Die Umsetzungsberatung

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Winfried Berner:
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20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

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Culture Change

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"Ermutigende Führung"

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Konfliktmuster: Wiederkehrende Konfliktkonstellationen in Change-Prozessen

 

Winfried Berner, Die Umsetzungsberatung

Jeder Typus von Veränderungsprozess bringt seine spezifischen Konflikte mit sich – und die hohe Kunst des Change Managements besteht im Kern darin, diese Konflikte vorherzusehen bzw. sofort zu erkennen, sie vorausschauend zu managen und auf diese Weise ihre Kosten und emotionalen Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. So betrachtet, ist Change Management im Grunde ein Sonderfall des Konfliktmanagements, nur dass die Konflikte, um die es hier geht, wegen der großen Zahl von beteiligten Personen und Gruppierungen komplexer sind als die meisten derer, mit denen sich Konfliktmanager und Mediatoren normalerweise befassen.

  • Typische Konfliktmuster
  • Welche Konflikte ein bestimmtes Veränderungsvorhaben auslöst, ist keineswegs von Fall zu Fall völlig unterschiedlich und überraschend: Es lässt sich zum großen Teil vorhersehen, auch wenn es natürlich immer Besonderheiten gibt. Denn die Art der Konflikte hängt maßgeblich damit zusammen, welche "Zumutungen" dieses Vorhaben für die Adressaten mit sich bringt: Das sind bei einer IT-Umstellung völlig andere als bei einer Sanierung oder einer Kulturveränderung.

  • Zusammentreffen von Zumutungen
  • Für die zu erwartenden Reaktionen spielen noch einige weitere Faktoren eine Rolle: etwa die Unternehmenskultur, die Vorerfahrungen der Mitarbeiter und Führungskräfte mit vorausgegangenen Veränderungen sowie die ungeschriebenen Selbstverständlichkeiten der jeweiligen Firma. So reagiert eine Belegschaft, die kaum Erfahrung mit Veränderungen hat, normalerweise aufgeregter auf ein neues Change-Vorhaben als eine, die veränderungserfahren ist und das neue Projekt eher gelassen aufnimmt. Fast noch wichtiger ist aber der Optimismus oder Pessimismus, der aus früheren Change-Projekten resultiert: Wurden sie erfolgreich abgeschlossen, sind die Erwartungen ganz andere als wenn sie gescheitert oder im Sande verlaufen sind. Das gilt keineswegs nur für die einfachen Mitarbeiter, es gilt auch für die Führungskräfte bis hinauf ins Top-Management.

  • … und der speziellen Ausgangslage
  • Unterschiedliche Reaktionsmuster auf Zumutungen

     

    Zentraler Ausgangspunkt für das emotionale Klima und damit für das Change Management sind die spezifischen Zumutungen, die das jeweilige Veränderungsvorhaben für die Betroffenen mit sich bringt – und damit zugleich auch für die Verantwortlichen. Ich spreche hier bewusst von Zumutungen und nicht von "Herausforderungen" – erstens weil ich mich nicht an der grassierenden Unsitte des positiven Schwätzens Denkens beteiligen will, zweitens weil es schlicht falsch ist. Denn eine Zumutung bzw. ein Problem wird erst dann zur Herausforderung, wenn man sie als solche annimmt.

  • Zumutungen, nicht "Herausforderungen"
  • Wenn das aber geschehen ist, wenn man das Problem also als Herausforderung angenommen hat, ist man bereits aus dem Gröbsten heraus. Wer also gedankenlos statt von "Problemen" oder "Zumutungen" immer gleich von "Herausforderungen" spricht, weil das dynamischer klingt, überspringt damit einen wesentlichen Teil des Reifungsprozesses, nämlich die Phase(n) des Unwillens, Haderns, Verweigerns, Bockens, Bestreitens … – all die emotionalen Wechselbäder, die man halt so durchläuft, bevor man sich schließlich dazu durchringt, das Problem oder die Zumutung tatsächlich als Herausforderung zu akzeptieren.

