Die Umsetzungsberatung

Projektmanagement der Veränderung






Winfried Berner:
"CHANGE!" (Erweit. Neuauflage)

20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

Change! - 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

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Winfried Berner:
Culture Change

Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

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Winfried Berner, Regula Hagenhoff, Th. Vetter, M. Führing
"Ermutigende Führung"

Für eine Kultur des Wachstums

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"Bleiben oder Gehen"

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Management des Auftraggebers: Aktives Handeln statt Hoffen auf Rückendeckung

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Gleich of es intern durchgeführt wird oder mit externen Beratern, jedes Projekt braucht einen Auftraggeber, an den es berichtet. Sonst hängt es buchstäblich in der Luft: Hat weder einen Ansprechpartner, an den es sich für die Auftragsklärung halten und mit dem es kritische Fragen besprechen kann, noch eine Berichtsinstanz, die seine Arbeitsfortschritte entgegennimmt und am Ende entscheidet, ob und in welcher Weise die Projektergebnisse umgesetzt werden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor gerade für Change-Projekte ist, die Beziehung zu diesem Auftraggeber nicht zu passiv und abwartend zu gestalten, sondern einen lebendigen Dialog anzustreben. Dazu gehört, nicht nur Führung von dem Auftraggeber zu erwarten, sondern ihn auch aktiv zu "managen". Ein aktives Management des Auftraggebers ist weder Anmaßung noch Größenwahn, es ist ein oft unterschätzter Erfolgsfaktor für den Projekterfolg, besonders dort, wo Konflikte drohen oder der Auftraggeber selbst mit Emotionen reagieren könnte.

  • Schlüsselrolle des Auftraggebers
  • Erfolgreiche Projektarbeit beginnt mit der Auftragsklärung, und die wiederum beginnt mit der Klarheit, wer eigentlich der Auftraggeber ist. In manchen Fällen ist das offensichtlich und bedarf keiner weiteren Betrachtung. Weniger klar ist es dort, wo ein Gremium der Auftraggeber ist, gleich ob es "der Vorstand" selbst ist oder irgendeine andere Instanz im Top-Management. Besonders heikel sind Konstellationen, wo der Auftraggeber kaum zu identifizieren ist. Denn dann gibt es oft viele Köche, die ihre Vorlieben und Gewürze in den Brei einbringen, aber niemanden, der sich wirklich verantwortlich fühlt und nötigenfalls das letzte Wort hat.

  • Unklarheit bringt Probleme
  • Kein "unbekanntes Wesen" akzeptieren

     

    Solch diffuse Situationen können entstehen, wenn ein Projekt aus einem längeren Diskussionsprozess über mehrere Instanzen hervorgegangen ist. Beispielsweise kam die Idee zu dem Projekt von einem Unternehmensbereich; die Geschäftsleitung hat ihm mit einigen Änderungen zugestimmt; schließlich wurden bei der Vorstellung im erweiterten Führungskreis noch weitere Vorschläge, Forderungen und Änderungswünsche "draufgesattelt". Das kann zur Folge haben, dass der ursprüngliche Initiator sich nicht mehr mit dem Projekt identifiziert ("… hat nicht mehr viel mit unserem Anliegen zu tun"), die Geschäftsleitung sich ebenfalls nicht zuständig fühlt ("Dar war doch Ihr Wunsch!"), während sich die übrigen Abteilungen darüber einig sind, dass es nicht ihr Projekt ist ("Haben ja nur ein paar Anregungen gegeben!").

  • Halbherzige "Sammelaufträge"
  • Am Schluss weiß dann keiner mehr, wie eigentlich der Projektauftrag lautet und wer der Auftraggeber ist. Stattdessen heißt es jovial: "Na, dann legen Sie mal los!" Wer sich darauf einlässt, hat schon ein Problem, bevor er richtig begonnen hat. Denn was auch immer er tut, er wird damit weder allen (oft noch widersprüchlichen) Erwartungen gerecht werden noch im Konfliktfall die nötige Rückendeckung haben.

  • Unklare Erwartungen
  • Falls daher aus den Umständen nicht eindeutig hervorgeht, wer genau der Auftraggeber ist, dann ist dies die allererste Frage, die geklärt werden muss. Falls ein Gremium – wie zum Beispiel der Vorstand oder das Vertriebsmanagement – das Projekt eingerichtet hat, sollte der Projektleiter darauf bestehen, einen konkreten Ansprechpartner benannt zu bekommen. Denn es klingt zwar eindrucksvoll und mag auch manche Türen öffnen, wenn "der Vorstand" oder "die Geschäftsführung" der Auftraggeber ist; für die praktische Projektarbeit ist es dennoch eher ein Handicap als ein Vorteil. Denn je hochrangiger ein Gremium ist, desto schwieriger wird es, dort kurzfristig Termine und Entscheidungen zu bekommen, insbesondere, wenn niemand "offiziell den Hut auf hat".

  • Ein klarer Ansprechpartner
  • Für Change-Projekte ist es sehr wertvoll, einen "Mentor", "Paten" oder "Schirmherrn" auf höchster Ebene zu haben, der ihm für Fragen unterhalb des Lenkungsausschusses zu Verfügung steht. Er sollte gut vernetzt sein, Einfluss besitzen und bei Bedarf kurzfristig verfügbar sein – natürlich nicht unbegrenzt, aber lang genug, damit akut anstehende Fragen geklärt werden können und das Projekt weiter arbeiten kann. Er muss Autorität in dem auftraggebenden Gremiums haben und dessen Vertrauen besitzen, denn wenn viele seiner Entscheidungen vom Vorstand oder Lenkungsausschuss gekippt bzw. korrigiert werden, bringt er dem Projekt keinen Nutzen.

  • … für alle anfallenden Fragen
  • Die Wahl des "richtigen" Auftraggebers

     

    Die Frage, wer eigentlich der "richtige" Auftraggeber für ein Projekt ist, ist keineswegs beliebig. Das beginnt damit, dass er der richtigen Hierarchieebene angehören muss: Wenn er zu weit unten angesiedelt ist, hat er nicht die Macht, Entscheidungen zu treffen, die für den gesamten Zuständigkeitsbereich des Projektes verbindlich sind, und kann auch nur in begrenztem Umfang informellen Einfluss auf die Verantwortlichen der betreffenden Bereiche ausüben, um das Projekt zu unterstützen und eventuelle Konflikte zu entschärfen. Ist er zu hoch in der Hierarchie angesiedelt, hätte er zwar die notwendige Autorität, aber es wird unter Umständen schwierig, wegen solcher – aus seiner Perspektive – operativer Details einen Termin bei ihm zu bekommen oder ihn gar zu einer Intervention zu veranlassen.

