Die Umsetzungsberatung

Psychologie der Veränderung






Winfried Berner, Regula Hagenhoff, Th. Vetter, M. Führing
"Ermutigende Führung"

Für eine Kultur des Wachstums

Ermutigende Führung: Für eine Kultur des Wachstums

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Winfried Berner:
Culture Change

Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

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"CHANGE!" (Erweit. Neuauflage)

20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

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"Bleiben oder Gehen"

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Motivation: Die Kunst, persönliche Ziele und Unternehmensinteressen zu synchronisieren

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Dass Motivation zentrale Bedeutung für Leistung und Erfolg hat, würden vermutlich sämtliche Manager unterschreiben. Gerade deshalb ist erstaunlich, wie bruchstückhaft ihr Verständnis von Motivation häufig ist. Etliche denken bei diesem Stichwort sofort an finanzielle Anreize, bei anderen taucht eine vage Erinnerung an Maslows "Bedürfnispyramide" auf. Wieder anderen stellen sich teure und laute Motivationsveranstaltungen vor, bei denen irgendein gedungener Einpeitscher versucht, mit aufgeregter Stimme die Illusion zu wecken, dass gerade etwas ganz Tolles passierte. Derweilen träumen einige von Saint Exupérys "Sehnsucht nach dem großen weiten Meer".

  • Rätselhafte Schlüsselfrage
  • Dieses Halbwissen hat Folgen. So fällt es vielen Führungskräften schwer, eine klare und schlüssig begründete Antwort auf Fragen wie die folgenden zu geben: Muss man Mitarbeiter überhaupt motivieren, die Aufgaben zu erfüllen, zu denen sie sich arbeitsvertraglich verpflichtet haben? Falls ja: Ist es dann nachvollziehbar und in Ordnung, wenn Mitarbeiter ihre Aufgaben nicht erfüllen, solange sie nicht ausreichend motiviert wurden? Falls nein: Welche Bedeutung hat "Motivation" dann überhaupt und welche Rolle haben dabei die Vorgesetzten? – Wo es am Grundverständnis fehlt, fehlt auch die Basis für ein gezieltes und wirksames Handeln: Wer nicht weiß, wie Motivation eigentlich funktioniert und welche Rolle Vorgesetzte dabei haben (sollten), der tut sich zwangsläufig schwer, erfolgreich zu führen. Das gilt schon im Tagesgeschäft, erst recht unter dem emotionalen Stress von Umbruchsituationen.

  • Falsch verstandene Motivation
  • Brückenschlag zwischen persönlichen Zielen und Unternehmensinteressen

     

    Ein heftiges Spiegelgefecht findet seit Jahren um die Frage statt, ob man Mitarbeiter überhaupt motivieren könne oder ob nicht jeder Mitarbeiter von sich aus motiviert sei bzw. motiviert sein müsste. Trotz der falschen Alternative ist die Antwort verblüffend einfach: In der Tat ist jeder Mensch motiviert – allerdings nicht unbedingt dazu, die von seinem Arbeitgeber gewünschten Leistungen zu erbringen. Motiviert sind wir alle zunächst einmal zur Verwirklichung unserer eigenen Ziele, Interessen und Lebensprioritäten. Diese innere Motivation ist ein fester Bestandteil unserer Persönlichkeit bzw. unseres "Lebensstils"; sie ist durch das Handeln von Führungskräften und Kollegen so gut wie gar nicht zu beeinflussen. Was in Führungsseminaren unpräzise "Motivation" genannt wird, ist keineswegs eine Einflussnahme auf diese innere Motivation – vielmehr ist es der Versuch, eine Brücke zwischen der inneren Motivation eines Menschen und den Interessen und Zielen des Unternehmens zu schlagen. Das ist keine triviale Aufgabe, aber auch keine unlösbare.

  • Jeder Mensch ist motiviert – aber wozu?
  • Wodurch kann dieser Brückenschlag zwischen individueller Motivationlage und Unternehmenszielen erreicht werden? Im Prinzip ganz einfach, nämlich dadurch, dass man das eine (d.h. die Unternehmensziele) mit dem anderen (d.h. der inneren Motivation) verknüpft. Diese Verknüpfung geschieht schlicht dadurch, dass das Unternehmen den Bedürfnissen des Mitarbeiters genau dann entspricht, wenn der Mitarbeiter im Sinnes des Unternehmens handelt – also beispielsweise, indem der Vorgesetzte ihn lobt und anerkennt, wenn er gute Arbeit geleistet hat. Oder auch, indem er schlechte Leistungen, mangelnden Einsatz oder unangemessenes Verhalten kritisiert: Auch Sanktionen wirken ja nur dann, wenn sie an der inneren Motivation ansetzen. In der Lernpsychologie nennt man diesen Vorgang "Kontingenz-Management", das heißt, Beeinflussung der Handlungsfolgen. Ein primitives Beispiel für solch ein Kontingenz-Management sind Anreizsysteme, denn sie koppeln finanzielle Belohnungen an bestimmte Leistungsziele, wie zum Beispiel an Verkaufszahlen, an Zeitvorgaben (Akkord) oder auch an Beurteilungen.

  • Motivierender Brückenschlag
  • Nicht nur positive Konsequenzen (Lob, Anerkennung, Honorierung) haben einen Einfluss auf die Motivationslage, sondern auch negative. Die beiden liegen ohnehin näher beieinander als es auf den ersten Blick scheint, denn wenn jemand eine erwartete Belohnung (zum Beispiel Prämie) nicht erhält, wird er dies mit großer Wahrscheinlichkeit nicht als "neutrales Ereignis", sondern als Bestrafung empfinden. Ähnlich, wenn sich jemand auf der "Rennliste" auf einem der letzten Plätze wiederfindet: Dies wird ihn höchstwahrscheinlich nicht kalt lassen, sondern ein "Störgefühl" bei ihm auslösen. Trotzdem besteht ein Unterschied zwischen dem Nicht-Belohnen und dezidierten Sanktionen. Kritik, Tadel oder auch eine Bestrafung markieren sehr viel klarer, welches Verhalten aus Sicht der Vorgesetzten oder der Umgebung nicht akzeptabel ist. Damit beeinflussen sie auch die persönliche Kosten-Nutzen-Bilanz eines Verhaltens stärker als neutrale Reaktionen. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn ein Verhalten, für sich genommen, mehr positive als negative Konsequenzen hat. So ist es beispielsweise deutlich bequemer, den eigenen Abfall liegenzulassen als ihn wegzuräumen. Dieses Verhalten belohnt sich also selbst und wird sich von daher kaum ändern, wenn darauf keinerlei negative Reaktionen erfolgen, welche die Kosten-Nutzen-Bilanz verschieben.

