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Mitarbeiterbefragung: Synchronisation für einen neuen Aufbruch |
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Um in Erfahrung zu bringen, was Ihre Mitarbeiter bewegt, wie
zufrieden sie sind und wie sie über verschiedene Dinge denken,
ist eine Mitarbeiterbefragung eigentlich ein viel zu großes Geschütz:
Das können Sie schneller, billiger und genauer durch einen Motivations-
und Führungsaudit herausfinden, sprich, mit einer Handvoll Interviews oder Workshops. Dagegen sind Mitarbeiterbefragungen
ein ausgezeichnetes Instrument, um die Aufmerksamkeit der gesamten
Belegschaft auf ein kritisches Thema zu lenken. Damit bewirken sie
eine Synchronisation der Wahrnehmung, die die optimalen Startbedingungen
für einen neuen Aufbruch schafft. |
Kein ideales Messinstrument
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Die erste wichtige Frage, bevor Sie eine Mitarbeiterbefragung
durchführen (lassen), ist, was Sie damit eigentlich erreichen wollen.
Irreführenderweise scheint die Antwort sonnenklar: Sie wollen wissen,
wie die Mitarbeiter über verschiedene Dinge denken und wie sie mancherlei
wichtige Fragen (wie zum Beispiel Betriebsklima oder Führungsqualität)
bewerten. Aber das ist genau besehen eigentlich keine Antwort, denn diese Daten
sind ja kein Selbstzweck. Wozu wollen Sie dies wissen? Welche Hypothesen
haben Sie im Kopf? Welche weiteren Schritte schweben Ihnen vor? |
Was wollen Sie erreichen? |
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Nun könnten Sie pikiert einwenden: "Welche weiteren Schritte wir
unternehmen wollen, hängt natürlich von den Ergebnissen der Befragung
ab. Genau dafür brauchen wir ja die Daten!" Dann hätten Sie allerdings
ein Problem. Denn ob eine Mitarbeiterbefragung eine gute oder eine
schlechte Idee ist, hängt maßgeblich davon ab, wie es danach weiter
geht. Eine Mitarbeiterbefragung produziert nämlich nicht nur Daten,
sondern auch Erwartungen. Was zur Folge hat, dass Sie damit sowohl
sich selbst als auch das Top-Management insgesamt in Zugzwang bringen. |
Es entstehen nicht
nur Daten |
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Eine Mitarbeiterbefragung weckt Erwartungen |
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Man kann nach einer Mitarbeiterbefragung nicht so tun, als ob nichts
gewesen wäre, die Ergebnisse ablegen und zur Tagesordnung übergehen. Oder genauer, man kann es sehr wohl, und es geschieht auch immer wieder – aber damit löst man große
Irritation und Enttäuschung aus. Die Mitarbeiter würden nicht
mehr verstehen, was Sie eigentlich wollen: "Erst machen sie eine Riesen-Befragung, und dann geschieht nichts. Sogar die Ergebnisse halten sie unter Verschluss; die müssen ja katastrophal schlecht ausgefallen sein!" |
Gefahr von Enttäuschungen |
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Hier liegt ein fundamentaler Unterschied zwischen sozialen und
technischen Messungen: In der Technik handelt es sich um sogenannte nicht-reaktive
Messungen; das heißt flapsig gesagt, dem vermessenen Objekt
ist es zutiefst egal, ob es vermessen wird. Oder etwas seriöser ausgedrückt,
dass das Messobjekt durch die Messung nicht nennenswert beeinflusst wird.
