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Ursache-Wirkungs-Analyse: Komplexität in den Griff bekommen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Die Erkenntnis, dass in sozialen Systemen alles mit allem irgendwie zusammenhängt, ist wohlfeil, aber nur begrenzt hilfreich. Sie bewahrt uns vielleicht davor, auf allzu einfache Lösungen zu setzen – zugleich macht sie es aber enorm schwer, überhaupt eine Lösung zu finden. Und zwar nicht nur sachlich, sondern auch emotional. Denn wenn alles mit allem zusammenhängt, noch dazu "irgendwie", wo soll man dann ansetzen? Wie soll man die Komplexität und Dynamik eines solchen Systems jemals verstehen? Wie soll man sicher sein, dass die eigenen Interventionen nicht alles nur noch schlimmer machen?

  • Wenn alles mit allem zusammenhängt
  • Unser Gehirn und unsere Sprache sind nur begrenzt dazu in der Lage, komplexe Systeme zu überschauen und ihre Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Griff zu behalten. In welche Nöte wir dabei geraten können, hat der Bamberger Psychologie-Professor Dietrich Dörner in seinem Buch Die Logik des Misslingens eindrucksvoll beschrieben. Zwar kann es uns mit etwas Training und dem Willen, die Zusammenhänge zu verstehen, recht gut gelingen, einzelne Kausalstränge zu durchschauen und zu beschreiben, doch wenn wir versuchen, das Gesamtbild simultan zu erfassen, stoßen wir schmerzhaft an die Grenzen unseres mentalen "Hauptspeichers". Unser Verstand ist schlicht nicht dazu in der Lage, die Wechselwirkungen zwischen einer größeren Zahl von Verknüpfungen gleichzeitig zu bedenken: So viele Variablen gleichzeitig passen einfach nicht in unser Bewusstsein.

    Doch auch unsere Intuition kommt ins Schleudern, wenn allzu viele Bälle gleichzeitig in der Luft wirbeln. Zwar kann sie weitaus besser mit Komplexität umgehen als unser bewusster Verstand, doch das heißt noch lange nicht, dass wir das Denken einstellen und uns blind auf unsere Intuition verlassen könnten. Denn leider ist auch unsere Intuition – entgegen verbreiteten Hoffnungen – alles andere als unfehlbar.

  • Verstehen ja, aber beherrschen?
  • Überforderung führt zu "vorhersehbaren" Fehlern

     

    Die praktische Überforderung durch die Komplexität führt dazu, dass wir beim Versuch, ein komplexes System in unserem Sinne zu beeinflussen, allzu leicht einzelne Zusammenhänge überschätzen und andere übersehen – mit der Folge, dass wir zuweilen Fehler machen, die im Nachhinein offensichtlich und vorhersagbar erscheinen. Solche Fehler sind deshalb so ärgerlich und irritierend, weil wir den betreffenden Zusammenhang nicht etwa deshalb unbeachtet ließen, weil wir ihn nicht kannten, sondern obwohl er uns – "im Prinzip" jedenfalls – völlig klar war. Sowohl für uns selbst als auch für andere sieht es daher so aus, als hätten wir einen ausgesprochen "dummen", weil vorhersehbaren, ja geradezu offensichtlichen Fehler gemacht – was uns dazu bringen kann, an uns selbst zu verzweifeln: "Wie konnte mir nur ein so dummer Fehler passieren?!"

  • Sogenannte "dumme" Fehler
  • Die Antwort ist einfacher und entlastender als sie scheint – aber zugleich beunruhigend, was die Wiederholungsgefahr betrifft. Sie lautet: Uns ist schlicht die Komplexität der Situation über den Kopf gewachsen. Wir haben zwar viele Zusammenhänge beachtet, doch ausgerechnet dieser eine ist uns durchgerutscht. Im Nachhinein, wo sich alle Aufmerksamkeit auf diesen einen Aspekt richtet, liegt der Zusammenhang mit gradezu peinlicher Offensichtlichkeit auf der Hand, und alle wundern sich und sind etwas befremdet, wie wir ihn übersehen konnten. Das kommt daher, dass es immer leicht ist, bereits eingetretene Ereignisse vorherzusagen. Vorher aber, als dieser Zusammenhang nur einer von vielen war, der zu beachten war, war unsere Aufmerksamkeit so sehr von anderen Aspekten abgelenkt, dass wir diesen einen übersehen haben – dumm gelaufen, aber so ist das Leben.