  • Nicht den wichtigsten Schritt überspringen
  • Die jeweiligen Zumutungen aber sind je nach Typus der Veränderung ganz unterschiedlich. Sie liegen in ihrer Bandbreite zwischen einer bloßen Belästigung – wenn uns etwa (schon wieder) eine neue Regelung für die Reisekostenabrechnung auferlegt wird oder wenn ein neues Office-Update "ausgerollt" wird – bis zu veritablen Bedrohungen: unseres Arbeitsplatzes, unserer gewohnten Routinen, unserer vertrauten Arbeitsumgebung, unseres Status und der zugehörigen Insignien (wie etwa einem Dienstwagen oder einem attraktiven Büro), unserer eingespielten sozialen Beziehungen etc.

  • Von Belästigungen bis Bedrohungen
  • Die subjektiv erlebte Bedrohlichkeit ist entscheidend

     

    Dabei hat die Bedrohlichkeit immer eine objektive und eine subjektive Seite. Beide müssen nicht Hand in Hand gehen – und tun es in der Praxis auch häufig nicht. Wenn wir erkennen, dass ein Lkw direkt auf uns zufährt, stimmen objektive und subjektive Bedrohlichkeit ziemlich eng überein, doch bei bevorstehenden Veränderungen in sozialen Systemen ist das anders. Hier ist die Bedrohlichkeit einer Veränderung keine zwangsläufige Begleiterscheinung der betreffenden Veränderung, es ist primär die subjektive Antwort der (potenziell) betroffenen Individuen auf diese Veränderung.

  • Subjektive Einflussfaktoren
  • Genau genommen geht es also nicht um die objektive, sondern um subjektiv erlebte, wahrgenommene Bedrohlichkeit. Zwar macht es natürlich einen Unterschied, ob sich nur die Reisekostenordnung ändert oder ob eine angekündigte Reorganisation (möglicherweise) das gesamte Unternehmen durcheinanderwirbeln wird. Doch sowohl aus dem einen wie aus dem anderen kann man ein furchtbares Drama machen und sich in alle möglichen Katastrophenfantasien hineinsteigern, oder man kann es relativ gelassen nehmen. Wobei das auch eine Frage davon ist, wie man selbst im Leben steht: Ohne Zweifel hilft es, für den Notfall einen Plan B zu haben, denn dann ist man nicht bloß ein Spielball der Entscheidungen von anderer, höherer Stelle.

  • Wahrgenommene, nicht objektive Bedrohlichkeit
  • Es ist nützlich, sich bewusst zu machen, dass der Großteil dieser Beunruhigung nicht durch reale Ereignisse und tatsächliche negative Veränderungen ausgelöst wird, die die Betreffenden erfahren und durchleiden müssen, sondern durch deren Gedanken und Befürchtungen in Bezug auf die Zukunft – also durch "Kopfkino" oder Katastrophenfantasien. Eine Befürchtung ist ja per definitionem etwas, was sich auf die Zukunft bezieht, also auf ein denkbares Unglück, das bislang nicht eingetreten ist. Ist das Unglück eingetreten, leiden wir real. Befürchtungen sind sozusagen Leiden auf Vorrat: Wir leiden unter Schmerzen, die wir vielleicht gar nicht bekommen werden, aber theoretisch bekommen könnten.

  • Negative Befürchtungen und "Kopfkino"
  • "Wir leiden mehr in unserer Vorstellung als in der Realität."

                            Lucius Aeneas Seneca

    Kollektive Reaktionsmuster

     

    Das hat neben der individuellen auch eine kulturelle Komponente. Denn in der Realität reagieren ja nicht ein paar hundert oder tausend Individuen unabhängig voneinander, sondern es reagiert eine ganze Abteilung oder Organisationseinheit, das heißt, es reagiert ein soziales System. Wie dieses System jedoch auf diese Bedrohung antwortet, ob aufgeregt, ob geradezu panisch, ob es die Entwicklung auf sich zukommen lässt oder ihre Risiken kollektiv verdrängt, das hängt eben nicht primär von dem bevorstehenden Ereignis selbst ab, sondern von dessen subjektiver Wahrnehmung und Interpretation sowie von den charakteristischen Mustern der jeweiligen Kultur.