  • Richtige Hierarchieebene
  • Die Faustregel lautet daher: Auftraggeber sollte derjenige sein, der für den Bereich, auf den sich das Projekt (im Wesentlichen) bezieht, führungsmäßig verantwortlich ist und ein echtes Interesse an der Realisierung der Projektziele hat. Man sollte annehmen, dass das automatisch zusammenfällt, und würde es sogar befremdlich finden, wenn Projekte initiiert werden, an denen der Bereichsverantwortliche kein großes Interesse hat. Aber das ist im wirklichen Leben gar nicht so selten, denn nicht selten werden Projekte von Querschnittsfunktionen – Personal, Qualitätsmanagement, Datenschutz, Controlling etc. – initiiert. Und da der Verantwortliche sein Herzblut nicht überall haben kann, gibt es fast zwangsläufig auch Projekte, die für ihn mehr Pflichtübung sind als Herzensangelegenheit.

  • Der hierarchisch Verantwortliche
  • Die Frage ist natürlich, was das für die betreffenden Projekte bedeutet. Und die Antwort liegt auf der Hand: Leider nichts Gutes. Denn solchen Projekten wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit an Rückendeckung fehlen, wenn es darum geht, Veränderungen gegenüber der Linie durchzusetzen. Auf diese Weise entstehen QM-Systeme, Sicherheitsvorschriften, Datenschutzrichtlinien und Kompetenzmodelle, die niemand so richtig ernst nimmt, und schon gar nicht diejenigen, die relativ weit oben in der (formellen oder informellen) Hierarchie stehen. Was halbherzig beginnt, geht in aller Regel auch halbherzig weiter. So entstehen dann Regelungen, die nicht leben und nicht sterben können, die weder wirklich gelebt noch offiziell für ungültig erklärt werden – und die auf diese Weise ein irritierendes Signal widersprüchlicher Führung weit über ihren eigentlichen Gegenstandsbereich hinaus setzen.

  • Ungeliebte Pflichtübungen
  • Hier wäre mehr Klarheit im Vorfeld, also bei der Auftragsklärung, erforderlich. Und zwar beginnend mit der Frage: Sollen wir das Projekt unter diesen Umständen überhaupt starten? Oder ersparen wir uns lieber die wechselseitige Frustration mit der Einführung einer Regelung, die im Grunde niemanden so richtig interessiert außer vielleicht der Abteilung, die sie initiiert hat? Die Erfahrung ist da ziemlich eindeutig: Ein engagierter Qualitätsmanager, Sicherheitsbeauftragter oder Personalentwickler reicht nicht, um solche Projekte zum Fliegen zu bringen – eher reichen ein paar solcher Projekte aus, um engagierten Nachwuchsleuten jedes "übertriebene" Engagement auszutreiben. Da es aber kaum im Sinne des Unternehmens sein kann, engagierte Mitarbeiter sauerzufahren, wäre der Mut, manche ungeliebten Projekte gar nicht erst zu starten, im langfristigen Interesse aller Beteiligten.

  • Mehr Klarheit von Beginn an
  • Ungeliebte und dennoch notwendige Projekte

     

    Auf der anderen Seite kann man nicht jedes Projekt fallenlassen, das dem Top-Management keine Herzensangelegenheit ist. Manche Dinge müssen einfach gemacht werden, sei es, weil sie fachlich geboten sind, sei es, weil sie vom "Markt" oder von Aufsichtsbehörden erwartet werden, wie etwa ein ausreichendes Qualitätsmanagement oder die Festlegung und Durchsetzung von Regeln zum Thema Corporate Governance. In solchen Fällen ist es durchaus legitim und letztlich auch notwendig, dass die intern dafür zuständigen Stellen das Top-Management in die Pflicht nehmen. Denn es kann (oder sollte) ja nicht bloß eine Frage ihrer persönlichen Präferenzen sein, welche Themen sie mit dem erforderlichen Nachdruck unterstützen.

  • Keine Herzens-
    angelegenheit
  • Dennoch müssen solche Projekte diese erschwerte Ausgangslage in ihrem Vorgehen berücksichtigen, statt wider besseres Wissen darauf zu hoffen, dass das Top-Management sie im Ernstfall schon unterstützen werde. Wenn man weder die Macht besitzt, Veränderungen notfalls auch gegen Widerstände durchzusetzen, noch sie realistischerweise mobilisieren kann, dann ergibt es einfach keinen Sinn, einseitig verbindliche Vorgaben für andere Abteilungen und Personen festlegen zu wollen – dann ist das einzig aussichtsreiche Konzept, das Vorgehen auf eine möglichst breite Konsensbildung anzulegen. Das ist natürlich ein Zeichen von Schwäche, vor allem aber ist es ein Zeichen von Realismus, das die Umgebung in aller Regel akzeptieren wird. Und damit fährt man allemal besser, als mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, stattdessen aber in der Mauer steckenzubleiben.

  • Das Vorgehen anpassen
  • Im Idealfall übernimmt in solchen Fällen der verantwortlichen Manager, wenn schon nicht aus Begeisterung, so doch aus Einsicht in die Notwendigkeit nicht nur die formale Verantwortung für das Projekt, sondern auch ihre notwendige Mentorenrolle, und steht dem Projekt bzw. dessen Leiter auch tatsächlich als Sparringpartner für wichtige Fragen aus der laufenden Projektarbeit zu Verfügung. Falls davon aber, aus welchen Gründen auch immer, realistischerweise nicht ausgegangen werden kann, ist es unter Umständen klüger, die Rolle des Auftraggebers und Projektsponsors an einen gestandenen Manager der Ebene darunter zu übergeben, der ein Interesse am Erreichen der Projektziele hat. Besonders gute Erfolgschancen hat dieses Modell, wenn der Betreffende das Ansehen und die Fähigkeit hat, seine Kollegen auf der gleichen Hierarchieebene für einen breiten Konsens zu gewinnen.

  • Geeigneten Mentor / Projektsponsor wählen
  • Eine solche Konstruktion ist zwar formal nicht ganz sauber; trotzdem funktioniert sie in der Regel, denn sie übergeht den Chef des Bereiches nicht bzw. nur mit dessen Einverständnis. Gefährdet wäre ein solches Modell nur dann, wenn der Chef das Projekt ablehnte und dessen Umsetzung nicht wollte. Das ist aber in der Regel gar nicht der Fall: Er hat zwar kein besonderes Interesse an dem Projekt, aber in aller Regel auch nichts dagegen. Deshalb wird er ihm auch keine Knüppel zwischen die Beine werfen – er ist im Gegenteil froh, wenn sich jemand anders dieses ungeliebten Themas annimmt und er sich nicht darum kümmern muss.