  • Von der Komplexität überfordert
  • So tröstlich diese Erklärung einerseits ist, so erschreckend ist sie andererseits. Denn im Klartext besagt sie ja, dass uns solche Fehler immer wieder passieren werden, weil wir Menschen einfach Schwierigkeiten mit dem Beherrschen von Komplexität haben und beim Versuch, es dennoch zu tun, auch in Zukunft zuweilen an unsere Grenzen stoßen werden. Mit anderen Worten, solche Fehler sind keine unverständlichen und irgendwie peinlichen Aussetzer, als die wir und unsere Umgebung sie spontan ansehen; sie sind der "Normalfall", also das, worauf man beim Umgang mit Komplexität immer gefasst sein muss.

  • Menschlich, aber trotzdem ein Problem
  • Befriedigend ist das natürlich nicht. Auch wenn es noch so menschlich sein mag, dass bei hoher Komplexität manche Aspekte unserer Aufmerksamkeit entgehen: Ein Problem ist es trotzdem, und zwar ein großes und gefährliches. Denn solche Pannen können eine Menge unerwünschter Folgen nach sich ziehen. Daher ist es keine gute Nachricht, dass wir eigentlich in jeder komplexen Situation auf solche überforderungsbedingten Fehler gefasst sein müssen. Was also tun?

  • Was tun?
  • Aufbau eines Ursache-Wirkungs-Diagramms

     

    Ein guter Anfang wäre, wenn es gelänge, die wesentlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu erkennen und sie so übersichtlich darzustellen, dass uns wichtige Zusammenhänge nicht mehr so ohne weiteres durchrutschen können. Eine gute Möglichkeit, Komplexität in dieser Weise zu ordnen, ist der Aufbau eines "Ursache-Wirkungs-Diagramms". Dazu braucht man eigentlich nur ein paar verschieden farbige Moderationskärtchen, ein paar Pinnwände und – eine klare Fragestellung. Denn nur wenn wir genau wissen, was wir erklären wollen (das "Explanandum"), ist es möglich, gezielt nach Erklärungen (das "Explanans") – und nach Erklärungen für die Erklärungen sowie für deren Erklärungen – zu suchen.

  • Komplexität ordnen
  • Ziel ist, die tieferen Ursachen des zu erklärenden Problems zu finden und die Wechselwirkungen zu verstehen, die zwischen den verschiedenen Teilursachen und Ursachenebenen bestehen. Ein nützlicher Leitgedanke dafür ist das Toyota-Prinzip, immer fünfmal "Warum?" zu fragen: Nicht nur nach der Ursache eines Problems, sondern nach den Ursachen dieser Ursache und den Ursachen hinter diesen Ursachen. Dabei muss man das Prinzip der fünf Fragen nicht sklavisch nehmen: Worauf es ankommt, ist nur, sich nicht mit oberflächlichen Erklärungen zufrieden zu geben, sondern denn Dingen wirklich auf den Grund zu gehen.

  • Die tieferen Ursachen erkennen
  • Fünfmal Warum fragen

    Quelle: Scholtes, Peter R. (1998): The Leader's Handbook (Übers. W. Berner)

  • Fünfmal "Warum" fragen
  • Von der handwerklichen Seite her ist dabei eigentlich nur wichtig, festzulegen, in welche Richtung bei der Darstellung der "Kausalitätsstrom" verlaufen soll, also der Weg von den Ursachen ("Explanans") zu den Wirkungen ("Explanandum"). Zwar gibt es in der Realität häufig Rückkopplungsschleifen, das heißt Elemente, bei denen die Wirkungen (oder die Wirkungen von Wirkungen) auf die Ursachen zurückwirken; trotzdem ist es für die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des rasch komplexer werdenden "Gesamtkunstwerks" ein großer Vorteil, wenn klar ist, in welche Richtung der Hauptstrom von den Ursachen zu den Wirkungen verläuft. In der Praxis bewähren sich vor allem zwei Darstellungen: von unten nach oben (das heißt die Ursachen unten und die Wirkungen oben) oder von rechts nach links (letzteres ist praktisch bei sehr tief gestaffelten Ursachen, weil man dann eine zweite Pinnwand "anbauen" kann).