  • Auch Sanktionen beeinflussen Kosten-Nutzen-Bilanz
  • Das klingt sehr technokratisch und manipulativ, als ob der Vorgesetzte seine Mitarbeiter wie Marionetten "mit Zuckerbrot und Peitsche" steuern würde: Wer brav war, bekommt Streicheleinheiten, wer böse war, bekommt einen Rüffel. Der Chef des Chefs wiederum steuert den Chef auf dieselbe Weise, und die Mitarbeiter machen mit ihren Mitarbeitern das Gleiche – eine Kaskade von positiven und negativen Verhaltenskonsequenzen. Bevor man das Ganze aber als ein unwürdiges Marionettentheater ansieht, sollte man registrieren, dass diese Beeinflussung durch "Kontingenz-Management" keineswegs nur von oben nach unten abläuft, sondern auch von unten nach oben sowie seitwärts, also zwischen Kollegen. Ein wesentlicher Aspekt menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens ist nun einmal, dass wir ständig auf alles, was andere tun, mit positiven und negativen Reaktionen antworten: Wir nicken, wenn uns eine Sache interessiert und wir gerne mehr wissen wollen, wir verziehen das Gesicht, wenn wir die gleiche Geschichte nicht schon wieder hören wollen, wir blicken zur Seite, wenn wir nicht angesprochen werden wollen ... Und alle anderen tun das Gleiche, ob ihnen das nun bewusst ist oder nicht – so funktioniert menschliche Kommunikation. Insofern ist das Beeinflussen anderer Menschen durch positive und negative Verhaltenskonsequenzen eigentlich nichts Besonderes. Der einzige Unterschied zum normalen Alltag ist, dass sich die Verhaltenskonsequenzen beim Motivieren nicht an persönlichen Präferenzen, sondern an den Zielen und Interessen des Unternehmens ausrichten (sollten).

  • Kontingenz-Management im Alltag
  • Anknüpfen an persönlichen Zielen und Bedürfnissen

     

    Der Knackpunkt dabei ist jedoch: Sämtliche Motivationsversuche, aber auch jegliche Sanktionen wirken nur dann und nur in dem Ausmaß, wie sie Bedürfnisse und Motive ansprechen, die bei ihren Adressaten tatsächlich vorhanden sind: Wer sich aus Status nicht viel macht, ist durch die Verheißung eines größeren Dienstwagens kaum zu motivieren. Mit anderen Worten, Motivationsversuche, die an den Bedürfnissen der Adressaten vorbeigehen, laufen ins Leere. Im ungünstigsten Fall können sich gut gemeinte, aber schlecht gezielte Motivationsversuche sogar negativ auswirken. So erging es uns vor Jahren, als wir bei einem Kunden versuchten, besonderes Engagement für ein Projekt dadurch zu fördern, dass wir solche Mitarbeiter nach amerikanischem Vorbild zum "Mitarbeiter des Monats" ausriefen und sie in der Werkszeitung und auf Plakaten vorstellten. Was wir dabei nicht bedacht hatten, ist, dass es sich bei dieser Firma um eine eher egalitäre Ingenieurkultur handelte, in der das Herausheben einzelner Personen ausgesprochen verpönt war. Schon nach dem ersten Versuch baten uns viele Leistungsträger dringend, sie nicht durch solch eine öffentliche "Auszeichnung" zum Gespött der ganzen Firma zu machen, und drohten, uns die Zusammenarbeit aufzukündigen, falls wir es doch täten.

  • Anknüpfen an tatsächlichen Bedürfnissen
  • Um wirksam "motivieren" zu können, muss man also zweierlei besitzen: Erstens ein gutes Verständnis davon, was dem Adressaten wichtig ist und was er vermeiden will, und zweitens die Fähigkeit, wenigstens einen Teil dieser Wünsche zu erfüllen. Das heißt, Motivieren hat einerseits mit Empathie zu tun, andererseits aber auch mit Macht – eine Kombination, die erfahrungsgemäß selten ist. Das ist insofern ein Problem, als ein Mensch, sich gut in andere hineindenken kann und genau versteht, was ihnen wichtig ist, aber nicht die Mittel und Möglichkeiten hat, es zu erfüllen, ebensowenig wirksam motivieren kann wie der, der zwar die Macht hätte, die Bedürfnisse zu erfüllen, aber daran scheitert, dass er sie nicht wirklich versteht. Je ungenauer Vorgesetzte aber verstehen, was ihren Mitarbeitern wichtig ist, desto mehr werden ihre Motivationsbemühungen zu "Schrotschüssen in den finsteren Wald": Man muss schon großes Glück haben, um auf diese Weise einen Jagderfolg zu erzielen. Das ist oftmals auch das Problem bei finanziellen Anreizen.

  • Empathie plus Macht
  • Vermutlich ist die um sich greifende Tendenz, Mitarbeiter mit Geld motivieren zu wollen, nicht zuletzt eine Folge mangelnde Empathie (und Phantasie) vieler "Mächtiger". Wer sich nicht auf andere Menschen einlassen will, sondern nach einer simplen Universallösung sucht, der landet fast zwangsläufig bei finanziellen Anreizen. Nun ist Geld ohne Zweifel ein Motivator, der bei vielen Menschen wirkt – einfach weil sich Geld problemlos in die Erfüllung vieler anderer Bedürfnisse "ummünzen" lässt. Dennoch stößt die Motivationswirkung von Geld schneller an ihre Grenzen als viele Manager wahrhaben wollen, und das keineswegs nur bei besonders asketischen Zeitgenossen. Viele talentierte und engagierte Menschen jeden Alters erwarten sich einfach mehr von ihrem Beruf als die Maximierung ihrer Kaufkraft. Wenn ihnen Geld das Wichtigste wäre, dann müssten sich ja sämtliche Talente der Welt in das Investment-Banking und ähnliche hochbezahlte Berufssparten drängen. Offensichtlich ist dies aber keineswegs der Fall: Gerade besonders begabte Menschen suchen sich meist Berufsfelder, die ihren Neigungen entsprechen; erst in zweiter Linie kommt es ihnen darauf an, dass der Job auch noch anständig bezahlt ist.