  • Einverständnis des obersten Chefs
  • Bereichsübergreifende Projekte

     

    Wenn derjenige Manager die Rolle des Auftraggebers übernimmt, der für den Zuständigkeitsbereich des Projekts verantwortlich ist, bedeutet das auch, dass ein Projekt unter Umständen zwei oder noch mehr Auftraggeber haben kann – nämlich dann, wenn es zwei oder mehr Bereiche überspannt. Das ist allerdings keine ganz unproblematische Konstruktion: Sie kann sowohl dazu führen, dass sich keiner der Auftraggeber so richtig für das Projekt verantwortlich fühlt, als auch dazu, dass eine offene oder verdeckte Rivalität zwischen den Auftraggebern entsteht, die sich unter Umständen darin niederschlägt, dass beide dem Projekt ihren Stempel aufzudrücken versuchen. Für den Projektleiter ist das spätestens dann nicht mehr lustig, wenn er sich mit widersprüchlichen Erwartungen oder gar Vorgaben konfrontiert sieht.

  • Mehrere Auftraggeber
  • Dreiecksbeziehungen sind anstrengend – auch im Geschäftsleben. In diesem Fall besonders für den Projektleiter, weil er in der Hierarchie unter den beiden Auftraggebern steht. Der Versuch, widersprüchliche Erwartungen unter einen Hut zu bringen, in dem man die Rolle des Vermittlers übernimmt, endet allzu schnell in der undankbaren Position des "weiterleitenden Angestellten": "Sagen Sie Herrn XY doch mal, dass …" Da der Platz zwischen den Mühlsteinen auf die Dauer kein gemütlicher Aufenthaltsort ist, ist der einzige Ausweg aus dem Dilemma, beide (bzw. alle) Auftraggeber an einen Tisch zu bringen und generell darauf zu bestehen, dass unterschiedliche Auffassungen grundsätzlich im direkten Gespräch geklärt werden.

  • Nicht zwischen die Mühlsteine geraten
  • Eine wichtige Rolle spielt dabei, welches Klima im Management und speziell zwischen den Hauptakteuren herrscht. Wenn sich die Auftraggeber vertrauen, können sie einen aus ihrer Mitte zum Hauptansprechpartner des Projekts machen, der treuhänderisch auch für den oder die anderen agiert und bei schwierigen Themen entweder direkt mit seinem oder seinen Kollegen spricht oder einen Lenkungsausschuss einberuft. Wenn das Klima eher politisch oder das Thema mit starken Interessenkonflikten befrachtet ist, muss man wohl den komplizierteren Weg eines regelmäßigen Jour-fixe mit beiden bzw. sämtlichen Auftraggebern sowie dem Projektleiter wählen.

  • Vertrauen vs. Skepsis im Management
  • In solch heiklen Konstellationen ist es besonders wichtig, dass der Projektleiter darauf achtet, möglichst sauber und transparent zu agieren und sich von keiner Seite vereinnahmen zu lassen, um nicht das Misstrauen eines oder mehrerer Auftraggeber auf sich zu ziehen. Das heißt zum Beispiel regelmäßige Besprechungen mit allen Beteiligten, keine verdeckten Absprachen, sofortige Information aller Beteiligten über wichtige (oder potenziell als wichtig interpretierbare) Gespräche etc. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, hier lieber etwas übervorsichtig zu sein als zu riskieren, dass sich das unterschwellige Misstrauen breitmacht, der Projektleiter habe hier möglicherweise seine eigene Agenda oder versuche, das Ergebnis zugunsten einer der Parteien zu manipulieren. Denn wenn dieser Verdacht erst einmal im Raum steht, ist es fast unmöglich, ihn wieder aus der Welt zu schaffen und seine unparteiische Rolle zu beweisen.

  • Sauberkeit und Transparenz des Vorgehens
  • Aktive Beteiligung des Auftraggebers

     

    Als unerfahrener Projektleiter macht man leicht den Fehler, sich im Umgang mit dem Auftraggeber zu abwartend zu verhalten und sich zu sehr auf dessen Führung zu verlassen – erst recht, wenn der Auftraggeber relativ weit oben in der Hierarchie steht und man dessen kostbare Zeit nicht ohne Not in Anspruch nehmen will (und sich vielleicht auch ein bisschen Schiss davor hat, seinen Erwartungen nicht gewachsen zu sein). Doch das ist falsche Zurückhaltung: Das nützt dem Projekt nicht und kann einem im schlimmsten Fall sogar das Genick brechen. Regelmäßige Projektdurchsprachen dienen ja nicht dem eigenen Statusgewinn, sondern erstens dazu, dass der Auftraggeber im Bilde ist, was im Augenblick läuft und vor allem, was nicht läuft, und zweitens dazu, sicherzustellen, dass man noch "synchron" ist, das heißt ein übereinstimmendes Verständnis von Zielen und Vorgehensweise hat. Denn nichts ist fataler als wenn sich ein Projekt, ohne es zu bemerken, von den Intentionen seines Auftraggebers entfernt und ihn damit gewissermaßen "verliert".

  • Regelmäßige Synchronisation
  • Eine fortlaufende Rückkopplung ist bei Change-Projekten besonders wichtig, denn die entziehen sich, wie alle sozialen Prozesse, einer langfristigen Detailplanung. Das ist anders als bei technischen Projekten: Wenn etwa ein Bau- oder IT-Vorhaben erst einmal sauber konzipiert und durchgeplant ist, ist die Realisierung zum großen Teil Fleißarbeit: Das Abarbeiten der festgelegten Arbeitspakete, das durch ein regelmäßiges Controlling des Projektfortschritts nachgehalten wird, um Abweichungen von Realität und Planung frühzeitig feststellen und bei Bedarf intervenieren zu können. Das heißt zwar nicht, dass solche Projekte keinerlei Führung durch den Auftraggeber bedürften, aber das kann eine Führung "an der losen Leine" sein, das heißt eine, die in größeren Abständen stattfindet und sich auf die wohlwollende Kenntnisnahme der Arbeitsfortschritte und die kritische Diskussion von Verzögerungen und Schwierigkeiten beschränkt. Bei Change-Projekten hingegen haben wir es mit einem lebenden System zu tun, dessen Reaktionen sich zwar abschätzen lassen, aber nie voll vorhersagbar sind.