In sozialen Systemen haben wir es dagegen fast immer mit "reaktiven
Messungen" zu tun. Das heißt, die Messung löst bei den Mitarbeitern
Reaktionen aus. Vor allem schafft sie Erwartungen – und damit das
Potenzial für Enttäuschungen. |
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Wenn Sie zum Beispiel eine Reihe von Fragen zur Qualität von Führung
und Zusammenarbeit stellen und an die Mitarbeiter appellieren, diese
Fragen ungeschminkt und offen zu beantworten, dann erklären Sie
damit implizit, dass Sie dieses Thema erstens für relevant und
zweitens für überprüfenswert halten. Daraus entsteht zwangsläufig
die Erwartung, dass Sie etwas unternehmen werden, wenn die Befunde
Handlungsbedarf anzeigen. (Was mit großer Wahrscheinlichkeit der
Fall sein wird. Und Sie können sich darauf verlassen, dass die
Mitarbeiter und der Betriebsrat
hierfür ein gutes Gespür haben.) Wenn nach einer Mitarbeiterbefragung
nichts Ernsthaftes geschieht, entsteht daher große Enttäuschung, und das Management verliert
an Glaubwürdigkeit
und Vertrauen. |
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Das hat drei Konsequenzen. Erstens, dass Sie, falls Sie noch gar
nicht sicher sind, ob Sie zu den abgefragten Themen größere Maßnahmen durchführen wollen, besser die Finger von einer breit angelegten
Mitarbeiterbefragung lassen. Zweitens, dass Sie bei der Auswahl
der Fragen sehr sorgfältig darauf achten sollten, die Aufmerksamkeit
der Belegschaft nicht auf Themenfelder zu lenken, auf denen Sie
derzeit nichts unternehmen wollen oder können. (Ein großes Risiko
bei zugekauften oder geklauten Fragebögen!)
Drittens, dass in diesem Erwartungseffekt auch eine große Chance
liegt. Denn sie können eine Mitarbeiterbefragung ganz gezielt nutzen,
um die Aufmerksamkeit
der gesamten Belegschaft auf eine bestimmte Thematik zu lenken,
bei dem Sie Handlungsbedarf sehen. |
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Falls Sie fürs Erste nicht mehr wollen als ein paar empirische
Daten, denken Sie besser über alternative Methoden nach. Vermutlich
führt Sie hier ein Motivations-
und Führungsaudit, also die mündliche Befragung einer kleinen
Stichprobe von Mitarbeitern, schneller, besser und mit weniger Risiken
und Nebenwirkungen zum Ziel. |
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Wie Sie vorgehen können, um die Kultur Ihres Unternehmens gezielt zu verändern, erfahren Sie in meinem Buch "Culture Change – Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil" (Schäffer-Poeschel 2. erweiterte Auflage 2019). Es vermittelt Ihnen praxiserprobte Strategien zur Kulturveränderung und zeigt Ihnen, worauf es ankommt, um die Weiterentwicklung Ihrer Unternehmenskultur nicht nur erfolgreich zu starten, sondern sie über alle Fallstricke hinweg zu einem dauerhaften Erfolg zu führen.
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Synchronisierung der Aufmerksamkeit |
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Der größte Nutzen einer Mitarbeiterbefragung liegt nicht in den
Daten, die sie liefert, sondern darin, dass sie die Aufmerksamkeit
der gesamten Belegschaft synchronisiert
und so einen gemeinsamen Aufbruch vorzubereiten hilft. Das beginnt damit,
dass alle Mitarbeiter den Fragebogen erhalten und durchblättern.
Viele füllen ihn nicht nur aus, sondern diskutieren auch mit Kollegen
darüber. Und natürlich löst auch die Auswertung, wenn sie offen
und in guter Aufmachung kommuniziert wird, vielfältige Diskussionen
aus. Deshalb ist eine solche Befragung das ideale Instrument, um zum Beispiel ein Programm zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur oder Führungskultur anzustoßen und Zustimmung dafür zu gewinnen. |
Bündelung der Aufmerksamkeit |
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Die breite Diskussion der Ergebnisse und der abzuleitenden Schlussfolgerungen
ist, wenn man eine Mitarbeiterbefragung so einsetzt, nicht der unvermeidliche
Abschluss des "Projekts Befragung", sondern ein zentraler Bestandteil
der
Dramaturgie
auf dem Weg zu einer Veränderung. Deshalb sollte sich die Geschäftsleitung nicht aktiv nur an diesen Diskussionen beteiligen, sondern gezielt
Foren für sie schaffen (z.B. Jour-fixes, Workshops, ein Diskussionsforum
im Intranet). |
Breite Diskussion
auslösen! |
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Scheuen Sie sich nicht, bei der Diskussion über die Befunde auch
kontrovers Stellung zu nehmen! Denn aus der Tatsache, dass viele
Mitarbeiter oder Führungskräfte eine bestimmte Auffassung vertreten,
folgt noch lange nicht, dass sie Recht haben bzw. dass ihre Sichtweise
das Unternehmen weiter bringt (
Rationalität). Beispielsweise
kann es durchaus sein, dass in den Antworten zum Thema Kundenorientierung eine hohe (Selbst-)Zufriedenheit der Mitarbeiter zum Ausdruck kommt.