  • Geld motiviert – manche

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  • Ist Geld ein wirksamer Motivator?

     

    Wenn Top-Manager über die vermeintliche "Saturiertheit" von Mitarbeitern und Führungskräften klagen, hat dies seinen Grund oft darin, dass sie an die Grenzen finanzieller Motivation gestoßen sind – und nun nicht mehr weiter wissen. Sie haben versucht, ihre Mitarbeiter mit mehr oder weniger eindrucksvollen finanziellen Verheißungen anzuspornen, aber nicht die erhoffte Begeisterung geerntet. Nun sind sie zutiefst frustriert, dass ihre Anreize ins Leere gehen – zumal ihnen außer Drohungen herzlich wenig an Alternativen einfällt, um sie zu motivieren. Trotzdem ist es ein plumper Fehlschluss, dass diese Menschen "nicht mehr zu motivieren wären" – es heißt lediglich, dass etwas mehr Empathie und Phantasie erforderlich ist als das Winken mit Geldscheinen. Denn in der Tat: Ein 55-Jähriger, der sein Eigenheim abbezahlt hat und dessen Kinder aus dem Haus sind, ist für eine Handvoll Dollars kaum noch zu Mehrarbeit und Überstunden zu verleiten. Das heißt aber keineswegs, dass er nicht "mit nichts mehr" zu motivieren wäre. Doch um herauszufinden, wofür er sich noch begeistern könnte, müsste man sich auf ihn einlassen.

  • Angebliche Saturiertheit
  • Auch die Gründe, weshalb Geld auf viele Menschen motivierend wirkt, sind einer genaueren Betrachtung wert. Der Zugewinn an Kaufkraft alleine kann der Grund nicht sein, denn die gezahlten Prämien vergüten nach Steuern vielfach nicht einmal die zusätzlich eingesetzten Arbeitsstunden. Das wissen und benennen viele Mitarbeiter auch, ohne sich dadurch von zusätzlichen Anstrengungen abhalten zu lassen. Warum tun sie das, wenn die zusätzliche Kaufkraft kaum der Rede wert ist? Neben der Anerkennung, die in einem überdurchschnittlichen Bonus zum Ausdruck kommt, spielt oft ein sportliches, kompetitives Element eine Rolle: Man will zu den Besten gehören oder jedenfalls ins oberste Drittel der Mannschaft – was weniger mit Geld zu tun hat als mit Rang und Status, mit Ansehen und Wertschätzung, mit der eigenen Position in der "informellen Hierarchie". In der heutigen Zeit hat es sicher auch mit Sicherheit zu tun, genauer mit der Annahme, dass der eigene Job dann am sichersten ist, wenn man zu den Spitzenleistern gehört. Was sich nicht immer als richtig erweist, aber oft.

  • Weshalb Geld (oft) motiviert
  • Nicht selten ist bei Prämiensystemen auch ein "Zocker-Motiv" zu beobachten: Für manche "Spieler" wird das Anreizsystem selbst zur Herausforderung, und sie legen alles daran, sich und anderen ihre Cleverness zu beweisen, indem sie mit geringstmöglichem Aufwand das Maximale aus dem System herausholen, gleich welche Folgen und Nebenwirkungen dies für das Unternehmen hat. Dann werden Aufträge zurückgehalten oder vorgezogen, um sie ins "bonus-optimale" Quartal zu schieben; manche Produkte sind plötzlich ausverkauft, andere türmen sich im Lager, kurz, es passieren Dinge, die weit mehr der eigenen Prämienabrechnung nützen als dem Unternehmen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die auch Motivationswirkung von Geld oftmals durch nicht-finanzielle Motive zustande kommt: Offenbar nutzen die verschiedenen Mitspieler die vom Unternehmen vorgegebenen Rahmenbedingungen auf sehr unterschiedliche Weise, um ihre persönlichen Motive – Zugehörigkeit, Anerkennung, Sicherheit, Status – zu verwirklichen.

  • Zocker-Motive
  • Mäßige und ungenaue Motivationswirkung

     

    Kaltschnäuzige Manager könnten nun argumentieren: "Mir ist völlig egal, aus welchen Gründen Geld motiviert – Hauptsache, dass es motiviert!" Aber genau das ist eben gar nicht so sicher. Denn erstens sprechen solche grobschlächtigen Motivationsmethoden keineswegs alle Menschen an, zweitens erfordern sie erheblich mehr Aufwand als ein optimales Vorgehen. Bei der Motivationswirkung von Geld spielt offenbar ein Mechanismus eine Rolle, der in der Wahrnehmungspsychologie als das "Gesetz der spezifischen Sinnesenergien" bekannt ist. Er besagt: Im Prinzip kann man jeden Sinnesrezeptor mit jeder Art von Energie reizen, wenn man nur viel genug davon einsetzt. Aber auf die spezifische Energieart, für die er geschaffen ist, spricht er besonders leicht an. So kann man die Sehzellen des Auges bekanntlich auch mit einem Faustschlag reizen. Wenn man aber Licht verwendet, braucht man dafür sehr viel weniger Energie (und riskiert weniger unerwünschte Nebenwirkungen). Ähnlich ist es offenbar bei der Motivation: Im Prinzip kann man wohl fast jeden Menschen mit Geld motivieren, wenn man nur viel genug davon auf den Tisch blättert. Doch kommt man mit sehr viel geringerem Aufwand aus, wenn man stattdessen an den spezifischen Motiven und Bedürfnissen der jeweiligen Person ansetzt.