  • Soziale Prozesse sind nur begrenzt planbar
  • Doch selbst bei technischen Projekten schalten sich die Auftraggeber oft stärker ein, wenn es um Projekte geht, die ihnen – aus welchen Gründen auch immer – besonders am Herzen liegen. Wenn etwa die neue Konzernzentrale gebaut wird, verbringen Vorstände und sogar Vorstandsvorsitzende oft erstaunlich viel Zeit mit Architekten und Planern, und sie gehen auch bei der Ausgestaltung oft überraschend tief ins Detail, um sicherzustellen, dass das Endprodukt möglichst genau ihren Vorstellungen entspricht. Ähnlich ist es in der Produktentwicklung, vor allem bei Schlüsselprodukten wie der nächsten Modellgeneration im Automobil- oder Maschinenbau. Das liegt nicht nur daran, dass die – zumeist männlichen – Vorstände technikverliebt sind und deshalb nicht loslassen können (bzw. wollen), es liegt auch daran, dass sie den jeweiligen Projekten eine Schlüsselrolle für die Zukunft ihres Unternehmens beimessen.

  • Persönliche Anteilnahme
  • Doch diese intensive Beschäftigung des Auftraggebers mit solchen Projekten hat noch einen weiteren Grund, der weniger offensichtlich ist – nämlich, dass sich die Ziele bei vielen dieser Projekte nicht abschließend festlegen lassen. Zwar kann man zu Projektbeginn Zielkataloge oder "Lastenhefte" formulieren, und man sollte das auch tun, um von Anfang an eine möglichst klare Orientierung zu haben. Aber trotzdem kommt man im weiteren Verlauf kaum darum herum, die Ziele und Anforderungen ständig nachzujustieren, zum einen, weil Projekte eben auch ein Lernprozess sind und weil es völlig unsinnig wäre, in der Projektarbeit neu gewonnene Erkenntnisse nicht zu integrieren, zum anderen weil man zuweilen zur Abwägung zwischen widersprüchlichen Zielen gezwungen wird. Denn man kann zwar ins Lastenheft schreiben, dass das neue Produkt sowohl bestimmte Leistungen erzielen als auch einen gesteckten Kostenrahmen nicht überschreiten soll. Wenn sich aber herausstellt, dass beides zusammen nicht geht, muss der Auftraggeber neu entscheiden, welchem Ziel er den Vorrang gibt bzw. welche Balance zwischen ihnen er als optimal ansieht.

  • Nachjustierung der Ziele erforderlich
  • Emotionale Mitbetroffenheit des Auftraggebers

     

    Auch Change-Projekte sind in vieler Hinsicht ein Lernprozess, in dem es notwendig ist, neue Erkenntnisse aufzunehmen und die Ziele nachzujustieren. Aber es kommt noch etwas Weiteres hinzu: Anders als bei technischen Projekten ist der Auftraggeber hier Teil des sozialen Systems, an dem das Projekt arbeitet – und zwar ein nicht ganz unwichtiges Teil, nämlich dessen Führung. Das klingt banal, aber es ändert alles. Das beginnt schon bei der Auftragsdefinition, denn ein Change Management-Auftrag ist kein technisches Gewerk, sondern hat mit  der Beziehung zwischen dem Auftraggeber und "seinem" sozialen System zu tun. Das Change Management soll erreichen, dass "seine" Leute ihm in den Veränderungen (oder trotz der Veränderungen) nicht  die Gefolgschaft verweigern, sondern die geplanten Veränderungen annehmen, akzeptieren und sie mittragen. Das heißt, es ist Unterstützung in der ureigensten Aufgabe des Auftraggebers, nämlich im Kerngeschäft der Führung.

  • Der Auftraggeber ist Teil des zu ändernden Systems
  • Sehr viel mehr als bei anderen Projekten hat man es im Change Management daher mit einer direkten oder indirekten emotionalen Betroffenheit des Auftraggebers zu tun. Beispielsweise damit, dass sich er sich Sorgen macht, ob die von ihm initiierten Veränderungen angenommen werden oder ob massive Widerstände aufkommen oder die Veränderung schlicht nicht umgesetzt werden. Oder damit, dass der Auftraggeber enttäuscht, verärgert, verzweifelt oder sogar voller ohnmächtiger Wut ist, weil sich die Leute nicht so verhalten wie sie es nach seiner Meinung sollten: "Warum redet denn keiner über die Chancen, die in dieser Veränderung liegen? Warum reden diese ganzen Bremser und Blockierer, vom Betriebsrat bis ins obere Management, ausschließlich über Probleme, Risiken und Gefahren?"

  • Direkte oder indirekte Betroffenheit
  • Am unauffälligsten und zugleich am gefährlichsten ist diese emotionale Betroffenheit dort, wo sie – scheinbar völlig emotionslos – in die Problembeschreibung einfließt und dabei oftmals klammheimlich zu einer Problemzuschreibung wird: Zu einer Darstellung des Problems, die dessen Ursachen den Mitarbeitern oder den mittleren Führungsebenen zuschreibt, während sie den eigenen Anteil daran entweder gar nicht wahrnimmt oder unerwähnt lässt.

    Häufig wird nicht einmal theoretisch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das eigene Tun und Unterlassen des Top-Managements Teil des Problems  sein könnte. Gerade wenn es im weitesten Sinne um Unternehmenskultur geht, hört man häufig sehr prägnante, messerscharfe und zuweilen geradezu gnadenlose Beschreibungen des Status Quo samt zahlreicher plastischer Beispiele, oft deutlich emotional getönt, etwa von Empörung, Verärgerung oder Verachtung geprägt. Aber nur äußerst selten klingt dabei auch nur eine Andeutung des Gedankens an, wonach das so scharf gebrandmarkte Verhalten wenigstens zum Teil auch eine Folge davon sein könnte, wie die Mitarbeiter geführt werden.

  • Problem-
    beschreibungen und Problem-
    zuschreibungen
  • Verbreiteter Glaube, außerhalb des Systems zu stehen

     

    Es geht hier nicht um ein plumpes "Selber schuld": Damit hätte man nur den Spieß herumgedreht, aber keine neuen Erkenntnisse und Lösungsansätze gewonnen. Vielmehr geht es zunächst einmal darum zu erkennen, dass Geschäftsführer und Vorstände häufig reden und denken, als seien sie nicht Teil des Systems, das sie verändern wollen. Aber natürlich sind sie es. Deshalb ist äußerst unwahrscheinlich, dass das von ihnen kritisierte Verhalten der Mitarbeiter oder Führungskräfte völlig unabhängig von ihrem eigenen Handeln ist, also davon, wie sie das Unternehmen führen. Dass dies oft nicht gesehen und häufig nicht einmal in Betracht gezogen wird, mag man unverständlich, kurios oder sogar empörend finden; Tatsache ist aber, dass die meisten Manager nicht gelernt haben, "systemisch", das heißt in Wechselwirkungen zu denken, sondern dass sie von einem eher technischen Weltbild ausgehen: Auf der einen Seite die Organisation, auf der anderen Seite und gewissermaßen als unabhängige Instanz sie, seine Führung – ähnlich wie ein Kapitän, der sich unabhängig denkt von dem Schiff, das er führt.