  • Richtung des "Kausalitäts-
    stroms"
  • Praktisch heißt das: Sie beginnen mit einem oder mehreren Kärtchen gleicher Farbe, auf denen der zu erklärende Sachverhalt steht – entweder als Feststellung oder in Frageform, wie zum Beispiel: "Was veranlasst unsere Führungskräfte eigentlich dazu ...", gefolgt von den zu erklärenden und verändernden Aspekten der Unternehmenskultur, wie etwa: "... bei Entscheidungen schier endlose Abstimmorgien zu fahren?", "... uns meist nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen?", "... meist nur Entscheidungen zu treffen, die niemandem wirklich weh tun?"

  • Was genau soll erklärt werden?
  • Die Arbeitshypothese ist dabei die gleiche wie bei jeder Kulturanalyse: Dass die allermeisten Mitarbeiter und Führungskräfte nämlich weder dumm sind noch faul noch bösartig – aber auch nicht altruistisch genug, um ernsthafte persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen, für das hehre Ziel, dem Unternehmen und/oder ihren Kollegen Gutes zu tun. Vielmehr verhalten sich die meisten Mitarbeiter und Führungskräfte einfach so, wie es aus ihrer subjektiven Sicht vernünftig ist: Sie wollen einen guten Job machen, bei Kollegen und Vorgesetzten gut angesehen sein, keinen Ärger bekommen, eine vernünftige Balance zwischen Arbeitseinsatz und "Gegenleistungen" halten etc.

    Wenn daher eine große Zahl von Menschen Dinge tut, die für das Unternehmen insgesamt nachteilig sind, dann muss es dafür Gründe geben, die dieses für das Unternehmen unvernünftige Handeln subjektiv vernünftig machen. Diese Gründe und deren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gilt es zu verstehen, denn solange sich an diesen Gründen nichts ändert, wird sich auch an dem unerwünschten Verhalten nichts Dauerhaftes ändern.

  • Rationale Erklärungen gesucht
  • Unzusammenhängende Zusammenhänge zusammenhängen

     

    Die Gründe, weshalb das zu erklärende Verhalten subjektiv vernünftig ist oder sein könnte, werden auf Kärtchen geschrieben und unter das zu erklärende Verhalten geheftet. Wichtig ist dabei, auf drei Dinge zu achten. Erstens: Folgt das zu erklärende Verhalten direkt und unmittelbar aus der Erklärung? Falls nein, fehlen vermutlich noch Zwischenschritte, die noch eingefügt werden sollten, um die Kette logisch schlüssig zu machen. Zweitens: Ist die Erklärung möglichst neutral und frei von moralischer Be- und Verurteilung? Falls nein, sollte sie in neutrale Sprache umformuliert werden, denn Wertungen sind an dieser Stelle eher ein Hindernis: Sie "ver-moralisieren" das Problem und verstellen so den nüchternen Blick auf die Realität.

  • Die Gründe, die das Handeln logisch machen
  • Ein guter Test ist, ob Sie beim Blick auf den skizzierten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang sagen würden: "Wenn ich in der Situation dieser Mitarbeiter bzw. Führungskräfte wäre, würde ich mich vermutlich genauso verhalten." Drittens: Liefern die aufgeführten Gründe schon eine abschließende und ausreichende Erklärung für das fragliche Verhalten oder haben sie ihrerseits tiefere Ursachen? Das mehrfache Warum-Fragen ist notwendig, um nicht bei oberflächlichen Scheinerklärungen oder Ausreden ("keine Zeit / nicht genügend Ressourcen") stehen zu bleiben.