  • Suboptimaler Ansatz
  • An dieser Stelle müssen wir dringend einem häufigen Missverständnis entgegenwirken: Wenn wir die generelle Motivationswirkung von Geld in Frage stellen, bedeutet dies keineswegs, dass Geld überhaupt keine Rolle spielt. Schließlich arbeiten die meisten Menschen nicht aus Langeweile, sondern um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und natürlich ist mehr Geld prinzipiell erfreulicher als wenig Geld, selbst wenn man die Kaufkraft nicht aktuell benötigt. Und dennoch ist es den meisten Menschen wichtiger, etwas zu tun, das sinnvoll ist und zu ihren Neigungen und Fähigkeiten passt, als ständig und radikal ihr Einkommen zu optimieren. Ich halte es daher für einen verhängnisvollen Fehler, wenn sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Sektor immer mehr versucht wird, die Mitarbeiter mit finanziellen Anreizen zu "motivieren". Damit konditionieren wir die Leute bloß von "Überzeugungstätern" zu "Söldnern" um, die nicht mehr über die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeiten nachdenken, sondern achselzuckend ihre Auszahlungen optimieren. Auf diese Weise wird das überholte autoritäre System von Befehl und Gehorsam durch ein neues, nicht weniger zweifelhaftes System von Prämie und Gehorsam ersetzt – von dem eigentlichen Ziel, dem selbständig mitdenkenden und verantwortlich handelnden Mitarbeiter, bringt uns das weiter ab denn je.

  • Die wahre Rolle des Geldes
  • Auf einem ganz anderen Blatt steht, dass Mitarbeiter auch einen Nutzen davon haben sollten, wenn sie einen Beitrag zum Erfolg ihres Unternehmens oder Bereichs geleistet haben: Sie sollten am Erfolg ihrer Arbeit beteiligt werden. Doch eine Erfolgsbeteiligung ist etwas völlig anderes als ein Incentive-System: Zwar handelt es auch hier meist um Geld, aber die Mitarbeiter erhalten ihre Prämie nicht für die Erfüllung mehr oder weniger willkürlich festgelegter Ziele, sondern als ihren Anteil an dem gemeinsam erreichten Erfolg. Letztlich stehen dahinter zwei verschiedene Welt- und Menschenbilder: Auf der einen Seite eine autoritäre Steuerung von oben durch die Auslobung von Prämien für die Erreichung bestimmter Ziele, die auf das sonst so oft geforderte Mitdenken der Mitarbeiter weitgehend verzichtet (bzw. ihm nur noch bei den Details der Umsetzung Raum gibt); auf der anderen Seite die Ausrichtung auf ein Ziel, das im gemeinsamen Interesse liegt, und die "faire Beteiligung der Jagdgenossen an der Beute". Man muss sich nicht nur fragen, ob dieses erste Modell noch in unsere Zeit passt, sondern auch, ob es tatsächlich dazu taugt, die Zukunft wissensorientierter Unternehmen in einem Hochlohnland zu sichern, oder ob es sie eher untergräbt.

  • Erfolgs- beteiligung
  • Die innere Motivation der Mitarbeiter verstehen

     

    Wenn die persönlichen Ziele und Interessen für die Motivation eines Menschen so wichtig sind, stellt sich natürlich die Frage, wie man an sie herankommt. Im Grunde gibt es dafür nur eine Möglichkeit: genau Hinschauen und Hinhören. Die gute Nachricht dabei ist, dass uns Menschen unaufgefordert sehr viel über ihre Motivationsstrukturen mitteilen – nicht nur durch das, was sie sagen und worauf sie besonderen Wert legen, sondern auch durch die Art, wie sie es sagen. Wer Sie ständig anlächelt, Ihnen in fast allen Dingen zustimmt und erkennbar um eine gute Beziehung bemüht ist, der sucht wohl eher nach Nähe, Harmonie und Zugehörigkeit als nach Macht oder nach Autonomie. Wer Ihnen permanent die Welt erklärt, alles weiß und alles kann, bei dem tippen Sie wahrscheinlich richtig, wenn Sie eine Suche nach Anerkennung und Bewunderung vermuten. Und wer sich sehr distanziert gibt, viel zu kritisieren hat und Ihnen mit Verve erklärt, was alle anderen doch für Idioten sind, bei dem könnten Sie an ein Streben nach Überlegenheit denken.

  • Zuhören und beobachten
  • Zunächst sind das natürlich nur Hypothesen, die Sie im weiteren Verlauf überprüfen und gegebenenfalls korrigieren müssen. Je besser wir Menschen kennenlernen, ein desto besseres Bild können wir uns auch von ihren zentralen Motiven machen und desto wirksamer können wir sie in eben diesen Motiven ansprechen – jedenfalls dann, wenn wir uns die Mühe des genauen Hinhörens und Hinsehens gemacht haben. Am Anfang erfordert es ein bisschen Übung, sich in die Ziele und Motive anderer Menschen einzufühlen, doch im Grunde ist dies gar nicht so schwierig, wenn man sich nur konsequent an dem Leitgedanken orientiert, dass das Handeln eines Menschen aus seiner subjektiven Sicht immer sinnvoll ist – auch wenn es uns als Außenstehenden noch so unangebracht und widersinnig vorkommt. Also müssen wir uns nur die Frage beantworten, unter welchen Bedingungen und unter welcher Sichtweise das beobachtete Handeln logisch ist.

  • Hypothesen präzisieren
  • Wichtig für das Verstehen eines Menschen sind vor allem seine sozialen Motive, also die, die sich auf seinen angestrebten Platz in der Gemeinschaft beziehen. Denn so richtig es ist, dass Menschen von Zeit zu Zeit auch ein Bedürfnis nach Essen und Trinken, nach Schlaf und nach Sex haben, so wenig hilft uns die vielgeschundene Maslow-Pyramide im geschäftlichen Alltag weiter – ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass Menschen nach physischer Sicherheit, angenehmen Temperaturen und Sonnenlicht streben. Für das Verstehen beruflichen Handelns sehr viel wichtiger sind einige Motive, die im Alltag oft übersehen oder nur indirekt und beinahe aus Versehen angesprochen werden, obwohl sie gerade für Veränderungsprozesse von ungeheurer Bedeutung sind. Am wichtigsten von allen, weil am grundlegendsten, ist dabei das Bedürfnis, einen anerkannten Platz in der Gemeinschaft einzunehmen.