  • Als ob sie nicht Teil des Systems wären
  • Diese Diskrepanz zwischen der Weltsicht des Top-Managements und der (mutmaßlichen) Realität ist weit mehr als ein Kuriosum: Es birgt erhebliche Risiken für Change Management-Projekte. Das erste Risiko ist, dass das mittlere Management, die Belegschaft und der Betriebsrat die Problemanalyse bzw. Problemzuschreibung nicht teilen, die explizit oder implizit in dem Projektauftrag mitschwingt. Das kann zu Verärgerung, Empörung und offenem Widerstand führen, sowie dazu, dass das Projekt und seine Ziele nicht akzeptiert werden: "Das ist ja mal wieder typisch, dass sie die Probleme bei uns lokalisieren und überhaupt nicht sehen wollen, was das mit ihrer Führung zu tun hat!" Noch schlimmer ist es aber, wenn der vorhandene Unmut unausgesprochen bleibt, aber zu massiven Vorbehalten gegen das ganze Vorhaben führt. Denn dann läuft das Projekt, selbst wenn es läuft, erstens zäh und zweitens ins Leere.

  • Ablehnung von Problemdefinition und Projektzielen
  • Das zweite Risiko für solche Projekte ist, dass sie in eine Krise geraten, sobald sie dem Auftraggeber ihre Bestandsaufnahme oder Kulturanalyse präsentieren. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird aus dieser Problemanalyse sichtbar werden, was der Auftraggeber bis dahin nicht gesehen hat und vielleicht nicht sehen wollte: Dass nämlich seine Führung wesentlichen Anteil an den Problemen hat, die das Projekt beheben soll. Das ist für die verantwortlichen Manager häufig ein Schock, weil dieser Befund, sofern er zuträfe, ja bedeuten würde, dass sie in ihrer Führung des Unternehmens folgenschwere Fehler machen, zumindest aber Teil des Problems sind.

  • Hohes Konfliktpotenzial
  • Viele verstehen es außerdem als Schuldzuweisung, als ob das Projekt ihnen vorwerfen würde, die eigentlichen Schuldigen an den Problemen, also "die Bösen" zu sein. Es überrascht daher nicht, wenn sie von dieser Wendung der Ereignisse wenig begeistert sind. Manche empfinden dies sogar als "Seitenwechsel", als Verrat bzw. als grobe Illoyalität des Projektteams: "Sie haben sich von den Mitarbeitern / dem Betriebsrat einwickeln lassen!" Ihre spontane Empörung und Verärgerung bekommt in der Regel das Projektteam ziemlich direkt ab, was im ungünstigsten Fall zu dessen ebenso unplanmäßigem wie unrühmlichem Ende führen kann. Doch selbst wenn es soweit nicht kommt, besteht in aller Regel akuter Bedarf für ein Krisenmanagement, weil man nicht sinnvoll über Lösungsansätze reden kann, solange die Sichtweisen auf die Realität völlig divergieren.

  • Bestürzung und Empörung

  • Change! - 20 Fallstudien Zahlreiche Fallbeispiele zu den unterschiedlichsten Typen von Change-Projekten finden Sie in meinem Buch "Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung" (Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage 2015). Es vermittelt Ihnen einen breiten Überblick über die unterschiedlichsten Arten von Veränderungsprozessen und zeigt Ihnen, worauf es jeweils ankommt, um Ihre Change-Vorhaben zum Erfolg zu führen.

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  • Buch "Change!"
  • Die Emotionen des Auftraggebers vorhersehen

     

    In ihrem ureigensten Interesse tun Projektleiter und Berater daher gut daran, die Emotionen ihrer Auftraggeber nicht außer Acht zu lassen. Die Herausforderung liegt dabei darin, auf solche Emotionen nicht erst zu reagieren, wenn sie da sind und man notgedrungen mit ihnen umgehen muss, sondern sie vorherzusehen und sie aktiv zu managen. Das ist nicht ganz einfach, aber es ist machbar. Gerade in einer Konstellation wie der beschriebenen, wo der Auftraggeber nicht wahrnimmt, dass er selbst Teil des zu verändernden Systems ist und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen Anteil an den von ihm kritisierten Problemen hat, lässt sich ja mit etwas Erfahrung erstens vorhersehen, dass dieser Punkt irgendwann auf den Tisch kommen wird, und zweitens, dass es nicht optimal sein wird, ihn wie einen Sprengsatz hochgehen zu lassen.

  • Emotionen vorhersehen
  • Natürlich könnte man auch daran denken, das heikle Thema zu umschiffen, indem man den Anteil des Auftraggebers an der Problemlage einfach ausblendet. Aber das ist keine wirkliche Option: Damit würde das Projekt nicht nur seine Glaubwürdigkeit gegenüber der Belegschaft verlieren, sondern auch einen wesentlichen Hebel zur Veränderung. Denn wenn es zutrifft, dass das heutige Verhalten der Organisation maßgeblich durch das Führungsverhalten des Top-Managements geprägt ist, dann bedeutet das ja auch, dass eine zielgerichtete Änderung des Managementverhaltens gute Chancen hat, das Verhalten der Organisation zu verändern. Und umgekehrt: Häufig ist es völlig aussichtslos, das Verhalten der Mitarbeiter und vor allem der mittleren Führungskräfte zu verändern, solange sich an den durch die Führung gesetzten Anreizen, Sanktionen und Rahmenbedingungen nichts ändert.

  • Verschweigen ist keine Option
  • So besehen, ist es sogar eine gute Nachricht, wenn bei der Bestandaufnahme oder Kulturanalyse ein solcher Zusammenhang zum Vorschein kommt. Denn dann hat das Top-Management es selbst in der Hand, durch eine Verhaltensänderung das Verhalten des Gesamtsystems zu beeinflussen. Wenn zwischen dem Handeln des Managements und dem der Organisation kaum ein Zusammenhang bestünde, wäre das eine weitaus schlechtere Nachricht: Dann hätte das Management auch keinen direkten Einfluss auf eine Verhaltensänderung. (NLP-Anhänger könnten dies für ein cleveres "Reframing" halten, also als eine geschickte Alternativdarstellung des gleichen Sachverhalts. Doch in meinen Augen ist das nicht bloß eine andere Betrachtung des Sachverhalts, sondern die weitaus treffende.)