  • Die Kultur spielt eine Rolle
  • Für die individuelle Reaktion spielt die Selbsteinschätzung und das Selbstvertrauen der (potenziell) Betroffenen eine wichtige Rolle. Wer selbstbewusst und flexibel ist und sich zutraut, sich problemlos in andere Aufgaben einzuarbeiten und zur Not auch die Firma zu wechseln, der wird weit weniger angstvoll auf die objektiv gleiche Veränderung reagieren als jemand, der sich kaum etwas anderes zutraut als die heute ausgeübte Tätigkeit. Wer des Öfteren Anrufe von Headhuntern bekommt, wird mit einem drohenden Jobverlust entspannter umgehen als jemand, der starke Zweifel hat, ob es für seine Fähigkeiten außerhalb der Firma überhaupt einen Bedarf gibt.

  • Selbstvertrauen und Einschätzung der eigenen Fähigkeiten
  • Das macht verständlich, weshalb manche Menschen schon auf geringe Veränderungen der Arbeitsabläufe oder IT-Systeme mit unverhohlener Panik reagieren: Wer befürchtet, von veränderten Anforderungen rasch überfordert zu sein, für den sind Veränderungen subjektiv – und möglicherweise sogar objektiv – weit bedrohlicher als für jemanden, der seine Lern- und Anpassungsfähigkeit höher einschätzt.

  • Unterschiede zwischen Personen
  • Was für Individuen gilt, gilt auch für ganze Unternehmenskulturen: Manche sind selbstbewusst und flexibel und trauen sich zu, die unterschiedlichsten Veränderungen ohne große Probleme bewältigen zu können, andere sind ängstlich und starr und neigen daher bei jeder drohenden Veränderung erst einmal zur Panik. Diese kollektive Reaktion ist nicht bloß das rechnerische Integral über die Furchtsamkeit aller beteiligten Einzelpersonen, sie ist vielmehr von einem gemeinsamen Grundgefühl bestimmt, das die Stimmung im gesamten Unternehmen oder doch zumindest bei sehr vielen seiner Beschäftigten prägt.

  • Gemeinsames Grundgefühl
  • Aber nicht nur die emotionalen Reaktionen auf bevorstehende Veränderungen unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen und von Organisation zu Organisation, sondern auch die an den Tag gelegten Reaktionsmuster: Manche Kulturen reagieren geradezu routinemäßig mit größter Aufgeregtheit, die aber nach einer Weile wieder abflaut. Andere aktivieren sofort ihre eingeübten Widerstands- und Blockademechanismen: Der Betriebsrat sowie der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten fordern umfassende und detaillierte Informationen und drohen schon mal vorsorglich damit, von all ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Wieder andere ziehen die Köpfe ein und hoffen, dass der Elch an ihnen vorübergeht …

  • Wiederkehrende Reaktionsmuster
  • Universelles und Spezielles

     

    Trotzdem gibt es auch übergreifende Muster, die sich bei allen Firmen und Organisationen finden. Universell ist zum Beispiel, dass wir Menschen auf Veränderungen, die nicht von uns selbst initiiert wurden, immer erst einmal mit Reaktanz reagieren, das heißt mit Unwillen und dem Bestreben, den alten Zustand wiederherzustellen. Denn jede Veränderung, die diesen Namen verdient, greift ja in unsere Freiheit und unseren persönlichen Handlungsspielraum ein – und da sind wir erst einmal dagegen. Mag ja sein, dass sie auch Vorteile bietet, aber das interessiert uns im ersten Moment weniger als die Einschränkung unserer Handlungsfreiheit, die sie mit sich bringt.

  • Bedrohung der Handlungsfreiheit
  • Ebenso unabänderlich ist, dass wir Menschen bei Veränderungen immer erst einmal auf ihre Bedrohlichkeit schauen, bevor wir uns den Chancen zuwenden. Das ist ein Automatismus, den uns die Evolution aus guten Gründen eingebaut hat. Denn wer bei neuen Entwicklungen erst einmal ihre Chancen erkundete, bevor er ihre Bedrohlichkeit prüfte, hatte ein hohes Risiko, früher oder später zum Opfer genau der Gefahren zu werden, die er zugunsten der Chancen ignorierte. Deshalb haben sich in der natürlichen Auslese letztlich die Gene der "Hasenherzigen" durchgesetzt, getreu dem schwäbischen Sprichwort: "Lieber fünf Minuten lang feig als ein Leben lang tot."