  • Erste Tests der gefundenen Erklärungen
  • Die Arbeit an solchen Ursache-Wirkungsdiagrammen erinnert mich immer an eine Formulierung des Kabarettisten Hanns-Dieter Hüsch (1925 – 2005), es gehe darum, "unzusammenhängende Zusammenhänge zusammenzuhängen". Tatsächlich entdeckt man bei einer sorgfältigen Analyse, wie in Peter Scholtes' Beispiel mit der Öllache, immer wieder Verbindungen zwischen Dingen, die auf den ersten Blick nichts oder nur wenig miteinander zu tun zu haben schienen: Da gibt es tatsächlich "unzusammenhängende Zusammenhänge", die erst einmal zusammengehängt werden müssen, wie zum Beispiel den Zusammenhang zwischen dem Ölfleck auf dem Boden und dem Anreizsystem für den Einkauf. Zu den unzusammenhängenden Zusammenhängen zählen häufig auch positive und negative Rückkopplungsschleifen, die zeigen, wie die "Folgen" auf die "Ursachen" zurückwirken.

  • Verbindungen erkennen
  • Ratsam ist, diese Ursache-Wirkungs-Ketten nicht im Alleingang zu rekonstruieren, sondern in einem Team. Das hat zum einen den Vorteil, dass so verschiedene Perspektiven einfließen, sodass insgesamt eine breitere und weniger subjektive Wahrnehmung der Realität entsteht. Zum anderen führt es zu zahlreichen kontroversen, aber gerade deshalb äußerst nützlichen Diskussionen darüber, wie die Zusammenhänge und Kausalketten tatsächlich aussehen. Am Ende entstehen dabei normalerweise keine gegensätzlichen Modelle, sondern eine gemeinsame erweiterte Sicht – was den großen Vorteil hat, dass sich "nebenbei" auch das Realitätsbild des Teams sowohl erweitert als auch vereinheitlicht. Dies erleichtert die spätere Lösungsfindung, denn häufig fällt es deshalb so schwer, eine gemeinsame Lösung zu finden, weil die Beteiligten stillschweigend von unterschiedlichen Annahmen über die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ausgehen.

  • Teamarbeit empfehlenswert
  • Vermittlung an das Top-Management

     

    Bei der Arbeit an dem Ursache-Wirkungs-Modell bilden sich im Team nach einer Weile zuweilen zwei Lager heraus: Die "Freaks", würden sich, wenn man sie ließe, noch tagelang mit dem Modell beschäftigen, um es immer noch weiter zu präzisieren und zu differenzieren. Die anderen, die "Macher", verliert nach einer Weile die Geduld und wollen weitergehen zur Erarbeitung von Maßnahmen und Lösungen.

    Ein Kompromiss kann hier sein, die "Freaks" zu bitten, das Modell später weiter auszufeilen, zunächst aber dem Gesamtteam bei der Suche nach Lösungsansätzen zu helfen. Meist reicht eine kurze, aber intensive Beschäftigung mit dem Aufbau eines solchen Modells, um auch die "Praktiker" und "Macher" davon zu überzeugen, dass es notwendig ist, mit den Maßnahmen an den tieferen Ursachen anzusetzen, statt nur nach Lösungen zu suchen, die direkt auf die festgestellten Symptome (wie die Öllache oder die undichte Maschine) zielen. Den Freaks hingegen muss man klarmachen, dass das Ziel nicht in einer perfekten Systemsimulation besteht, sondern in einem optimalen Kompromiss zwischen Genauigkeit und Handhabbarkeit – und dass das präziseste Modell nichts nützt, wenn es dem Auftraggeber bzw. dem Top-Management nicht mehr zu vermitteln ist.

  • Die "Freaks" und die "Macher"
  • Es ist schwierig, ja beinahe aussichtslos, solch ein Ursache-Wirkungs-Modell in Lenkungsausschüssen oder Vorstandspräsentationen in Form einer klassischen Präsentation zu vermitteln: Die Komplexität des entstandenen Bildes macht jeden Erklärungsversuch zum hoffnungslosen Unterfangen. Andererseits ist ein Verständnis der Systemdynamik auch und gerade für das Top-Management enorm wichtig, weil es ja die Grundlage für die Entscheidung über Maßnahmen ist. Wenn das Projektteam also möchte, dass das Management seine Lösungsvorschläge nicht nur durchwinkt, sondern sie entschlossen und dauerhaft unterstützt, muss es einen Weg finden, ihm deren tiefere Logik zu vermitteln. Solange die Mitglieder des Top-Managements unausgesprochen von anderen Erklärungsmodellen ausgehen als das Projektteam (und möglicherweise auch noch untereinander unterschiedliche Sichtweisen haben), ist es unrealistisch zu hoffen, dass sie die Lösung voll mittragen und konsistente Signale an die Belegschaft senden werden.