  • Die gute Nachricht sichtbar machen
  • Die Emotionen der Verantwortlichen sind zwar bei jedem Typus von Veränderungsprozess andere, doch sie lassen sich immer in gewissen Grenzen vorhersehen – erst recht dann, wenn man den Auftraggeber als Person kennt und sein Temperament einschätzen kann. Bei Turnarounds, Sanierungen und Personalabbauprogrammen zum Beispiel wirken die Ängste, die die drohenden Einschnitte bei den Betroffenen auslösen, in aller Regel auch auf die Verantwortlichen zurück und lösen auch bei ihnen Ängste aus. Deshalb neigen sie häufig dazu, die Kommunikation der schlechten Nachrichten so lange wie möglich aufzuschieben, um, wie sie sich und anderen versichern, keine "unnötige Unruhe" zu schaffen und negative Folgen für Produktivität und Qualität zu vermeiden. Hinter diesen scheinbar logischen Sachargumenten steht zum einen die Sorge, den Turnaround nicht hinzubekommen, wenn zu viele Emotionen hochbranden, zum anderen oft auch die Angst vor der Konfrontation mit den Betroffenen – und nicht selten auch die Befürchtung, in den Augen von Belegschaft und Betriebsrat der "Unmensch" zu sein, der die unschuldigen Beschäftigten auf die Straße setzt.

  • Eigene Ängste bei einschneidenden Veränderungen
  • Ganz anders bei partizipativen Veränderungsprozessen, die auf eine breite Beteiligung angelegt sind. Auch wenn die Top-Manager sich anfangs auf sie einlassen und ihre Rolle zunächst gut ausfüllen, neigen sie häufig dazu, irgendwann die Geduld zu verlieren, "weil ihnen das alles zu lange dauert". Im ungünstigsten Fall würgen sie dann einen mühsam gestarteten Prozess eigenhändig wieder ab, weil sie in ihrer Ungeduld nicht sehen, dass das soziale System Zeit braucht, um den Denkvorsprung des Managements aufzuholen und die neu gewonnenen Erkenntnisse zu verarbeiten. In wieder anderen Fällen reagieren die Verantwortlichen mit Verärgerung, Empörung oder sogar Wut auf sichtbar gewordene "Missstände" in der Organisation und sind dann geneigt, "auf den Tisch zu hauen" und "hart durchzugreifen". Was aber in aller Regel nicht zu einer Beschleunigung führt, sondern dazu, dass sich der Veränderungsprozess in einen Machtkampf zwischen "oben" und "unten" verhakt. Spätestens wenn dann der Betriebsrat den vorgesehenen Sanktionen widerspricht, beginnt das Management zu ahnen, dass es in eine Sackgasse gestürmt ist.

  • Ungeduld, Ärger, Empörung und Wut
  • Den Auftraggeber auf seine Emotionen vorbereiten

     

    Nach 30 Jahren Erfahrung im Change Management verfestigt sich bei mir immer mehr die Erkenntnis, dass die Emotionen der Auftraggeber (und die ihrer Berater) für den Erfolg von Change-Prozessen mindestens ebenso kritisch sind wie die der Betroffenen. Nur mit dem Unterschied, dass auf diese Emotionen keiner achtet, weil Top-Manager ja angeblich sehr rational handeln und nach Meinung mancher Experten ohnehin viel zu "verkopft" sind. Wo sie dennoch einmal erkennbar emotional reagieren, ist man geneigt, diese Stimmungen und Verstimmungen für "Besonderheiten des Einzelfalls" zu halten, statt sie als den systematischen Einfluss- und Risikofaktor zu erkennen, der sie tatsächlich sind. Nimmt man die Emotionen der Auftraggeber hingegen als systematisches Element von Change-Prozessen ernst, so ergibt sich daraus zwingend, dass man sie auch als wichtiges Handlungsfeld des Change Managements zur Kenntnis nehmen und sich um sie kümmern muss.

  • Schlüsselrolle der Emotionen erkennen
  • Nützlich ist dabei, einige grundlegende Erkenntnisse der Emotionsforschung zu beachten. Eine davon lautet: Wenn eine starke Emotion erst einmal aktiviert und "am Rollen" ist, lässt sie sich kaum noch stoppen. Schon gar nicht bei meinungsstarken "Alphatieren", das heißt bei dominanten Persönlichkeiten, wie sie auf den obersten Hierarchieebenen ja gehäuft auftreten: Von ihnen bekommt man höchstens eins auf die Mütze, wenn man versucht, sie in ihrem Furor zu bremsen. Wer ihre Emotionen also "managen" will, sollte nicht versuchen, sie zu stoppen, sondern, ihnen zuvorzukommen. Das heißt praktisch: Man muss seinen Auftraggeber vorbereiten auf die Emotionen, die der jeweilige Change-Prozess mit sich bringen wird oder mit sich bringen könnte. Wenn das gelingt, hat es einen ähnlichen Effekt wie eine Schutzimpfung: Die betreffenden Emotionen treten entweder gar nicht mehr auf oder mit deutlich abgeschwächter Intensität – und sind daher auch viel weniger in der Gefahr, Schaden anzurichten.

  • Nicht "bremsen", sondern auf Emotionen vorbereiten
  • Der Grund dieses verblüffenden Effekts ist, dass Emotionen nicht einfach so aus dem Blauen heraus entstehen und auch nicht bloß die unmittelbare Reaktion auf äußere Ereignisse sind, sondern die Folge unserer – oft vorbewussten – Gedanken und Bewertungen. Wenn jemand daher auf eine Entwicklung gefasst ist, muss (und kann) er nicht mehr spontan darauf reagieren. Durch die Vorbereitung ändert sich seine Bewertung der Situation – und damit ändern sich auch seine Emotionen. Wenn jemand zum Beispiel nicht mehr in spontaner Empörung sagt: "Was für eine Frechheit!", sondern, weil vorbereitet: "Das war zu erwarten", dann ist er auch nicht mehr zornig oder wütend, sondern reagiert gelassen – und tut sich deshalb sehr viel leichter, beharrlich auf dem eingeschlagenen Weg zu bleiben.

  • Vorbereitung verändert die Bewertungen
  • Natürlich erfordert es ein Stück Erfahrung, die emotionale Dynamik unterschiedlichster Change-Prozesse gut genug vorherzusehen, um den Auftraggeber auf seine künftigen Emotionen vorbereiten zu können. Aber das müssen nicht ausschließlich eigene Erfahrungen sein  – man kann ja auch aus fremder Erfahrung lernen, beispielsweise durch die intensive Beschäftigung mit Fallstudien, wie sie etwa in meinem Buch Change! enthalten sind. Einiges kann man auch schon vorausahnen, wenn man sich mit etwas Empathie sowohl in die Stimmung hineinversetzt, die das geplante Vorhaben im Unternehmen auslösen wird, als auch in die Gedanken und Bewertungen, die durch den voraussichtlichen Verlauf des Change-Prozesses beim Auftraggeber ausgelöst werden. Zur Not hilft es schon, sich nur die jeweils nächste Etappe des Prozesses vorzunehmen, zu überlegen, was in dieser Phase inhaltlich und gruppendynamisch geschehen wird, und sich in die voraussichtlichen Gedanken und Gefühle des Auftraggebers hineinzuversetzen.