  • Generelle Bedrohlichkeit
  • Diese "negative Herangehensweise an Veränderungen" ist also keineswegs "typisch deutsch", wie frustrierte Manager gern beklagen (solange sie nicht selbst die Betroffenen sind), sie ist universell, weil "Hardware-verdrahtet", und damit überall auf der Welt gleich verbreitet. Sie ist sogar so universell, dass sie sich auch bei unserer tierischen Verwandtschaft findet. Denn auch für Tiere ist es ein Überlebensvorteil, Gefahren frühzeitig zu erkennen, ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit zuzuwenden und ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Den Kampf suchen Tiere zur Selbstverteidigung in der Regel nur, wenn ihnen ein Ausweichen nicht mehr möglich ist: Flucht birgt ein geringeres Verletzungsrisiko als Kampf.

  • Universelle "angeborene" Reaktionsmuster

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  • Besitzstandsabhängige Risikobereitschaft

     

    Trotzdem gibt es einen systematischen Unterschied, und zwar beim Umgang mit Risiken. Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Meinung sind Menschen nämlich nicht risikoscheu – vielmehr sind sie verlustscheu. Das ist keine Spitzfindigkeit, es ist ein himmelweiter Unterschied. Er hat zur Konsequenz, dass sie Risiken nach Möglichkeit aus dem Weg gehen, wenn sie damit ihre vorhandenen Besitzstände in Gefahr bringen würden, hingegen recht risikobereit sind, um sich aus einer sehr unerfreulichen Situation zu retten. Geradezu klassisch kommt dies in dem Sprichwort zum Ausdruck, wonach der Spatz in der Hand mehr wert ist als die Taube auf dem Dach: Lieber einen kleinen Besitz sicher als die theoretische Chance auf einen großen.

  • Umgang mit Risiken
  • Dieser Unterschied zwischen Haben und Nichthaben hat zur Folge, dass die Risikobereitschaft in reichen Ländern – also in solchen mit hohen Besitzständen – tatsächlich geringer ist als solchen, die noch nichts oder sehr wenig haben: Wenn es zum Beispiel darum geht, mit einer neuen Industrieansiedlung oder mit Großprojekten gesundheitliche und/oder ökologische Risiken einzugehen, sind relativ arme Länder dazu viel eher bereit als solche, die bereits auf einem hohen Niveau leben – und genau deshalb auch mehr zu verlieren haben.

  • Die Höhe der vorhandenen Besitzstände spielt eine Rolle
  • Ähnliches gilt auch bei Change-Vorhaben in Unternehmen: Die Risikobereitschaft der Mitarbeiter (und des Managements) etablierter Großkonzerne ist weitaus geringer als die derer von Start-Ups, jedenfalls solange es ihnen relativ gut geht. Risikobereiter sind dagegen schwer angeschlagene Unternehmen, die mit dem Rücken zur Wand stehen. Völlig naheliegend bei dem, was wir inzwischen wissen: Weder Start-Ups noch angeschlagene Unternehmen haben (noch) große Besitzstände, die es zu bewahren gälte. Wenn es ihnen nicht gelingt, sich im Markt zu etablieren bzw. den Turnaround zu schaffen, gehen sie unter. Deshalb müssen sie Risiken eingehen, um den entscheidenden Schritt nach vorne zu schaffen.  

  • … auch in Unternehmen
  • Ein etwas ruppiger, aber geradezu klassischer Ansatz, die Risikobereitschaft zu erhöhen, besteht denn auch darin, die Besitzstände aller Beteiligten auf Null zu stellen bzw. ihnen ihre Rückzugsmöglichkeiten zu verbauen. Das steht hinter dem berüchtigten Verbrennen der Schiffe, mit dem Eroberer ihre entsetzten Mannschaften in eine Situation brachten, in der sie ihr Überleben nur noch durch hohe Risikobereitschaft sichern konnten. Durch das Anstecken der Schiffe hatte man die Möglichkeit zum Rückzug verbaut. Damit befanden sie sich in einer Verlustposition, aus der sie sich nur noch retten konnten, wenn sie alles riskierten.