  • Präsentation zwecklos
  • Deshalb ist die Ideallösung, solch ein Ursache-Wirkungs-Modell nicht in Form einer Präsentation zu vermitteln, sondern es gemeinsam mit dem Top-Management erneut aufzubauen. Das ist natürlich mit einigem Zeitaufwand verbunden, der nicht immer leicht zu "verkaufen" ist. Doch der Zeiteinsatz ist mehr als gerechtfertigt, weil das Entwickeln einer gemeinsamen Sicht, wie das eigene Unternehmen eigentlich funktioniert, nicht nur für "Kulturprojekte" wichtig ist, sondern für ein zielgerichtetes und stimmiges Führungshandeln insgesamt. Oft ist es eine gute Taktik, sich erst einmal einen Fürsprecher im Vorstand oder der Geschäftsführung zu suchen, der dann seine Kollegen überzeugt.

    Wenn das nicht gelingt, ist die Alternative, in der Präsentation selbst schnittweise mit dem Aufbau des Modells zu beginnen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit entwickelt sich alsbald eine lebhafte Diskussion darüber, wie die Ursache-Wirkungs-Beziehungen wirklich sind – allerdings mit der ziemlich sicheren Nebenwirkung, dass der Zeitrahmen gesprengt wird und ein Zusatztermin erforderlich wird.

  • Mögliche Taktiken
  • Auch im Management finden dann teilweise recht kontroverse, aber gerade deshalb wertvolle Diskussionen darüber statt, wie das zu verändernde System eigentlich "tickt" und was die innere Logik hinter unerwünschten Verhaltensmustern ist. Und auch hier kommt es nicht darauf an, das Ursachen-Wirkungs-Modell bis ins letzte Detail auszuarbeiten, sondern ein gemeinsames Grundverständnis zu entwickeln, auf das man zu gegebener Zeit zurückgreifen kann. Wenn das Management erst einmal begonnen hat, den "Schaltplan" des eigenen Systems zu durchdenken, ist es in aller Regel gefeit vor oberflächlichen Lösungen. Und es kann gegebenenfalls auf das Modell zurückkommen, um einen "Ursache-Wirkungs-Strang" noch genauer zu analysieren, wenn es nach einiger Diskussion feststellen muss, dass es noch kein gemeinsames Verständnis davon hat, wie wichtig welche Einflussfaktoren sind, wo der Hebel demzufolge anzusetzen ist und/oder wie wirksam welche Maßnahmen sein werden.

  • Gemeinsame Sicht der Systemdynamik wichtig

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  • An die tieferen Ursachen herankommen

     

    Aber wie kommt man an die Informationen heran, aus denen sich das Ursachen-Wirkungs-Diagramm zusammensetzt? Woher findet man heraus, was die wirklichen Auslöser und tieferen Ursachen des zu erklärenden Verhaltens sind? Falls das Projektteam nicht aus eigener Erfahrung tief mit den Sitten und Gebräuchen im Unternehmen vertraut ist, gibt es nur einen Weg, das erforderliche Verständnis aufzubauen: Mit den Leuten reden. Wie in der Methodik der Kulturanalyse beschrieben, kann dies sowohl über Einzelinterviews als auch über Workshops geschehen.