  • Eigene und fremde Erfahrung
  • Vorgespräche und ein Workshop zur Vorbereitung

     

    Wenn man den Auftraggeber beispielsweise als einen eher ungeduldigen Menschen kennengelernt hat, dann lässt sich auch ohne hellseherische Fähigkeiten vorhersagen, dass er bei einem längeren partizipativen Prozess wohl zunehmend genervt auf den vermeintlich geringen Fortschritt reagieren wird. In solch einem Fall steht man vor der Wahl, entweder eine andere, schnellere Vorgehensweise zu finden, oder aber den Auftraggeber auf den absehbaren Verlauf und seine mutmaßlichen Reaktionen vorzubereiten, und zwar möglichst noch vor einer endgültigen Festlegung auf ein Projekt bzw. dessen Vorgehensweise. Das geht am einfachsten, indem man das (mögliche) Problem beim Namen nennt: "Wenn wir dieses partizipative Vorgehen wählen, wie wir es jetzt diskutieren, wird sich dieser Prozess über zwei bis drei Monate hinziehen. Das könnte unter Umständen zu einer ziemlichen Belastungsprobe für Ihre Geduld werden. Aber wenn wir diesen Weg wählen, müssen wir ihn bis zum Ende durchhalten. Wenn wir mittendrin abbrechen, verlieren wir genau die Leute, die sich am offensten darauf eingelassen haben. Was meinen Sie, sollen wir diesen Weg trotzdem wählen?"

  • Mögliche Entwicklungen im Vorgespräch offen ansprechen
  • Auch wenn es notwendig ist, die Bewertungen und Emotionen des Auftraggebers über den gesamten Projektverlauf hinweg im Auge zu behalten, ist es ratsam, möglichst viel davon "vor die Klammer zu ziehen", das heißt an bzw. vor den Projektstart. Für den Auftraggeber ist das gut, weil er auf diese Weise besser absehen kann, was auf ihn zukommen wird, und für das Projektteam und seine Berater, weil sie damit eine breitere gemeinsame Basis mit dem Auftraggeber und entsprechend weniger Konfliktrisiken haben. Die beste Möglichkeit, dies zu erreichen, ist ein Management-Workshop noch vor dem offiziellen Kickoff des Projekts, an der möglichst nicht nur der direkte Auftraggeber teilnehmen sollte, sondern auch der "erweiterte Auftraggeber", also beispielsweise der Gesamtvorstand oder, wenn sich das Projekt auf einen Teilbereich bezieht, das Management-Team dieses Bereichs. Das hat zum einen den Vorteil, dass diese Mitentscheider von Anfang an im Film sind, zum anderen den, dass eventuelle Diskrepanzen in den Erwartungen frühzeitig sichtbar werden und entweder abgeglichen oder im weiteren Vorgehen berücksichtigt werden können.

  • Workshop zur Vorbereitung
  • Was Inhalte und Ablauf betrifft, haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, diese Vorbereitungsveranstaltung als eine Kombination von Seminar und Workshop anzulegen: Im ersten Teil, der je nach Typus der Veränderung zwischen drei Stunden und einem ganzen Tag in Anspruch nimmt, geht darum, die Besonderheiten des jeweiligen Change-Prozesses anhand einiger Fallstudien "im Abstrakten" kennenzulernen, also noch ohne direkten Bezug zum eigenen Unternehmen. Denn manche Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten lassen sich leichter erkennen und verstehen, wenn man noch keine konkreten Personen und Vorgeschichten vor dem eigenen inneren Auge hat. Gut bewährt hat sich, in diesem Seminar-Teil ausführlich auf die Rolle von Emotionen in Change-Prozessen einzugehen – und zwar nicht nur auf diejenigen der Betroffenen, sondern auch auf die der Verantwortlichen. Je beherzter man an diese Themen rangeht, desto leichter tut man sich später, wenn es um reale Emotionen, eigene wie fremde, im konkreten Fall geht.

  • Kombination
    aus Seminar und Workshop
  • Im zweiten Teil geht es dann um das konkrete Projekt. Neben all den technischen Absprachen, die hier getroffen werden müssen, wie Zusammensetzung des Projektteams, Zeitplan und Kommunikationsplan, sollte dabei eine Vorschau auf die emotionale Dynamik gehalten werden. In aller Regel weiß man darüber schon mehr als man glaubt, wenn man sich nur ein Stück hineindenkt: Wer sind wesentliche Mitspieler, und wie werden sie voraussichtlich auf das Vorhaben reagieren? Wie können sie für das Vorhaben gewonnen und in geeigneter Weise einbezogen werden? Wo sind Widerstände zu erwarten, welche Bedürfnisse und Interessen stehen dahinter, und wie soll mit ihnen umgegangen werden? Und nicht zuletzt: An welchen Stellen im Projekt werden oder könnten Dinge geschehen, die sich auch auf den Blutdruck des Auftraggebers und seines Management-Teams auswirken könnten? Auf diese Weise wird der Auftraggeber nicht nur mental auf mögliche kritische Phasen vorbereitet, sondern er "lernt" zugleich auch, dass solche Dinge in Change-Projekten nicht ungewöhnlich sind und dass es erstens möglich und zweitens zweckmäßig ist, darüber offen zu reden.

  • Vorschau auf das konkrete Projekt
  • Aktives Management des Auftraggebers

     

    Wer so oder so ähnlich begonnen hat, muss den eingeschlagenen Weg eigentlich nur noch konsequent fortführen. Das heißt, er darf den entstandenen Gesprächsfaden nach dem guten Start nicht abreißen lassen und seine Fortführung auch nicht dem Zufall überlassen, sondern sollte sie institutionalisieren. Mit dem Auftraggeber muss ohnehin ein regelmäßiger Jour-fixe verabredet werden, und die Erfahrung spricht dafür, die Abstände zwischen diesen Terminen nicht zu groß zu wählen. Gerade im Top-Management muss man darauf gefasst sein, dass ohnehin der eine oder andere Termin wegen Geschäftsreisen oder anderer "höherer Gewalttätigkeit" ausfällt und dass es wegen der eng getakteten Kalender kurzfristig oft schwierig ist, einen Ersatztermin zu bekommen. Empfehlenswert ist daher ein Zwei- oder Drei-Wochen-Rhythmus, mit der Zusatzvereinbarung, den Termin kurzfristig abzusagen, wenn von keiner Seite etwas Wichtiges ansteht (und der Folgetermin einigermaßen zuverlässig stattfinden wird).