  • Gewaltsame Veränderung des Risikokalküls
  • In ähnlicher Weise wird bei Reorganisation zuweilen festgelegt, dass sich alle Führungskräfte neu auf die künftigen Positionen bewerben müssen: Dann können sie sich nicht mehr auf ihre Besitzstände, also ihre bisherige Position zurückziehen, sondern müssen sich selbst anstrengen, um aus einer "Verlustposition" herauszukommen. (Wegen einiger ungeplanter Nebenwirkung erweist sich dieses Vorgehen hinterher trotzdem oft als eine nicht ganz so gute Idee.)

  • Neubewerbung nach Reorganisation
  • Junge Wilde versus alte Etablierte

     

    Die besitzstandsabhängig unterschiedliche Risikobereitschaft erklärt auch, weshalb unterschiedliche Gruppierungen ganz unterschiedlich auf unternehmensinterne Change-Projekte reagieren: Wer viel zu verlieren hat, ist weniger risikobereit als diejenigen, die nicht viel (oder noch nicht viel) zu verlieren haben. Deshalb sind Ältere in der Regel risikoscheuer als Jüngere, und die etablierten "Platzhirsche" sind weniger risikobereit als die ambitionierten Aufsteiger – rationalerweise!

  • Auch Alter und Status spielen eine Rolle
  • Das führt zu einem vorhersagbaren Konfliktmuster in Change-Prozessen. Am meisten zu gewinnen haben in Zeiten des Umbruchs die ambitionierten Nachwuchskräfte: Sie haben bislang keine großen Besitzstände erworben und deshalb auch nicht viel zu verlieren, aber sie wollen noch viel erreichen. Deshalb sind sie, die "jungen Wilden", in aller Regel mit Feuereifer bei Change-Projekten dabei: Sie können, wollen und müssen etwas riskieren.

  • Die jungen Wilden …
  • Ganz anders die etablierten älteren Führungskräfte. Sie haben beträchtliche Besitzstände, nicht nur, was Gehalt und Dienstwagen angeht, sondern auch in Bezug auf Status und Einfluss: Sie führen große Bereiche mit zahlreichen Mitarbeitern, beherrschen ihr Verantwortungsgebiet – im doppelten Sinne –, und ihr Wort hat in der Firma Gewicht. Zudem haben sie eine sorgfältig austarierte Machtbalance mit ihren Kollegen-Konkurrenten, die sie nicht in Gefahr bringen wollen. Für sie steht bei Veränderungen daher sehr viel mehr auf dem Spiel – entsprechend misstrauisch reagieren sie auf alle Vorhaben, die nicht im Detail mit ihnen "abgestimmt", sprich, von ihnen nach Entschärfung und Verwässerung als unbedenklich freigegeben sind.

  • … und die alten Fürsten
  • Da die allermeisten der "jungen Wilden" aber entweder direkt oder (meist) indirekt an die "alten Fürsten" berichten, ergibt sich eine charakteristische, geradezu archetypische Konfliktdynamik: Wenn das Top-Management Veränderungen ausruft, kann es auf die begeisterte Unterstützung der "jungen Wilden" zählen. Die "alten Fürsten" dagegen teilen den Enthusiasmus ihrer Nachwuchskräfte in aller Regel überhaupt nicht. Sie können ihnen dies aber nicht so direkt sagen (und noch weniger die Gründe dafür), um sich nicht auf noch höherer Ebene angreifbar zu machen. Stattdessen geben sie ihnen indirekt zu verstehen, dass sie erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Vorhaben haben und daher auch ihren Einsatz dafür sehr reserviert sehen.

  • Vorhersagbare Spannungen
  • "Einbremsen" übereifriger Nachwuchskräfte

     

    Falls diese dezenten Hinweise nicht die gewünschte Wirkung zeigen, greifen sie zu stärkeren Mitteln, um den unerwünschten "Übereifer" der Nachwuchskräfte zu bremsen. Das beginnt meist mit dem "gut gemeinten" Rat, über ihrem Engagement für das vom Vorstand forcierte Change-Projekt ihre Aufgaben im Tagesgeschäft nicht zu vernachlässigen – gern ergänzt um den zusätzlichen Hinweis, dass sie letztlich allein an ihrer Leistung bei ihren Kernaufgaben gemessen würden und nicht an irgendwelchen freiwillig gewählten Zusatzaufgaben.