  • Mit den Leuten reden
  • Der entscheidende Trick dabei ist eigentlich gar keiner: Im Grunde geht es nur darum, sich in einer freundlichen, entspannten Atmosphäre von den betreffenden Mitarbeitern erklären zu lassen, aus welchen Gründen sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten. Die Arbeitshypothese dabei ist, wie oben beschrieben, dass sie aus ihrer subjektiven Sicht vernünftig handeln  – ausgerichtet an ihren persönlichen Zielen, Aufgaben und Handlungsalternativen. Die Leitfrage der Ursachen-Wirkungs-Analyse lässt sich daher umformulieren: Was sind die Gründe dafür, dass genau das Verhalten, das dem Unternehmen Probleme macht, aus Sicht der betreffenden Mitarbeiter subjektiv vernünftig ist? Welche tieferen Ursachen stecken dahinter und wie wirken sie zusammen?

  • Erklärungen einholen
  • Wichtig bei diesen Interviews und Workshops ist, sich nicht mit oberflächlichen Erklärungen zufrieden zu geben. Oft lautet zum Beispiel die erste spontane Antwort auf die Frage, weshalb etwas nicht gemacht wird: "Keine Zeit!" Aber das hat keinerlei Erklärungswert; schließlich haben alle Menschen auf der Welt gleich viel Zeit – wenigstens pro Jahr. "Keine Zeit" heißt im Klartext: andere Prioritäten. Die Zeit ist natürlich da, aber sie wird – aus guten oder schlechten Gründen – für andere Dinge verwendet, die aus subjektiver Sicht der Akteure wichtiger sind. Wichtig ist also zu verstehen, weshalb die fragliche Aufgabe so relativ unwichtig ist, dass sie in der Praxis meistens hinten herunterfällt. Eine gute Frage, um dies herauszufinden, lautet: "Einmal angenommen, Sie würden diese Aufgabe ausführen und dafür andere Dinge liegen lassen, was würde dann passieren?" Die "Gegenprobe" liefert die Frage: "Und wenn Sie unsere Aufgabe liegen lassen, was passiert dann?"

  • Nicht mit oberflächlichen Erklärungen zufriedengeben
  • Manchmal ist "keine Zeit" auch eine Ausrede dafür, dass jemand eine Aufgabe nicht ausführen will, sich dazu aber nicht bekennen möchte – dann sind wir unter Umständen im Bereich des verdeckten Widerstands. Dann gilt es herauszufinden, was die tieferen Ursachen dieses Widerstands sind. Es hat keinen Sinn, auf "faule Ausreden" mit Ärger und Empörung zu reagieren – schon gar nicht, wenn sich zahlreiche Mitarbeiter in ähnlicher Weise verhalten. Moralische Entrüstung ist im Change Management nie eine Lösung: Sie beantwortet allenfalls die Schuldfrage, löst aber nicht das Problem. Letztlich schiebt sie nur die Verantwortung für das Problem den "Schuldigen" zu – die sie dort, wie schon bisher, ungerührt liegen lassen. Daher ist in solchen Fällen besonders wichtig, herauszufinden, weshalb die Mitarbeiter um die betreffende Aufgabe einen Bogen machen. Denn nur wenn man diese Gründe verstanden hat, kann man geordnet darüber nachdenken, wie sie sich beseitigen lassen.

  • Tiefere Gründe hinter Ausreden
  • Eine Schwierigkeit ist, dass hier zuweilen Motive im Spiel sind, über die "man nicht spricht". Das können Ängste und/oder Abwehr sein, aber auch gegenläufige Eigeninteressen. Solche Dinge sprechen die Betroffenen in aller Regel nicht von sich aus an, nach unserer Erfahrung sind sie aber häufig bereit, ihre Beweggründe zu erläutern, wenn sie in einer entspannten, freundlichen Gesprächsatmosphäre darauf angesprochen werden. Manchmal können Interviewer ihnen auch kleine Hilfestellungen geben: Oft ist es ja so, dass man durchaus erahnen kann, wo die Hindernisse liegen, wenn man sich mit ein bisschen Empathie in die Betreffenden hineinversetzt. Dann kann man behutsam eine mögliche Erklärung anbieten: "Könnte es sein, dass dabei auch eine Rolle spielt ..." Die meisten Menschen äußern sich recht offen, wenn sie erst einmal das Gefühl haben, dass ihr Gesprächspartner sie verstehen und nicht verurteilen will. Oft genügt dann eine geschickte Frage, um "außerhalb des Protokolls" weitgehend ehrliche und "ungeschützte" Erklärungen dafür zu bekommen, weshalb sie tun, was sie tun.