  • Regelmäßige Gespräche
  • Wichtig ist, in diesen Gesprächen ehrlich zu reden und nicht bloß Schönwetter-Meldungen zu verbreiten. Denn wenn die Gespräche nur dazu genutzt werden, zu zeigen, wie fleißig das Projektteam war und gut man die Sache im Griff hat, dann bringen sie wenig – und werden dem Auftraggeber wahrscheinlich bald langweilig, was sich in immer häufigeren Absagen der Termine niederschlägt. Weitaus ergiebiger sind sie, wenn das Projekt ehrlich über die Situation berichtet – nicht über kleine Verzögerungen im Zeitplan, die für den Auftraggeber unerheblich sind, sondern über Beobachtungen und Erlebnisse, die für das Gesamtbild wesentlich sind, sowie über erste Ergebnisse, die den Auftraggeber auf die sich abzeichnende Richtung einstimmen. Um dessen Zeit und Geduld nicht unnötig zu strapazieren, sollte man sich nicht scheuen, einzelne Termine "mangels Masse" abzusagen, wenn es aktuell keine für den Auftraggeber wesentlichen Eindrücke oder Erkenntnisse gibt.

  • Ehrlich reden, auf Wesentliches konzentrieren
  • Ratsam ist, für die Gespräche mit dem Auftraggeber zwar eine Themenliste zu haben, nicht aber Berge von Folien. Denn ein gutes Management des Auftraggebers gelingt nur dann, wenn man in einen Gesprächsmodus kommt und nicht in einen Präsentationsmodus. Dann kann man dem Auftraggeber Hinweise geben, die man nicht unbedingt auf Folien schreiben würde, und umgekehrt von ihm Hinweise bekommen, die er bei einer langen Powerpoint-Präsentation wohl gar nicht erwähnt hätte. Beispielsweise erfährt man bei solchen Gelegenheiten oft einiges über direkte oder indirekte Rückmeldungen, die zu dem Projekt beim Auftraggeber angekommen sind. Oft erweitern sich solche Gespräche auch zu Themenfeldern, die mit dem Projekt gar nicht unmittelbar zu tun haben, aber den Auftraggeber momentan beschäftigen und zu denen er gern eine unbefangene Meinung hören würde, oder man erfährt von anderen laufenden Aktivitäten, die möglicherweise Berührungen oder Wechselwirkungen mit dem eigenen Projekt haben.

  • Offenes Gespräch statt Folienschlacht
  • Der Idealfall ist, dass auf diese Weise eine Vertrauensbeziehung entsteht, die über den reinen Projektauftrag hinausgeht. Für Vorstände und Geschäftsführer ist das insofern wertvoll, als sie wegen ihrer herausgehobenen Position in der Hierarchie oftmals nicht mehr erfahren, was im "Maschinenraum" der Organisation vor sich geht und wie die Stimmung dort wirklich ist: Die vielen Hierarchieebenen dazwischen wirken unweigerlich auch als Filter. Umgekehrt ist es für eine erfolgreiche Projektleitung von großem Nutzen, wenn sie Einblick in das relevante Umfeld des Projekts bekommt und die "Großwetterlage" einschätzen kann, innerhalb derer sich die eigenen Aktivitäten abspielen.

  • Eine Vertrauens-
    beziehung, die allen Beteiligten nützt
  • Auch die Mitentscheider einbeziehen

     

    Doch auch mit dem "erweiterten Auftraggeber", das heißt dem Management-Team, das auch an der Vorbereitungsveranstaltung teilgenommen hat und das vermutlich auch bei den späteren Entscheidungen mitreden wird, sollte man nicht nur im Rahmen der Lenkungsaussschusssitzungen zusammentreffen. Bei diesem Personenkreis kann der Abstand der Gespräche größer sein, doch auch sie sollten wenigstens im Groben über den Arbeitsstand informiert sein – schon um Teil des gemeinsamen Denk- und Entwicklungsprozesses zu bleiben. Denn sonst koppeln sie allzu leicht ab – nicht aus böser Absicht, sondern einfach nur, weil dieses Projekt, das für den Projektleiter und sein Team im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, für sie nur ein Zwei-Stunden-Termin alle sechs Wochen ist. Wenn das Projekt hier nicht für regelmäßige "Auffrischung" sorgt, kann leicht sowohl die Erinnerung abreißen als auch die emotionale Verbindung zum Thema.

  • Den "erweiterten Auftraggeber" im Film halten
  • In vielen Großunternehmen ist es Sitte, wichtige Präsentationen im Vorfeld der Lenkungsausschüsse mit allen wesentlichen Teilnehmern abzustimmen, mit der Folge, dass die Sitzungen selbst meist zu überraschungsfreien und ereignislosen "Abnickveranstaltungen" werden. Das kann man als Ausdruck einer exzessiven Harmoniekultur kritisieren, man kann es aber auch nutzen, um alle wichtigen Mitspieler im Prozess mitzunehmen. Wenn man sich dann noch einmal zwischendurch trifft, dann hat man das Nötige getan, um zu gewährleisten, dass sie nicht "verloren gehen". Bei besonderem Diskussionsbedarf können zusätzliche Termine zweckmäßig sein. Nützlich ist, sich für die Gespräche ein paar Fragen zurechtzulegen, zu denen man die Meinung der Gesprächspartner kennenlernen möchte. Das verhindert zum einen, dass man nur "sendet" oder Folien durchspricht, zum anderen sind die Gesprächspartner mit dem Gespräch in aller Regel zufriedener, wenn sie auch einen Input gegeben haben.

  • Abstimmungen und Zwischeninfos
  • In Summe umfasst ein sorgfältiges Management des Auftraggebers mindestens drei Dinge: Erstens dessen kontinuierliche Vorbereitung auf das, was im Rahmen des Projektes auf ihn zukommt. Zweitens eine schonungslos offene Berichterstattung über die Realität des Projekts – was nicht heißt, dass der Auftraggeber jedes Detail wissen muss, aber dass er alles erfahren sollte, was für ihn in seiner Rolle wesentlich ist, gleich ob es gute oder schlechte Nachrichten sind. Und drittens eine fortlaufende gemeinsame Beobachtung des relevanten Umfelds, um alle Entwicklungen zu kennen und richtig einzuordnen, die für den Erfolg des Projektes wesentlich sein könnten – wie zum Beispiel eine veränderte Geschäftslage oder das Bevorstehen anderer großer Projekte, die viel Aufmerksamkeit und möglicherweise größere Ängste auf sich ziehen werden.

  • Drei zentrale Elemente des Managements des Auftraggebers
  • Literatur:
    Berner, Winfried (2015): Change! – 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

    Ekman, Paul (2004): Gefühle lesen – Wie Sie Gefühle erkennen und richtig interpretieren

     


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