  • Anerkannter Platz in der Gemeinschaft
  • Aufgabe, Sinn und Herausforderung

     

    Der Wunsch nach einem anerkannten Platz in der Gemeinschaft äußert sich in dem Bedürfnis nach einer Aufgabe. Nicht für jeden Menschen muss das die große Herausforderung sein. Doch instinktiv scheinen alle Menschen zu spüren, dass man seinen Platz in einer Mannschaft durch die Aufgabe erhält, die man erfüllt: Wer bloß auf dem Spielfeld herumsteht, ohne eine echte Rolle und Funktion zu haben, gehört nicht wirklich dazu. Diese Aufgabe muss aus einem wertschöpfenden Beitrag zu dieser Gemeinschaft bestehen. Manchmal suchen sich Mitarbeiter diese Aufgabe selbst, zum Beispiel auf dem Wege einer internen oder externen Bewerbung; manchmal wird sie ihnen auch von den jeweiligen Verantwortlichen angeboten bzw. zugewiesen, mit Blick einerseits auf die betrieblichen Notwendigkeiten, andererseits auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Entscheidend ist, dass am Ende klar ist, was die eigene Aufgabe und damit der eigene Platz ist: Das ist den meisten Menschen sehr viel wichtiger als oft gesehen wird. Die Identifikation mit der eigenen Aufgabe ist für sehr viele Beschäftigte ein Eckstein ihres Selbstverständnisses und ihrer Motivation.

  • Eine echte Aufgabe
  • Eine "Herausforderung" geht über die reine Aufgabe und den damit verbundenen Platz in der Mannschaft hinaus. Hinter diesem Bedürfnis steht eine stärker individualistisch geprägte Sichtweise: Eine Herausforderung ist eine Aufgabe, an der man sich bewähren, an der man wachsen und mit der man sich selbst verwirklichen kann. (Kein Zufall sicherlich, dass für diese individualistische Angelegenheit gern der amerikanische Begriff "challenge" verwendet wird.) Dennoch suchen auch die meisten Individualisten ihren "Challenge" bevorzugt innerhalb eines sozialen Systems. Nur notorische Einzelkämpfer sind dazu in der Lage, sich selbst ein herausforderndes Ziel zu setzen und es weitgehend im Alleingang zu realisieren – manche große Wissenschaftler und Erfinder der Vergangenheit waren Beispiele dafür. Den meisten Menschen aber fehlt sowohl die große Idee, der sie ihr Leben verschreiben wollten, als auch der Mut, so eine große Aufgabe im Alleingang anzupacken, als auch das Stehvermögen, sie bis zum Ende zu durchzuziehen – und die meisten wissen oder ahnen dies auch. Gerade deshalb sind viele und ganz besonders jüngere Menschen leicht dafür zu begeistern, unter Führung eines "Visionärs" an einer großen Herausforderung mitzuarbeiten.

  • Die "Heraus-forderung"
  • Noch einen Schritt weiter geht der Wiener Psychiater Viktor Frankl (1904 – 1997), der den "Willen zum Sinn" in den Mittelpunkt seines Lebenswerks gestellt hat. Nach Frankls Überzeugung suchen Menschen nach "Selbsttranszendenz", das heißt nach einer Aufgabe und einem Sinn, der über sie selbst und ihre eigene Existenz hinausweist. In der Tat sind die wenigsten Menschen auf die Dauer damit zufrieden, irgendeine Tätigkeit auszuführen, in der sie keinen Sinn sehen und mit der sie sich nicht identifizieren können: Nur wenigen Menschen genügt es als Erfüllung ihres (Berufs-)Lebens, den Marktanteil von Dash gegenüber Omo zu erhöhen. Vielmehr ist ihnen wichtig, einen Sinn in ihrer Tätigkeit zu sehen, der sie "transzendiert", das heißt über ihre eigene Person hinausreicht.

  • Sinn und Bedeutung
  • Was mit diesem "Sinn" gemeint ist, wird am ehesten klar, wenn wir uns als Gedankenexperiment eine offensichtlich sinnlose Tätigkeit vorstellen. Theoretisch könnte man Menschen ja auch dafür bezahlen, einen Sandhaufen erst von links nach rechts und dann wieder von rechts nach links zu schaufeln oder, etwas moderner, nutzlose Datensätze in SAP anzulegen und später wieder zu löschen. Doch auf das Ansinnen, solch eine Tätigkeit zu übernehmen, würden die meisten Menschen nicht mit achselzuckendem Gleichmut ("Solange es anständig bezahlt ist ...") reagieren, sondern mit Verunsicherung, Empörung und Gekränktheit. Die Verunsicherung ist leicht zu verstehen, denn jeder vernünftige Mensch müsste sich ja fragen, wie sicher ein Job ist, der aus einer offensichtlich sinnlosen Tätigkeit besteht. Interessanter sind die Gekränktheit und Empörung. Sie verraten uns, dass es Menschen als entwürdigend empfinden, mit sinnlosen Aufgaben beschäftigt zu werden. Offenbar haben viele Menschen das Gefühl, dass eine sinnlose Aufgabe auch sie selbst entwertet. (Deshalb ist es nicht ohne Brisanz, wenn Gruppenarbeiten bei Seminaren oder Workshops aus Sicht der Teilnehmer keinen nachvollziehbaren Mehrwert haben, sondern als "Beschäftigungstherapie" empfunden werden.)

  • Sinnlose Aufgaben entwerten
  • Umgekehrt "adelt" die Bedeutung einer Aufgabe auch denjenigen, dem sie anvertraut wird. Obwohl dies aus einem eng ökonomischen Denkansatz als geradezu widersinnig erscheint, empfinden es die meisten Menschen als Ehre, mit einer besonders wichtigen Aufgabe betraut zu werden – und das, obwohl sie möglicherweise mit Mehrarbeit, Stress und anderen Unannehmlichkeiten verbunden ist. Paradoxerweise motiviert in solchen Fällen nicht das Versprechen einer Belohnung, vielmehr hat die Aufgabe selbst den Charakter einer Belohnung. Sie liegt in deren Bedeutung für die Gemeinschaft und in der Auszeichnung, solch eine wichtige Aufgabe anvertraut zu bekommen. Es sind daher keineswegs leere Floskeln, wenn die Betreffenden in solchen Fällen von einer "verantwortungsvollen Aufgabe" sprechen und sich für das Vertrauen bedanken – es entspricht tatsächlich ihrem Empfinden und damit wohl auch der Realität.