  • Ängste und Widerstände
  • Fragen statt spekulieren

     

    Wer aus eigener Erfahrung mit einer Situation vertraut ist und/oder im Vorfeld Gespräche mit Mitarbeitern und Führungskräften geführt hat, weiß schon viele Dinge, die als Bausteine für das Ursache-Wirkungs-Diagramm nützlich sind. Trotzdem kommt man bei der Analyse möglicherweise an Punkte, an denen man sich nicht sicher ist, sondern beginnt, sich spekulativ und auf dünnes Eis zu bewegen. In diesen Fällen gilt die Regel: "Fragen statt Raten!" Das muss kein großer Aufwand sein, denn um die Zusammenhänge zu verstehen oder die eigenen Hypothesen zu überprüfen, muss man nicht Hunderte von Menschen befragen, meist genügt eine kleine Stichprobe. Wichtiger ist, wie man sie befragt: Dass man ihnen keine Aussagen in den Mund legt, sondern ganz neutral und ergebnisoffen fragt.

  • Fragen statt raten
  • Dabei darf man den Gesprächspartnern sehr wohl die eigenen Hypothesen vorstellen und sie mit ihnen diskutieren – sofern dies in einer Form geschieht, die es auch "höflichen" Gesprächspartnern leicht macht, zu widersprechen. Das mag selbstverständlich klingen, doch wenn man eine Hypothese im Kopf hat, von der man selbst überzeugt ist, sucht man oftmals mehr nach Bestätigung als nach der Wahrheit. Und nicht alle, aber etliche Gesprächspartner tun uns den Gefallen und liefern die erwünschte Aussage – so nach dem Motto: "Wenn er das unbedingt hören will, dann mache ich ihm halt die Freude, auch wenn mich seine Erklärung nicht recht überzeugt."

  • Hypothesen
    zur Diskussion stellen
  • Verstöße gegen die Regel "Fragen statt Raten" sind eine der wichtigsten Fehlerquelle in Ursache-Wirkungs-Analysen. Wir werden dabei zum Opfer eines psychologischen Mechanismus', den die renommierten israelischen Psychologen und Mathematiker Daniel Kahneman und Amos Tversky als "Overconfidence Effect" bezeichnet haben: "Wir glauben nicht bloß, mehr über unsere Politik, unsere Firma und unsere Ehepartner zu wissen als wir wirklich wissen; wir glauben auch, dass das, was wir nicht wissen, nicht so wichtig sein kann."

    Diese Form der Selbstüberschätzung trifft vor allem Interne, die das Unternehmen aus langjähriger Erfahrung kennen; gefährdet sind aber auch Externe, die schon sehr gut mit seiner Kultur vertraut sind. Sie sind oft der Meinung, dass ausführliche Interviews oder Workshops eigentlich überflüssig sind, weil sie ohnehin wüssten, was dabei herauskommt – und sind hinterher, wenn sie doch durchgeführt werden, zuweilen verblüfft über die Resultate. Ein hochrangiger Vertriebsmanager meinte am Ende einer Workshopreihe mit Mitarbeitern, an denen er persönlich teilgenommen hatte: "Natürlich kannte ich die meisten Punkte schon vorher, die da in den Diskussionen hochkamen. Aber ich hätte nie gedacht, welche Brisanz in einigen Themen steckt."

  • Überschätzung des eigenen Wissens
  • Gerade für Insider besteht die entscheidende Herausforderung darin, auch die Hinweise zu hören, die nicht ins eigene Bild passen – und ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das klingt simpel, doch meistens tun wir das genaue Gegenteil: Wir freuen uns über jede Bestätigung unserer Sichtweise, "überhören" aber viele Signale, die nicht ins Bild passen, und vergessen sie in aller Regel auch ziemlich schnell wieder. Um gute Interviews zu machen und wirklich an die tieferen Ursachen der festgestellten Symptome heranzukommen, kommt es darauf an, der Realität eine faire Chance gegen die eigenen Überzeugungen zu geben. Dafür ist es vor allem wichtig, die Verunsicherung auszuhalten, die sich fast unweigerlich einstellt, wenn sich die Hinweise darauf mehren, dass die Dinge möglicherweise ganz anders liegen als wir geglaubt und immer behauptet haben.