  • "Gut gemeinte" Ermahnungen
  • Dass solche Ermahnungen Wirkung zeigen, merkt man in Change-Projekten oft daran, dass vormals engagierte Teammitglieder nach einer Weile plötzlich spürbar zurückhaltender werden, vor allem wenn es um die Übernahme neuer Aufgaben geht. Zuweilen wirken sie dabei etwas niedergeschlagen oder verunsichert, rücken aber nicht mit der Sprache heraus, was ihnen auf der Seele liegt. Andere berichten ganz offen darüber, dass sie "angesprochen wurden" und daher ihr Engagement für das Projekt herunterfahren müssen. Da man von ihnen kaum erwarten kann, dass sie sich und ihre Karriere für ein vom Vorstand gewünschtes, aber von ihren direkten Chefs nicht geliebtes Projekt aufopfern, kann man ihnen das nicht verdenken.

  • … zeigen Wirkung
  • Bei den "schwer Erziehbaren", bei denen solche dezenten Ermahnungen nicht gefruchtet haben, haben die Hierarchieoberen eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Daumenschrauben weiter anzuziehen: zeitaufwendige Zusatzaufgaben, gern mit der süffisanten Begründung, "da Sie offenbar nicht ausgelastet sind", anspruchsvollere Ziele, strengere Maßstäbe, die an das operative Funktionieren des Verantwortungsbereichs angelegt werden, verstärkte Aufmerksamkeit für offene Baustellen in ihrem Verantwortungsbereich, und manches andere mehr.

    Die Kunst ist, dabei so geschickt vorzugehen, dass es nicht als Unterlaufen des vom Vorstand gewollten Projekts interpretiert werden kann, hinter dem man selbstverständlich – wer würde es wagen, das Gegenteil zu behaupten? – vollinhaltlich steht und zu dem man alle erwarteten Lippenbekenntnisse ablegt.

  • … spätestens nach Anziehen der Daumenschrauben
  • Wenn aus so manchem engagiert gestarteten Projekt nach einiger Zeit ohne erkennbaren Grund "die Luft herausgeht", liegt der klammheimliche Grund oft in solchen Geschehnissen im Hintergrund. Nach einer Weile haben die meisten anfänglich so enthusiastischen Nachwuchskräfte begriffen, dass sie sich und ihrer Karriere mit ihrem Engagement keinen Gefallen tun, und daraus – teils zähneknirschend, teils mit achselzuckendem Pragmatismus – die Konsequenzen gezogen.

  • Wenn plötzlich die Luft heraus ist
  • Clevere Nachwuchskräfte werden vorhersehbar lavieren

     

    Was tun? Selbst wenn der Vorstand bzw. die Geschäftsführung mit großer Entschiedenheit interveniert, sobald ihm dieses Störfeuer bewusst wird, wird er das ursprüngliche Engagement der Nachwuchskräfte kaum wiederherstellen können. Denn an deren grundsätzlichen Dilemma ändert ihre Rückendeckung ja nichts: Die direkten Vorgesetzten der Nachwuchskräfte verlangen von ihnen etwas anderes als das Top-Management. Wenn sie klug sind, wollen sie es sich mit keiner der beiden Seiten verderben.

  • Interventionen von oben helfen nur begrenzt
  • Zwar ist der Vorstand in der Hierarchie natürlich höher und damit formal mächtiger als die mittleren Führungsebenen, aber die mittleren Führungsebenen sind die direkten Vorgesetzten der Nachwuchskräfte. Deshalb sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblichen Einfluss nicht nur auf deren weitere Karriere, sondern auch auf ihre "Lebensqualität in der Arbeit". Entsprechend kurzsichtig wäre es für die Betreffenden, wenn sie, um dem Vorstand zu imponieren, ihre direkten Chefs vor den Kopf stießen.

  • Zwischen den Stühlen
  • Das vorhersehbare Resultat ist Lavieren: Sie wollen es beiden Seiten so recht wie möglich machen – und wenn das nicht geht, kommen sie in große Verlegenheit, orientieren sich in ihrem Handeln aber letztlich – klugerweise –an denen, die ihnen kurz- und mittelfristig den größten Ärger bereiten können. Dabei geht es den Betreffenden oft erkennbar seelisch und körperlich schlecht: Sie fühlen sich "zwischen Baum und Borke" und leiden sichtlich, wenn sie von Vorständen, Projektleitern oder externen Beratern auf ihren nachlassenden Einsatz im Projekt angesprochen werden, gerade wenn sie innerlich selbst von der Sinnhaftigkeit des Projekts überzeugt sind.