  • "Ehrenvolle Aufgaben"
  • Quellen von Sinn

     

    Der Sinn einer Aufgabe kann in sehr verschiedenen Dingen liegen. Das muss nicht immer der große Fortschritt für die Menschheit sein – auch wenn es natürlich sehr motivierend sein kann, wenn man die Chance bekommt, an einer solchen Aufgabe mitzuwirken. Aber Sinn kann auch in einem recht kurzfristigen und handfesten Nutzen liegen. Für unsere Vorfahren mag der Sinn ihrer Tagesarbeit zum Beispiel gewesen sein: "Lass uns auf die Jagd gehen, dann haben unsere Kinder heute Abend etwas Anständiges zum Essen!" In unserer heutigen Zeit kann der kurzfristige Sinn und Nutzen einer Aufgabe zum Beispiel sein: "Lasst uns doch mal über die Weihnachtspause die Ablage ausmisten, dann haben wir wieder etwas mehr Platz!" Natürlich ist dies kein "Sinn des Lebens" – aber allemal ein ausreichender Sinn für eine Tätigkeit.

  • Quellen von "Sinn"
  • Aber wie entsteht "Sinn"? Unter welchen Bedingungen erlebt ein Mensch eine Aufgabe als sinnvoll? Vielen Menschen ist Sinn in ihrer Tätigkeit, wenn sie das Gefühl haben, damit einen nützlichen Beitrag zum Funktionieren eines Gesamtsystems zu leisten: "Ich mache hier die Lohn- und Gehaltsabrechnung!" Wer so etwas sagt, scheint gedanklich hinzuzufügen: "... und leiste dadurch meinen Beitrag zum Funktionieren dieser Firma!" Das Erleben von Sinn entsteht in diesem Fall einfach daraus, dass sich dieser Mitarbeiter sowohl mit seiner Aufgabe als auch mit seiner Organisation identifiziert, das heißt, dass er sich dort zugehörig, aufgehoben und einigermaßen anständig behandelt fühlt. Schon hier erkennen wir Frankls "Selbsttranszendenz" in einer einfachen Form wieder: Der Sinn der Lohn- und Gehaltsabrechnung liegt nicht in ihr selbst, sondern in ihrem Nutzen für andere bzw. für das Unternehmen.

  • Bedingungen für Sinn
  • Doch kann der Sinn einer Aufgabe nicht nur über den einzelnen Menschen, sondern auch über die Grenzen des Unternehmens hinausreichen. Nicht zufällig enthalten viele Visionen und "Mission Statements" Aussagen, die auf den gesellschaftlichen Nutzen der Unternehmenstätigkeit abheben: "Our purpose is to improve the quality of life through innovative human therapeutics" (Celtrix), "To make a contribution to the world by making tools for the mind that advance humankind" (Apple), "Telecare exists to help people with mental impairs to realize their full potential" (Quelle der Zitate: Collins / Porras 1991). Solche Aussagen sind keineswegs, wie von externen und internen Zynikern gern unterstellt wird, leeres Geschwafel, das den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit Sand über die "wahren Motive und Absichten" dieser Firmen in die Augen streuen soll. Vielmehr können solche "Mission Statements" (Auftragsdefinitionen) eine wichtige Quelle für Identifikation und Motivation sein, jedenfalls dann, wenn sie nicht bloß von PR-Beratern ausgedacht und von Marketing-Abteilungen in Hochglanzbroschüren gedruckt wurden, sondern vom Management und den Mitarbeitern geteilt werden. Für viele Menschen macht es sehr wohl einen Unterschied, ob sie nur Salbe in Tuben füllen oder ob sie einen Beitrag zur Linderung von Schmerzen leisten. Auch wenn sie und ihre Firma damit – natürlich! – auch Geld verdienen wollen.

  • Ein Sinn über das Geschäft hinaus
  • Oft ergibt sich "Sinn" einfach aus einer Aufgabe, die offensichtlich getan werden muss. Wer gerade vor dem brennenden Problem steht, die Präsentation für den Lenkungsausschuss fertigzubekommen, eine Vertragsstrafe wegzuverhandeln oder die Insolvenz abzuwenden, dem ist, wie Frankl formulieren würde, durch die Realität ein Sinn "aufgegeben". Ein Defizit an Sinn entsteht paradoxerweise aus der Abwesenheit brennender Probleme: Wer nicht weiß, wovon er nächste Woche seine Familie ernähren soll, hat kein Sinnproblem, sondern ein Versorgungsproblem. Ein Sinnproblem haben am ehesten diejenigen, die weitgehend frei von materiellen Sorgen sind. Tatsächlich ist das Nachgrübeln über den Sinn des Lebens und der eigenen Arbeit in gewisser Weise ein "Luxusproblem". Erst die Abwesenheit brennender Probleme konfrontiert uns mit der Notwendigkeit, uns selbst einen Sinn zu suchen – ein Problem, das in der Menschheitsgeschichte wohl relativ neu ist und auf das uns die Evolution nicht vorbereitet hat. Infolgedessen suchen viele Menschen ihren Sinn am falschen Ort. Denn wo uns dieser Sinn nicht durch unabweisbare Notwendigkeiten aufgegeben ist, kann er nur von innen kommen: Daraus, dass wir uns für eine Sache, für ein Ziel, für eine übergeordnete Aufgabe entscheiden.

  • Sinndefizite
  • Lob, Anerkennung, Bestätigung

     

    Das Bedürfnis nach einer sinnvollen Aufgabe, die ihnen einen anerkannten Platz in der (betrieblichen) Gemeinschaft sichert, ist bei fast allen Menschen vorhanden – und es geht in der Regel mit dem Wunsch einher, diese Aufgabe so gut auszufüllen, dass die anderen zufrieden mit einem selbst und der eigenen Arbeit sind. Obwohl dieses Bedürfnis so zentral ist, wird es oft nicht erkannt und in seiner vollen Bedeutung verstanden. Dabei ist es das Fundament der Leistungsmotivation, auf dem die gesamte Führung aufbaut. Letztlich ist auch die verbreitete Suche nach Lob und Anerkennung nichts anderes als der Wunsch, von Zeit zu Zeit bestätigt zu bekommen, dass man seine Aufgabe so gut ausfüllt, dass die anderen – und insbesondere der Vorgesetzte – zufrieden mit einem sind, und dass man sich deshalb seines Platzes in der Gemeinschaft sicher sein kann.