  • Am Wertvollsten ist, was nicht ins Bild passt
  • Der Schlüssel zur Kulturveränderung

     

    Bei solchen Interviews oder Workshops gibt es fast immer eine Phase, in der auch in erfahrenen Interviewern die Sorge aufsteigt, dass aus diesen ungeordneten Bruchstücken niemals ein schlüssiges Gesamtbild entstehen wird. In dieser Phase ist das wichtig, was die Psychologen mit dem sperrigen Wort "Ambiguitätstoleranz" bezeichnen: Der Mut und die Fähigkeit, eine unklare, diffuse Situation zu ertragen, ohne sofort panisch nach einer einfach, klaren Antwort suchen zu müssen. Die Erfahrung zeigt: Nach einer Weile lichtet sich der Nebel, und es entsteht ein neues Bild – meist übrigens sogar, ohne dass man große aktive Denkanstrengungen unternimmt.

  • Irritationen bewusst zulassen
  • Der Lohn der Mühe ist ein weitaus besseres Verständnis des heutigen Verhaltens und seiner tieferen Ursachen. Ein guter Test, ob man die Ist-Situation wirklich verstanden hat, ist, ob man mit Überzeugung sagen kann: "Eigentlich logisch – unter diesen Umständen ist es absolut schlüssig, dass sich die Leute so verhalten, wie sie sich verhalten; in diesem Fall kann es eigentlich gar nicht anders sein." Dieses Verständnis birgt auch den Schlüssel zu einer Kulturveränderung. Allerdings führt dieses Verständnis alleine nicht dazu, dass man weiß, wo man den Hebel für eine Kulturveränderung ansetzen muss – im Gegenteil: Manchmal hat es geradezu etwas Erdrückendes. Denn wenn man erst einmal begriffen hat, wie "erschreckend logisch" das heutige Verhalten der Mitarbeiter ist, stellt sich ja zwangsläufig die Frage, warum sich daran jemals etwas ändern sollte.

  • Überwältigt von der inneren Logik
  • Genau hier hat die Ursachen-Wirkungs-Analyse eine Schlüsselrolle: Sie hilft, die Zusammenhänge und Kausalketten zwischen den tiefer liegenden Ursachen des heutigen Verhaltens zu verstehen – und damit auch die zentralen Stellgrößen für eine Verhaltensveränderung. Auf dieser Basis kann man sinnvoll über die alles entscheidende Frage nachdenken: Was müsste sich ändern, damit sich etwas ändert? Wie müssten sich zum Beispiel die Führungskultur, das Controlling und die Rahmenbedingungen verändern, damit es für die Mitarbeiter aus ihrer subjektiven Sicht sinnvoll wird, sich anders zu verhalten?

  • Was müsste sich ändern ...
  • Nach unserer Erfahrung ist die Zeit für eine solche Analyse gut eingesetzt, denn sie führt selbst für Insider und erfahrene Change-Experten so gut wie immer zu neuen Erkenntnissen, eben weil auf diese Weise "unzusammenhängende Zusammenhänge" zusammengehängt werden. Das ist für die Erarbeitung von Maßnahmen und Lösungsansätzen deshalb sehr wichtig, weil es die Chancen verbessert, mit dem Veränderungsprogramm an den richtigen Stellen anzusetzen, statt an Symptomen herumzudoktern, an denen sich keine dauerhaften Verbesserungen erzielen lassen, weil sie ihrerseits von tiefer liegenden Einflussfaktoren bestimmt werden. Die Ursache-Wirkungs-Analyse ist damit das Fundament der Kulturveränderung.

  • ... damit sich etwas ändert?
  • Literatur:
    Dörner, Dietrich (2003): Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen

    Meadows, Donella (2008): Thinking in Systems – A Primer

    Reither, Franz (1997): Komplexitätsmanagement – Denken und Handeln in komplexen Situationen

     


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