Das heißt nicht unbedingt, dass auf diesem Gebiet kein Handlungsbedarf
besteht – möglicherweise sprechen Ihre eigene Erfahrung oder auch
Kundenbefragungen
eine ganz andere Sprache. Möglicherweise ist die hohe Zufriedenheit
sogar ein Teil des Problems. Dann wäre es nicht nur sinnvoll, sondern
sogar notwendig, die Ergebnisse der Befragung mit einer anderen
Sichtweise zu konfrontieren und damit ganz gezielt eine kontroverse
Diskussion auszulösen. |
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In aller Regel fördert eine Mitarbeiterbefragung bestimmte
Wünsche und Erwartungen an die Geschäftsleitung zu Tage. Daraus folgt keineswegs,
dass Sie diesen Vorstellungen ohne Wenn und Aber entsprechen müssten.
Wichtig ist nur, dass Sie, falls Sie dies nicht zu tun beabsichtigen, klar und deutlich Stellung beziehen.
Hier hat das Management eindeutig eine Bringschuld: Wenn Sie den
artikulierten Vorstellungen vieler Mitarbeiter nicht zu entsprechen
beabsichtigen – wofür es gute Gründe geben kann –, dann müssen Sie
dies klar und deutlich sagen. Anderenfalls leisten Sie dem Entstehen falscher
Erwartungen und damit späteren Enttäuschungen und Konflikten Vorschub. |
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Der entscheidende Nutzen einer Mitarbeiterbefragung ist zum einen, dass sich die ganze Mannschaft
für einige Wochen mit dem Themenfeld beschäftigt, das Sie ins Blickfeld
der Aufmerksamkeit rücken wollten, und dass sie dabei zum anderen meist
zu (einigermaßen) übereinstimmenden Schlüssen kommt. Kontroversen
und Konflikte sind in dieser Diskussion
nicht schädlich, sondern willkommen: Wenn unterschiedliche Sichtweisen
und Erwartungen nicht mit staatsmännischen Leerformeln zugekleistert,
sondern offengelegt und sauber geklärt werden,
helfen sie, Klarheit über Ziele und Prioritäten zu schaffen. Wenn
Sie dabei selber dazulernen und redlicherweise sogar gezwungen sind,
Positionen zu korrigieren, war die Diskussion in doppelter Hinsicht
besonders wertvoll: Erstens haben Sie neue Erkenntnisse gewonnen,
und zweitens haben Sie den Mitarbeitern bewiesen, dass die Geschäftsleitung
lern- und veränderungsbereit ist. |
Gemeinsame Schluss-folgerungen |
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Im besten aller denkbaren Fälle steht am Schluss dieser Diskussion
ein breiter Konsens über Ziele, Prioritäten und die Vorgehensweise
zu ihrer Erreichung. Im zweitbesten Fall verstehen Führungskräfte,
Mitarbeiter und Betriebsrat
zumindest, weshalb die Geschäftsleitung bestimmte Maßnahmen einleitet,
und wissen, in welche Richtung es gehen wird – auch wenn sie davon
vielleicht nicht begeistert sind. Natürlich ist ein breiter Konsens
besser, aber er ist nicht immer erreichbar, und es ist nicht sinnvoll,
den Preis einer Verwässerung der Prioritäten dafür zu bezahlen. |
Konsens oder zumindest Verständnis |
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Wie Sie bei Vorbereitung und Durchführung einer Mitarbeiterbefragung
konkret vorgehen, lesen Sie im Abschnitt Mitarbeiterbefragung:
Praktische Tipps. |
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© 2001 Winfried Berner / letzte Aktualisierung 24.8.2017 – vollständige oder auszugsweise Wiedergabe, gleich in welcher Form, honorarpflichtig und nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung / Zitate im üblichen Umfang mit Quellenangabe gemäß wiss. Zitationsregeln zulässig. Näheres siehe Nutzungsbedingungen. |
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