  • Bestätigung der Zugehörigkeit
  • Besonders groß ist das Bedürfnis nach Lob und Anerkennung bei selbstunsicheren Menschen. Sie brauchen die permanente Bestätigung von außen, um ihre inneren Zweifel zu beruhigen, ob sie wirklich gut genug sind und "dazugehören". Wegen dieses schlummernden Minderwertigkeitsgefühls sind solche Menschen auch besonders empfindlich für Kritik: Sie dramatisieren sie innerlich; in ihren Augen stellt Kritik nicht ihre Leistung bei einer einzelnen Aufgabe in Frage, sondern ihre Person und ihren Wert insgesamt. Dennoch ist es nicht sinnvoll, solche Mitarbeiter von kritischem Feedback zu verschonen und übertrieben behutsam mit ihnen umzugehen. Denn das würde sie noch mehr in eine Sonderstellung bringen und dadurch noch weiter entmutigen. Richtig ist vielmehr, ihnen deutlich zu machen, dass sich die Kritik ihren Wert als Mensch in keiner Weise in Frage stellt, sondern sich auf eine bestimmte Arbeitsleistung oder Verhaltensweise bezieht, die es zu verbessern gilt.

  • Selbst-unsichere Menschen
  • Ein weiterer Sonderfall sind Menschen, deren Selbstwertgefühl eng an ihre Anerkennung für (Spitzen)Leistungen gekoppelt ist. Diese "Insecure Overachievers", wie sie in den USA genannt werden, scheinen vor Selbstvertrauen zu strotzen, solange sie das Gefühl haben, gute Leistungen zu bringen und dafür anerkannt zu sein, doch sind sie in ihrem Selbstwertgefühl leicht zu erschüttern, wenn ihnen signalisiert wird, dass ihre "Performance" nicht den erwarteten hohen Maßstäben entspricht. An diesem wunden Punkt sind sie auch erpressbar und zu beinahe beliebigen Zusatzanstrengungen zu "motivieren". Das macht sie besonders geeignet für bestimmte Turbo-Karriere-Jobs, in denen Selbstausbeutung bis an die physischen Grenzen Bestandteil des Deals ist, wie Top-Management-Consulting, Investment Banking oder Vorstandsstäbe. Aufgrund ihrer extremen, oftmals geradezu neurotischen Leistungsorientierung fehlt diesen Menschen oft die Fähigkeit, sich in die Motivationslage normale(re)r Mitarbeiter einzuführen, und sie neigen dazu, sie mit Zuckerbrot (finanzielle Anreize) und Peitsche (Sanktionen) zur Leistung zwingen zu wollen. Was bei ihrem Übergang in Linien-Führungspositionen nicht selten heftige Konflikte nach sich zieht.

  • Unsichere Höchstleister
  • Umgekehrt gibt es auch Mitarbeiter, die keinerlei Wert auf Lob und Anerkennung zu legen scheinen. Dies liegt in der Regel nicht daran, dass sie einen absoluten, unbeirrbaren Maßstab in sich selbst tragen und daher eine Bestätigung von außen für entbehrlich halten. Vielmehr ist es meist Ausdruck einer tiefen Entmutigung. Im harmloseren Fall haben sie nur bei ihrem derzeitigen Chef keine Hoffnung mehr, Anerkennung zu bekommen, "weil man es ihm ohnehin nie recht machen kann"; im schlimmeren haben sie insgesamt eine so negative Meinung von sich selbst und ihren Fähigkeiten, dass sie überhaupt keinen Versuch mehr machen, Anerkennung zu bekommen. Stattdessen haben sie sich traurig damit abgefunden, zu den "Schwachleistern" und "Versagern" zu zählen. Sie strengen sich "bewusst" nicht mehr an, um sich weitere Niederlagen und Enttäuschungen zu ersparen, und wollen jetzt nur noch in Ruhe gelassen werden.

  • Entmutigte Mitarbeiter
  • Auch solche entmutigten Mitarbeiter dürfen von einem offenen Feedback nicht ausgespart werden, aber es bedarf weit mehr als einer Erhöhung des Drucks, um sie zu besseren Leistungen zu führen. Ihr Problem ist nicht, dass sie zu faul sind, sich anzustrengen, sondern dass sie zutiefst mutlos sind. Das heißt, sie "wissen" längst, dass es nichts nützt, wenn sie sich mehr anstrengen, weil dies ohnehin nur mit erneuten Enttäuschungen und Frustrationen endet. Deshalb ist es keine einfache Führungsaufgabe, sie Schritt für Schritt vom Gegenteil zu überzeugen. "Motivieren" bedeutet hier in erster Linie ermutigen, und das geschieht vor allem dadurch, dass man nicht erst Erfolge belohnt, sondern schon die unternommenen Anstrengungen. (Mehr dazu in unserem Buch "Ermutigende Führung".)

  • Offenes Feedback
  • Einflüsse der aktuellen Situation auf die Motivation

     

    Die übergeordneten Motive eines Menschen sind von seiner Persönlichkeit und seinen Werten und Lebenszielen bestimmt. Doch es gibt auch Einflüsse auf die Motivationslage, die primär von der aktuellen Situation beeinflusst sind: Wer emotional unter Druck steht, weil er zum Beispiel Angst hat, bei seiner Aufgabe zu versagen oder von seinem Chef abgekanzelt zu werden, der verhält sich anders als er es in derselben Situation tun würde, wenn er voller Selbstvertrauen wäre. In solchen Drucksituationen rücken die übergeordneten Ziele und Motive in den Hintergrund, und die Betreffenden setzen kurzfristig (und weitgehend unbewusst) andere Prioritäten. Klar: Wer Angst hat, sucht beinahe reflektorisch nach Sicherheit. Wer unter Druck steht, sucht nach einer Möglichkeit, diesen Druck schnellstmöglich loszuwerden: Er hat kein Sinnproblem, sondern ein "Druckproblem".