  • Lavieren geht über Engagieren
  • Trotzdem wäre es ebenso naiv wie aussichtslos, von ihnen mehr Mut und mehr Konfliktbereitschaft zu fordern: Aus der Zwickmühle, in der sie stecken, könnten sie sich nur unter erheblichen Karriererisiken befreien, indem sie klar für das Veränderungshaben Position beziehen. Es wäre aber weder fair noch realistisch, von den "jungen Wilden" den Heldenmut zur Lösung eines Dilemmas zu erwarten, das letztlich das Top Management herbeigeführt hat: So wild sind die jungen Wilden dann auch wieder nicht.

  • Vom Management verschuldete Zwickmühle
  • Von vornherein falsch angelegt

     

    Die einzige saubere und realistische Lösung, derartige destruktive Konstellationen zu vermeiden, ist, von Anfang an der Versuchung zu widerstehen, Change-Projekte als ein Bündnis des Top Managements mit den jungen Wilden gegen die angeblichen Bremser und Blockierer im mitteren Management zu inszenieren. Denn damit legt man das Vorhaben faktisch als einen Machtkampf mit dem mittleren Management an. Das ist nicht nur unnötig polarisierend, sondern auch machtpolitisch ungeschickt, denn aus machiavellistischer Sicht ist es ein unverzeihlicher Fehler, einen Machtkampf anzuzetteln, den man mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren wird.

  • Keinen unnötigen Machtkampf vom Zaun brechen
  • Das wäre genauso ungeschickt, wie, einen unnötigen Machtkampf mit dem Betriebsrat anzuzetteln, in dem man ihn zu überrumpeln versucht und seine gesetzlichen Mitbestimmungsrechte übergeht. Aus purer Selbstachtung und um seine Rechtsposition zu wahren, bliebe dem Betriebsrat in solch einem Fall gar nichts anderes übrig, als auf seinen Rechten zu bestehen und sie notfalls auch durch Anrufung der Einigungsstelle oder des Arbeitsgerichts durchzusetzen. Was mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Niederlage für den Arbeitgeber enden würde, weil das Arbeitsgericht bei offenkundigen Rechtsverstößen natürlich zugunsten des Betriebsrats entscheiden wird.

  • Schädliche Machtkämpfe mit Betriebsräten
  • Aus machiavellistischer Perspektive ist es dilettantisch, Spielzüge zu machen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Schwächung der eigenen Position führen. Darüber hinaus ist es völlig überflüssig, weil es in aller Regel möglich ist, das mittlere Management bei Change-Prozessen "mitzunehmen", sofern man es nur frühzeitig in die Diskussion über den bestehenden Handlungsbedarf einbezieht und ihm den Druck zur Veränderung verdeutlicht. Das garantiert nicht unbedingt, dass die mittleren Führungskräfte voller Begeisterung mitziehen, aber es verhindert zumindest, sie schon durch die gewählte Vorgehensweise zu erbitterten Gegnern des Veränderungsvorhabens zu machen.

  • Keine Spielzüge, die die eigene Position schwächen
  • Der Einwand, dass so viel Einbeziehung angesichts des bestehenden Veränderungsdrucks viel zu lange dauert, ist arg kurz gedacht: Wenn bei einem schnelleren Vorgehen eine hohe Wahrscheinlichkeit des Scheiterns besteht, kann dessen Zeitersparnis ja wohl kein Argument sein. Das wäre so, als wenn man sagen würde: Wir müssen mit fast leerem Tank losfahren, weil wir einfach nicht mehr die Zeit zum Tanken haben.

  • Gefährliche, potenziell tödliche Ungeduld
  • Wieviel Zeit hat man denn gespart, wenn man das Vorhaben an die Wand fährt? Dann hat man erst einmal verbrannte Erde hinterlassen und muss unter Umständen einige Jahre (oder auf den nächsten Vorstand) warten, bevor man das Thema wieder auf den Tisch bringen kann. Wenn der Handlungsdruck tatsächlich so groß ist, ist das keine gute Alternative – im schlimmsten Fall sogar eine tödlicher Fehler.

  • Verbrannte Erde statt Beschleunigung

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