieden ist und/oder den vorgeschlagenen Lösungen nicht folgen wollte. Wobei dann wichtig ist, dass das Schlusswort weder in eine Abqualifizierung noch in ein offensichtlich falsches Lob abgleitet. Das Schlusswort ist weder eine Notenvergabe noch eine Urteilsverkündigung, sondern es sollte ein ermutigendes Resümee und ein positiver Ausblick sein.

    Feiern. Ähnlich wie das Festmahl bei religiösen und kulturellen Ritualen keine Auszeichnung für erbrachte Leistungen ist, sondern fester Bestandteil der Gesamtdramaturgie, lohnt es sich zu überlegen, ob man nicht auch beim Abschluss von Projekten und dem Erreichen wichtiger Meilensteine sämtliche Mitstreiter und Mentoren zu einer gemeinsamen Feier einlädt und so die geleistete Arbeit noch einmal in einem etwas anderen Rahmen würdigt. Wenn die Einladung erst im Lenkungsausschuss als Belohnung für eine besondere Leistung ausgesprochen wird, wirft das bei manchen Beteiligten sofort die Frage nach deren materiellem Wert auf – und damit die Reaktion: "1000 Euro bar auf die Hand wären mir lieber!" Selbst wenn das nicht wirklich stimmt, entwertet es doch die Geste. Dazu kommt das Terminproblem, das spontane Gesten auch dann nach sich ziehen, wenn sie sorgfältig geplant sind: Wenn nach vielem Hin und Her schließlich ein Termin drei Wochen später gefunden wurde, trägt der nicht mehr zur Gestaltung der Zäsur bei, sondern ist bloß noch ein zusätzlicher Abendtermin.

  • Fünf wichtige Interventionen
  • Der Unterschied, der solch eine wohlwollende "Inszenierung" für das Gesamtklima ausmacht, ist größer als man auf den ersten Blick vermuten würde. Während die Teammitglieder oft enttäuscht und demotiviert sind, wenn sie aus den Reaktionen des Top-Managements – vielleicht sogar zu Unrecht – den Eindruck mangelnder Wertschätzung ihrer Arbeit haben, kann eine gute Inszenierung, die den Mitwirkenden das Gefühl einer echten Würdigung ihrer Leistung vermittelt, einen Motivationsschub für die Weiterarbeit auslösen.

    Wie groß dieser Unterschied sein kann, merkt man als Berater, der den Vergleich zwischen mehreren Projekten und Managementstilen hat, wahrscheinlich stärker als Interne, die einen ganz bestimmten Stil gewöhnt sind und nicht mehr erwarten. Der Payback dieser geringen Mühe ist, sofern sie echt wirkt und nicht bloß als taktische Masche erscheint, größer als das Ausschreiben einiger Schecks. Was nicht dagegen spricht, Projektteams für gute Arbeit auch finanziell zu honorieren – aber es spricht sehr dagegen, Würdigung auf das Ausschreiben von Schecks zu beschränken und sie damit als abgegolten zu betrachten.

  • Die Differenz: Würdigung oder Demotivation

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