  • Einflüsse der aktuellen Situation
  • Für den Umgang mit Drucksituationen spielt die persönliche Reife eine entscheidende Rolle: Manche Menschen reagieren auch unter Druck sachbezogen und versuchen, trotz aller Schwierigkeiten ein akzeptables Ergebnis bei ihrer jeweiligen Aufgabe zu erreichen. Andere reagieren selbstbezogen und ichhaft. Sie konzentrieren sich dann nicht mehr auf die Sache, sondern denken nur noch daran, wie sie mit heiler Haut aus der Angelegenheit herauskommen. Dabei verhalten sie sich oft auf eine Weise, die kontraproduktiv, störend oder sogar schädlich ist. In der Individualpsychologie spricht man hier von den "Nahzielen", die oft hinter störenden Verhaltensweisen stehen: Entschuldigung für eigene Fehler, Erregen von Aufmerksamkeit, Gewinnen von Überlegenheit, Rache / Vergeltung sowie, als Ausdruck tiefster Entmutigung, der Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden (vergl. Elsa Andriessens im "Wörterbuch der Individualpsychologie" 1985, S. 344).

  • Persönliche Reife und "Nahziele"
  • Doch auch bei reifen Persönlichkeiten, die sachbezogen und lösungsorientiert mit Drucksituationen umgehen, ist es so, dass sich die Bewältigung des aktuellen Problems motivationsmäßig in den Vordergrund schiebt und die persönliche "Grundmotivation" dieses Menschen überlagert. Das gilt besonders für situative Einflüsse, die als bedrohlich wahrgenommen werden, gleich ob diese Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit gilt, dem Selbstwertgefühl oder der Position und dem Ansehen in der Gruppe. Diese "Umpriorisierung" ist evolutionsbiologisch auch sehr sinnvoll, denn wenn das physische oder soziale Überleben in Gefahr ist, ist es zweckmäßig, langfristige Bedürfnisse hintanzustellen und erst einmal die aktuelle Bedrohung zu bewältigen. Dennoch werden die übergeordneten Lebensziele und Werte eines Menschen dadurch nicht ausgeschaltet, sondern nur überlagert. Letzten Endes äußerst sich "Reife" ja gerade darin, wie jemand zwischen seinen kurzfristigen Zielen und Interessen einerseits und seinen übergeordneten Zielen, Werten und Bedürfnissen abwägt.

  • Überlagerung der übergeordneten Ziele und Werte
  • Motivation im Change Management

     

    Situative Einflüsse auf die Motivationslage sind für das Change Management deshalb von besonderer Bedeutung, weil jedes Veränderungsprojekt bei den betroffenen Mitarbeitern und Führungskräften eine ganz spezische Gefühlslage auslöst, die sich im Unternehmen in Form eines deutlich spürbaren Grundklimas niederschlägt. Die vorherrschende Gefühlslage schwankt je nach Typus des Vorhabens zwischen Angst und Hoffnung, Neugier und Überdruss. Denn natürlich ist die Motivationslage der Mitarbeiter eine völlig andere, wenn ein harter Personalabbau oder eine feindliche Übernahme angekündigt wurde, als wenn das Top-Management ein Programm zur Veränderung der Unternehmenskultur ausgerufen hat. Das jeweils vorherrschende Grundklima muss der Ausgangspunkt sowohl für die Gestaltung der Kommunikation sein als auch für alles, was mit Motivation und Führung zu tun hat.

  • Gefühlslage bei Veränderungs- vorhaben
  • Während es für die individuelle Führung wichtig ist, die Motivationsstruktur des einzelnen Menschen zu verstehen und auf sie einzugehen, liegen die Prioritäten beim Management von Veränderungsprozessen anders: Hier geht es nicht in erster Linie um die Besonderheiten des Individuums, sondern um die gemeinsame Motivationslage eines sozialen Systems (oder Teilsystems). Bei einer Sanierung beispielsweise machen sich die allermeisten Mitarbeiter große Sorgen um ihren Arbeitsplatz und um ihre Zukunft. Dass der eine dabei an die Ausbildung seiner Kinder denkt und der andere an die Raten für das kürzlich gebaute Eigenheim, ist für die Change-Kommunikation weniger bedeutsam als das gemeinsame Grundgefühl von Angst, das in dieser Situation das Klima bestimmt. Das gilt erst recht, wenn diese Angst zunächst nicht beseitigt werden kann, weil sie ja nicht auf einem Missverständnis beruht, sondern auf einer durchaus zutreffenden Einschätzung der Lage.

  • Gemeinsam-keiten im Vordergrund
  • Um die Mitarbeiter und Führungskräfte für Veränderungen zu gewinnen, muss sich das Management zunächst dem herrschenden Grundklima stellen. Es hat keinen Sinn, von den Chancen einer Neuausrichtung zu reden, solange die Mitarbeiter starr sind vor Angst – damit verliert man die Leute nur. Das Management darf in einer solchen Situation aber auch keinen falschen Trost spenden und versuchen, die vorhandenen Ängste mit Beschwichtigungen ("Es wird alles nicht so heiß gegessen ...") und ungedeckten Versprechungen ("... ich rechne nicht mit nennenswertem Personalabbau") wegzureden. Falscher Trost wirkt in der Krise wie eine Flasche Likör: Am Anfang fühlt es sich gut an, doch danach ist die Situation noch schlimmer als zuvor. Ehrlichkeit, auch und gerade in Bezug auf unangenehme Dinge, ist die Basis für Glaubwürdigkeit; auf Schönfärberei lässt sich keine Motivation bauen, sie produziert nur Enttäuschungen.

  • Sich dem Grundklima stellen
  • Das Fundament jeder belastbaren Veränderungsmotivation muss eine ehrliche gemeinsame Bewertung der Ausgangssituation sein, einschließlich aller negativen Aspekte, aber auch einschließlich der positiven. Das ist dann besonders wichtig, wenn es für den Erfolg eines Veränderungsvorhabens notwendig ist, dass die Mitarbeiter und Führungskräfte die Veränderungen nicht nur tolerieren oder erdulden, sondern aktiv und engagiert daran mitarbeiten. Genau für diese Fälle hilft unsere Stufenpyramide der Veränderungsmotivation, Schritt für Schritt und Stufe für Stufe gemeinsam die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung zu schaffen.

  • Stufenpyramide der Verände-rungsmotivation

  • Sie planen gerade ein Change-Projekt, bei dem es um derartige Themen geht? Oder haben eine verwandte Fragestellung, zu der Sie fachkundige Unterstützung oder eine kompetente Hintergrund-Beratung suchen? Dann sprechen Sie uns gerne an!

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